Freitag, 5. Februar 2010

Climategate: Der tiefe Fall Pachauris

Er war angetreten, die Welt zu retten. Doch jetzt kämpft Rajendra Pachauri um seinen Job. Fehlleistungen häufen sich. Die Übertreibungen entlarven den Leiter des Weltklimarats als Propagandisten.

Von Alex Reichmuth

Noch vor gut zwei Jahren stand der Inder Rajendra Pachauri auf dem Gipfel seiner Karriere. Im Oktober 2007 erhielt der Weltklimarat (IPCC) unter seiner Leitung den Friedensnobelpreis zugesprochen, zusammen mit dem amerikanischen Klimaaktivisten Al Gore. Es war die Zeit, als der Weltklimarat mit seinem Chef Pachauri als unangefochtene Instanz galt, die den Skeptikern des menschengemachten Klimawandels wissenschaftlich und moralisch haushoch überlegen schien. Inzwischen ist von den Lorbeeren kaum mehr etwas übriggeblieben: Führende Wissenschaftler des IPCC sind der Manipulation überführt worden, in den Berichten des Weltklimarates tauchen irritierende Fehler auf und Chef Pachauri blamiert sich im Umgang mit wissenschaftlicher Kritik immer aufs Neue.

Das Unheil begann im vergangenen November, als der Mail-Verkehr zwischen führenden Klimawissenschaftlern an die Öffentlichkeit gelangte. Er belegte, dass die Forscher während Jahren versucht hatten, wissenschaftliche Ergebnisse zu manipulieren und skeptische Kollegen kaltzustellen. Mitte Januar dann musste Pachauri einen peinlichen Fehler im jüngsten IPCC-Bericht zugeben: Die Aussage, dass der Grossteil der Himalajagletscher bis 2035 abschmelzen könnte, hatte sich als wissenschaftlich unhaltbar erwiesen. «Sind Fehler nicht menschlich?», verteidigte sich Pachauri vor einigen Tagen.

Das Problem ist aber nicht der Fehler allein, sondern die Art, wie er zustande kam – und wie Pachauri damit umging. Als im November eine indische Studie der These der schmelzenden Himalajagletscher widersprochen hatte, verspottete Pachauri dies als «Voodoo-Wisssenschaft». Auch andere Wissenschaftler hatten ihn noch vor der Klimakonferenz in Kopenhagen aufgefordert, die Aussage der schmelzenden Himalajagletscher zu korrigieren. Pachauri hatte es nicht getan – gemäss Kritikern, um mit alarmistischen Prognosen weiterhin Fördergelder für sein eigenes Forschungsinstitut zu generieren. Erst als der New Scientist vor einem Monat aufdeckte, dass hinter der Behauptung des schmelzenden Himalaia-Eises nicht wissenschaftliche Ergebnisse stehen, sondern lediglich ein fehlerhafter Bericht des WWF, musste Pachauri die Panne eingestehen.

Schon seit Jahren hat der indische Ingenieur und Ökonom die Leitung des Weltklimarats nicht als wissenschaftliche Aufgabe verstanden, sondern als Mission, die Welt auf den richtigen Weg zu führen. Den jüngsten Bericht des IPCC kommentierte Pachauri im Frühling 2007 so: «Ich hoffe, dass dies die Regierungen so schockiert, dass sie handeln.» Man habe einen Krieg gegen die Erde begonnen, predigte er bei der Verleihung des Friedensnobelpreises, und es drohe eine Zerstörung wie einst auf dem Höhepunkt der Atomrüstung. Und statt sich vom Propagandafilm «Eine unbequeme Wahrheit» von Al Gore mit seinen unhaltbaren Übertreibungen zu distanzieren, lobte Pachauri den Film: «Er hat mir gefallen. Er emotionalisiert die Debatte zwar, aber das muss er wohl.»

Kritiker des Weltklimarats pflegte Pachauri jeweils in drastischen Worten niederzumachen. So verglich er etwa den dänischen Statistiker Bjørn Lomborg, der den Nutzen von Klimaschutzmassnahmen bestreitet, mit Hitler: «Wenn Sie Lomborgs Denken folgen sollten, war das, was Hitler getan hat, möglicherweise richtig.» Und in einem Interview des Tages-Anzeigers kommentierte er Einwände gegen die These vom menschengemachten Klimawandel süffisant: «Es gibt immer Skeptiker, die glauben, die Erde sei flach und nicht rund.»

Effekte statt Erkenntnisse
Alles, was in die Berichte des Weltklimarats einfliesse, unterliege strengen wissenschaftlichen Kriterien und werde durchgehend gutachterlich geprüft, hatte Pachauri noch vor kurzem versichert. Der für den Asien-Teil zuständige Autor des IPCC gestand vor einigen Tagen nun ein, gewusst zu haben, dass die Behauptung der schmelzenden Himalajagletscher wissenschaftlich ungeprüft war: «Wir dachten, wenn wir das gross herausbringen, wird es einen Effekt auf die Politiker haben und sie ermutigen, konkrete Schritte einzuleiten.» Weltweit durchforsten jetzt kritische Wissenschaftler und Journalisten den IPCC-Bericht nach weiteren «weichen» Quellen – und werden fündig: Die Warnung, dass vierzig Prozent des Regenwaldes im Amazonasbecken durch den Klimawandel gefährdet seien, soll sich ebenfalls nur auf einen WWF-Bericht abstützen. Aussagen über schwindendes Eis in den Anden, in den Alpen und in Afrika beruhen offenbar lediglich auf Angaben eines Bergsteigermagazins und Äusserungen von Bergführern. Ein Kanadier will bereits zwanzig Stellen im Bericht des Weltklimarats gesichtet haben, denen wissenschaftlich ungeprüfte Fakten zugrunde liegen.

Noch schlägt Rajendra Pachauri alle Rücktrittsforderungen in den Wind. Doch selbst wenn er im Amt bleiben sollte: Seine Zeit als quasi unfehlbare wissenschaftliche Instanz, die Kritiker von der hohen Warte aus abkanzelt, ist definitiv vorbei.

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