Neues Buch von Eva Herman: Wie ich Staatsfeind Nr. 1 wurde
Gerhard Wisnewski
Wir schreiben das Jahr 2007. Eine Frau wird gejagt. Vor ihrem Haus lauern Reporter. Sie wagt sich nicht mehr auf die Straße. Sie traut sich keine Zeitung mehr aufzuschlagen. Ihr Job wird ihr gekündigt, ihre bisherige Existenz zerstört. Im Fernsehen finden Tribunale statt. Sie ist Staatsfeindin Nr. 1. Die Anklage: Sie hat eine eigene Meinung. Mütter sollen sich wieder um ihre Kinder kümmern können. Das Urteil: Berufliche und soziale Vernichtung. Ihr Name: Eva Herman. Heute, 2010, kennt sie die Wahrheit. Und den Preis, den man hierzulande dafür zahlen muss. Und so heißt denn auch ihr neues Buch: »Die Wahrheit und ihr Preis«.
Die Frau ist eine einzige Provokation: Sie ist blond. Sie ist schön. Sie heißt Eva. Und Herrmann*! Geht's noch schlimmer? Und ob: Sie hat eine eigene Meinung. Unerhört! Und welche? Ganz einfach: Sie will Mutter und Ehefrau sein und ihre Kinder zu Hause erziehen dürfen. Und auch andere Frauen dazu ermutigen. Schlimm genug. Aber das hat sie nicht nur gedacht, sondern auch gesagt. Und geschrieben. Zum Beispiel in ihren Büchern Das Eva Prinzip (2006) und Das Prinzip Arche Noah (2007). Und das ist ein Staatsverbrechen im Deutschland des 21. Jahrhunderts.
Auf Staatsverbrechen steht das Fallbeil. Und das heißt in diesem Fall: Nazi. Mit Nazi-Vorwürfen lässt sich ein deutscher Journalist am leichtesten mundtot machen. Da spielt es auch gar keine Rolle, dass sich Eva Herman schon x-mal von braunem Gedankengut distanziert und sich gegen Nazis engagiert hat. Denn darüber wird einfach nicht berichtet werden.
Man kann dieses »braune Fallbeil« allerdings nicht alleine schmieden, sondern die Klinge muss die Verurteilte selber liefern. Zumindest das Rohmaterial, also gewissermaßen den Stahl: Irgendetwas, woraus sich eine braune Gesinnung drechseln ließe. Man wartet also. Und man sucht und besucht, zum Beispiel Hermans öffentliche Auftritte. Man durchkämmt ihre Äußerungen nach dem begehrten Rohstoff. Man entscheidet sich für ein Zitat aus einer Pressekonferenz zu ihrem 2007 neu erschienenen Buch Das Arche-Noah-Prinzip:
»Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen auch ‘ne Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien. Und wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen lernen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauffolgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das – alles, was wir an Werten hatten –, es war ‘ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle –, aber es ist eben auch das, was gut war – und das sind Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt – das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben.«
Aber ist er das wirklich, der begehrte Stahl, aus dem sich der Nazivorwurf – die braune Guillotine – schmieden lässt? Immerhin distanziert sich Eva in dem Zitat von der Nazizeit. Egal – die Zeit ist knapp, und Eva muss weg. Und zwar schnell. Also schmiedet man aus dieser Äußerung Hermans Folgendes:
»In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat.«
Zugegeben: Das Rohmaterial, der Stahl, ist nicht echt, und es ist eine schlampig gemachte, eilig hingebogene Klinge. Und genau deshalb musste der Axel Springer Verlag später schlappe 25.000 Euro Entschädigung an Herman zahlen. Aber man hat nun mal nichts »Besseres«! Also schreitet man damit zum Richtplatz. Der Großinquisitor ist gleichzeitig der Henker: Johannes Baptist (»Der Getaufte«) Kerner. Der Gerichtshof ist die Johannes B. Kerner Show am 9. Oktober 2007 beim ZDF. Der Sohn eines Jesuitenlehrers und Absolvent eines Jesuiten-Gymnasiums ist hier am richtigen Platz. Ein Jesuitenschüler in vorderster Front, wie auch der Blödel-König Stefan Raab, der CDU-Sophist Heiner Geißler, der Innenminister Thomas de Maizière. In Kerners Büro steht noch heute eine Riesenausgabe der Bibel.
Am Ende schneidet die Guillotine ab – die Ehre, den Ruf, den Beruf. Mit aller Gewalt versuchen Kerner und die übrigen Gäste Herman weiter in die rechte Ecke zu stellen. Schließlich muss sie die Show wie eine Geteerte und Gefederte verlassen.
