Der Iran-Krieg wäre ein Desaster, auch für die USA
Die Kriegspläne der neokonservativen Likudniks – auch unter Obama brandgefährlich
Auszüge aus den Kapiteln «Schlussfolgerung» bzw. «Postskript» aus Stephen Sniegoskis Buch «The Transparent Cabal»
Dieses Buch hat vertreten, dass die Ursprünge des amerikanischen Krieges gegen den Irak um die US-Kriegs-Agenda kreisen, deren Grundzüge in Israel entworfen wurden, um die israelischen Interessen voranzubringen, und von einflussreichen Israel-freundlichen amerikanischen Neokonservativen innerhalb und ausserhalb der Regierung Bush leidenschaftlich vorangetrieben wurden. Um diese Behauptung zu belegen, wurden umfangreiche Beweise – viele davon stammen aus einem ausführlichen neokonservativen belastenden Dokument – beigebracht. (S. 351)
Der Einfluss der Neokonservativen zeigte sich vor allem an der Tatsache, dass deren Kriegsagenda sich radikal von der traditionellen amerikanischen Politik im Nahen Osten unterschied, die sich auf die Aufrechterhaltung der regionalen Stabilität konzentrierte. Deshalb hat die Politik der Neocons bei Mitgliedern der traditionellen Eliten im Bereich Aussenpolitik/nationale Sicherheit Opposition hervorgerufen. (S. 352)
Ein grundlegender und eher tabuisierter Teil des Themas dieser Arbeit ist Israels integrale Verbindung zur neokonservativen Kriegsagenda. Die wesentlichen Umrisse dieser Kriegsagenda für den Nahen Osten – mit der Israels Sicherheit durch Destabilisierung der Nachbarn Israels erhöht werden sollte – zeichnete sich weitgehend im Denken des Likud der 1980er Jahre ab. Führende Neocons – Richard Perle, David Wurmser, Douglas Feith – unterbreiteten dem israelischen Premierminister Netanjahu 1996 einen vergleichbaren Plan. Danach hätten gemäss dem revidierten Kriegsprogramm der Neokonservativen die Vereinigten Staaten Israel in der Rolle der aggressiven Partei ersetzt. Die israelische Verbindung indes bestand auch, als Amerika sich Richtung Irak-Krieg bewegte, als die Regierung Sharon auf den Angriff drängte und die Vorstellung der unmittelbaren Bedrohung durch Saddams Massenvernichtungswaffen förderte. Später sollte Israel eine ähnliche Rolle beim Vorantreiben einer harten Linie gegen Iran spielen.
Wie in dieser Studie aufgedeckt, unterhielten die Neokonservativen enge Verbindungen zu Israel und hatten bei einer Reihe von Anlässen die Sicherheit Israels als Ziel ihrer Kriegsagenda für den Nahen Osten angeführt. Aber sie bestanden darauf, dass amerikanische und israelische Interessen übereinstimmten und dass der grundlegende Zweck ihrer Politik-Rezepte eine Erhöhung der amerikanischen Sicherheit sei. Um die Richtigkeit dieser Behauptung der Neocons zu eruieren, ist es aufschlussreich, die Früchte ihrer Politik zu evaluieren. Namentlich: in welchem Mass ist tatsächlich eine Erhöhung amerikanischer Sicherheit als Resultat ihrer Kriegspolitik zustande gekommen?
Die negativen Folgen des Irak-Krieges für Amerika sind ziemlich offensichtlich. Bis Ende März 2008 haben mehr als 4000 Amerikaner ihr Leben verloren, die Zahl der Verwundeten überstieg 29 000, und man hatte annähernd 490 Milliarden Dollar für den Krieg ausgegeben. Die wirtschaftlichen Kosten des Krieges insgesamt, zu denen nicht nur die direkten Kriegsausgaben gehören, sondern auch die Auswirkungen des Krieges auf die Wirtschaft insgesamt, waren weit höher. Joseph Stiglitz, ehemaliger Vorsitzender des Nationalen Rates der Wirtschaftsberater, Nobelpreisträger und Professor für Ökonomie an der Columbia University, und Linda Bilmes, Finanzwirtschaftsexpertin an der Universität Harvard, berechneten in ihrem Buch «Der Drei-Billionen-Dollar-Krieg. Die wahren Kosten des Krieges» [deutsch: «Die wahren Kosten des Krieges. Wirtschaftliche und politische Folgen des Irak-Konflikts»], das Anfang 2008 erschien, dass die Gesamtkosten des Irak-Krieges 3 Billionen Dollar sein würden. (Diese Schätzung beruht auf der Annahme, dass die Vereinigten Staaten bis 2012 alle Streitkräfte abziehen würden.) Die Kriegskosten haben jene des zwölf Jahre dauernden Vietnam-Krieges bereits überschritten. Die Autoren weisen darauf hin, dass der einzige Krieg der amerikanischen Geschichte, der mehr kostete, der Zweite Weltkrieg war. Diese schwindelerregenden Kosten sind schon ein bedeutender Faktor beim Abschwung der amerikanischen Wirtschaft gewesen. (S. 352f.)
Der Irak-Krieg hat nicht nur die Terrorismus-Situation verschlimmert, sondern auch Amerikas Macht in der Welt geschwächt. Vor allem ist die amerikanische Position im Nahen Osten schwerwiegend untergraben worden. Richard Haass, Präsident des Council on Foreign Relations, behauptete in seinem Essay «Das Ende einer Ära», Ende 2006 in Foreign Policy erschienen, dass der amerikanische Krieg gegen den Irak zum Ende des «amerikanischen Primats» im Nahen Osten geführt habe. (S. 354)
Die Neokonservativen betrachteten die amerikanische Aussenpolitik durch die Brille der Interessen Israels, so wie die Likudniks die Interessen Israels wahrgenommen haben. Sehr wahrscheinlich sahen sie Israels Interessen wahrhaftig als die Interessen Amerikas, und sahen sich selber nicht als Leute, welche die Interessen der Vereinigten Staaten zugunsten Israels opferten. Selbsttäuschung ist nichts Ungewöhnliches bei ideologisch gesteuerten Individuen.
Zu sagen, dass die Neokonservativen die israelischen Interessen voranzubringen suchten, ist allerdings nicht gleichbedeutend mit der Behauptung, die Neokonservativen hätten die Befehle der Regierung Israels ausgeführt. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie so instruiert worden wären. Die Positionen der Neocons und der israelischen Regierung griffen in vielen entscheidenden Fragen ineinander: beim Irak-Krieg; bezüglich der Notwendigkeit, die iranische Macht zu beseitigen; bei der Verteidigung des jüdischen Staates gegen die Palästinenser. Tatsächlich folgte die Position der Neokonservativen bezüglich Iran – in den 1980er Jahren wohlwollend, in den letzten Jahren feindselig – vollständig derjenigen Israels. Es scheint jedoch, dass einige wichtige Elemente in Israel moderatere Meinungen äusserten und sich nicht mit der ganzen neokonservativen Kriegsagenda identifizierten. Das ist gut nachvollziehbar. Schon vor 2001 war ersichtlich, dass die Neocons zum Flügel der Hardliner der israelischen Meinungen gehörten, wie das in ihrem 1996 veröffentlichten Papier «A Clean Break» augenscheinlich wurde, das die Likud-Regierung Netanjahus aufgerufen hatte, mit dem «Friedensprozess» der Arbeiterpartei zu brechen und eine viel aggressivere Haltung einzunehmen. Sogar der Hardliner Netanjahu nahm davon Abstand, ihren kompromisslosen Kriegskurs umzusetzen. Ebensowenig folgte die Regierung Olmert der neokonservativen Agenda bei der Invasion in Libanon 2006. Offensichtlich auferlegt die zänkische israelische Politszene dem Handlungsspielraum eines politischen Führers Einschränkungen, so dass die Umsetzung eines politischen Programms sehr schwierig wird.
Dennoch hat es eine klare Beziehung zwischen den Neocons und israelischen Politkern gegeben, die über blosse Ideen hinausging. Neocons standen nicht nur Netanjahu, sondern auch Scharanski, Dore Gold und in geringerem Masse Sharon nahe. Am bedeutsamsten ist, das ist im ganzen Buch betont worden, dass die Kriegsagenda für den Nahen Osten nicht den Köpfen der Neocons entsprang, sondern das Hardliner-Denken der Likudniks widerspiegelt. Deren fundamentale Ideen über die Neuordnung des Nahen Ostens waren im wesentlichen in Israel erdacht, um die israelischen Interessen voranzubringen. (S. 365f.)
Beweise für die neokonservative und israelische Verbindung zum Krieg der Vereinigten Staaten im Nahen Osten sind überwältigend und öffentlich zugänglich. Es gab keine dunkle, geheime «Verschwörung», ein Ausdruck des Spottes, der oft von Leuten verwendet wird, welche die Vorstellung einer Verbindung der Neocons zum Krieg verunglimpfen wollen. Aber im Bereich der Politik, so bemerkte George Orwell, «erfordert es eine ständige Anstrengung, um zu sehen, was vor der eigenen Nase ist». Man sollte hoffen, dass die Amerikaner im selbsternannten «Land der Freien» keine Angst haben sollten, den Hintergrund und die Motivation für den Irak-Krieg und die gesamte Politik der Vereinigten Staaten im Nahen Osten ehrlich zu diskutieren. Nur durch ein Verstehen der Wahrheit können die Vereinigten Staaten vielleicht die geeigneten korrigierenden Massnahmen im Nahen Osten ergreifen; ohne ein solches Verständnis rückt die Katastrophe bedrohlich näher.
Um eine Nahostpolitik im Interesse der Vereinigten Staaten und ihrer Bevölkerung zu gestalten, ist es offensichtlich wesentlich, eine klare Sicht der Situation zu haben. Einzelpersonen, die in ihren Analysen so durchweg falsch lagen, wie das bei den Neokonservativen in ihren öffentlichen Stellungnahmen der Fall war, sollten bei derartiger Politikgestaltung nicht beteiligt sein. Ausserdem sollte bei der Bestimmung solcher Politik der Schwerpunkt auf den Interessen der Vereinigten Staaten liegen, ohne Einmischung von Interessen anderer Länder. Einzelpersonen mit engen Bindungen an fremde Staaten sollten in Bereichen, welche die Interessen dieser Staaten betreffen, nicht an der Gestaltung der amerikanischen Politik beteiligt sein. Das ist ein klarer Interessenskonflikt. Keine dieser Aussagen will besagen, dass sich die Vereinigten Staaten nicht Gedanken um die internationale Moralität machen sollten – wobei an alle Länder identische Standards anzulegen sind –, aber man kann von den Vereinigten Staaten nicht erwarten, dass sie Politiken verfolgen, die auf Kosten der Interessen der Vereinigten Staaten die Sicherheit bestimmter fremder Staaten erhöhen könnten. Ein solcher Ansatz sollte für Israel und auch alle anderen Länder gelten. Wenn ersichtlich wird, dass die Interessen der Vereinigten Staaten für jene eines anderen Landes geopfert werden, sollten sich Amerikaner nicht davon abschrecken lassen, das aufzuzeigen. Das eigentliche Überleben der Vereinigten Staaten und ihrer Bevölkerung könnte davon abhängen. (S. 372f.)
Die tatsächliche Umsetzung eines Krieges gegen Iran und die zusätzlichen Aspekte der Neocons-Kriegsagenda ist durch nichts verbürgt. Angesichts der Rhetorik, die im Frühling 2008 zum Ausdruck kam, erschien ein solcher Krieg allerdings als deutliche Möglichkeit in den zu Ende gehenden Monaten der Regierung Bush. Angesichts der Hardliner-Position von McCain und seiner Nähe zu den Neocons hat es den Anschein, dass die Wahrscheinlichkeit eines Krieges gegen Iran sogar noch grösser wäre, wenn er gewählt würde. Und ein solches Engagement könnte auch unter Obama oder Clinton nicht ausgeschlossen werden, trotz deren Kritik am Irak-Krieg. Es kann mit Sicherheit gesagt werden, dass – obwohl die Nahostpolitik der Neocons eine lange Geschichte hat – diese Politik – und die Neocons selber – weit davon entfernt sind, Geschichte zu werden. (S. 382)
Quelle: Stephen J. Sniegoski. The Transparent Cabal. The Neoconservative Agenda, War in the Middle East, and the National Interest of Israel. Norfolk Virginia 2008. ISBN 978-1-932528-17-6
Freitag, 17. Juni 2011
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