Freitag, 17. Dezember 2010

Anschlag auf die Demokratie

Von Bundesrat Ueli Maurer

Voltaire hat einmal gesagt: «Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.» Das ist die lupenreinste demokratische Gesinnung auf den Punkt gebracht.

Man darf die eigene Auffassung vehement vertreten, man darf andere Meinungen hinterfragen und kritisieren, aber man darf niemandem den Mund verbieten. Denn jeder Demokrat weiss, eine Demokratie kann nur funktionieren, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

Erstens müssen die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, sich eine Meinung zu bilden. Zweitens müssen Volksentscheide bedingungslos akzeptiert und umgesetzt werden.

Freie Meinungsbildung

Das ist das kleine Einmaleins der Demokratie. In der Schweiz sollte das eigentlich jedem geläufig sein. Ich sage bewusst «sollte». Denn ich mache mir Sorgen um unsere demokratischen Grundwerte.

Es gibt Kräfte in unserem Land, die sind gegen den freien Wettbewerb – sie wollen den freien Wettbewerb von Produkten und Dienstleistungen abschaffen. Das zielt auf unseren Wohlstand. Aber es gibt offenbar auch Kräfte, die wollen sogar den freien Wettbewerb der Ideen und Meinungen abschaffen. Und das zielt direkt auf unsere Demokratie.

Denn eine Meinung bilden kann sich nur, wer die Möglichkeit hat, sich verschiedene Meinungen anzuhören.

Die Demokratie ist der Markt der Ideen. Das geht zurück auf die Antike. Auf dem Marktplatz wurden Waren gehandelt und Meinungen ausgetauscht. Daraus entwickelte sich die politische Diskussion und die Selbstbestimmung der Bürgerschaft.

Jeder darf auf dem Ideenmarkt Angebote vorbringen: Meinungen, Gedanken, Lösungen. Und jeder darf die Angebote prüfen, auf Vor-und Nachteile hinterfragen. Jeder darf abwägen und sich für das entscheiden, was ihn am meisten überzeugt. Und die Idee, die dann die grösste Unterstützung findet; die Idee, der eine Mehrheit zustimmen kann, die setzt sich dann durch.

In unserem Land ist es Tradition, dass die Bürger offen diskutieren und sich eine freie Meinung bilden können. Das war schon an den alten Landsgemeinden so. Und das wurde auch in der ersten Bundesverfassung von 1848 garantiert: Pressefreiheit, Vereinsfreiheit und Petitionsrecht schützen die offene Debatte.

Seither ist es geltendes Recht: Meinungsfreiheit. Versammlungsfreiheit. Das steht auch in der aktuellen Verfassung. Nur sieht die Wirklichkeit leider anders aus.

Kein Einzelfall

Krawallanten bekämpfen die freie Meinungsäusserung und die offene politische Diskussion mit Drohungen und Gewalt. Wir haben offenbar Behörden, die Mühe haben, die verfassungsmässige Ordnung durchzusetzen – an unserer Kundgebung 2007, beim Angriff auf unser Generalsekretariat in Bern am 28. November.2010 sowie anlässlich der Verbotsattacken auf unsere Delegiertenversammlung in Lausanne.

Das Vorgehen gegen die SVP ist kein Einzelfall. Die selbsternannten «Toleranten» werden schnell intolerant, wenn jemand ein anderes Verständnis von Toleranz hat. Abweichler werden umgehend ins Visier genommen.

Die Sendung «Arena» zum Beispiel bekommt einen neuen Moderator, weil dem bisherigen Sympathien für die SVP vorgeworfen wurden. Die Nähe zur SVP ist natürlich erfunden, aber offenbar ist es bereits ein Verstoss gegen die politische Korrektheit, wenn einer im Interesse einer spannenden, kontroversen Diskussion hin und wieder auch die wählerstärkste Partei berücksichtigt.

Schauen wir nach Basel: Eine Zeitung hat einen Journalisten, der ab und zu nicht im grossen Chor mitsingt. Die Medien blasen sofort zum Angriff. Im Namen der Weltoffenheit und der Toleranz wird ihm der Prozess als Ketzer gemacht.

