Donnerstag, 31. Juli 2008

Die Schweiz - ein freies Land?

Freiheit

Von Roger Köppel

Der Mythos der alten Eidgenossen ist so aktuell wie nie. Er müsste zeitgemäss erneuert werden. Warum es Obama bei uns nicht geben kann. Zum Glück.

Reservearmee von Abhängigen.
Worum eigentlich geht es am 1. August? Wir feiern die Realität oder den Mythos unserer Staatsgründung, die sich in den Nebelmeeren des ausgehenden Spätmittelalters verliert. Egal, wie man zu den historischen Fakten und den «tintenblauen Eidgenossen» (Peter von Matt) steht, die gültige Formel hat mit Blick auf die amerikanische Geschichte der Hollywoodregisseur John Ford in seinem Klassiker «The Man Who Shot Liberty Valance» vorgegeben. Sinngemäss legt Ford einem Zeitungsmann den Satz in den Mund: «Wenn du zwischen Mythos und Realität wählen kannst, druck den Mythos.» So ist es. Das Verständnis der Nationen erschliesst sich über ein Studium ihrer Mythen.

Was also ist die Schweiz? Trauen wir den bekannten, historiografisch natürlich hochumstrittenen Überlieferungen, ist die Gründungsakte der Eidgenossenschaft das Resultat einer Krisensituation. Der Bund der Waldstätte kam als Schutzgemeinschaft gegen die habsburgische Obrigkeit und ihre Richter zustande. Aus dem rebellischen Freiheitsdrang der Bergler resultierte ein militärischer Beistandspakt. Pointe unserer Geschichte: Der Schweizer Bauernstand avancierte zur freiheitlichen Avantgarde, während er in anderen Territorien Europas als Trägerschicht des Adels reaktionäre, freiheitsfeindliche Impulse entwickelte. Obschon die schweizerische Freiheitstradition tief und ehrenvoll im bäuerlichen Erbe verwurzelt ist, gehört es unter den gebildeten Schichten aus einer falschen Überheblichkeit heraus bis heute zum guten Ton, sich über die Bauern lustig zu machen.

Unter Freiheit verstanden die alten Eidgenossen die Abwesenheit von obrigkeitlicher Bevormundung und staatlichem Zwang. Sie waren die Verfechter eines angelsächsischen, mit Isaiah Berlin gesprochen: «negativen» Verständnisses von Freiheit. Das revolutionäre Empfinden, das sich später in Frankreich als Systemumsturz und als zerstörerische «Furie des Verschwindens» (Hegel) bemerkbar machte, ging den konservativen Berglern ab. Sie wollten keinen neuen Staat und keinen neuen Menschen schaffen, sondern einfach nach ihrer eigenen Façon glücklich sein und in Ruhe gelassen werden. Der mythisch überhöhte Freiheitstrieb, wie er im Bundesbrief zum Ausdruck kommt, richtete sich gegen die damalige Classe politique, eine Schicht von interventionistisch veranlagten Berufsmächtigen, die nicht die Interessen des Volkes schützten, sondern ihre eigenen. Damals waren es auswärtige Aristokraten und ihre Handlanger aus der Schweiz.

Die Botschaft des 1. August ist aktuell geblieben. In Europa breitet sich die Macht einer anonymen, von keiner demokratischen Kontrolle beaufsichtigten Funktionärs- und Politikerkaste weiter aus. Volksrechte werden zurückgefahren. Internationale Gremien und Experten wachen über das Wohl der Nationen, die nichts mehr zu sagen haben. Vom Generaltrend wird auch die Schweiz erfasst. Einfluss und Finanzkraft des öffentlichen Sektors nehmen zu. Der Staat produziert eine wachsende Reservearmee von Abhängigen, die er auf Kosten der Wirtschaft bei Laune hält. Wer auf «checks and balances», auf Demokratie und Mitsprache, pocht, wird zum Populisten abgestempelt.

Es ist kein Geheimnis: Die Schweiz kann es sich im Unterschied zu den grossen Flächenstaaten des Westens noch weniger leisten, einen aufgeblähten Apparat zu unterhalten. Die Idee der Freiheit ist die Essenz des Landes und ein entscheidender Erfolgsfaktor in der Globalisierung. In den Worten des klugen Diplomaten Paul Widmer: Hört die Schweiz auf, sich freiheitlicher zu organisieren als ihre Nachbarn, braucht es sie nicht mehr.

Die freiheitliche Verfassungsidee der Schweiz brachte den Triumph des Bürgers über den Staat. Jetzt droht der Staat den Bürger zu überwältigen. Anzeichen gibt es genug. Der Bund sichert sich steuerliche Vorrechte zur Sanierung der Arbeitslosenkassen. Das IV-Debakel soll mit zusätzlichen Abgaben zugeschüttet werden. Unsere Sozialwerke, immerhin besser konstruiert als in der unmittelbaren europäischen Nachbarschaft, werden einen gewaltigen Finanzbedarf erzeugen, der die Macht des Staates und seiner Klientel weiter mehrt. Im Rückgriff auf internationale Satzungen werden gleichzeitig die Volksrechte abgebaut. Der Unabhängigkeitswille gegenüber der EU erlahmt. Verwaltung, Bundesversammlung und Regierung drängen nach Brüssel, um sich der lästigen Kontrolle durch die Wähler zu entledigen. Das Motiv aller EU-Turbos war noch immer die Aushebelung der Demokratie.

Eigentlich sollte es in einem Milizsystem gar keine von der Bürgerschaft entfremdete politische Klasse geben, aber es gibt sie. Sie wächst. Die Konfliktlinie wird immer sichtbarer und geht durch alle Parteien. Auf der einen Seite stehen die Sachwalter, Angestellten und Profiteure des Staates sowie eine expandierende Fettschicht behördennaher Betriebe und NGOs. Auf der anderen Seite stehen die Bürger, die Angestellten und Unternehmer, die ihr Geld in der Marktwirtschaft verdienen müssen.

Die Signale sind nicht erfreulich. Seit der Abwahl Blochers im letzten Dezember trumpfen die Etatisten immer ungehemmter auf. Ihr grösster Gegner wurde planvoll aus dem Amt gehebelt. Jetzt ist man wieder unter sich. Die Landesregierung inszeniert sich als Wohlfühlgemeinschaft, die im vollen gegenseitigen Einverständnis einen Reinfall nach dem anderen produziert. Kritik wird im neuen Harmonieklima des Bundesrats als Blasphemie empfunden oder als Angriff auf die Institutionen.

Wenn unter Konkordanz die Vertretung aller relevanten politischen Kräfte in der Regierung verstanden wird, kann von Konkordanz keine Rede mehr sein. Der aktuelle Bundesrat repräsentiert eine Minderheit der Wähler. Die staatsskeptischen Teile der Schweiz sind ohne Stimme. Einst verschworen sich die Eidgenossen gegen Fremdherrschaft und abgehobene Eliten. Der Pakt, den die Schweiz am 1. August feiert, müsste zeitgemäss erneuert werden.


