Lust am gemeinsamen Untergang?
Deutschland wird von Europa aus- und abgemerkelt
von Prof. Dr. Eberhard Hamer, Mittelstandsinstitut Niedersachsen
Der «Friedenstraum Europa» hatte von jeher ein Janus-Gesicht: Auf der einen Seite wollten die europäischen Völker nach zwei Weltkriegen endlich dauerhaften Frieden, Partnerschaft und Freundschaft miteinander. Dies war die politische Motivation nicht nur der Paneuropa-Bewegung, sondern auch Hintergrund der unterschiedlichen europäischen Einigungskonzepte. Dabei standen sich allerdings von Anfang an zwei grundsätzlich gegenteilige Auffassungen gegenüber.
1. Im politischen Einigungs-Strang Europas stand von Anfang an die Staatenbund-Vorstellung von einem dezentralen Europa souveräner Mitgliedsstaaten gegen die von den USA vertretene Vorstellung eines zentralen Bundesstaates im Sinne der «Vereinigten Staaten von Europa», wie sie endlich im Vertrag zu Lissabon durch Abschaffung der Nationalstaaten zugunsten eines «Europa-Bürgertums» – was immer dies sei – vollendet worden ist. Der politische Unterschied liegt letztlich darin, dass ursprünglich die Nationalstaaten noch die entscheidenden Souveränitätsrechte behalten wollten, sie dann aber gedrängt wurden, diese immer mehr an die Politzentrale in Brüssel abzugeben. Das fing mit der Wettbewerbspolitik und dem selbsternannten Europäischen Obergericht des Europäischen Gerichtshofs an und hat sich in einem gemeinsamen Aussenministerium mit 7000 Euro-Beamten und nun dem Verlangen von Brüssel nach der Finanzsouveränität über die Mitgliedsstaaten fortgesetzt. Der Trend zur Zentralisierung – und Entdemokratisierung – Europas wird von mächtigen Weltfinanznetzwerken aus dem Hintergrund konsequent betrieben.
2. Der zweite – wirtschaftliche – europäische Einigungs-Strang begann mit der Montan-Union, durch welche vor allem die deutsche Grundstoffindustrie europäisiert werden sollte, setzte sich mit der «Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft» (EWG) fort, mit welcher sich die Mitgliedsstaaten gleichsam als Waggons hinter die deutsche Export-Lokomotive hängten, und mündete in die europäische Währung Euro, welche den europäischen Schwachwährungs- und Schuldnerländern die Abwertung ihrer Währung nach üblicher Inflation ersparen und zugleich in der Gemeinschaftswährung zinsgünstigere und weitere Verschuldung ermöglichen sollte. Bis dahin war die D-Mark und die ihre Stabilität verteidigende Bundesbank der Hauptstörer aller in Europa üblichen Inflationen gewesen, weil an der Stabilität der D-Mark die Entwertung der anderen Währungen erkennbar und politisch zum Problem wurden. Die Bundesbank musste also zugunsten einer gemeinsamen europäischen Bank kastriert, die D-Mark durch eine gemeinsamen Währung ersetzt werden.
Der Autor hat rechtzeitig vor dem Euro gewarnt, da dieser in der Tradition aller anderen europäischen Mitgliedsländer eine Weichwährung würde, zumal die EZB im Unterschied zur Bundesbank politischem Einfluss unterstellt wurde (Finanzministerkonferenz).
Tatsächlich war der Euro für die deutsche Exportwirtschaft innerhalb Europas von Vorteil, weil er sie vor Währungsschwankungen im Währungsgebiet sicherte. Für die deutsche Volkswirtschaft dagegen bedeutete der Euro die Verwendung unserer Aussenhandelsüberschüsse in der EZB für die Defizite von Griechenland, Italien, Frankreich usw. und dadurch einen jahrelangen Abfluss unserer Leistungsbilanzüberschüsse in Höhe von 4 bis 6% BIP. Per saldo haben wir also im Abrechnungskreislauf der Zentralbanken schon lange jährlich 5 bis 6% unseres Sozialprodukts mit Hilfe des Euro an die übrigen Mitgliedsländer verschenkt. Zählt man unsere Beitragsüberschüsse hinzu, haben wir bis zur Krise 2008 auf deutsche Kosten all das finanziert, was der Euro in ärmeren bzw. hemmungsloser verschuldeten Ländern wie Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, Frankreich, Irland u.a. an Geldzufluss und Wachstum ermöglichte, die ihnen sonst auf Grund ihrer eigenen schwachen Landeswährung und Wirtschaftskraft nicht möglich gewesen wären. Dadurch konnten sie sich das leisten, was sie sich eigentlich nicht leisten durften. So entstand im Euro-Raum ebenso wie im Dollar-Raum eine durch ständig wachsende Geldmenge induzierte Währungsblase und Scheinblüte, deren Hauptnutzniesser allerdings die internationalen Banken mit immer grösseren, risikovolleren und abenteuerlicheren Finanzprodukten und Krediten an die Schwachländer waren.
3. Auch hinsichtlich des Euro standen sich in Europa grundsätzlich gegenteilige Meinungen gegenüber:
Die Deutschen, Niederländer, Österreicher glaubten, dass die EZB die Stabilität des Euro garantiere, also nur dem Geldwert verpflichtet die Stabilitätspolitik der Bundesbank fortsetze. Entsprechendes schrieb die Satzung der EZB vor. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht irrtümlich geglaubt, als es den Ersatz der starken D-Mark durch einen angeblich ebenso starken Euro als rechtmässig sah.
Tatsächlich aber haben die französische Politik und die Mehrheit der finanzschwachen Mitgliedsländer nie das politische Primat über eine Zentralbank aufgegeben. Mit EZB-Präsident Trichet wurde dies deutlich: Die EZB sollte Hilfsorgan der europäischen Umverteilungspolitik zugunsten der europäischen Schwachländer und auf Kosten vor allem Deutschlands sein. Die Währung wurde den politischen Wünschen der Mehrheit unterstellt.
Deshalb verstiessen die EZB und die europäischen Finanznothelfer in den letzten zwei Jahren während der Finanzkrise nicht nur gegen ihre Landesverfassungen und gegen den frisch verkündeten Vertrag zu Lissabon («no bail-out»), sondern auch ohne überzeugendes finanzpolitisches Konzept gegen jede Vernunft.
3.1. Die Griechenland-Krise war eigentlich keine Krise Griechenlands, sondern der internationalen Banken, die leichtsinnig hohe Kredite an Griechenland vergeben und diese nun gefährdet sahen. Hätte Griechenland sein Überschuldungsproblem selbst durch Austritt aus dem Euro und Abwertung lösen müssen – wie es Merkel anfangs gefordert hat –, wäre das Problem auf 3% des Euro-Raumes reduziert geblieben. Auf Druck der US-Hochfinanz setzte Obama bei Merkel durch, dass Europa für die griechischen Schulden verantwortlich sein sollte, dass die internationalen Spekulationsbanken keineswegs in die Pflicht genommen oder die Defizitsünder weder diszipliniert noch mit Stimmrechtsentzug bestraft werden durften. Der Hauptzahler Deutschland wurde in jedem Punkt überstimmt, und Merkel musste entgegen dem Grundgesetz und entgegen dem Lissabon-Vertrag der Haftungsübernahme für alle Schulden in der EU im Sinne einer Transferunion zustimmen.
Die internationale Finanzindustrie hat also mit Hilfe der Griechenland-Krise für ihre leichtsinnig vergebenen und inzwischen gefährdeten Schulden die Bürger Deutschlands in die Haftung gezwungen – sogar mit Zustimmung des Bundestages.
Das Problem der Staatsüberschuldungen und der Haftungsausdehnung auf Kosten Deutschlands ging mit Irland weiter und wird mit Portugal, Spanien o.a. noch so lange fortgesetzt werden, bis entweder der Euro oder vorher Deutschland finanziell zusammenbricht. Tatsächlich hat die Regierung Merkel den deutschen Wohlstand für die europäische Überschuldung eingesetzt und die Verarmung Deutschlands damit vorprogrammiert. Noch nie hat eine demokratische deutsche Regierung ihrem Volk so geschadet wie diese.
3.2. Dass der Euro nicht mehr stabil bleiben soll, hat die EZB selbst mit dem Ankauf von Schrott-Anleihen überschuldeter Länder entgegen ihrer Satzung und ihrem Auftrag begonnen und soll dies nach Meinung der Mehrheit der überschuldeten europäischen Länder in Form von Euro-Bonds verstärkt fortsetzen. Man will also die Verschuldung der Länder über eine Verschuldung der EZB verallgemeinern. Auch hierbei hat Deutschland nicht mehr viel zu sagen. Bundesbankpräsident Weber hat seine Mitwirkung verweigert, da er bei Merkel keinen Rückhalt fand. Die EZB hat sogar 500 Milliarden Euro veruntreut, indem sie damit bis April 2011 amerikanische Defizite finanzierte. Dieses Geld wird zusätzlich verloren sein oder abgewertet werden.
Als Neuestes wurde nun der angebliche «Rettungsschirm» auf 700 Milliarden Euro Haftungssumme für überschuldete Mitgliedsländer aufgestockt. Da aber immer mehr Mitgliedsländer zahlungsunfähig werden, fällt die Haftung immer stärker den immer weniger werdenden noch zahlungsfähigen Ländern – also überwiegend Deutschland – zu. Die Regierung hat uns also in einer Höhe zusatzverschuldet, welche durch nationales Sparen nicht mehr auszugleichen, also nur durch galoppierende Inflation und/oder Währungsreform wieder zu korrigieren wäre.
Weil man einzelne Länder für ihre Finanzsünden nicht büssen lassen wollte, müssen nun alle büssen, insbesondere diejenigen, die am solidesten geblieben sind. Das Währungssystem funktioniert nur noch so lange, bis die wachsenden Schulden auch diese Länder überfluten. Der Untergang des Euro ist damit programmiert.
3.3. Die Hemmungslosigkeit, mit welcher unsere Regierung internationale Schulden übernimmt und zu deutschen Schulden macht, steht im Widerspruch zur nationalen Knauserigkeit. Bei Hartz-IV-Beziehern sollten es nicht mehr als 5 Euro sein, für die internationalen Banken und die europäischen Schuldnerländer dürfen es ruhig 700 Milliarden Euro werden.
Man wird gespannt sein, wie lange sich die Bevölkerung diese binnenländische Sparsamkeit bei externer Verschwendung bieten lässt. Die Unruhe der Bevölkerung wächst.
Blickt man auf die letzten zwei Jahre deutscher und europäischer Finanzpolitik zurück, treten überall Ungereimtheiten, Widersprüche, Erpressungen und Korruption zugunsten der internationalen Finanzindustrie auf. Hier bestimmt nicht mehr ein schlüssiges Währungs- und Finanzkonzept, wie z.B. die Sicherung einer stabilen Währung, das Handeln unserer Finanzpolitiker, sondern nur noch die Mentalität kurzfristiger Wechselreiterei, das Stopfen auftretender Finanzlöcher durch neue, grössere Schulden. Getreu dem seit Jahrzehnten von den USA propagierten Wahlspruch «To keep Germany down, USA in and Russia out» wird europäische Währungspolitik zu Lasten insbesondere Deutschlands und zugunsten der internationalen Finanzindustrie betrieben.
Der Irrtum unserer finanzpolitischen Berliner Regierungs-Laienspielschar liegt allerdings darin, dass die deutsche Bevölkerung die Haftungsübernahme Deutschlands für die privaten und öffentlichen Finanzjongleure der USA, Europas und der Welt nicht bemerken und tolerieren würde – ein Irrtum, welchem die Flucht des Bundesbankpräsidenten Weber als Alarmzeichen hätte dienen müssen. Es gibt keine nennenswerten Finanz-wissenschafter in Deutschland, welche nicht dramatische Folgen durch die Transferunion und die Aufweichung der EZB für den Euro und für Deutschland sähen. Die Bevölkerung wird schon bald die Folgen deutscher Haftung für die Schulden anderer Mitgliedsländer und des deutschen Wohlstandsabflusses an die europäischen Schuldnerländer durch Sparen im Inland und Inflation des Euro zu spüren bekommen.
Die finanzpolitische Leistung der Regierung Merkel ist verhängnisvoll. Statt die einzelnen Schuldnerbanken für ihren Leichtsinn büssen zu lassen, mutet Merkel uns gemeinsame Busse und den gemeinsamen Untergang im Schuldensumpf zu. Das kann politisch und publizistisch nicht mehr lange unterdrückt werden. Werden die Folgen spürbarer, wird nach den Schuldigen gerufen.
Die Finanzkrise war zuerst eine Bankenkrise. Diese wurde durch Geldflutung und Haftungsübernahme durch die Staaten vorübergehend beruhigt. Aber nun ist die zweite Krisenstufe («double dip») erreicht, bei welcher öffentliche Finanzkrisen mit Staatskonkursen und allen daraus entstehenden wirtschaftlichen und revolutionären Folgen aufbrechen. Man hat also die Bankenkrise nur verdeckt, auf die Staaten verlagert, verlängert und vergrössert, statt ehrlich sofort die Konsequenzen zu ziehen.
Ebenso wie ein Drogensüchtiger nicht durch die Gabe ständig stärkerer Drogen geheilt wird, ist dies auch bei Überschuldungen nicht möglich. Eine Korrektur ist zwangsläufig. Wir werden uns also in der jetzt kommenden zweiten Stufe der Finanzkrise auf Inflation und Abwertungen einstellen müssen, weitere Finanzwurschtelei hilft dann nicht mehr. Es wird sich bald ausgemerkelt haben.
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