Wie souverän ist Europa?
Von Prof. Dr. Eberhard Hamer, 25.04.2010 22:45
Seit der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten ist, sind die meisten Souveränitätsrechte der früher 27 selbständigen Nationen an das Politkommissariat in Brüssel abgegeben worden. Der Vertrag bestimmt, dass es keine Nationen und keine Nationalbürger mehr gibt, sondern nur noch Europa und europäische Bürger. Wir haben geglaubt, dass dies ein Fortschritt in Richtung Freiheit, Demokratie und Sicherheit sei. Schon einen Tag vor dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages mussten die in der EU zusammengeschlossenen Staaten mit tatkräftiger Hilfe des deutschen Innenministers de Maiziere ein von den USA diktiertes Abkommen beschliessen, welches den USA freien Zugang zu den Bankdaten des zentralen europäischen Finanzdienstleisters Swift sichert. Washington hatte dies mit dem Kommissionspräsidenten Barroso geregelt. Das europäische Parlament wurde einen Tag vor seiner Zuständigkeit ausgebremst, wodurch ihm das Mitspracherecht verweigert wurde.
Der Finanzdienstleister Swift sitzt in Belgien und wickelt täglich etwa 15 Millionen Finanztransaktionen zwischen weltweit 8300 Banken ab. Mit der Unterwerfung der EU unter die amerikanische Hoheit werden nun alle Finanzströme Europas von der CIA und allen anderen amerikanischen und israelischen Geheimdiensten kontrolliert. Europa-Politiker bezeichneten deshalb mit Recht Barroso als ›Handlanger der USA‹ gegen jeden europäischen Datenschutz. Seitdem haben die Amerikaner jeglichen Zugriff nicht nur auf Daten, die entstehen, wenn Finanzüberweisungen etwa aus Deutschland nach Übersee, China oder Südamerika gehen, sondern auch auf jede Überweisung innerhalb Deutschlands, etwa von Hamburg nach Köln oder innerhalb von Hamburg. 5 Jahre sollen die Daten selbst unbescholtener Bürger gespeichert werden, natürlich auf Kosten der Banken und ihrer Kunden.
Datenschützer haben die Bundesregierung und insbesondere den Innenminister gewarnt, diese datenschutzwidrige Unterwerfung der EU unter das Diktat der USA mitzubeschliessen. Der Innenminister hat zwar seine Zustimmung nicht gegeben, aber den Datenzugriff durch seine Enthaltung vorsätzlich zustande kommen lassen. Was nützt uns Datenschutz in Deutschland, wenn die amerikanische Regierung und ihre Agentennetze über die EU frei über unsere Finanzdaten verfügen dürfen? Begründet wird dies alles mit Terrorismusbekämpfung, wie immer, wenn die USA ihre Satellitenstaaten zu Geld-, Sach- oder Dienstleistungen heranziehen. Angebliche Terrorismusbekämpfung war auch der Grund dafür, dass Deutschland mit Geld und Soldaten in den von der amerikanischen Rüstungs-, Drogen- und Öllobby inszenierten Krieg in Afghanistan eingebunden wurde. Lange wurde dies als angeblicher Friedenseinsatz hingelogen. Erst der neue Verteidigungsminister sagte die Wahrheit und schockierte damit alle Parteien, einschliesslich SPD und Grünen, die den Krieg akzeptiert hatten; dies hat nun die Diskussion über die Frage ausgelöst, ob das Grundgesetz überhaupt deutsche Kriegsführung erlaubt, insbesondere dort, wo wir gar nichts zu suchen haben und unsere Interessen nicht betroffen sind. Angeblicher Terrorismusbekämpfung dienen auch die immer schärferen Einreisebestimmungen in die USA. Schon bisher mussten die Fluggesellschaften alle persönlichen Daten der Fluggäste vor Eintreffen in den USA dort gemeldet haben, so dass sie entsprechend kontrolliert werden konnten. Nun reicht plötzlich auch diese Totalkontrolle nicht mehr aus und die Fluggäste sollen auf den Heimatflughäfen mit Nackt-Scannern durchleuchtet werden. Eine weitere Steigerung wäre, dass diese Nacktfotos dann ebenfalls in den USA den Agentenbehörden der CIA und anderen zur Verfügung stehen. Der deutsche Innenminister de Maiziere und sein Parteifreund Bosbach haben bereits Zustimmung der Regierung zu solchem grundgesetzwidrigem, die Intimsphäre verletzendem Nackt-Scannen der Fluggäste geäussert. Sie wollen auch den Widerstand der Liberalen gegen diese Menschenrechtsverletzung überwinden. Erstaunlich, dass in den deutschen Medien dagegen nicht ein Aufschrei der Entrüstung kommt - offenbar sind sie auch schon gleichgeschaltet.