Diese Entwicklung beunruhigt mich: Wenn kritischen Stimmen nicht mit Argumenten begegnet wird, sondern mit Drohungen, mit Gewalt, mit Mobbing, dann spielt der freie Wettbewerb der Ideen nicht mehr. Und das ist nichts anderes als ein Anschlag auf die Demokratie.

Volksentscheide umsetzen

Auch die zweite Voraussetzung einer funktionierenden Demokratie, die Umsetzung der Volksentscheide, müsste in unserem Land mit seiner langen, erfolgreichen demokratischen Tradition eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.

Die Realität sieht heute leider auch da anders aus. Es stimmt bedenklich, wie Volksentscheide abwertend kommentiert werden, wenn sie nicht so ausfallen, wie das gewisse Kreise wünschen.

Wer die realen Probleme der Bürgerinnen und Bürger als diffuse Ängste abtut, unterstellt ihnen, sie seien irrational oder paranoid und damit unfähig zu einem vernünftigen Entscheid. Das ist schlicht arrogant. Und schnell ist dann der Schritt gemacht, ganz grundsätzlich an der Mündigkeit des Volkes zu zweifeln.

Da schreibt sogar die «NZZ», die sich als das Blatt des Liberalismus versteht, das Volk sei selber schuld, wenn jetzt nach dem Entscheid zur Ausschaffungsinitiative die Diskussion um die Begrenzung des Initiativrechts neue Nahrung erhalte – mit andern Worten heisst das: Du Volk, Du darfst stimmen gehen, solange Du so stimmst, wie wir das wollen. Wenn Du anders entscheidest, entziehen wir Dir Deine demokratischen Rechte.

Lebendige Demokratie

Ich wünschte mir, das demokratische Verständnis wäre bei dem Teil der Gesellschaft, der sich selbst als die Elite dieses Landes versteht, besser verankert.

Ich appelliere an das demokratische Gewissen all jener, die – kaum ist ausgezählt – nach allen erdenklichen Gründen suchen, den Volkswillen zu ignorieren: Passen Sie auf, Sie setzen den Zusammenhalt unserer Gesellschaft aufs Spiel! Passen Sie auf, Sie gefährden die Grundlage unserer Freiheit und unseres Wohlstandes!

Und da sehe ich auch die Verantwortung der SVP für die Schweiz: Unser Land braucht eine politische Kraft, die für die Vielfalt in der Diskussion sorgt und die Volksrechte verteidigt. Unser Land braucht eine politische Kraft, die für eine lebendige Demokratie sorgt!

Ueli Maurer

Ansprache zum Parteitag der SVP am 4. Dezember 2010 auf offenem Feld bei Gland (VD)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Teil 1

Ich gestehe es, auch ich habe einst als ehemaliger SP-Wähler an die Idee eines gemeinsamen Europas geglaubt. Vom Prinzip her klingt die Sache ja nicht schlecht, denn immerhin hatten sich auch die einzelnen Kantone der Eidgenossen einst zusammengeschlossen, bekanntlich zuerst Uri, Schwyz und Unterwalden, womit dann der Grundstein gelegt war für das heutige Staatengebilde namens Schweiz. Der Schweiz also Isolationismus vorzuwerfen ist absurd, stehen die Eidgenossen doch fest in der Tradition jenes durch einen Schwur besiegelten Bündnisses, und somit auch in der Tradition von Bündnissen an sich.

Was würde da näher liegen, als den nächsten Schritt zu gehen, und nun die einzelnen europäischen Staaten zu einer europäischen Eidgenossenschaft zusammen zu schliessen? Kaum ein Eidgenosse wollte heute wohl die Eidgenossenschaft wieder auflösen, und die völlige Autonomie der einzelnen Kantone wiederherstellen.

In einer feindlich gesinnten Welt, da schliesst man sich zusammen, denn Einigkeit macht bekanntlich stark. Selbst in der Natur ist es nicht anders, wo sich Wölfe zu Wolfsrudeln, und Schafe zu Schafherden zusammenschliessen, da es offenbar im gegenseitigen Interesse der einzelnen Tiere innerhalb der Herde ist dies zu tun.

Gerade die an die Idee einer sozialistischen Internationalen glaubenden SP-Leute waren von der Idee einer europäischen Union natürlich besonders angetan, sahen sie in jenem Konstrukt doch ihre einmalige Chance ihre Idee eines internationalen Sozialismus verwirklichen zu können, und das leidige gegeneinander Ausspielen der Arbeiter verschiedener Standorte durch die Konzerne zu beenden.

In der Theorie ist eine EU an sich keine schlechte Sache, sieht man sich jedoch die real existierende EU heute an, so widerspiegelt sie so gut wie keine der Ideale, die die Eidgenossenschaft gross gemacht haben, die sie prägen. Ganz im Gegenteil, angetan von diesem Machwerk übelster Sorte namens EU können eigentlich nur noch verfassungsfeindliche Kräfte und Feinde der Demokratie.

Man sollte bedenken, dass auch die ehemalige UdSSR eine Art von Union war, und dass diese UdSSR nicht ganz mit der Idee der Union der Eidgenossen zu vereinbaren ist, braucht hier wohl nicht näher erläutert zu werden. Und auch Hitler strebte ja bekanntlich ein gemeinsames Europa an, beginnend mit einem Anschluss Polens und Österreichs an das Kernland. Die Idee von Zusammenschlüssen ist also nicht neu, und sämtliche grössenwahnsinnigen Diktatoren, Tyrannen, und Oligarchen haben daran geglaubt, und tun dies immer noch.

Anonym hat gesagt…

Teil 2

Dass Tyrannen supranationale Gebilde tyrannischer Natur hervorbringen liegt wohl in der Natur der Sache, und dass freiheitlich gesinnte Individuen, freiheitliche Bündnisse hervorbringen, ist ebenso plausibel.

Dass die Schweizer SP einst an diese Idee einer europäischen Eidgenossenschaft geglaubt hatte, sei ihr verziehen, dass sie nun aber in Anbetracht der katastrophal verfassungsfeindlichen Verhältnisse innerhalb der real existierenden EU immer noch an jene Machstruktur glaubt, dies kann ihr keinesfalls verziehen werden.

Die SP mag ja den Glauben an die Idee einer europäischen Union vom Prinzip her aufrecht erhalten, und sagen man sei nach wie vor für eine Eidgenossenschaft auf europäischer Ebene, aber dann eben für eine, die der basisdemokratischen Natur der Schweiz entspricht, und zugleich das totalitär orientierte nun bestehende europäische Machwerk strikte ablehnen, ganz nach dem Motto: "Ja zu supranationalen Bündnissen, nein zu totalitären, antidemokratischen Strukturen."

Und da die SP keineswegs daran denkt dies zu tun, kann es eigentlich nur zwei vernünftige Erklärungen geben: Entweder, die Mitglieder jener Partei haben die Zeit schlicht verschlafen, und noch gar nicht realisiert, was sich innerhalb dieser EU gegenwärtig für extrem bedenkliche Entwicklungen vollziehen, oder die Parteispitze der SP erkennt dies sehr wohl, und will gerade deshalb einen Beitritt zur EU in der bewussten Absicht, die helvetische Basisdemokratie aushebeln zu wollen. Dies würde dann allerdings bedeuten, dass es sich bei der SP-Führung mittlerweile um eine eindeutig verfassungsfeindliche und vermutlich fremdbestimmte Gruppierung handeln muss, so schockierend dies auch klingen mag.

Was auch immer der Grund sein mag, so der so macht dies die SP nicht gerade vertrauenswürdig. Bösartigkeit verdient unser Vertrauen nicht, und Unwissenheit und Dummheit erst recht nicht. Und ich sage dies als ehemaliger Anhänger der SP in vollem Bewusstsein der Bedeutungsschwere meiner Worte.

So long.