Interessant: 200 000 Fans bejubeln den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama an der Siegessäule in Berlin. Politischer Personenkult dieser Grössenordnung wäre in der Schweiz undenkbar. Was die Publizistik als «Mangel an Grösse» abbucht, ist in Wahrheit das Gegenteil. Unsere Demokratie stattet den Normalbürger mit Befugnissen aus, die ihn weit über das in seiner Nachbarschaft gültige Mass hinausheben. Die Grösse der Schweiz besteht eben darin, dass sie keine grossen Politiker nötig hat.

Montag, 28. Juli 2008

Obama und die neue Weltordnung

Obama: Ich habe da einen Alptraum …

Gerhard Wisnewski
Man muss sich schon die Augen reiben angesichts dieses merkwürdigen Schauspiels. Ein amerikanischer Präsident, der keiner ist, besucht amerikanische Truppen im Ausland und hält Reden vor Menschenmassen wie sonst nur der Papst oder eben – der Präsident. Er wird nicht etwa von einer privaten Schutztruppe geschützt, sondern vom staatlichen »Secret Service«, also jener Organisation, die sonst Präsidenten schützt – oder über die Klinge springen lässt. Je nach dem. In seiner Rede beschwor Obama die wichtigsten Zutaten der New World Order – der Neuen Weltordnung.

Die »Obamania« droht die republikanische Konkurrenz hinwegzufegen oder zumindest an die Wand zu drücken. Es sollen psychologische und politische Tatsachen geschaffen werden, an denen niemand mehr vorbeikommt: Die Politik nicht und die Wähler auch nicht. Die eigentliche Wahl Obamas soll so nur noch zur Formsache werden.

Die Obamania ist eine ebenso künstlich wie professionell geschaffene Hysterie wie die bunten »Revolutionen« in Osteuropa:

* Die Singende Revolution in Estland 1987–1991 und in Litauen 1989–1991
* Die Rosenrevolution in Georgien 2003
* Die Orangene Revolution in der Ukraine 2004
* Die Tulpenrevolution in Kirgisistan 2005
* Die Zedernrevolution im Libanon 2005

Barack Obama: Alles meins!

Und nun die Obama-Lution - erst in den Vereinigten Staaten und jetzt auch in Europa. Das Muster ist immer dasselbe: Begeisterte, schwärmerische Massen tragen einen Kandidaten oder einen Führer auf Händen zum Siege – zumindest psychologisch. Und die Impresarios sind auch immer dieselben. Vor allem Obamas außenpolitischer Berater Zbigniew Brzezinski, der auch schon bei den bunten Revolutionen im Osten die Finger im Spiel gehabt haben soll. Die Meisten haben diesen Namen längst vergessen oder sogar noch nie gehört. Dabei ist Brzezinski ein echter Eisen- und Russenfresser, einer der Strategen des Kalten Krieges und Hauptfeind der Sowjetunion, im Kalten Krieg gefürchtet als »Falke«, Kriegstreiber – und oberster »Taliban«: Derselbe Brzezinski formte, bewaffnete und unterstützte zu Sowjetzeiten jene islamischen Mujaheddin, aus deren Reihen später die Attentäter des 11.9. gekommen sein sollen und die heute »der Weltgemeinschaft« als »Taliban« das Leben schwer machen. Zitat: »Was ist wichtiger für die Weltgeschichte – die Taliban oder der Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums?« Die Frage ist nur, was und warum die Taliban heute treiben. Derselbe Brzezinski berät nun den »neuen Kennedy« in außenpolitischen Fragen, was bedeutet, dass es sich eben nicht um einen neuen Kennedy handeln kann.

Egal: Wo immer sie auch will, lässt die Oba-Maschine Massen in allen Farben auferstehen, ob nun orange, rot oder gleich in den amerikanischen Farben, wie in Berlin. Und immer sind sie so verdammt begeistert und friedlich und entfachen eine psychologische La-Ola-Welle, der sich niemand widersetzen zu können meint.

Die Oba-Maschine umfasst nicht nur den Auftritt vor der Siegessäule und die angeblich 200.000, die dort hinkamen. Nein, die Oba-Maschine umfasste den gesamten offiziellen Medienapparat. In stundenlangen Sondersendungen rollten deutsche Fernsehsender Obama einen medialen Teppich mit Bildern der gemeinsamen deutsch-amerikanischen Geschichte aus, auf dem der Kandidat vor die Siegessäule schritt – zur symbolischen Präsidentenkür.

Nicht der passende Ort? Obama wäre lieber am Brandenburger Tor aufgetreten? Da bin ich nicht so sicher. Die Siegessäule war ebenfalls ein geeigneter Hintergrund für den gefühlten Sieger. In der deutsch-amerikanischen Symbolchronologie ist das Brandenburger Tor ein Symbol von Gestern, von Ronald Reagan und George Bush senior. Der neue amerikanische Führer braucht vielleicht neue Symbole. Die Siegessäule wurde 1873 als Nationaldenkmal der deutschen Einigungskriege eingeweiht.

Und Einigungskriege führen die USA jetzt auch. Seit dem 11. September bemühen sie sich vermehrt an allen Fronten um den Schulterschluss der Welt hinter Amerika. Sie schmiedeten militärische Allianzen von Dutzenden von Staaten und entwarfen globale Einigungsthemen wie den »Krieg gegen den Terror« oder den »Kampf gegen die Klimakatastrophe« (Hauptpropagandist: Obama-Parteifreund Al Gore). Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion geht es darum, sich den ganzen Globus unter den Nagel zu reißen, mit den Energiereserven angefangen. Das Tor war gestern, die Säule ist heute.

Freilich: Hätte sich Obama das Symbol selbst ausgesucht, wäre die politische Botschaft allzu offensichtlich betont worden und als Anmaßung erschienen. Aber so wurde er durch sanften Druck der Kanzlerin zur Siegessäule bugsiert. Ja, nicht er selbst, sondern die Kanzlerin setzte ihm den Lorbeerkranz auf. Da soll noch mal einer meckern.

Inhaltlich handelte es sich nicht nur um eine eindeutige Präsidentenrede. Sondern um eine Rede des Führers der Neuen Welt (-ordnung). Obama sprach nicht zu den Berlinern, auch nicht nur zu den Amerikanern, sondern zu den »people of the world«. Er beschwor die Erinnerungen an das Ende des Zweiten Weltkrieges ebenso herauf wie die ewige Dankbarkeit für die Luftbrücke und den Marshallplan. Er zeigte auf, wie sich die Freiheit in Berlin durchgesetzt habe, aber er beschwor auch die »new dangers« nach dem Ende des Kalten Krieges.

New dangers, die das amerikanische Imperium dringend braucht, denn ohne sie kann es die Welt nicht regieren. Denn diese »new dangers«, so Obama, »können nicht in den Grenzen eines Landes eingedämmt werden oder durch die Größe eines Ozeans«. Diese »new dangers« sollen die Sowjetunion ersetzen. Ja, nicht nur das. Sie sollen eine Einigung auf einer globalen Ebene herbeiführen, und daher ist es so wichtig, dass diese Gefahren ubiquitär sind, also immer und überall vorhanden.