Der Autor gehört einer Generation an, welche nach dem letzten Weltkrieg und nach der Diktatur die persönliche Freiheit und die Demokratie als die wertvollsten politischen Errungenschaften unseres Jahrhunderts betrachtet und immer verteidigt haben. Nun müssen wir erkennen, dass es unser deutsches Volk, für das wir uns einsetzten, gar nicht mehr gibt, sondern nur noch eine bunte Bevölkerung in Deutschland, und dass es auch eine deutsche Nation und ein deutsches Vaterland nicht mehr gibt. Beide sind durch den Vertrag von Lissabon förmlich beendet und zu einer ›europäischen Bürgerschaft‹ umgemünzt worden, was immer dies auch sei.
Dafür wurde durch Konzentration und neue hierarchische Strukturen (EU) die politische Mitbestimmung der Bürger im Sinne der Demokratie immer stärker abgebaut. Von den noch vor 20 Jahren bestehenden Kommunalparlamenten sind inzwischen 60 % durch Konzentration gestrichen, ist die Mitbestimmung der Bürger immer indirekter, immer schwächer, immer undemokratischer geworden. Inzwischen wird von oben nach unten durchregiert, statt von unten nach oben. Auch im wirtschaftlichen Sinne haben wir die meiste Freiheit verloren. Nicht nur schreiben inzwischen jedem Unternehmer Dutzende von Behörden vor, was er im einzelnen zu tun und zu lassen hat; auch den Ertrag seiner Leistung hat er zu über 60 % abzugeben, so dass sogar für viele Arbeitnehmer bereits Sozialleistung günstiger als Eigenleistung ist. Bei den drei vorgenannten Beispielen wird nun massiv in unsere persönliche Freiheit, Unversehrtheit und Menschenrechte eingegriffen, weil dies »der grosse Bruder über dem Teich« so will. Wir führen auf Befehl der USA einen grundgesetzwidrigen Krieg, lassen unsere gesamte Telekommunikation von der CIA kontrollieren (Echolon-System), müssen unsere Überweisungen den amerikanischen Agenten und Organisationen offenlegen (Swift) und sollen uns künftig sogar den amerikanischen Behörden nackt präsentieren. Unsere Politiker sollten sich nicht wundern, wenn es zu drastischen Reaktionen der betrogenen Bevölkerung kommt, sobald diese die derzeitigen Grundgesetz- und Datenschutzverletzungen sowie die Persönlichkeitsrechtsverletzungen endlich kapiert.
Anmerkung d.a.: Was das Swift-Abkommen betrifft, so drängt die USA einem Bericht von Ulla Jelpke zufolge die EU-Innenminister zu einer Neuauflage des ›Schnüffelabkommens‹, so dass inzwischen im Streit um die von der USA geforderte Herausgabe von Daten für Banküberweisungen eine neue Verhandlungsrunde eingeläutet ist. Das Europäische Parlament hatte den Vertrag am 11. Februar 2010 mit grosser Mehrheit gestoppt. Seither drängt die Obama-Administration auf ein neues Abkommen. Statt ein solches kategorisch abzulehnen, ist die EU zu Verhandlungen bereit. Wie es heisst, wird allgemein damit gerechnet, dass die Minister ihr Einverständnis erklären. Auch der deutsche Ressortchef Thomas de Maizière, der das ursprüngliche Swift-Abkommen am 30. 11. 2009 im EU-Rat passieren liess, obwohl im Bundestag sowohl der Koalitionspartner FDP als auch die gesamte Opposition aus Datenschutzgründen dagegen waren. Wo hier noch eine demokratische Mitbestimmung eingreifen kann, sollten uns all diejenigen, die behaupten, dass der Lissabon-Vertrag eine erweiterte Mitsprache der Bürger ermögliche, einmal erklären. Kernforderungen des EP sind beispielsweise: Anfragen der USA müssen auf einem konkreten Verdacht beruhen, und es darf keinen direkten Zugriff der Amerikaner auf die Daten geben. Sie sollen einer europäischen Justizbehörde übergeben werden. Übermittelt werden sollen nur die benötigten Informationen, keine ganzen »Pakete«, und gespeichert wird nur solange, wie die Daten für die Aufklärung des Verdachts gebraucht werden. Ferner wird verlangt, dass die Betroffenen einen Auskunftsanspruch erhalten und ein Rechtsschutz vor unabhängigen Gerichten garantiert wird. Für die Speicherung ist eine Höchstfrist vorzuschreiben. Die Einhaltung der Kriterien soll durch Datenschutzbeauftragte der EU überprüfbar sein. Schliesslich müsste ein neues Swift-Abkommen kündbar sein. Welches Ergebnis am Ende der Gespräche mit den US-Vertretern stehen wird, bleibt abzuwarten. »Bei allen ähnlichen Abkommen«, schreibt Jelpke, »wie etwa demjenigen über die Weitergabe von Flugpassagierdaten oder über die Zusammenarbeit in Strafsachen, sind die Europäer stets eingeknickt.« [2]
Von der Möglichkeit eines europäischen Zugriffs der genannten Art auf US-Bankdaten war noch mit keiner Silbe je die Rede.
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