Samstag, 21. Februar 2009

Konkordate - Die Zerstörung des Föderalismus

Undemokratische Konkordate
Schluss mit Aushöhlung der Kantonsautonomie
Von Lieni Füglistaller, Nationalrat, Rudolfstetten-Friedlisberg AG

In der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates (SPK) fand eine parlamentarische Initiative eine Mehrheit, welche die undemokratische Aushöhlung der Kantonsautonomie durch die Allgemeinverbindlicherklärung von interkantonalen Verträgen aufheben will.

Die Parlamentarische Initiative verlangt die ersatzlose Streichung des Artikels 48a der Bundesverfassung. Dieser Artikel legt fest, dass durch einfachen Bundesbeschluss interkantonale Verträge, also so genannte Konkordate, für alle Kantone «allgemeinverbindlich» werden, oder sich Kantone an einem solchen Konkordat, beziehungsweise an einem definitiv ausgehandelten Vertragsentwurf, beteiligen müssen. Im Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich (FiLaG) sind die Einzelheiten und das Verfahren geregelt.

Das Gesetz schreibt im Wesentlichen vor, dass auf Antrag von 21 Kantonen die Bundesversammlung eine interkantonale Rahmenvereinbarung «allgemeinverbindlich» erklären kann, beziehungsweise, dass achtzehn Kantone verlangen können, dass ein interkantonaler Vertrag in den erwähnten neun Aufgabenbereichen «allgemeinverbindlich» erklärt wird. Durch einfachen Bundesbeschluss kann die Bundesversammlung wiederum auf Antrag von einer definierten Anzahl Kantone, einen oder mehrere Kantone zu einer Beteiligung an einem entsprechenden Abkommen verpflichten.

Diese Idee fand ursprünglich mit der Entwicklung des neuen Finanzausgleichs (NFA) ihren Durchbruch, weil man damals befürchtete, dass einzelne Kantone sich gewissen Lasten entziehen könnten, indem sie sich nicht an entsprechenden interkantonalen Verträgen beteiligten. Der Art. 48a der Bundesverfassung wird mittlerweile aber über den Finanzausgleich hinaus «missbraucht». Er kommt plötzlich dort zur Anwendung, wo Kantone möglichst rasch und ohne Volksabstimmung zur Beteiligung an interkantonalen Verträgen verpflichtet werden können.

Verträge unter den Kantonen

Im Rahmen von Artikel 48 der Bundesverfassung sind die Kantone befugt, untereinander Verträge abzuschliessen. Diese Verträge, in der Umgangssprache eben Konkordate genannt, stellen die Hauptform der Zusammenarbeit unter den Kantonen dar und haben Vorrang vor kantonalem Recht. Konkordate stehen also, einmal von den Kantonsparlamenten verabschiedet, über dem Zugriff durch das Kantonsparlament oder dem Stimmvolk.

Anders formuliert: Ist ein Kanton erst einmal bei einem Konkordat dabei, kann sein Kantonsparlament oder sein Stimmvolk den Inhalt des Konkordats nichts mehr mitbestimmen. Und noch schlimmer: Selbst wenn der Beitritt zu einem Konkordat von einigen Kantonen abgelehnt wird, müssten diese trotzdem mitmachen, sofern eine festgelegte Anzahl anderer Kantone dem Konkordat zustimmen. Dieser Kontrahierungszwang und die zentralistische Auslegung widersprechen der direkten Demokratie, dem Föderalismus und sind alles andere als liberal.

Zwischen 1848 und 2003 haben die Kantone 733 Konkordate über verschiedenste Bereiche unterzeichnet. Doch die meisten dieser Konkordate sind nur wenige Jahre alt. Ein Drittel davon wurde in den letzten zehn Jahren abgeschlossen. Und seit 2003 explodiert die Zahl der Konkordate.

Ohne Volksmeinung

Diese Konkordate haben zwar praktisch die gleiche Gültigkeit und Qualität wie ein Bundesgesetz, doch kommen diese interkantonalen Verträge auf ganz anderem Wege zustande. Sie werden gemacht ohne das Volk zu fragen. Dieses kann ein solches Konkordat höchstens mit einem Referendum bekämpfen. Ebenfalls fraglich ist es, wenn die Exekutive, also die Regierungsräte, plötzlich die Arbeit des Kantonsparlaments (Legislative) ausüben und Verträge machen, die Gesetzescharakter haben. Oftmals haben weder das Bundesparlament noch kantonale Parlamente Kenntnisse von den gesetzgeberischen Bestrebungen der verschiedensten Konferenzen der kantonalen Exekutiven. Das rüttelt an den Grundsäulen der direkten Demokratie.

Wir schaffen damit eine eigentliche vierte Ebene in unserer Demokratie, nebst Gemeinden, Kantonen und dem Bund. Diesen Trend, welcher gerne mit dem Schutzmantel des kooperativen Föderalismus versehen wird, ist deutlich festzustellen. Die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) und die Fachdirektoren-Konferenzen weiten ihre Tätigkeit ständig aus. So entsteht schleichend eine neue Staatsebene – quasi ein verfassungsfreier Raum. Die KdK tritt immer häufiger als «Stimme der Kantone» auf, ohne eigentliche demokratische Legitimation, engagiert sich in Abstimmungskämpfen und hat ein eigenes, schön angeschriebenes «Haus der Kantone» hier in Bern. Die verschiedenen Fachdirektionen beschäftigen mittlerweile über zweihundert Personen, haben eigene Budgets, bestimmen die Mitgliederbeiträge selber, usw.

So ist auch die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK) zum Schluss gekommen, dass dieses neue Instrument quer in der föderalistischen Landschaft der Schweiz steht, in der jeder Kanton gleichberechtigt ist und nicht einem Kanton der Wille der anderen aufgezwungen werden sollte. Ist eine gesamtschweizerische Lösung eines Problems erforderlich, ist der ordentliche, demokratisch legitimierte Weg der Gesetzgebung zu beschreiten.

Lieni Füglistaller

Keine Kommentare: