Montag, 29. Oktober 2007

Basel tickt anders!

Bruderliebe und Eintracht als oberstes Ziel

Mit Nächstenliebe und Intellekt - Der erste Präsident der Basel-Loge Leon Wormser

Die Basel-Loge ist die älteste Loge des B'nai B'rith auf dem europäischen Kontinent, die ohne Unterbrechung wirkt. Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet, vereint sie jüdische Bürger, die für ihre gemeinsamen Grundtugenden einstehen.


Von Valerie Doepgen

Die erste jüdische Loge nach dem Vorbild der Freimaurer entstand in New York, wo 1844 der Unabhängige Orden B`nai B`rith ins Leben gerufen wurde. 40 Jahre später entstand die Grossloge für Deutschland, und einige Basler Juden traten in die Breisgau-Loge in Freiburg ein, bevor sie selbst im Jahr 1905 die Basel-Loge gründeten. Alle B`nai B`rith-Orden sind Vereinigungen jüdischer Konfession, die sich den Grundtugenden Wohltätigkeit, Bruderliebe und Eintracht verschrieben haben. Der Orden ist bis heute für seine Mitglieder ein Ort, an dem das jüdische Bürgertum in vertrauter Gemeinschaft aktuelle Zeitfragen diskutieren und eine spezifisch jüdische Lösung entwickeln kann.

Eine intellektuelle Vereinigung

Als geheime Gruppe des jüdischen Liberalismus grenzte sich die Basel-Loge Anfang des 20. Jahrhunderts deutlich von den nicht bürgerlichen Schichten ab. Dies wird aus der klaren Definition der Gruppen deutlich, die damals als bürgerlich verstanden wurden, und aus deren Kreisen die Basel-Loge ihre Mitglieder generierte: Selbstständige Kaufleute und Fabrikanten, Intellektuelle und damit meist Professoren, höchste Angestellte wie Vorstandsdirektoren oder Prokuristen, Angehörige freier akademischer Berufe wie Anwälte, Ärzte oder Apotheker und schliesslich die Privatiers, die von ihrem Vermögen lebten. Die Mitglieder der Basel-Loge bildeten somit eine intellektuelle Vereinigung, die auf Grund ihrer gesellschaftlich integrierten sozialen und geistigen Position Ansprüche an die Gesellschaft formulieren und durchsetzen konnte. Die Loge bildete mit der Struktur ihrer Mitglieder sowohl die jüdische als auch die gesamte gesellschaftliche Elite Basels ab. Der erste Präsident der neuen Basel-Loge war Leon Wormser, unter dessen Leitung damals 50 weitere Menschen dem Orden zugehörten. Die meisten Mitglieder standen voll im beruflichen Leben, sie waren ausnahmslos verheiratet. Diese Tatsache führte dazu, dass bereits zwei Jahre später ein Schwesternbund gegründet wurde, der die angehörigen Ehefrauen vereinte und der Anfang der 1990er Jahre mit der Basel-Loge fusionierte. Während des Ersten Weltkriegs rückte die Loge erstmals näher an die Israelitische Gemeinde Basel (IGB) heran, der gegenüber sich die Ordensmitglieder bislang eher als Vordenker empfunden hatten. Die gemeinsame Armenpflege schwächte gegenseitige Vorurteile ab und trug zu einer geschlossenen Vertretung jüdischer Interessen nach aussen bei. Viele Logenmitglieder verschrieben sich zur Zeit des Krieges der zionistischen Idee, mit den Präsidenten Edmond Wormser, Franz Arnstein und Adolf Neiditsch wurde der Zionismus innerhalb des Ordens salonfähig. Innerhalb vereinzelter Strömungen blieb die Basel-Loge aber stets offen für unterschiedliche Ansichten und bot Juden jeglicher Ausrichtung ein Forum, die Zukunft der Judenheit hinter verschlossenen Türen – seit 1927 erstmals in eigenen Räumlichkeiten – diskutieren zu können.