Aber das ist natürlich nur die arg vereinfachte Form dieses realen Krimis, den Eva Herman nun selber aufgeschrieben hat: Die Wahrheit und ihr Preis heißt ihr neues Buch, das im Kopp Verlag erschienen ist. In sehr persönlichen und ehrlichen Worten beschreibt Eva Herman eine Hetzjagd, die einem den Schweiß auf die Stirn treibt. Und die in Sätzen gipfelt wie: »Ihre Thesen sind so dumm, dass man an Ihre Bücher sofort mit dem Feuerzeug dran möchte. So ein bisschen anbrennen will.« Ohne dass sie es ausspricht, wird aus der Hetzjagd vor dem geistigen Auge des Lesers ein Verbrechen, das hier an einem Menschen verübt wurde, der nichts weiter wollte, als (stellvertretend für viele) seine Meinung zu sagen.
Ja, sogar das Thema Tod klingt in ihrem Buch an: »Ich kenne zum Glück nur wenige, die solche Situationen nicht ausgehalten haben und sich vorher freiwillig aus dem Leben verabschiedeten«, schreibt Herman über den Beginn der Hetzkampagne: »Besonders viel Verständnis konnte ich nie für sie hegen, denn der Mensch muss durchhalten, egal, welche Prüfung ihm auferlegt wird. Zum ersten Mal ahne ich, wie es sich wirklich anfühlt.« Und der Leser ahnt, was in Herman vorgegangen sein muss. Getreu dem Motto: Der Rufmord geht dem (Selbst-) Mord voraus. Denn soziales und physisches Leben gehören zusammen. Wird das eine vernichtet, steht das andere auf der Kippe.
Das Buch schildert exemplarisch, was einem Menschen im Deutschland des 21. Jahrhunderts geschieht, wenn er die Wahrheit sagen will. Zum Beispiel die Wahrheit über überforderte Frauen und Männer, vernachlässigte Kinder, unglückliche Familien und über sinkende Geburtenraten. Und wohin das führt:
»Die Beschäftigung der Frau in der Fabrik löst die Familie notwendig gänzlich auf, und diese Auflösung hat in dem heutigen Zustande der Gesellschaft, der auf der Familie beruht, die demoralisierendsten Folgen, sowohl für die Eheleute wie für die Kinder.«
Halt, das war ja nicht Eva Herman, sondern Friedrich Engels, der Mitstreiter von Karl Marx. Leider haben die »Marxisten« und vor allem die Leninisten nicht auf ihn gehört: »Unsere jetzige Aufgabe ist die Zerstörung der Familie und die Ablösung der Frau von der Erziehung ihrer Kinder«, hetzte vor fast 100 Jahren Anatoli Lunatscharski (1875–1933), unter Lenin Volkskommissar für das Bildungswesen: »Wenn wir in unseren Gemeinschaftshäusern gut vorbereitete Abteilungen für Kinder organisiert haben, ergibt es sich zweifellos, dass die Eltern ihre Kinder von allein dorthin senden werden, wo sie durch medizinisch und pädagogisch qualifiziertes Personal überwacht sind. Dadurch werden zweifellos Ausdrücke wie ›meine Eltern‹ oder ›unsere Kinder‹ immer weniger gebraucht werden …«
Genau da hetzt uns auch die ehemalige FDJ-Propagandasekretärin Merkel mit ihren angestrebten 750.000 Krippenplätzen hin. In den Leninismus – vielleicht auch in den Stalinismus? Und was Michail Gorbatschow, der Mann, dem sie ihre Freiheit verdankt, zu dem Thema zu sagen hatte, interessiert sie wahrscheinlich nicht die Bohne. Als er den Trümmerhaufen Sowjetunion zusammenkehren durfte, konstatierte er:
»Wir haben erkannt, dass viele unserer Probleme im Verhalten vieler Kinder und Jugendlicher … zum Teil durch die Lockerung familiärer Bindungen und die Vernachlässigung der familiären Verantwortung verursacht werden. Dies ist ein paradoxes Ergebnis unseres ernsthaften und politisch gerechtfertigten Wunsches, die Frau dem Mann in allen Bereichen gleichzustellen. Mit der Perestroika haben wir angefangen, auch diesen Fehler zu überwinden. Aus diesem Grund führen wir jetzt in der Presse, in öffentlichen Organisationen, bei der Arbeit und zu Hause hitzige Debatten über die Frage, was zu tun ist, um den Frauen zu ermöglichen, zu ihrer eigentlichen weiblichen Lebensaufgabe zurückzukehren.«
All dies und noch mehr findet sich in Eva Hermans neuem Buch. Es ist nicht nur die ergreifende und aufwühlende Geschichte eines gehetzten Wildes, sondern auch die Bestandsaufnahme der real existierenden deutschen Demokratie im 21. Jahrhundert – auf dem Weg in den Stalinismus.
P.S.: Ob Johannes Baptist Kerner wohl den Mumm hat, Eva Herman mit ihrem neuen Buch in seine Show einzuladen? Das würde vielleicht auch seiner inzwischen »niederschmetternden Quote« (SZ-Magazin) helfen – wenigstens noch einmal. Zu befürchten ist aber: Johannes Baptist hat keinen Mumm. Nur Vorurteile. Und vielleicht wirklich einen Auftrag – als Großinquisitor.
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* Erst später wurde daraus Herman.
Montag, 29. März 2010
Eva Herman - Staatsfeind Nr. 1
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