Donnerstag, 10. April 2008

Behördenpropaganda oder "Maulkorbinitiative"?

Die gegenwärtige PR-Kampagne gegen die Eidgenössische Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda», die schon sehr früh mit dem PR-Begriff «Maulkorb»-Initiative abgewertet wurde, bietet das beste Beispiel, wie weit sich Bundesrat und Verwaltung von der in der Bundesverfassung festgelegten, neutralen Informationspflicht entfernt haben. Bis in die 50er Jahre war eine steuerfinanzierte aktive «Öffentlichkeitsarbeit» der Behörden zur Durchsetzung «ihrer» Vorlagen unvorstellbar, und Bundesräte zogen in Abstimmungskämpfen auch nicht mit Referaten durchs Land. Es gab keine Interviews mit Departementsvorstehern, und diese liessen sich schon gar nicht auf kontradiktorisch geführte Mediendebatten ein. Die Austragung von Abstimmungskämpfen blieb den Parteien, Verbänden, Organisationen und den damals noch überwiegend parteipolitisch gebundenen Medien überlassen. Der Bundesrat begnügte sich damit, Entscheidungen des Stimmvolks als Auftrag entgegenzunehmen, und fühlte sich nicht wie heute dazu berufen, die Wählerinnen und Wähler vor dem Wahlgang durch Werbekampagnen und einseitige Informationen zu beeinflussen.
In den letzten Jahren haben sich die Fälle gehäuft, wo die Behörden mit PR-Kampagnen versucht haben, ihnen nicht genehme Volksbegehren von links und rechts zu Fall zu bringen. Dazu nur wenige Beispiele: Das Volksbegehren «Gleiche Rechte für Behinderte» wurde wegen intensiver Behördenpropaganda abgelehnt. Das Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG) wollte bis zu 300000 Franken Steuergelder einsetzen, um die Volksinitiative «Ja zur Komplementärmedizin» mit Hilfe eines externen PR-Büros besser bekämpfen zu können. Ganz deutlich konnte man das auch bei der Abstimmung zur «Ostfreizügigkeit» und beim «Asylgesetz» sehen. So sollen zum Beispiel karitative Organisationen Spenden vom Bund erhalten haben, die diese dann wiederum für Propaganda einsetzen konnten. Der Regierungsrat Basel-Stadt legte den Abstimmungsunterlagen zur «Kohäsionsmilliarde» – eine eidgenössische Abstimmung – ein Schreiben bei, das die StimmbürgerInnen zu einem JA bewegen sollte. Schon 1997, bei der Abstimmung «Für ein Verbot der Kriegsmaterialausfuhr» trat Bundesrat Ogi wiederholt am Fernsehen auf und versicherte, die Schweiz werde in Zukunft eine sehr restriktive Waffenausfuhrpolitik betreiben. Gravierend ist auch, dass Bundesrat und Verwaltung ihre Kampagnen mit Steuergeldern finanzieren und externe PR-Berater beiziehen. Untersuchungsergebnisse der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Ständerates zeigen, dass die Bundesverwaltung jährlich zwischen 600 und 700 Millionen Franken für externe Berater ausgibt. Neben den bundeseigenen PR-Leuten, die gegen 100 Millionen kosten sollen, dürfte auch ein stattliches Stück des externen Kuchens in die PR-Kampagnen fliessen. Selbst die «Neue Zürcher Zeitung» findet, dass es «nicht Aufgabe der Bundesräte und übereifriger Beamter sein könne, Abstimmungskämpfe wortwörtlich gleich selber zu «führen». Wenn im Anschluss an eine Abstimmung fast die Hälfte der Bevölkerung – nicht zu Unrecht – das Gefühl hat, nicht dem demokratischen Prozess, sondern der Informationspolitik des Bundes unterlegen zu sein, schadet dies der Akzeptanz und der Glaubwürdigkeit des Bundesrates und dem politischen Klima in der Schweiz.

P. Aebersold, Zürich

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