Schwere Bombenattentate, zahlreiche Tote, eine instabile Regierung – im Irak läuft nichts, wie es sollte. Oder eben doch? Werden alle Fakten zusammengetragen, ergibt sich ein neues Bild vom scheinbar misslungenen Irak-Feldzug.
Es erstaunt nicht, wenn man in den grossen Ölvorkommen des Irak den eigentlichen Grund für den Angriff auf das Land sieht. Führt man sich aber vor Augen, um wie viel Öl es sich tatsächlich handelt, dann werden die Dimensionen erst richtig erkennbar. «Der Council on Foreign Relations in Washington hat Schätzungen publiziert, wonach im Irak noch unentdeckte Ölreserven in der Höhe von 220 Milliarden Barrel lagern – eine andere Studie beziffert diese Reserve auf 300 Milliarden Barrel», hält Jim Holt in einem Artikel fest, der Anfang Dezember in «Le Monde Diplomatique» veröffentlicht wurde. Umgerechnet auf die aktuellen Preise wären das rund 30 Billionen Dollar! Im Vergleich dazu sind die Gesamtkosten der US-Invasion von bisher einer Billion Dollar ein wahrer Klacks.
USA bauen im Irak Superbasen für 20 000 Soldaten
Diese Ölreserven gilt es zu sichern. Und deswegen machen die USA keinerlei Anstalten, sich aus dem Irak zurückzuziehen. Im Gegenteil: Indem sie eine dauerhafte Militärpräsenz im Irak installieren, sichern sich die Staaten ihren Zugriff. «Fünf autonome Superbasen sind bereits im Bau oder gehen der Vollendung entgegen», schreibt Holt. So zum Beispiel die Balad Air Base, 40 Kilometer nördlich von Bagdad. Ein «Suburbia-Klotz inmitten der irakischen Wüste mit Fastfood-Läden, einem Kino und separaten Wohnsiedlungen» mit Platz für bis zu 20 000 Soldaten. «Dort herrscht ein dichterer Start- und Landebetrieb als auf den meisten Flughäfen der Welt», weiss Jim Holt.
Die Gewinner
Das politische Kalkül dieser langfristigen Ansiedelung im Wüstenstaat sieht der Autor folgendermassen:
1. Es wird ein faktisch geteilter Irak entstehen. Die formelle Oberhoheit über einen «balkanisierten» Irak wird dann eine schwache Zentralregierung ausüben, gepäppelt und beaufsichtig von der US-Botschaft - deren neue Gebäude, eine gewaltige Anlage in der Sicherheitszone in Bagdad, gerade fertig gestellt wurden.
2. Hauptaufgabe der US-Stützpunkte wird es sein, die Infrastruktur der Ölförderung zu schützen. Auch in der Luft haben die USA die unbestrittene Kontrolle: Die irakische Luftwaffe verfügt über kein einziges Kampfflugzeug, was auf Jahre hinaus so bleiben wird.
3. Profitieren würden nicht nur die US-Ölkonzerne, sondern auch die amerikanischen Wähler: Ihnen könnten stabile Benzinpreise garantiert werden.
4. Europa und Japan könnten ebenfalls von der Kontrolle des Westens über den Grossteil der Weltölreserven profitieren.
5. Mit den Öleinnahmen könnten die USA ihre Schulden tilgen.
Die Verlierer
Natürlich sieht Jim Holt bei dieser Strategie auch klare Verlierer:
1. Russland wäre nicht mehr in der Lage, die Europäer in seiner Rolle als Energielieferant unter Druck zu setzen.
2. Die Opec, vor allem Saudi-Arabien, würde an Macht verlieren.
3. Der Iran, der 70 Prozent des Staatsbudgets mit Öleinnahmen generiert, würde in die Schranken verwiesen: Die USA könnten die irakischen Ölleitungen so lange aufdrehen, bis die Preise absacken.
4. China, dessen Wirtschaftswachstum vor allem vom Energiemangel begrenzt wird, wäre weitgehend von den USA abhängig, solange dort der Grossteil der globalen Ölreserven kontrolliert würde.
«Wenn es die USA geschafft hätten, im Irak eine starke, demokratische Regierung aufzubauen, die sich dank einer eigenen Armee und Polizei selbst wirksam schützen könnte, und wenn die US-Truppen anschliessend abgezogen wären - was hätte diese irakische Regierung daran hindern können, wie jedes andere Regime im Nahen und Mittleren Osten die Kontrolle über seine eigenen Ölquellen zu übernehmen?», fasst Jim Holt seine Ausführungen zusammen.
Doch obwohl die Fakten, mit denen der Autor seine These stützt, erdrückend sind, rät Holt zur Skepsis: «Die Überlegungen, die ich hier angestellt habe, setzen voraus, dass ein geheimer und höchst ambitionierter Plan exakt so verlaufen ist, wie es die Planer vorgesehen haben. Und das ist fast nie der Fall.»
Quelle: http://www.20min.ch/
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