Samstag, 6. Februar 2010

Eurogendfor - Die europäische Sondereinheit

Was versteckt sich hinter Eurogendfor mit EU-Besetzungsrecht?

Von wegen Geheimarmee oder geheime ­Polizeieinsatzgruppen. Es gibt sie schon lange in der EU, nur wissen das die wenigsten. Die EU-Polizeitruppe gibt es längst – und sie hat weitreichende Befugnisse! Derzeit ist es eine schon 3000 Mann (!) starke europäische «Sondereingreiftruppe» unter dem zungenbrechenden Kürzel «Eurogendfor» (European Gendarmerie Force/Europäische Polizeitruppe). Das Kommando befindet sich im italienischen Vicenza, fernab von der EU-Zentrale! Ins Leben gerufen wurde die Truppe auf Initiative der früheren französischen Verteidigungsministerin Alliot-Marie, damit ausufernde Unruhen, wie sie in den französischen Städten immer wieder ausbrechen, künftig leichter unterdrückt werden können.
Der grosse Haken bei der Sache: Eurogendfor wird künftig europaweit nationales Recht und die nationale Souveränität der EU-Mitgliedstaaten aushebeln! Über den Einsatz in einem Mitgliedsland der EU entscheidet ein «Kriegsrat», der sich aus den Verteidigungs- und Sicherheitsministerien der an Eurogendfor beteiligten EU-Länder und des betroffenen Staates zusammensetzt – so ist es in der «Gründungsurkunde» der neuen EU-Polizeitruppe, dem Vertrag von Velsen (NL), klar und deutlich geregelt.
Für Beobachter ist das klares EU-Besetzungsrecht. Denn wenn ein Einsatz in einem «befreundeten» EU-Staat erst einmal beschlossen ist, sind alle Gebäude und Gebiete, die von Eurogendfor-Einheiten in Beschlag genommen werden, immun und auch für Behörden des betroffenen Landes nicht mehr zugänglich. Faktisch herrscht damit EU-Besetzungsrecht. Aber es kommt noch schlimmer: Eurogendfor verfügt im Einzelfall nicht nur über polizeiliche, sondern auch über geheimdienstliche Kompetenzen und soll Ruhe und Ordnung im betroffenen Einsatzgebiet in enger Zusammenarbeit mit dem Militär (!) wiederherstellen. Im Bedarfsfall soll die Truppe alle erforderlichen Befugnisse und Mittel zur Verfügung haben, die nötig sind, um das jeweilige Mandat ausüben zu können.
Die europäischen Regierungen sind dank Eurogendfor fein raus. Sie können im Fall sozialer Unruhen oder anhaltender Grossdemonstrationen künftig auf die eigene Bevölkerung schiessen lassen, ganze Gebiete unter militärische Quarantäne stellen und Rädelsführer aus dem Verkehr ziehen, ohne dazu eigenes Militär oder eigene Polizeikräfte heranziehen zu müssen, die sich möglicherweise mit den Demonstranten solidarisieren könnten. Eurogendfor wiederum kann dank seiner zivil-militärischen Ausnahmebefugnisse von niemandem belangt werden.
Möglich macht eine solch unglaubliche Konstellation übrigens erst der Vertrag von Lissabon, der nichts anderes als die umstrittene «EU-Verfassung» unter einem neuen Titel darstellt. Dank dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes haben deutsche Politiker, die das fragwürdige Vertragswerk im Bundestag nahezu einstimmig durchgewinkt haben, künftig ein Anhörungsrecht. Ein deutscher Politiker ernüchtert im privaten Gespräch: «Bei Eurogendfor wird man sich darüber herzlich amüsieren, wenn zum Beispiel über bundesdeutsche Bürgerunruhezentren wie Bottrop oder Neukölln in nicht allzu ferner Zeit der Ausnahmezustand verhängt werden würde.»


Quelle: Vertraulicher Schweizer Brief, 23.1.2010

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