Samstag, 23. Februar 2008

Mobbing und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Mobbing
Wer redet, ist klar im Vorteil

Text: Irmtraud Bräunlich

Wenn man am Arbeitsplatz gemobbt wird, sollte man dies frühzeitig ansprechen. Ein Urteil zeigt: Jene, die nur die Faust im Sack machen, haben bei einem späteren Rechtsstreit schlechte Karten.
Fürsorgepflicht: Vorgesetzte sind in der Regel die ersten Ansprechpartner.
Gezielte Schikanen, abschätzige Bemerkungen, unfaire Kritik, fiese Machenschaften aller Art - Mobbing hat viele Gesichter. Studien haben ergeben, dass gegen zehn Prozent aller Arbeitnehmer Psychoterror und Ausgrenzung am Arbeitsplatz erleben. Die Folge der Feindseligkeiten sind nicht selten gesundheitliche Störungen, ein kaputtes Selbstwertgefühl, Stellenverlust und Arbeitslosigkeit.

Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, die Persönlichkeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu respektieren und zu schützen sowie auf deren Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen. Sie dürfen Mobbing also nicht dulden. «Der Arbeitgeber, der Mobbing nicht verhindert, verletzt seine Fürsorgepflicht», hat das Bundesgericht unmissverständlich festgehalten. Damit verstösst er gegen seine vertraglichen Pflichten und kann finanziell belangt werden. Denkbar sind Schadenersatzforderungen, in schwerwiegenden Fällen kann dem Geschädigten auch eine Genugtuungssumme zugesprochen werden. Betroffene sind also nicht rechtlos.

Doch Achtung: Wer den Arbeitgeber zur Rechenschaft ziehen will, muss aktiv werden. Laut einem kürzlich vom Arbeitsgericht Zürich gefällten Urteil müssen von Mobbing betroffene Mitarbeiter dies dem Arbeitgeber anzeigen und ihn an seine Fürsorgepflicht erinnern. Wer die Missstände nicht zur Sprache bringt, kann später - falls es zu einer Kündigung kommt - keine Forderungen mehr stellen. Das musste eine Arbeitnehmerin erfahren, die erst nach erfolgter Kündigung geltend machte, sie sei aufs Schwerste gemobbt worden, die Kündigung sei daher missbräuchlich. Das Verdikt des Gerichts war unerbittlich: Da der Arbeitgeber über die angebliche Mobbingsituation nicht informiert war, habe er seine Pflicht, die Klägerin zu schützen, gar nicht wahrnehmen können. «Die Frage, ob tatsächlich Mobbing ausgeübt wurde, kann somit offengelassen werden», betonte das Gericht und wies die Klage ab.

Beweise sammeln ist unabdingbar
Dass man Ungereimtheiten und Konflikte am Arbeitsplatz frühzeitig ansprechen sollte, bestätigt auch Claudia Stam von der Mobbing Beratungsstelle Zürich & Bern. Sie rät jedoch, in einer ersten Phase nicht von Mobbing zu reden, sondern die konkreten Vorfälle und Probleme anzusprechen (siehe «Konfliktgespräche: So gehen Sie richtig vor»). Zur Vorbereitung des Gesprächs empfiehlt es sich, Tagebuch zu führen und Belege für unfaire Attacken zu sammeln. «Es ist wichtig, dass man offen auf den Tisch legt, was einem zu schaffen macht, und zeigt, dass man ernsthaft eine Lösung sucht», so die Fachfrau. «Wenn wir die Arbeitgeber unserer Ratsuchenden kontaktieren, hören wir von den Chefs immer wieder, sie hätten nicht gewusst, dass die Probleme so gravierend seien.»

Werden Gespräche verweigert oder führen sie nicht zum Ziel, sollte man dem Arbeitgeber einen Brief schreiben, ihn darin an seine Fürsorgepflicht erinnern und ihn auffordern, Abhilfe zu schaffen. Ist der Chef selbst der Übeltäter, gelangt man an die nächsthöhere Stelle oder die Personalabteilung. Erhält man die Kündigung, nur weil man sich für seine Rechte gewehrt hat, ist diese Kündigung missbräuchlich. Betroffene Angestellte können eine Entschädigung von bis zu sechs Monatslöhnen einklagen.

Sich gegen Mobbing zu wehren braucht Kraft und Durchsetzungsvermögen. Wer allein nicht weiterkommt, holt besser früher als später professionelle Hilfe. Mobbingberaterin und Psychologin Claudia Stam bedauert, dass viele Leute sich zu spät melden. «Wenn sie entweder schon gekündigt haben oder gesundheitlich so angeschlagen sind, dass sie sagen: ‹Ich kann nicht mehr dahin zurück, ich halte es nicht mehr aus›, ist natürlich nicht mehr viel zu machen», so Stam. «Je früher jemand kommt, desto besser.»

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