Montag, 14. März 2011

Psychodrogen für Kinder

Die verdeckte Tyrannei: Bei Kindern werden aus Gewinnstreben Krankheiten diagnostiziert und dann medikamentös behandelt

Monica G. Young

Nicht alle fallen auf den gigantischen Schwindel herein: Weltweit wurden bei 20 Millionen Kindern und Jugendlichen psychische Störungen festgestellt, die angeblich die jahrelange oder sogar lebenslange Einnahme von Psychopharmaka notwendig machen. Aber einige Personen erheben jetzt ihre Stimme. Häufig sind Eltern, Kinder und Schulen Opfer einer der gewissenlosesten, aber eben gewinnbringenden und auf Falschinformationen beruhenden Kampagnen der modernen Gesellschaft.

Unruhige Kinder oder Kinder, die sich leichter ablenken lassen oder gelangweilt sind, die zu viel reden (oder zu wenig), die sich nicht an Regeln halten, die nicht so gehorsam sind, wie es einige Erwachsene gerne wollen, oder Kinder, die unter Stimmungsschwankungen leiden – ihnen allen könnte es passieren, dass bei ihnen Erkrankungen wie eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), eine Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigen Verhalten (ODD), eine Bipolare affektive Störung, eine Selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung oder eine andere Erkrankung festgestellt werden. Mit anderen Worten werden heute Verhaltensweisen, die bisher als normales Verhalten von Kindern und Heranwachsenden galten, als psychische Störung eingestuft.

Am häufigsten wird ADHS bei Kindern »festgestellt«, allein in den USA sind es mehr als fünf Millionen Kinder, die davon »betroffen« sind. Statistische Untersuchungen in den USA und anderen Ländern zeigen, dass ADHS eher bei Jungen als bei Mädchen diagnostiziert und dann entsprechend medikamentös behandelt wird.

In einem vor Kurzem erschienenen Artikel mit der Überschrift »Eine Beruhigungs-Nation: Was passiert, wenn man Jungen nicht mehr erlaubt, ungestüm sein« heißt es, fünfmal mehr australische Jungen als Mädchen werden mit Ritalin behandelt. Die Autorin fragt: »Besteht die Gefahr, dass wir die Kindheit eines Jungen an sich als Störung einstufen?« Sie verweist auf das Beispiel eines zehnjährigen, sehr begabten und sportlichen Jungen, der auf einem beengten Schulhof in eine Rangelei verwickelt wurde. Niemand wurde ernsthaft verletzt und es entstand auch keinerlei Sachschaden. Aber der Junge musste sich umgehend einer psychiatrischen Behandlung unterziehen.

Für afro-amerikanische Jungen und Jugendliche kann die Lage noch schlimmer aussehen. Der Psychologe Umar R. Abdullah-Johnson, der sich für das Recht auf Bildung für schwarzen Jungen einsetzt, hat viele Schulen im ganzen Land aufgesucht. In einem kürzlich veröffentlichten Artikel mit der Überschrift »Psycho-Sklaverei« schreibt er: »Wir haben es hier mit einem Zerrbild epischen Ausmaßes zu tun: Schwarze Jungen werden in Rekordzahlen zu Psychiatern geschickt, damit sie dort bewusstseinsverändernde Medikamente verordnet bekommen, die viele Nebenwirkungen aufweisen.« In vielen Klassen, berichtet er weiter, wird der Hälfte der schwarzen Schüler Medikamente verschrieben. Bei einigen Kindern wird die Untersuchung, die Diagnose und die Verschreibung der Medikamente in weniger als fünf Minuten abgewickelt.

Abdullah-Johnson hebt die Scheinheiligkeit einer Gesellschaft hervor, die einerseits den »Drogen den Krieg« erklärt, sich andererseits aber eifrig bemüht, eine ganze Generation schwarzer Jungen mit Substanzen vollzustopfen, deren Einnahme später oft zum Konsum illegaler Drogen führt. »Sie behaupten, kein Kind solle zurückgelassen werden«, schreibt er, »geben sich aber damit zufrieden, unsere Jungs [gefährlichen] Nebenwirkungen dieser Medikamenten auszusetzen, die noch Jahre nach ihrem Schulabschluss anhalten, wenn diese Jungen überhaupt einen Schulabschluss schaffen.«

Dieses System zwingt unsere Jugend zur starren Anpassung an einen psychiatrisch definierten »Normalzustand«. Kindern wird der Eindruck vermittelt, ohne Medikamente seien sie den schulischen Anforderungen oder dem Leben nicht gewachsen.

Werfen wir doch einmal einen Blick in die Geschichte:

Thomas Edison, einer der erfolgreichsten und produktivsten Erfinder, musste in jungen Jahren die Schule verlassen, weil sich sein Lehrer durch seine ständigen Fragen und seinen beweglichen Verstand genervt fühlte. Wo stünden wir heute, wenn Edisons schöpferischer Geist durch verschreibungspflichtige Medikamente betäubt worden wäre?

Albert Einstein, der Begründer der modernen Physik, war ein stilles Kind, das kaum Kontakt zu Gleichaltrigen suchte. Er verweigerte sich den traditionellen Lernmethoden und galt als alberner Tagträumer. Stellen Sie sich einmal vor, er wäre durch Medikamente »angepasst« worden.

Der große Staatsmann und Redner Winston Churchill besaß als Jugendlicher ein unabhängiges und rebellisches Wesen, was ihm oft Ärger einbrachte. Nach heutigen psychiatrischen Standards wäre bei ihm mit Sicherheit »eine Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigen Verhalten (ODD)« festgestellt worden.

Frederick Douglass, einer der herausragendsten Köpfe der Bewegung gegen Sklaverei (und ein Blutsverwandter des oben erwähnten Umar R. Abdullah-Johnson) wehrte sich seit seiner Kindheit gegen die Regeln, denen Schwarze unterworfen waren. Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Die massive Propaganda, mit der die Gültigkeit dieser Störungen und die Wirksamkeit der entsprechenden Medikamente unterfüttert wird, hat gigantische Ausmaße angenommen. Aber ein 731 Seiten umfassender Bericht des »Projektes zur Überprüfung der Wirksamkeit von Medikamenten« der Universität des US-Bundesstaates Oregon aus dem Jahr 2005, in dem 2.287 verschiedene Untersuchungen aus der ganzen Welt unter die Lupe genommen wurden, fand nur unzureichende Beweise dafür, dass Medikamente, mit denen ADHS behandelt wurde, auf lange Sicht unbedenklich sind oder die schulischen Leistungen verbessern helfen.

Für die Diagnosen werden keine medizinischen Untersuchungen angestellt. Aber den meisten Jugendlichen, bei denen einige dieser Störungen diagnostiziert wurden, werden hochgiftige Medikamente verabreicht, die nachweislich zu Schlafstörungen, Kleinwuchs, Halluzinationen, innerer Unruhe, Herzanfällen, Psychosen, Gewaltausbrüchen und sogar Selbstmord sowie plötzlichem Tod führen.

Der renommierte Psychiater Dr. Peter Breggin, der sich seit Langem für ein grundsätzliches Umdenken der Psychiatrie einsetzt, erklärte in der Huffington Post: »Die psychiatrische Diagnose und die massenweise medikamentöse Behandlung unserer Kinder bilden eine spezifische Form des Kindesmissbrauchs in unserer Gesellschaft … Alle psychoaktiven Substanzen von Alkohol und Marihuana bis hin zu Psychopharmaka verringern und beeinträchtigen die Funktion des Gehirns und des Geistes, keine einzige verbessert sie.« Selbst bei Säuglingen und Kleinkindern werden bereits psychische Störungen festgestellt und entsprechend mit Medikamenten behandelt.

Viele Kliniker befürchten, die Verschreibung von Stimulantien bei Kindern könnte ein Suchtverhalten ausbilden und sie später leichter an illegale Stimulantien wie Kokain und Metamphetamin heranführen. Eine vor Kurzem veröffentlichte Studie der Universität von Kalifornien bestätigt diese Befürchtungen. Es wurden 27 Langzeituntersuchungen analysiert, die die Entwicklung von 4.100 Kindern, bei denen ADHS festgestellt worden war, und von 6.800 Kindern ohne ADHS bis zur Pubertät und dem jungen Erwachsenenalter verfolgten. Bei ADHS-Kindern lag die Wahrscheinlichkeit, ernsthafte Drogenprobleme zu entwickeln, um das Dreifache höher als bei den anderen Kindern. (Einem Bericht der Verbraucherschutzorganisation Consumer Report zufolge werden 84 Prozent der Kinder mit einer ADHS-Diagnose medikamentös behandelt.)

Wenn diese Medikamente so gefährlich sind, warum wollen die Pharmakonzerne sie so massiv für Kinder vermarkten?

»Kinder gelten als willfährige Patienten, und das macht sie zu einem begehrten Markt für Medikamente«, erklärt der frühere Pharmareferent Gwen Olson, Verfasser des Buches Bekenntnisse eines Lobbyisten für verschreibungspflichtige Medikamente. »Die Kinder werden vom Schulpersonal gedrängt, ihre Medikamente zu nehmen, und sie werden von ihren Eltern und von ihren Ärzten dazu gedrängt, ihre Medikamente zu nehmen. Kinder werden daher als ideale Patienten angesehen, denn man kann damit rechnen, dass sie fügsam ihre Medikamente auch über einen langen Zeitraum nehmen. Anders gesagt: Sie werden ihr Leben lang Patienten und damit Pharmakunden bleiben.«

ADHS, ODD, Bipolare affektive und andere Störungen wurden von Ausschüssen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung (APA) erfunden und erlangten durch Veröffentlichung im Diagnostischen und Statistischen Handbuch (DSM) offizielle Geltung. Eine Untersuchung der Universität von Massachusetts und der Tufts-Universität aus dem Jahr 2006 ergab allerdings, dass die Mehrheit der Ausschussmitglieder finanzielle Verbindungen zu Pharmakonzernen unterhielten.

Die Psychopharmaka-Hersteller räumen selbst ein, dass ihre Produkte eigentlich nichts zur Heilung beitragen, sondern nur die Symptome lindern oder erträglich machen.

Der stellvertretende Chef des Pharmariesen Bristol-Myers Squibb gab vor Kurzem bekannt, die amerikanische Behörde für Arzneimittelzulassung (FDA) habe einer Ausweitung des Einsatz ihres Kassenschlagers gegen bipolare Störungen zugestimmt. »Da eine Bipolare affektive Störung als lebenslange und immer wiederkehrende Erkrankung gilt, ermöglicht diese erweiterte Zulassung den Ärzten, Abilify zusätzlich zu Lithium oder Valproat im Rahmen einer langfristigen Behandlung zu verschreiben, um die Symptome einer Bipolaren affektiven Störung vom Typ I lindern zu helfen.« Eigentlich sagt er an die Adresse der Erkrankten damit: »Sie werden Ihr Leben lang von unseren Medikamenten abhängig sein.«

Der Markt für die medikamentöse Behandlung von Kindern ist extrem gewinnträchtig und umfasst mehrere Milliarden Dollar pro Jahr.

Aber hier geht es auch um eine Form unterdrückender, sozialer Kontrolle. Wenn man willkürlich abweichendes Verhalten als »seelische Störung« brandmarkt, die medikamentös behandelt werden muss, konditioniert man die kommende Generation zu willfährigen Robotern, die wissen, dass man vom Status quo nicht abweichen darf.

Wir sollten die Warnung Thomas Jeffersons besser beherzigen: »Jede Gewaltherrschaft, die ihre Stellung festigen will, braucht Menschen guten Gewissens, die schweigen.«

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