Und so nennt Obama denn auch den internationalen Terrorismus, aber vor allem auch die »Klimakatastrophe«. Denn es gibt nur eine Sphäre, an die alle Länder grenzen, und das ist die Atmosphäre. Die Luft kennt keine Grenzen, und deshalb ist sie das ideale Vehikel für die neue globale Machtpolitik. Selbst die Meere würden sich dafür nicht eignen, grenzen doch keineswegs alle Länder an einen Ozean. Aber die Atmosphäre ist der ideale Vorwand, um in die inneren Angelegenheiten eines jeden Landes einzugreifen und die Staaten schließlich in einer gemeinsamen politischen Atmosphäre aufzulösen.

»Während wir hier sprechen, schmelzen Autos in Boston und Fabriken in Peking das Eis in der Arktis«, beschwört Obama den neuen Hauptmythos der Globalisten herauf, die »Klimakatastrophe«. Obama will die Macht der Globalisten auf Phantome gründen:

* den selbst geschaffenen »Kampf der Kulturen«,
* den selbst geschaffenen »Krieg gegen den Terror«,
* die selbst hochgeputschte »Klimakatastrophe«,
* die hochgeputschte Gefahr durch »Massenvernichtungswaffen« (siehe Irak).

Denn auch in Obamas Berliner Rede war von Atomwaffen die Rede.

Besonders perfide die Aufforderung, die Terroristen, die »unsere Sicherheit in Afghanistan bedrohen«, genauso zu verfolgen wie die »Drogenhändler, die Drogen auf unseren Straßen verkaufen«. Denn die Drogenproduzenten und Dealer sind niemand anderer als die Vereinigten Staaten selbst. Sie haben Afghanistan als globalen Hauptopiumproduzenten wiederauferstehen lassen, der heute etwa 95 Prozent des globalen Opiums produziert. Das heißt, dass jeder Heroinschuss auf dem Globus zu 95 Prozent aus dem US-Protektorat Afghanistan stammt. Vielen Dank auch.

Obama erwähnt fast ausschließlich Phantomkatastrophen, entworfen auf den Reißbrettern der Propagandaspezialisten. Die einzig reale Katastrophe erwähnt Obama dagegen seltsamerweise nicht – nämlich die von den USA angezettelte globale Finanzkatastrophe. Ob Terror, Klima oder Atom unseren Kindern die Zukunft nehmen, ist eher fraglich. Nicht fraglich dagegen ist, ob die amerikanische Finanzkatastrophe unseren Kindern die Zukunft nimmt.

Dass all die erwähnten Gefahren nur gemeinsam zu lösen sind, ist die zentrale Botschaft dieser Rede. Und mit »gemeinsam« meint er natürlich die New World Order. »Wir können es uns nicht leisten, geteilt zu sein.« Soll heißen: Die Zeiten der souveränen Staaten sind vorbei. »Keine einzelne Nation, egal wie mächtig, kann solchen Herausforderungen alleine begegnen.« Und, ganz wichtig: »Niemand von uns kann solche Bedrohungen leugnen oder sich vor der Verantwortung drücken.« Soll heißen: Leugnen ist ein Verbrechen, vielleicht sogar ein Verbrechen gegen die Menschheit. »Die Last, globale Bürger zu sein, bindet uns zusammen.«

Genau das ist beabsichtigt. Niemand soll sich dem neuen moralischen Würgegriff der globalen Eliten entziehen können, und daran wird sich auch mit einem Wechsel im US-Präsidentenamt nichts ändern: »Ein Wechsel der Führung in Washington wird diese Last nicht beseitigen.« Das heißt: Der »Krieg gegen den Terror«, eine Erfindung des angeblich so erledigten Bush und seiner Neokonservativen, wird ebenso weitergehen, wie der »Kampf gegen die Klimakatastrophe«.

»Mr. Gorbatschow, tear down this wall« (»Herr Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder«) war der historische Satz von Präsident Reagan bei seinem Berlin-Besuch. Bei Obama heißt das: Lassen Sie uns alle Mauern niederreißen! Die Mauern zwischen Nationen ebenso wie zwischen Rassen und Stämmen, Eingeborenen und Immigranten, Christen, Muslimen und Juden: »Dies sind die Mauern, die wir nun einreißen müssen.«

Aber ist das wirklich John Lennons träumerisches »Imagine«? Wohl kaum. Denn über Völkerverständigung geht das weit hinaus. Zu Ende gedacht, handelt es sich hier eben nicht um Romantizismus, wenn man vom Romantizismus der globalen Eliten einmal absieht. Es handelt sich eben nicht um Völkerverständigung, sondern um Völkerverschmelzung. Der mögliche neue globale Führer Obama verlangt die totale Entgrenzung jedes natürlichen und staatlichen Körpers und die Durchmischung von allen mit allen. Deshalb betont Obama auch die Partnerschaft zur Europäischen Union als einem der Hauptschmelztiegel der Globalisten.

Grenzen sind aber die Grundlagen des Lebens – fragen Sie mal den ersten Einzeller, wenn Sie ihn treffen. Nur durch Abgrenzung von der Umwelt konnte überhaupt Leben entstehen und sich definieren. Die totale Entgrenzung widerspricht dem wohlverstandenen Interesse von eigenständigen Einheiten, seien es nun Einzeller, Mehrzeller oder Vereinigungen von Mehrzellern, wie beispielsweise Staaten. Denn am Ende wird eine gleichförmige und identitätslose Masse stehen, das ideale Rohmaterial für den imperialen Sklavenplaneten.

Obama wurde nicht nur mit John F. Kennedy verglichen, sondern auch mit Martin Luther King, zwei Söhnen seines Landes, die von den USA ruchlos ermordet wurden. Oft wurde auch an Martin Luther Kings »I have a dream«-Rede erinnert, an die Obama im Ton immer wieder anzuknüpfen versucht, wohlweislich, ohne das Zitat auf geschmacklose Weise wörtlich zu übernehmen. Doch Obama hat keinen schönen Traum für uns. Bei ihm heißt es nicht »I have a dream«, sondern »I have a nightmare« – »Ich habe einen Alptraum – für Euch«.

Freitag, 25.07.2008
Kategorie: Geostrategie, Geheimdienste, 11. Sept. 2001, Wirtschaft & Finanzen, Politik, Wissenschaft

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Sonntag, 27. Juli 2008

Die internationale Finanzverschwörung

Werden die Weltereignisse von einer internationalen Finanzverschwörung gesteuert?
Richard C. Cook
Global Research
27. März 2008


„Sie verursachen Verzweiflung und nennen es Frieden.“
- Tacitus

War Alan Greenspan wirklich so dämlich, wie er in seiner Rolle bei der Entstehung der jüngsten Immobilien-Spekulationsblase aussieht, die droht das gesamte System der auf Schulden basierenden westlichen Wirtschaft zum Einsturz zu bringen? War tatsächlich etwas, das so unschwer vorherzusehen war der Auslöser für Verluste in einem Ausmaß, das das globale Finanzsystem zerstören könnte? Oder wurde es vielleicht „zufällig mit Absicht“ angerichtet? Und wenn das so war, warum?
Wenden wir uns derjenigen US-amerikanischen Persönlichkeit zu, die von Verschwörungstheoretikern am häufigsten als das Epizentrum aller möglichen geheimen Elite-Pläne genannt wird. Das ist David Rockefeller, der 92 Jahre alte Multibillionär und oberste Pate der globalen Finanzelite.
Der ausführliche Beitrag über Rockefeller auf Wikipedia gibt die folgende Version einer gefeierten Aussage wieder, die er angeblich in einer Eröffnungsrede bei der Bilderberg-Konferenz in Baden-Baden in deutschland im Juni 1991 gemacht hat:

