Montag, 3. Dezember 2007

Staatsterror

«Die Polizei schlug wahllos mit Knüppeln auf uns ein»

Die Polizei verhaftete laut Betroffenen wahllos Passanten und Teilnehmer einer Mini-Demonstration. 250 meist junge Menschen wurden in Handschellen gelegt und bis am Sonntagmorgen in Minizellen gesteckt. Die Polizei räumt Probleme bei den Abläufen ein.


Ein massives Polizeiaufgebot löste die unbewilligte Demonstration schon zu Beginn auf.
(Bild: 20 Minuten/Mario Stübi)

Der Eingang zum Luzerner Jugend- und Konzerthaus Boa, aufgenommen am 18. Mai 2003. (Bild: Keystone/Urs Flüeler)

Ein unbewilligtes Strassenfest gegen die Schliessung der Boa und für mehr kulturelle Freiräume artete am Samstagabend im und ums Vögeligärtli zur gigantischen Polizeiaktion aus. Die Polizei verhaftete insgesamt 245 Leute. Die Teilnehmer wurden nach mehreren unabhängigen Angaben von der Polizei cirka um 20 Uhr völlig unvermittelt umzingelt. Rund 400 Polizisten kesselten die Teilnehmer der Pro-Boa-Aktion ein. «Die Polizei reagierte völlig unverhältnismässig und schlug wahllos mit Fäusten, Knüppeln und Schildern auf uns ein», sagt Jacqueline Wüst. «Drei Polizisten drückten mich zu Boden, jetzt habe ich überall blaue Flecken», sagt die 18-Jährige weiter.

Die Polizei weist diese Vorwürfe zurück. «Mehrzweckstöcke stehen den Polizisten zur Abwehr zur Verfügung», sagt Ernst Röthlisberger von der Stadtpolizei Luzern. Kritik hagelt es auch wegen der Unterbringung der Festgenommenen in der ehemaligen Zivilschutzanlage Sonnenberg. «Die Festgenommenen mussten sich nackt ausziehen und wurden teilweise bis am Sonntagmorgen festgehalten», sagt ein anderer Demonstrant.

Pro Zelle seien es rund zwölf Personen gewesen, sie hätten nur Wasser bekommen und ohne Decken auf dem kalten Steinboden ausharren müssen. «Wir werden in Sachen Abläufe und Unterbringung bei Massenfestnahmen über die Bücher gehen», sagt Röthlisberger dazu.

Bei der Massenverhaftung, die sich für die meisten von 20 Uhr abends bis morgens um sechs Uhr hinzog, wurden offenbar auch zahlreiche zufällige Passanten «einkassiert». Ein junges Pärchen aus Zürich, das zufällig an dem Park vorbeikam, fand sich plötzlich im Polizeikessel wieder. «Es gab kein Entkommen», erzählt die 20-jährige Elvira M. aus Zürich (Name der Redaktion bekannt). «Ich wurde von meinem Freund getrennt und fand mich in einer stickigen Zelle mit Prostituierten, Schwangeren und anderen Frauen wieder. Mir kam es vor, als hätte die Polizei einfach eine Riesenübung durchgezogen, und ich war eines der Opfer.» Sie wurde morgens um fünf nach der nächtlichen Tortur mit stundenlangem Gefesseltsein in einer Zelle, in der es kaum Luft gab, freigelassen.

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