Masterplan gegen Palästina: Ostjerusalem soll jüdischer werden
Von Claudia Kühner
Wie sich Palästinenser und Israeli über Jerusalem je einigen sollen, ist schwer zu sehen. Ein gewaltiger Plan zeigt, was Israel tatsächlich vorhat in der Heiligen Stadt.
Vereint und doch getrennt
Israel hat Ostjerusalem 1967 im Sechstagekrieg erobert und annektiert, unter Einschluss von weiterem westjordanischem Territorium. Ostjerusalem ist flächenmässig erheblich grösser als der (jüdische) Westteil. Die heute rund 270'000 palästinensischen Bewohner Ostjerusalems sind keine israelischen Staatsbürger (was sie auch nicht sein wollen), besitzen aber israelische Identitätskarten und können sich in Jerusalem frei bewegen.
Mehr als die Hälfte der 770'000 Einwohner Jerusalems leben im Ostteil, unter ihnen 200'000 jüdische Siedler, die bisher vor allem in neuen eigenen Quartieren leben.
Durch Ostjerusalem zieht sich inzwischen auch ein 168 km langer Sperrwall, teilweise in Gestalt einer meterhohen Mauer. Er trennt Teile Ostjerusalems von der Westbank, zieht sich streckenweise aber auch mitten durch palästinensische Quartiere. Tausende von Palästinensern, die über die Jahre Ostjerusalem verlassen haben, um anderswo – beispielsweise in der Westbank – ein Auskommen oder Wohnraum zu finden, haben ihre Aufenthaltserlaubnis verloren.
Über 22 Häuser im Ostjerusalemer Quartier Silwan ist eine Abrissorder verfügt, für 32 Wohnungen im Ostjerusalemer Pisgat Zeev soeben eine Baubewilligung erteilt worden. Das eine ist ein arabisches Viertel, das andere eine jüdische Siedlung. In Silwan hat die Stadtverwaltung Grosses vor. Hier soll ein Archäologie- und Freizeitpark entstehen, angereichert mit Wohnungen, aber exklusiv für jüdische Bewohner. Die Palästinenser müssen weichen. In diesem Viertel, das an die Altstadtmauer grenzt, sei einst «Davids Stadt» gestanden, lautet der Anspruch, und hier soll wieder jüdisches Leben entstehen.
Das aber ist nur ein kleineres Projekt in einem viel grösseren Rahmen. Zu ersehen ist das aus dem vor kurzem vorgelegten Masterplan für Jerusalem. Er ist der erste seit 50 Jahren und der erste, der auch Ostjerusalem umfasst, obwohl dessen Zukunft eigentlich erst zu verhandeln wäre. Erarbeitet vom Planungskomitee der Jerusalemer Stadtverwaltung, wartet er nun darauf, auf nationaler Stufe verabschiedet zu werden.
Hauptstadt für immer
Er übersetzt in Planungsvorhaben, was die offizielle israelische Politik seit 1967 trotz mancher Verhandlungsangebote vorantreibt: Das gesamte Jerusalem als «die ewige und vereinte Hauptstadt Israels» festzulegen. Dies ist vor allem die erklärte Politik der gegenwärtigen Regierung unter Benjamin Netanyahu. Die Palästinenser haben ihrerseits immer postuliert, auch unterstützt von internationaler Seite, dass das arabische Ostjerusalem die Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaats sein soll. So gut wie kein Staat der Welt hat die Annexion Ostjerusalems 1967 durch Israel anerkannt.
Bisherige «Friedenspläne» haben eine Teilung mehr oder weniger entlang den jüdischen und palästinensischen Quartieren anvisiert. Nun gehen die israelischen Bemühungen immer deutlicher dahin, in Ostjerusalem nicht nur neue jüdische Viertel, ja ganze Stadtteile zu errichten, wie das seit 1967 der Fall ist – und wie Pisgat Zeev eines ist –, sondern immer mehr auch, jüdische Siedler mitten in arabisches Wohngebiet zu setzen. Dies ist nicht nur in Silwan zu sehen, sondern auch in Sheikh Jarrah, wo der Konflikt schon seit vorigem Jahr schwelt und wo wöchentlich jüdische Aktivisten protestieren. Auf Sheikh Jarrah, wo zwei Familien aus ihren Häusern vertrieben wurden und im Protest seither auf der Strasse wohnen, erheben Ultraorthodoxe historische Ansprüche.
20'000 arabische Wohnungen sind illegal
Die Politik verfolgt die Absicht, Palästinenser dazu zu bewegen, die Stadt zu verlassen oder sich allenfalls in Aussenquartieren niederzulassen. Dies erreichen die Behörden dadurch, dass sie in den traditionellen arabischen Vierteln so gut wie keine Baubewilligungen erteilen und gezwungenermassen illegal errichtete Wohnbauten abreissen oder mit Abriss bedrohen. Seit 1967 sind lediglich 4000 Baubewilligungen erteilt worden; ungefähr 20'000 arabische Wohnungen sind nach diesen Kriterien illegal, schätzt Ir Amim (Stadt der Völker), eine auf Jerusalem konzentrierte israelische Nichtregierungsorganisation.
Gemäss Ir Amim ist der Masterplan nicht diktiert «von ehrlicher Sorge um die Bedürfnisse von einem Drittel der Bevölkerung, sondern von Israels Interesse, strategische Gebiete zu kontrollieren und die dortigen Palästinenser zu vertreiben». Dieser Plan torpediere eine Lösung, weil er jeden territorialen Kompromiss erheblich erschwere.
Unzumutbare Verhältnisse
Noch viel weniger bekommt ein Palästinenser eine Baubewilligung im Westteil, allenfalls kann er sich im Einzelfall eine Wohnung mieten und muss dann mit Protesten aus der Nachbarschaft rechnen. Palästinensisches Eigentum im Westteil der Stadt, das noch von der Zeit vor der Staatsgründung stammt, kann keiner zurückfordern. Dies verhindert die Gesetzgebung.
Der neue Masterplan sieht für die arabischen Bewohner nur einen Bruchteil von Baubewilligungen vor, die ihrem Wachstum gemäss wären. Bis zum Jahr 2030 sind nur 13'550 neue Wohnungen vorgesehen; benötigt aber würden etwa 90'000. Somit lässt der Masterplan ihnen nur die bekannte Option: weiter in bedrängten und unzumutbaren Verhältnissen wohnen zu bleiben, sich jenseits der Stadtgrenze niederzulassen, was ihnen dann die Rückkehr verunmöglicht, oder illegal zu bauen.
Kaum Abwasserleitungen
Die arabischen Quartiere sind auch völlig vernachlässigt worden, was die ganze Infrastruktur betrifft. Es gibt viel zu wenig Abwasserleitungen, keine Strasse hat seit 1967 einen neuen Belag bekommen, und es fehlen 1500 Klassenzimmer, um nur einige Beispiele herauszugreifen. Zwar reklamiert Israel ein «ungeteiltes Jerusalem», de facto ist es aber eine geteilte Stadt geblieben.
Es gibt unter jüdischen Israeli mehrere Gruppen und Organisationen, die öffentlich und wiederholt gegen diese Politik demonstrieren. Sie werden dabei von der Polizei immer wieder behindert, nicht aber rechtsgerichtete Aktivisten. Dagegen erhebt sich immer mehr Protest, von Schriftstellern, ehemaligen Generalstaatsanwälten, Philosophen, Juristen und Knesseth-Abgeordneten.
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