Montag, 17. Dezember 2007

Der Verlust der Souveränität der EU-Länder

Dauerthema EU und anderes,

Der Widerstand einzelner Mitgliedländer gegen die immer diktatorischeren und unverständlicheren »Verwaltungsmassnahmen« der EU-Kommission nimmt zu 1. Nachdem der Oberste Europäische Gerichtshof in Luxemburg Österreich nach jahrelangem Rechtsstreit verboten hat, eine gentechnikfreie Zone in Oberösterreich einzurichten, hat die EU-Kommission nun auch Frankreich beim Anbauverbot gentechnisch veränderter Pflanzen einen Dämpfer erteilt.

Der von Präsident Sarkozy angekündigte Anbaustopp für Genpflanzen verstosse gegen europäisches Recht, sagte die für Umweltfragen zuständige Sprecherin Barbara Helfferich in Brüssel. Frankreich droht damit ein Verfahren aus Brüssel, an dessen Ende hohe Strafen stehen könnten. Sarkozy hatte Ende Oktober angekündigt, den Anbau von Genpflanzen bis Anfang 2008 aussetzen zu wollen. Dann tritt ein neues Gesetz mit schärferen Bestimmungen in Kraft. Nach starkem Druck aus der USA erlaubt die EU den Anbau von Genpflanzen unter strengen Auflagen. Hat ein gentechnisch verändertes Produkt die Zulassungshürden der EU-Kommission genommen [wo hier die ‚Hürden’ sein sollen, ist schwer erkennbar, da sich die Kommission im allgemeinen doch offensichtlich den Vorgaben der USA zu beugen pflegt; Anm. von politonline], können die EU-Staaten nach Sicht der Kommission den Anbau nicht mehr einseitig untersagen. Und Brüssel verordnet, reglementiert, genehmigt und schreibt weiter vor, auch die sinnlosesten Dinge, wie zum Beispiel die Beschränkung der Lautstärke in Konzertsälen, Bekleidungsvorschriften für Kellnerinnen, bis hin zu sinnlosen Subventionen ohne entsprechende Kontrolle. Manchmal fragt man sich, mit welcher Unverfrorenheit EU-Politiker das Wort »Demokratie« im Zusammenhang mit der EU verwenden. Da wird die von Frankreich und den Niederlanden eindeutig abgelehnte EU-Verfassung in »Reformvertrag« umgetauft und - als ob nie etwas abgelehnt worden wäre - den EU-Bürgern in einer Mogelpackung wieder angedreht. Es ist einfach unglaublich, mit welcher Frechheit Politiker nun jede Mitbestimmung der Bevölkerung über die Inkraftsetzung des Reformvertrags von vornherein ausschliessen, indem sie lediglich die Parlamente »abstimmen« und ratifizieren lassen. Nun könnte man sich über eine solche Vorgehensweise der bestens versorgten »Volksvertreter« einfach nur ärgern und zur Tagesordnung übergehen, wäre da nicht die Tatsache, dass dieser Reformvertrag eine weitgehende Entmachtung der nationalen Parlamente vorsieht und konkrete Ansätze zu diktatorischen Massnahmen beinhaltet. Der Reformvertrag wird von der EU-Kommission jährlich mit fast 30 Millionen € »beworben«. Allein seit 2004 gab die Kommission für »Überzeugungsarbeit« mehr als 85 Millionen € an Steuergeldern aus. Die EU-Bürger finanzieren also sozusagen die eigene Manipulation. Der Reformvertrag umfasst mehr als 3000 Seiten, nach denen die EU-Bürger zu leben haben [und die sie vermutlich überhaupt nicht kennen resp. nicht gelesen haben; Anm. von politonline]. Alle darin enthaltenen Bestimmungen sind für sämtliche EU-Bürger verbindlich und können jederzeit von allen EU-Behörden und Gerichten durchgesetzt werden, denn: EU-Recht geht vor nationalem Recht. Über ein solches Konvolut, bei dem sich schon Experten kaum noch auskennen, könne man den einfachen EU-Bürger nicht abstimmen lassen, so die EU-»Volksvertreter«. Das mag schon stimmen, kennen sie sich doch selbst kaum noch aus. Ehrlich: Würden Sie, der Leser, einen Vertrag, den Sie nicht durchschauen, mit Ja unterzeichnen? Sicherlich nicht. Aber unsere Politiker machen das, immer im Namen des Bürgers, und das fast einstimmig: alle Parteien, fast alle Abgeordneten. Wer da wohl im Hintergrund die Fäden zieht? Da die Politiker bei einer Volksabstimmung mit einem Nein rechnen, wird gleich gar nicht abgestimmt. Das ist dann die gelebte Demokratie. Man ist erneut an ein Zitat von Jean Claude Juncker, Ministerpräsident von Luxemburg, erinnert: »Wir beschliessen etwas, stellen das in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein grosses Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter, Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.«