Bewährungsproben überstanden

Neben dem in den dreissiger Jahren zunehmend stärker werden Antisemitismus hielt auch die Weltwirtschaftskrise viele der Logenbrüder in Atem. Nach einem anfänglichen Aufschwung der Basel-Loge drängten sich die persönlichen Herausforderungen der Einzelnen in den Vordergrund, die Pflege der Bruderliebe verlor an Bedeutung. 1932 erschienen zu Logensitzungen unter Vorsitz ihres damaligen Präsidenten Salomon Schönberg regelmässig nur noch 17 von 77 Brüdern, die Zahl der Mitglieder nahm jährlich ab. Schon kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland stieg die Zahl der akademischen Migranten in Basel sprunghaft an, unzählige Hilfegesuche erreichten die Loge. Die daraus resultierende finanzielle Belastung wurde für viele Mitglieder ein weiterer Grund, ihr nur noch sporadisch beizuwohnen. 1937 wurde über Nacht die gesamte deutsche Ordensstruktur zerschlagen, auch der deutsche B`nai-B`rith-Orden wurde aufgelöst. Während des Zweiten Weltkrieges stand die Versorgung jüdischer Flüchtlinge im Vordergrund, und als 1940 badische und südpfälzische Juden deportiert wurden, sammelte die Basel-Loge 13500 Franken für Notleidende, zudem wurden Flüchtlinge in die Loge aufgenommen. Während dieser Zeit näherte sich die Loge der IGB an. Sie zog 1934 in die räumliche Nähe zur Synagoge an die Leimenstrasse 68, wo sie bis 1944 ihren Sitz hatte. Einen engeren Zusammenschluss mit der IGB verkörperte aber vor allem Gemeinderabbiner Arthur Weill, der von 1935 an auch Präsident der Loge war. Gemeinsam setzten sich die Verantwortlichen für die europäischen Juden ein. Nach Kriegsende fand in Basel 1946 erneut ein Zionistenkongress statt, kurz darauf wurde der Staat Israel ausgerufen – die ideelle Ausrichtung der Basel-Loge konzentrierte sich von nun an auf die junge jüdische Nation. Doch auch die europäische Ebene des Ordens wurde gestärkt, indem 1955 im Rahmen eines Kongresses des B`nai-B`rith-Ordens in Basel der Distrikt Europa gegründet wurde. Diese Gründung unter der Leitung des Ehrengrosspräsidenten Rabbiner Leo Baeck stand für einen Neubeginn, der – wie auch der Zionismus – von Basel ausging. Die Basel-Loge aber sah sich auch in der darauf folgenden Zeit und bis heute (siehe Kasten) vor Herausforderungen gestellt. So schien Ende der sechziger Jahre eine Erneuerung unumgänglich, als eine Statutenrevision, in der sich postmodernes und traditionelles Denken mischen sollten, geplant wurde. Trotz aller inneren und äusseren Schwierigkeiten ist der Orden in Basel aber eine Vereinigung von Basler Juden geblieben, die sich nach wie vor der jüdischen Tradition und den drei Grundtugenden verpflichtet fühlen.

Geschlossen ins neue Jahrhundert

Am Sonntag, dem 13.11.2005, begeht die Basel-Loge unter Präsident Ralph Weill ihr 100-Jahr-Jubiläum im Hotel Hilton. Der hiesige Orden zählt zurzeit rund 150 Mitglieder, die alle auch der IGB angehören. Im Gegensatz zu vergangenen Zeiten ist die Loge weniger eine, so Weill, «verschworene Gemeinschaft», sie sieht sich zusehends als eine Vereinigung mit ideellen und gemeinnützigen Zielen. Die Loge versteht es als ihre Aufgabe, auch Juden, die nicht in die religiöse Gemeinschaft eingebunden sind, zu integrieren. Pro Jahr finden mindestens ein Dutzend Veranstaltungen kultureller Art im Verein Neuer Cercle statt, die teilweise in jüdischer Tradition geführt werden. Auf Grund einiger Projekte und Änderungen, die der Logenrat 2004 initiieren wollte, entstanden Differenzen zwischen einzelnen Mitgliedergruppen, welche zu einer Auflösung der Loge zu führen drohten. Die Krise aber wurde überwunden, so dass seit Beginn des Jubiläumsjahres alle Aktivitäten bei reger Beteiligung wieder ihren normalen Verlauf nehmen. «Wir sind ein geschlossener Kreis, der die Juden in ihrer Pluralität darstellt und wichtige Fragen der Zeit diskutiert», betont Weill gegenüber tachles.
Quelle: tachles Jüdisches Wochenmagazin

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