„Wir sind der Washington Post, der New York Times, dem Time Magazine und anderen großen Medien dankbar, deren Direktoren unseren Treffen beiwohnten und sich an ihr Versprechen Diskretion zu wahren, beinahe vierzig Jahre lang gehalten haben. Es wäre uns unmöglich gewesen, unseren Plan für die Welt zu entwickeln, hätten wir all diese Jahre im hellen Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit gestanden. Aber die Welt ist jetzt entwickelter und vorbereitet, sich in Richtung auf eine Weltregierung zu bewegen, die niemals wieder Krieg kennen wird, sondern nichts als Frieden und Wohlstand für die ganze Menschheit. Die supranationale Souveränität einer intellektuellen Elite und der Bankiers der Welt ist der in den vergangenen Jahrhunderten praktizierten nationalen Selbstbestimmung sicherlich vorzuziehen.“

Diese Rede wurde vor 17 Jahren gehalten, als in den USA die Regierung Clinton ihre Amtszeit gerade begonnen hatte. Rockefeller spricht von „wir“ und „uns“. Diese „wir“ so sagt er, haben seit annähernd vierzig Jahren Treffen abgehalten. Wenn man die 17 Jahre dazurechnet, die seit der Rede vergangen sind, heißt das, daß solche Treffen seit 57 Jahren stattfinden - die Zeitspanne zweier ganzer Generationen.

Weltregierung

Nicht nur hat „wir“ einen „Plan für die Welt“ entwickelt. Der Versuch diesen Plan zu „entwickeln“ war offensichtlich auch erfolgreich, jedenfalls in Rockefellers Sicht. Das letztendliche Ziel von „uns“ ist es, die „supranationale Souveränität einer intellektuellen Elite und der Bankiers der Welt“ zu schaffen. Dies wird seinen Worten zufolge zu einer „Weltregierung“ führen, „die nie wieder Krieg kennen wird.“
Nur um den Gedanken einmal durchzuspielen, lassen Sie uns annehmen, daß David Rockefeller eine so bedeutende und mächtige Person ist, wie er anzunehmen scheint. Nehmen wir den Mann ernst und gehen einmal davon aus, daß er und „wir“ in gewissem Maße erfolgreich waren. Die würde bedeuten, daß die wesentlichen Entscheidungen und Ereignisse seit Rockefellers Rede 1991 wahrscheinlich ebenfalls Teil des Planes waren oder wenigstens seinen Inhalt und seine Absicht widerspiegelten.
Daher können wir durch eine Untersuchung dieser Entscheidungen und Ereignisse feststellen, ob Rockefeller in der Tat mit seiner Einschätzung Recht, daß das Utopia, das ihm vorschwebt, dabei ist verwirklicht zu werden, oder wenigstens daß seine Realisierung nähergerückt ist. Ohne festgelegte Reihenfolge sind das Folgende einige dieser Entscheidungen und Ereignisse:

Export von Arbeitsplätzen

Die Umsetzung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA durch die Regierungen Bill Clinton und George W. Bush hat sowohl die Beseitigung von Millionen von Arbeitsplätzen im produzierenden Gewerbe bewirkt, als auch die Zerstörung von amerikanischen Bauernfamilien zugunsten des globalen Agrobusiness.
Ähnliche Freihandelsabkommen, darunter solche unter Schirmherrschaft der Welthandelsorganisation haben zum Export von weiteren Millionen von Arbeitsplätzen in der Produktion nach China und andernorts geführt. Das durchschnittliche Familieneinkommen in den USA hat beständig abgenommen, während der Anteil der obersten Einkommensschichten am Wohlstand der Nation enorm gewachsen ist. Einige Hedgefonds-Manager an der Wallstreet verdienen eine Milliarde Dollar im Jahr, während sich die Zahl der Obdachlosen, darunter auch Kriegsveteranen, der Millionengrenze nähert. Die Spekulationsblase am Immobilienmarkt hat zu einer gewaltigen Inflation der Immobilienpreise in den Vereinigten Staaten geführt. Millionen von Eigenheimen fallen aufgrund von Zwangsversteigerungen in die Hände von Bankiers. Die Kosten für Grund und Boden und für Mieten hat Familienunternehmen in der Landwirtschaft ebenso dezimiert wie kleine Unternehmen. Steigende Steuern auf das Eigentum aufgrund von überhöhten Einschätzungen der Grundstückspreise haben Millionen von Empfängern niedriger und mittlerer Einkommen aus ihren Häusern getrieben.

Umverteilung durch Bankrott

Die Tatsache, daß Bankiers jetzt die nationalen Geldsysteme insgesamt im Rahmen von Gesetzen kontrollieren, nach denen neues Geld nur durch Kredit gegen Zinsen ins System eingeführt werden kann, hat eine enormen Schuldenpyramide bewirkt, die kurz vor dem Zusammenbruch steht. Dieses „monetäre“ System wurde von Ökonomen an der Universität von Chicago entwickelt, die von der Familie Rockefeller gefördert wurden. Der Trick ist, daß wenn die Pyramide einstürzt und alle ruiniert sind, die Banken, die Geld „aus dem Nichts“ geschaffen haben, in der Lage sind, Vermögenswerte für Pennies aufzukaufen, wie J.P. Morgan sich jetzt anschickt, es mit Unternehmen zu tun, die der Carlyle Capital Gruppe gehören. Eine Kontrolle der Finanz-Industrie, die diesen Namen verdiente, wurde von der Regierung aufgegeben und Politiker, die dem im Wege stehen, wie etwa Eliot Spitzer, werden vernichtet. (vgl. diesen Artikel von Rob Kirby auf informationclearinghouse)

Steigende Preise und Hunger

Die gesamte Steuerlast durch Bundesregierung, Regierungen der Staaten und lokale Verwaltungen übersteigt mittlerweile 40 Prozent des Einkommens und steigt weiter. Während die Rezession beginnt, hebt der von den Demokraten kontrollierte Kongreß scheinheilig die Steuern sogar für die mittleren Einkommen weiter an, während er gleichzeitig die minimale „Stimulierungs“-Rückvergütung unterstützt. Sowohl Steuerrückstände als auch Studiendarlehen werden nicht länger im Rahmen des Schutzes vor Bankrott erlassen. Die Benzinpreise steigen, während gleichzeitig Firmen wie Exxon-Mobil Rekordgewinne verzeichnen. Die Preise für andere Wirtschaftsgüter, darunter auch die Preise für Nahrungsmittel, steigen beständig, wobei einige Länder sich bereits an den Rand von Hungersnöten gedrängt sehen. (vgl.: politblog.net ) Die Ernährung von 40 Millionen Menschen in Amerika wird offiziell als „nicht gesichert“ eingestuft.
Die Kontrolle der Konzerne über Wasser und mineralische Rohstoffe hat vieles von dem beseitigt, was an öffentlichen Allgemeingütern zur Verfügung stand, und die Deregulierung der Energieerzeugung hat vielerorts zu massiven Steigerungen der Strompreise geführt. Die Vernichtung von Familienunternehmen in der Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten durch NAFTA (und desgleichen die Vernichtung von landwirtschaftlichen Familienbetrieben in Mexico und Kanada) fand ihre Entsprechung in der Politik des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank gegenüber anderen Nationen. In der ganzen Welt ist aufgrund des „Washingtoner Konsens“ die Erzeugung landwirtschaftlicher Güter in erster Linie für den Export an die Stelle lokaler Selbstversorgung getreten. Landflucht hat die Bevölkerung der riesigen Slums in den Außenbezirken der Städte von unterentwickelten Ländern anschwellen lassen.

Kriege in aller Welt

Seit den 80er Jahren führen die USA Kriege in aller Welt - entweder direkt oder durch Stellvertreter. Das frühere Jugoslawien wurde von der NATO zerstückelt. Gedeckt durch den 11.September und im Rahmen von vorgefertigten Plänen sind die USA gegenwärtig dabei, den Nahen Osten militärisch zu erobern und dauerhaft zu besetzen. Derzeit wird die globale Einkreisung von Rußland und China umgesetzt und ein neuer Schub zur Militarisierung des Weltraums hat begonnen. Die westlichen Mächte sind ganz eindeutig dabei, sich wenigstens auf die Möglichkeit eines weiteren Krieges vorzubereiten. Der Ausweitung des militärischen Imperiums der Vereinigten Staaten steht die Schaffung eines totalitären Systems der Überwachung im eigenen Land gegenüber, unter dem die privaten Aktivitäten der Bürger mit Hilfe von Technologien und Systemen verfolgt und bespitzelt werden, die unter dem Vorwand des „Kriegs gegen den Terror“ installiert wurden. Man beginnt damit, Mikrochips für Überwachungszwecke in Menschen einzupflanzen. Der militärisch-industrielle Komplex ist zur größten und erfolgreichsten Industrie des Landes geworden. Tausende von Planern sind damit beschäftigt, neue und bessere, offen sichtbare und verdeckte Wege und Verfahren zu entwickeln, um auswärtige und innere „Feinde“ zu vernichten.
Gleichzeitig haben die USA unter allen Ländern auf der Welt den größten Anteil von inhaftierten Bürgern. Dazu besteht das tägliche Leben von Millionen von Menschen aus einer niederdrückenden Last von Regierung, Versicherungen, Finanzgebühren, Kosten und Papierkram. Die einfachsten Geschäfte werden durch die gebührenpflichtigen Tätigkeiten von Buchhaltern und Anwälten, Bürokraten, Maklern, Spekulanten und Mittelsmänner verteuert.
Um das Ganze abzurunden haben die sich verschlechternden Bedingungen des täglichen Lebens zu einem enormen Anstieg von streßbedingten Krankheiten ebenso wie zu einer Epidemie von Alkohol- und Drogensucht geführt. Sogar Regierungen in aller Welt beteiligen sich am Drogenhandel. Anstatt daran zu arbeiten, den Streß zu vermindern, fördert die öffentliche Poltik eine riesige Industrie, die verschreibungspflichtige Drogen herstellt und sich an der sich verschlechternde öffentlichen Gesundheit bereichert, indem sie Symptome anstelle von Ursachen behandelt.
Diese Liste sollte uns genügend Grundlage geben, um einen Schritt weiterzugehen und eine unbequeme Frage zu stellen: Wiederum angenommen, daß alle diese Dinge Teil des Elite-Plans sind, den Herr Rockefeller sich brüstet entwickelt zu haben, ist es dann nicht merkwürdig, daß die gewählten Mittel, um „Frieden und Wohlstand für die gesamte Menschheit“ zu erreichen, so viel Gewalt, Betrug, Unterdrückung, Ausbeutung, Schiebung und Diebstahl beinhalten?

Schöne Neue Welt per Völkermord

In der Tat scheint es mir so zu sein, daß „unser Plan für die Welt“ auf Völkermord, polizeilicher Kontrolle ganzer Bevölkerungen und gewaltsamer Inbesitznahme der Ressourcen der Welt durch die Finanz-Elite und ihre Politikermarionetten und die Militärs basiert.
Um es deutlich zu sagen: Ist ein besserer Weg vorstellbar, all dies zu bewerkstelligen, als durch einen allem Anschein nach durchorganisierten Plan, den Menschen in aller Welt die Fähigkeit zu nehmen, ihre Nahrung selbst zu erzeugen? Völkermord durch Aushungern mag zwar langsam sein, aber er ist sehr effektiv. Vor allem, wenn die Verantwortung auf „die Kräfte des Marktes“ geschoben werden kann.
Ist es möglich, daß diese „wir“, die all diese Dinge tun, darunter auch der große David Rockefeller höchstpersönlich, lediglich gemeine Kriminelle sind, die irgendwie an die Schaltstellen der Macht gelangt sind? Wenn das so ist, dann sind diese Leute Verbrecher, die alles in ihrer Macht stehende getan haben, um ihren Rücken zu decken und ihre Spuren zu verwischen, unter anderen indem sie das Erziehungssystem und das Monopol der Mainstream-Massenmedien in ihren Würgegriff genommen haben.
Eines ist sicher: Amerikas Wähler haben all diesem niemals bewußt zugestimmt (und die Wähler andernorts ebenfalls nicht. A.d.Ü.).
Richard C. Cook war früher als Analyst für die US-amerikanische Bundesregierung tätig. In seiner Laufbahn arbeitete er für die U.S. Civil Service Comission US (Kontrollinstanz für die Regierungsbürokratie), die Food and Drug Administration (Behörde für die Sicherheit von Lebens- und Arzneimitteln, das Weiße Haus unter Jimmy Carter, die NASA und das U.S. Treasury Department (US-Finanzministerium)

Quelle: www.globalresearch.ca

Übersetzt vom Englischen ins Deutsche von Hergen Matussik, einem Mitglied von Tlaxcala, dem Netzwerk von Übersetzern für sprachliche Vielfalt (tlaxcala@tlaxcala.es, www.tlaxcala.es). Diese Übersetzung unterliegt dem Copyleft: Sie kann frei verwendet werden unter der Bedingung, daß der Text nicht verändert wird und daß sowohl der Autor als auch die Quelle genannt werden.

Samstag, 26. Juli 2008

Israel und Palästina - der ewige Krisenherd

Der Konflikt in Palästina – «ein riesiges Versäumnis der internationalen Gemeinschaft»
Interview mit Richard Falk*, UN-Sonderberichterstatter für die besetzten palästinensischen Gebiete

thk. An der achten Sitzung des Menschenrechtsrats in Genf trat der neugewählte Sonderberichterstatter über die Menschenrechtslage in Palästina und andere besetzte arabische Gebiete, der Amerikaner Richard Falk, zum ersten Mal vor dieses Gremium und hielt seine mit viel Spannung erwartete Antrittsrede. Bei seinen Ausführungen stützte sich Richard Falk auf den Report seines Amtsvorgängers John Dugard (siehe unten), der in den letzten vier Jahren die katastrophalen Zustände in den von Israel besetzten Gebieten in aller Deutlichkeit dargelegt hatte und nun das Mandat an Richard Falk übergab. Richard Falk, selbst jüdischer US-Bürger, wurde vor seiner Wahl zum Sonderberichterstatter an der Uno von Israel und den USA scharf attackiert, erhielt aber trotz heftigem Widerstand das Mandat.
In seiner Rede vor dem Menschenrechtsrat versicherte er, dass er sich mit aller Kraft für eine Verbesserung der Lebensbedingungen in den besetzten Gebieten und für eine Beendigung des Konflikts einsetzen will. Gleichzeitig gab er die Erweiterung seines Mandats bekannt, indem er die Menschenrechtsverletzungen der Palästinenser gegenüber den Israeli ebenfalls zum Gegenstand seiner Untersuchungen machen wird. Dabei liess er in der nachfolgenden Diskussion erkennen, dass er sehr wohl zwischen Besetzer und Besetzten zu unterscheiden weiss und auf keinen Fall die Opfer zu Tätern würden.
Nach dieser Rede und der anschliessenden Diskussion hatte «Zeit-Fragen» die Gelegenheit, Richard Falk zu einem Interview zu treffen, in dem er über die Situation im Nahen Osten, in Palästina und über die Gründe seiner Mandatserweiterung sprach.
Ein Friedensplan für den gesamten Nahen Osten

Zeit-Fragen: Die erste Frage soll einen Überblick ermöglichen. Der Konflikt zwischen Palästina und Israel ist nicht der einzige Krisenherd in dieser Region. Wie ist es möglich, ihn zu beenden, gibt es überhaupt eine Lösung für diese Region?

Richard Falk: Das ist eine weitreichende Frage, da sich die Situation in dieser Region allmählich verschlechtert hat, insbesondere während der Präsidentschaft von Bush. Eigentlich ist die ganze Region jetzt ein Kriegsgebiet. Ich denke, das beste Gegenmittel zu dieser Realität wäre, wenn man versuchte, einen konstruktiven Ansatz zu finden, indem man einen regionalen Sicherheitsrahmen schafft, in dem alle Regierungen der Region sich gegenseitig die Zusicherung geben, Konflikte friedlich zu lösen und einander nicht mit Gewaltanwendung zu drohen. Dass ein solches Unterfangen gelingt, würde auch von den USA abhängen, indem sie entweder diese regionale Vorgehensweise unterstützen oder sich in irgendeiner Art als nicht regionaler Teilnehmer neben anderen direkt daran beteiligen. Vielleicht könnten Russland, die USA, die EU beteiligt sein und vielleicht auch China und Indien. Ich denke, das ist eine lohnende Initiative.
Eine weitere könnte darin bestehen, alle Massenvernichtungswaffen in der Region abzuschaffen, einschliesslich des ­israelischen Atomwaffen-Arsenals. Dies würde uns auch im Hinblick auf die Probleme mit dem Irak und Iran ein gutes Stück voranbringen, die in den vergangenen Jahren oft als Vorwand für Aggressionskriege benutzt worden sind. Ich halte das für die ersten beiden Schritte, insbesondere, wenn sie mit dem Abzug der US-Truppen aus dem Irak koordiniert werden. Damit meine ich einen vollständigen und echten Abzug und nicht bloss eine «Verlegung» und darüber hinaus einen ohne dauerhafte Militärbasen jeglicher Art. Jede Art von militärischer Präsenz ist für mich inakzeptabel. Ich denke, auf der Grundlage dieser drei politischen Veränderungen müsste eine ausgewogenere Herangehensweise im israelisch - palästinensischen Konflikt möglich sein. Wenn diese vier Dinge geschehen oder beginnen würden zu geschehen, dann gäbe es Hoffnung, dass die Region wieder stabilisiert werden könnte. Und es mag verschiedene sachliche Bedingungen geben, die diese Art der Vorgehensweise begünstigen können, wie etwa die Sicherung des Ölpreises und eine Ausbreitung der US-Rezession auf die ganze Weltwirtschaft. Denkt man nur irgendwie rational über die Zukunft nach, dann müsste es das erste Ziel sein, Stabilität und Ordnung im Nahen Osten zu schaffen. Dies erfordert Gerechtigkeit für die Völker der Region und beginnt mit der Bewältigung der Notlage der Palästinenser und mit der Beendigung der Besetzung des Irak.
«Ist Israel überhaupt daran interessiert, die Gewalt zu reduzieren?»

Sie sind der neue Sonderberichterstatter für Palästina, und daher möchten wir die Sicht auf diesen Konflikt lenken. Wie würden Sie die Lebensbedingungen der Palästinenser beschreiben?

Ich kann darauf auf zwei verschiedene Arten antworten. Als Sonderberichterstatter habe ich nicht wirklich eine unabhängige Untersuchung zu diesem Punkt durchgeführt, so dass ich nicht wirklich in der Lage bin, diese gegenwärtigen Umstände zu kommentieren. Als besorgter Bürger bin ich schon lange beunruhigt über das Leiden des palästinensischen Volkes unter dieser historisch noch nie dagewesenen Besetzung, die nun seit mehr als vierzig Jahren andauert. In den vergangenen Monaten hatte ich den Eindruck, dass in Gaza die reale Gefahr einer humanitären Katastrophe besteht, vor allem als Resultat der Belagerung und der damit verbundenen, von Israel verfolgten Politik, seit die Hamas die Wahlen Anfang 2006 gewonnen hat. In einem gewissen Sinne stellen diese harten Lebensbedingungen selbst, auch wenn sie nicht zu massiven Todesopfern und zu Hunger führen, für die Menschen in Gaza ein tägliches Martyrium dar, das schon an sich eine Katastrophe ist. Die Sorge um das Schicksal der Bewohner Gazas ist nicht eine Sache der Zukunft. Sie existiert als gegenwärtige Realität, und die Weltgemeinschaft ist unverzeihlich langsam darin, die Ernsthaftigkeit der Situation zu erkennen und darauf zu reagieren.
Insbesondere die EU und mehr noch die USA sind durch das Hamas-Problem davon abgelenkt, sich mit dem Leiden der Menschen in Gaza und demjenigen der Palästinenser im allgemeinen zu befassen. Ich finde es schockierend, dass den wiederholten Angeboten der Hamas für einen langfristigen Waffenstillstand und ihren Bemühungen, die Gewalt und die gewalttätigen Interaktionen zwischen den beiden Völkern zu beenden, so wenig Beachtung geschenkt worden ist. Nach meinem Verständnis erklärte die Hamas trotz einer Reihe von israelischen Provokationen im ersten Jahr nach den Wahlen im Januar 2006 einen einseitigen Waffenstillstand und hielt ihn auch weitgehend ein. Während dieser Zeit hat Israel seine gezielten Erschiessungen und seine militärischen Einfälle in die palästinensischen Gebiete fortgesetzt. Daher muss man sich fragen, ob Israel überhaupt daran interessiert ist, die Gewalt zu reduzieren, die mit seiner sogenannten Sicherheitspolitik in den besetzten Gebieten verbunden ist.
Einen Staat für die Palästinenser

Wie ist es möglich, in dieser Situation zu helfen, um die Dinge zum Besseren zu ­wenden? Meine Frage basiert auf dem Hintergrund, dass Sie der Sonderberichterstatter für ­Palästina sind. Wie sehen Sie in diesem Kontext Ihre Aufgabe?

Ich denke, die Situation für das palästinensische Volk kann und muss sich verbessern.Es ist schwer, sich vorzustellen, dass diese gegenwärtige Realität unendlich so weitergeht. Gewöhnlich verschlechtern sich Situationen wie diese, wenn sie nicht verbessert werden. In diesem Sinne würde selbst eine blosse Fortführung der gegenwärtigen Struktur der Besetzung schon aus sich heraus eine Verschlechterung der humanitären Situation in Gaza und allgemein in den besetzten palästinensischen Gebieten hervorrufen. Zur gleichen Zeit ist es nahezu unmöglich, sich eine entscheidende Umstellung der israelischen Sicherheitspolitik vorzustellen, ohne einen wirklichen Wechsel in der politischen Führung in Israel oder als Ergebnis irgendeines bedeutsamen politischen Wechsels in der Politik der USA.
Keine von diesen Entwicklungen scheint aber gegenwärtig irgendwie wahrscheinlich. Unglücklicherweise scheinen die gegenwärtigen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten nicht in der Lage zu sein, innovative Standpunkte im israelisch - palästinensischen Konflikt zu unterbreiten. Das politische Klima macht die amerikanischen Politiker glauben, dass sie, um glaubwürdig zu sein, eine 110%ige Unterstützung für Israel zeigen müssten, unabhängig davon, wie sich dieses Land verhält. Das ist sehr entmutigend bezüglich dessen, was wir von Washington in naher Zukunft erwarten können. Um zu vermeiden, dass wir der Verzweiflung und dem Zynismus erliegen, sollten wir einige Überraschungen der jüngeren Geschichte zur Kenntnis nehmen, die alle vernünftigen Erwartungen übertroffen haben.
Die gewaltfreie Beendigung des Apartheid-Systems in Südafrika war ein utopisches Projekt, bis sie stattfand. Eine weisse Rassisten­elite regierte das Land mit eiserner Hand. Es sah aus, als ob sie niemals diese Vorgehensweise ändern würde, es sei denn, sie würde in einem bewaffneten Kampf besiegt und es käme dadurch zu einem Punkt, an dem sie die Apartheid nicht länger aufrechterhalten könnte. Was in sehr bemerkenswerter Weise erreicht wurde, war demgegenüber, die Pro-Apartheid-Regierung des Landes zu überzeugen, eine friedliche Niederlage der Apartheid zu akzeptieren, begleitet von Schritten in Richtung multirassische konstitutionelle Demokratie. Es gibt Israeli, die bereits, angeregt durch die südafrikanischen Erfahrungen, in diese Richtung denken und arbeiten.
Ich glaube, dass es Teil der Rolle meines Mandates ist, sowohl die Menschen in Israel, den USA, in Europa als auch sonstwo zu ermutigen, dass sie versuchen zu verstehen, dass es wirklich den langfristigen Interessen beider Völker entspricht, den Mut, die Weisheit und das Einfühlungsvermögen zu finden, dass sie sich voll und ganz dem Erreichen einer friedlichen Zukunft widmen. Es muss verstanden werden, dass je länger die Errichtung und die Ausweitung der israelischen Siedlungen in der West Bank sowie in und um Jerusalem herum und andere Aktivitäten, wie der Bau eines teuren Netzwerks von Verbindungen zwischen den Siedlungen in der West Bank und innerhalb der Grenzen von Israel vor 1967, weitergehen, es desto schwerer wird, sich eine Zwei-Staaten-Lösung vorzustellen, geschweige denn sie zu verwirklichen. Es scheint wenig Zweifel daran zu geben, dass Israels eigene Anstrengungen in den mehr als 40 Jahren, vor Ort Fakten zu schaffen, das untergraben haben, was bis heute als Israels Vorstellung von einer friedlichen Zukunft verkündet wird. Ein Palästinenser-Staat kann nicht nur zum Schein geschaffen werden, wenn Frieden sein soll. Er muss zumindest einen wirklich souveränen Staat darstellen, der in einer geo­graphischen Einheit in der Gesamtheit der West Bank existiert und an der Verwaltung von Jerusalem teilhat.
Völkerrecht bleibt Grundlage

Wir sprachen jetzt über die Situation in Palästina und die Möglichkeiten für einen Friedensprozess. Hier besteht die Asymmetrie der ganzen Problematik. Israel bricht offensichtlich seit Jahrzehnten das Völkerrecht und tritt das Humanitäre Völkerrecht mit Füssen. Ohne die Respektierung und Achtung dieser beiden Grundpfeiler wird ein Frieden in Palästina unmöglich sein. Wie beurteilen Sie dieses Faktum?

Ich denke, das Problem ist kompliziert und wichtig zugleich. Es ist kompliziert, weil sich Israel selbst als eine demokratische Gesellschaft, als ein politisches System darstellt, das der Rechtsstaatlichkeit sehr verpflichtet ist. Die Legitimität des israelischen Staates hängt von seiner Einhaltung der Grundsätze der rechtsstaatlichen Demokratie ab. Im Konflikt mit den Palästinensern ist sich die israelische Führung bewusst, dass das Völkerrecht in den wesentlichen Streitfragen auf der ­palästinensischen Seite ist (Rückzug aus dem 1967 besetzten Land, der Status der Siedlungen, die Ansprüche auf Jerusalem, die Rechte der palästinensischen Flüchtlinge). Bis heute hat die US-Regierung Israel bei allen diplomatischen Verhandlungen unterstützt, indem sie auf der Zurückweisung des Völkerrechts besteht. Dies läuft darauf hinaus vorzuschlagen, dass eine Lösung des Konflikts nicht auf der Basis der wechselseitigen Rechtspositionen der beiden Seiten, sondern eher auf der Basis ihrer jeweiligen Macht erfolgen solle.
Aus diesem Grund sollten Verhandlungen zwischen beiden Seiten voll die Realität vor Ort in Betracht ziehen und nicht auf den Voraussetzungen eines gerechten Friedens aufbauen, die entweder die Vereinten Nationen unterstützen oder die das Völkerrecht vorschreibt. Diese Einstellung hat eine Reihe von schädlichen Auswirkungen. Sie hat es verunmöglicht, ein für die Palästinenser akzeptables Verständnis von Frieden zu erreichen. Sie hat auf seiten der Palästinenser zudem den Eindruck hervorgerufen, dass es nutzlos ist, dass das Völkerrecht oder die Vereinten Nationen auf ihrer Seite sind. Sie leiden nach wie vor, die Leichen stapeln sich weiter und die ihnen zur Verfügung stehenden Gebiete werden weiterhin verkleinert, um sogar noch mehr Tatsachen vor Ort zu schaffen.
Alles in allem vermittelt diese Erfahrung den meisten Palästinensern die Botschaft, dass die einzige Art, Erfolge zu erzielen und eine unterdrückende Situation zu ändern, in der Zuflucht zur Gewalt besteht. Die Palästinenser schauen vor allem auf den Erfolg der Hizbollah, die Israel dazu brachte, sich aus dem Süden Libanons weitgehend zurückzuziehen und vergleichen dies mit ihrer eigenen Situation. Die internationale Gemeinschaft und besonders die USA vermitteln die Botschaft, dass das Völkerrecht den Schwachen in der Praxis nicht hilft. Es hilft den Mächtigen und den Unterdrückern dabei, den Widerstand gegen unterdrückende Verhältnisse zu diskreditieren.
Ausweitung des Mandats

In Ihrer Rede vor dem Rat erwähnten Sie die Ausweitung Ihres Mandats. Viele wollten im Rat wissen, warum Sie diese Ausweitung verlangen. Was ist der Grund dafür, welche Überlegungen stehen dahinter und wie ist der Zusammenhang mit dem Völkerrecht und den Menschenrechten?