In Ergänzung zu den obigen Gedankengängen seien hier einige der in dem vom Schiller-Institut herausgegebenen Informationsblatt Strategic Alert wiedergegeben Fakten zitiert 2. So heisst es hier, dass der neue Europäische Vertrag die britische Herrschaft über die EU bedeute. Der neue Reformvertrag würde bei Inkrafttreten jegliche Abwehrmassnahmen im Stile Roosevelts gegen den heraneilenden Finanzkollaps und die Wirtschaftsdepression untersagen. Ohne die souveräne Macht der Nationalstaaten [und die Aushebelung dieser Macht ist ganz klar im Gange; Anm. von politonline] würden die Europäer in einer elenden, von den Briten beherrschten finanziellen Sklaverei leben. So behauptet auch der ehemalige französische Präsident Giscard D’Estaing, dass der Text des Reformvertrags 95 % des Verfassungsvertrages, den er selbst ausgearbeitet hatte, enthalte. Die schockierendsten Vorschriften des letzteren wurden von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Unterstützung durch Nicolas Sarkozy Satz für Satz in den jetzigen neuen Vertrag übernommen. Mindestens 50 neue Befugnisse in den Bereichen Energie, Justiz, Polizei, Einwanderung, Asyl, Umwelt, Aussenpolitik, etc., werden aus den Händen der souveränen Staaten genommmen und in die der EU gelegt. Wie inzwischen bekannt, ist die Grundrechte-Charta für Großbritannien nicht bindend, d.h., London kann die Zusammenarbeit in Fragen der Justiz und des Strafvollzugs verweigern. Die wichtigste Neuerung ist die Wahl eines Europäischen Präsidenten durch eine qualifizierte Mehrheit der Regierungschefs für eine 30monatige Amtszeit. Dieser Präsident wird die Macht haben, politische Massnahmen einzuleiten oder sein Veto gegen diese einzulegen. Gemäss dem neuen Vertrag werden die Posten des Hohen Repräsentanten und des Europäischen Kommissars für Auswärtige Beziehungen zum »Hohen Repräsentanten der Union für Auswärtige Angelegenheiten und Sicherheitspolitik« zusammengelegt; letzterer wird durch eine qualifizierte Mehrheit bestimmt; ferner wird - unter Umgehung der Mitgliedstaaten - ein einziger europäischer diplomatischer Dienst geschaffen. Die höchst unbeliebte Vorschrift des »freien und fairen Wettbewerbs« wurde aus dem Hauptteil des Vertragstextes sorgfältig herausgehalten, findet sich aber in einem »Wettbewerbsprotokoll«, das genau die gleichen stark umstrittenen Formulierungen enthält, die schon im Artikel 3(1)(g) des Verfassungsvertrages standen. Dieser Text wurde von Experten ausgekocht, die weit entfernt von den Normalbürgern sind. Der jetzt in Lissabon unterzeichnete Reformvertrag soll also in wenigen Wochen durch die nationalen Parlamente gepeitscht werden, um Debatten über ihn möglichst zu vermeiden. Diese Entscheidung enthüllt den wahren Charakter des Vertrages: Er ist eine Waffe gegen die Völker und Vaterländer.

politonline: Angesichts all dieser Umstände ist ersichtlich, dass die lange geplante Entnationalisierung der Staaten, d.h. der Verlust der Souveränität der EU-Länder, fortschreitet. Es bleibt die bereits öfters gestellte Frage, wieso die regierenden Spitzen der EU-Länder keinen wirklichen Widerstand leisten und einen derartigen Vertrag dennoch unterzeichnet haben.

Keine Kommentare: