LG München: »Antisemitisch« und »antijüdisch« nicht von freier Meinungsäußerung geschützt
Am 18. Januar 2010 ging der Rechtsstreit zwischen dem österreichischen »Militärexperten« Gerald Karner und dem Autor Gerhard Wisnewski in die zweite Runde. Bereits am 19. Oktober 2009 hatte das LG München Karner untersagt, Wisnewski in einen Zusammenhang mit antisemitischen und antijüdischen Verschwörungstheorien zu stellen, wie er es bei einer Talkshow im österreichischen Fernsehen getan hatte. Der bei dem Verfahren nicht erschienene Karner behauptete später, die Gerichtsunterlagen nicht ordnungsgemäß zugestellt bekommen zu haben. Daher wurde die erste Entscheidung aus formalen Gründen aufgehoben. Inhaltlich bekräftigte das Gericht in dem neuerlichen Verfahren vom 18. Januar allerdings: Begriffe wie »antisemitisch« und »antijüdisch« sind nicht von der freien Meinungsäußerung geschützt.
Wisnewskis Prozesse gegen Zeitgenossen, die versuchen, ihn in einen Zusammenhang mit Antisemitismus zu stellen, sind von erheblicher Bedeutung für die Meinungsfreiheit in Deutschland. Solange Begriffe wie »antisemitisch« und »antijüdisch« folgenlos von jedermann gegen jedermann benutzt werden können, stellen sie ein scharfe Guillotine gegen unbequeme Kritiker dar. Denn diese können dann ohne jeden Beweis mithilfe des »Antisemitismus«-Vorwurfs in eine Assoziationskette mit Nazis und Judenmördern gestellt werden.
Seit Jahren arbeiteten interessierte Kreise »für eine Rechtsprechung, die es ermöglichen soll, jedermann jederzeit nach Gutdünken einen Antisemiten zu schimpfen und damit seine Existenz zu vernichten«, schreibt Wisnewski in seinem neuesten Jahresrückblick verheimlicht - vertuscht - vergessen 2010. »Der Begriff ›Antisemit‹ soll seine maximale vernichtende Wirkung entfalten, bei gleichzeitiger Auflösung des Rechtsschutzes für die Betroffenen. Das ist das Ziel, das eine schwere Bedrohung der Meinungsfreiheit in Deutschland bedeutet. Eine Bedrohung, die kaum jemand wahrnimmt, weil sie im Gewand eines allgemein akzeptierten Ziels daherkommt, nämlich der Bekämpfung des Antisemitismus, und die außerdem in Schriftsätzen und juristischen Auseinandersetzungen manifest wird, die ohnehin kaum jemand liest.«
Diese »Antisemitismuskeule« solle auf jedes Thema ausgeweitet werden, »das nicht in die kontrollierte Meinungs- und Medienlandschaft passt«, so Wisnewski. In erster Linie auf Kritik am israelischen Vorgehen gegen die Palästinenser. »In zweiter Linie aber auch auf jegliche Kritik an der Politik Israels.«
Des Weiteren seien davon jegliche israelischen Interessen in der Welt betroffen: »Bei welchem Thema man auch immer mitreden will, ob Wirtschaft, Politik, Kultur, Medien oder Militär, sobald man dabei (auch unwissentlich) israelische Interessen berührt, bekommt man Ärger.« So habe sich schon mancher über seinen eigenen Antisemitismus gewundert, von dem er vorher selbst noch gar nichts gewusst habe. Wobei »Ärger« noch milde ausgedrückt sei. Wisnewski: »Weil in der Bezeichnung ›Antisemit‹ immer auch der Faschismus und der millionenfache Mord an Unschuldigen mitschwingen, wird der Betreffende gesellschaftlich ausgegrenzt. Daher gibt es in der deutschen Debattenlandschaft kaum eine größere Angst als die vor dem scharfen Schwert des ›Antisemitismus‹-Vorwurfs. Jemand, der als ›Antisemit‹ gebrandmarkt wird, kann im Prinzip ›einpacken‹. Er verliert erst die Reputation, dann den Job, dann die Existenz.«
So entstehe ein Klima der Angst, in dem keine freie Meinungsäußerung und unbefangene Diskussion mehr möglich sei.
Aus Wisnewskis Sicht soll mit dem Begriff »Antisemitismus« ein psychologischer Schutzschirm über Israel aufgespannt und Israel sowie israelische Interessen komplett aus dem freien Meinungsstreit ausgeblendet werden.
Nach dem Kammergericht Berlin (Aktenzeichen 9 U 142/08) schob dem nun das Landgericht München erneut einen Riegel vor (Aktenzeichen 34 O 18501/09). In der ORF-Talkshow Club 2 vom 9. September 2009 hatte der österreichische »Militärexperte« Gerald Karner den Autor Wisnewski in einen Zusammenhang mit »antiamerikanischen, anti-israelischen, anti-jüdischen, sozusagen auch anti-semitischen« Verschwörungstheorien gestellt und behauptet, dass so etwas in Wisnewskis Büchern zu lesen sei. Ferner könne man dort lesen, »dass zum Beispiel, ich glaube nur eine Person mosaischen Bekenntnisses ums Leben gekommen ist ...«. Das erweckte den Eindruck, Wisnewski gehöre zu jenen »Verschwörungstheoretikern«, die von einem »jüdischen Vorwissen« bei den Attentaten vom 11.9.2001 ausgingen.
Beweise vorlegen konnte Karner freilich nicht - und zwar weil es keine gibt und weil etwas Derartiges eben nicht in Wisnewskis Büchern steht. Auch das von Karner in der Sendung erwähnte angebliche Zitat konnte der »Militärexperte« nicht beibringen.
Begriffe wie »antisemitisch« und »antijüdisch« seien nicht von der freien Meiunungsäußerung geschützt, stellte daraufhin der Vorsitzende in der neuerlichen mündlichen Verhandlung vor dem LG München vom 18. Januar 2010 klar. Bezeichnungen wie »antijüdisch« und »antisemitisch« gingen über die zulässige Kritik hinaus. Damit verfestigte sich die Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin weiter, wonach es nicht möglich ist, jemand anderen ohne stichhaltige Beweise als Antisemiten zu bezeichnen. Auch falsche Zitate sind selbstverständlich unzulässig. »Das Gericht ist der Meinung, dass bei einem falschen Zitat aus einem Buch der Autor grundsätzlich einen Unterlassungsanspruch hat«, heißt es im Sitzungsprotokoll des LG München.
So blieb Karner nichts weiter übrig, als sich zu verpflichten, seine ehrenrührigen Behauptungen nicht zu wiederholen. Wisnewski (Rechtsanwalt: Markus Menzendorff, Frankfurt) erklärte sich daraufhin bereit, in der Sache von der weiteren Bezeichnung Karners als Verleumder abzusehen und entsprechende Artikel im Internet zu löschen. »Ich möchte Menschen, die einen Fehler einsehen, keine weiteren Steine in den Weg legen«, sagte der Autor. »Herr Karner hat seinem Ruf durch seine Falschbehauptungen bereits selbst genug geschadet.«
Donnerstag, 11. Februar 2010
Die Antisemitsmus-Keule und ihre Wirkung
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