Ich denke, es gibt sowohl einen prinzipiellen Grund als auch einen pragmatischen oder praktischen Grund. Der prinzipielle Grund besteht darin, dass man die Auseinandersetzung über das Thema Sicherheit und das Problem der Rechtsverletzungen durch die Besatzungspolitik nur verstehen kann, wenn man die rechtliche Argumentation Israels richtig einordnet, die das Argument der Sicherheit als Rechtfertigung für ihren Ansatz benutzt. Wie man mit dieser zentralen Frage umgeht, hängt von der Überlegung ab, in welchem Grad das Verhalten der Palästinenser es für Israel legal macht, sich so zu verhalten, wie es das tut.
Diese Art der ausgewogenen Untersuchung geht nicht von irgendeiner Symmetrie zwischen dem Besetzer und dem Besetzten oder zwischen den Opfern und ihren Unterdrückern aus. Tatsächlich deckt eine ausgewogene Untersuchung die reale Struktur der Asymmetrien auf eine glaubhaftere und effektivere Art auf und gibt eine faire Antwort auf die Behauptungen der Besatzungsmacht.
Der praktische Grund besteht darin, dass es für Apologeten auf seiten Israels und der USA zu einfach war, auf die Einseitigkeit des formalen Mandats zu verweisen und zu behaupten, diese Einseitigkeit diskreditiere nicht nur dieses Mandat im besonderen, sondern auch den Menschenrechtsrat und die Vereinten Nationen im allgemeinen. Es war eine sehr wirksame Art, die Substanz der palästinensischen Beschwerden zu umgehen, indem man immer dieselbe Leier von der Einseitigkeit des Mandats vorbrachte. Diese Kritik an dem Mandat hatte Erfolg damit, dass viel zuviel Aufmerksamkeit auf die verfahrenstechnischen Fragen gelenkt wurde, die mit der formalen Reichweite der Untersuchung zusammenhängen. Ich denke, dass es sowohl aus prinzipiellen als auch praktischen Gesichtspunkten angemessen war, dieses Thema zu Beginn meiner Ernennung anzusprechen. Ich wusste, dass dies eine delikate Frage darstellen würde, gebe jedoch zu, dass ich vorher nicht erkannt habe, wie kompliziert und schwierig es sein würde, meine Empfehlung zu übernehmen.

Wir möchten Ihnen an dieser Stelle ganz herzlich zu Ihrer Wahl zum Sonderberichterstatter für Palästina gratulieren. Der Widerstand von seiten der USA und Israel war immens, um so mehr hat es alle postiv überrascht, dass die Wahl auf Sie gefallen ist.

Ja, ich war in der Tat überrascht. Ich war mir sehr bewusst, dass Israel und die USA sich aktiv gegen meine Wahl stellten und über die Existenz des Mandats sowie über John ­Dugard, den letzten Mandatsträger, sehr aufgebracht waren. Es wurde mir berichtet, dass beide Regierungen sehr starken Einfluss ausübten, damit eine andere Art Person ernannt würde, und sie waren verärgert, dass diese Bemühungen fehlschlugen, als sie sich der Tatsache bewusst wurden, dass ich trotz ihrer Kampagne die Wahl des Human Rights Council (HCR) war. Ja, und deshalb war ich überrascht.

Vielen Dank, dass Sie sich für die Fragen Zeit genommen haben. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrem sehr anspruchsvollen Mandat. Vielen Dank.

Vielen Dank für die Fragen, vielen Dank. Ich möchte versuchen, für beide Völker das Beste zu tun, was mir möglich ist. Besonders die Palästinenser sind seit Jahren von der internationalen Gemeinschaft betrogen worden. Dieser Betrug ist mit dem Widerwillen verbunden, die besondere Verantwortung der internationalen Gemeinschaft zu akzeptieren, die von der Gründung Palästinas als britischem Mandat nach dem Ersten Weltkrieg herrührt. In einem grundsätzlichen Sinn ist das Mandat, das ich innehabe, zumindest eine symbolische Anerkennung dieser Verantwortung durch das System der Vereinten Nationen. •

(Übersetzung Zeit-Fragen)

*Richard Falk ist Jurist und Ökonom, Professor Emeritus für Internationales Recht und Politik an der Princeton University, Autor und Mitautor von mehr als 20 Büchern, Mitglied der Redaktionsleitung von The Nation und The Progressive und Präsident der Nuclear Age Peace Foundation. 2001 war er zusammen mit dem südafrikanischen Professor für Völkerrecht John Dugard und dem ehemaligen Aussenminister von Bangladesh, Kamal Hussein, Mitglied der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für die Palästinensischen Autonomiegebiete. Am 26. März 2008 ernannte ihn der Uno-Menschenrechtsrat zum Sonderermittler für die Aktionen Israels in den Palästinensischen Autonomiegebieten. Im Juni 2008 hat er diese Aufgabe vom Völkerrechts- und Apartheidexperten John Dugard übernommen.
Katastrophale humanitäre Situation in den besetzten Gebieten

thk. Der Vorgänger von Richard Falk im Amt des Sonderberichterstatters für Palästina, der Südafrikaner John Dugard, veröffentlichte im Januar 2008 seinen Bericht über die Lage in Palästina und stellte diesen in der März-­Session dem Menschrechtsrat vor. Im folgenden veröffentlichen wird drei Auszüge, die einen kleinen Einblick in die Situation in den Besetzten Palästinensischen Gebieten ermöglichen.

Der Bau der Mauer, die Erweiterung der Siedlungen, die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, die Zerstörung der Häuser sowie die militärischen Einfälle haben verheerende Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesundheit, Bildung, Familienleben und Lebensstandard der Palästinenser in der West Bank. […] Die Armuts- und Arbeitslosigkeitsrate befindet sich auf dem bisher höchsten Stand, Gesundheit und Bildung werden durch militärische Einfälle, die Mauer und die Checkpoints untergraben. Das soziale Gefüge der Gesellschaft ist bedroht. […]
Tödliche Schikanen

Die Polykliniken haben nicht mehr genügend pädiatrische Antibiotika, und es fehlen ihnen 91 entscheidende Medikamente. Früher durften schwerkranke Patienten Gaza über die Grenzübergänge Rafah und Erez zur medizinischen Behandlung in Israel, der West Bank, Ägypten, Jordanien und weiteren Ländern verlassen. Der Grenzübergang Rafah ist jetzt vollständig geschlossen, und die israelischen Behörden verweigern mit Ausnahme «schwerster oder dringendster Fälle» allen anderen den Grenzübertritt.
Die Situation hat sich verschlechtert, seitdem Gaza zum feindlichen Territorium erklärt wurde. Die Weltgesundheitsorganisation berichtet, dass in der Zeit von Januar bis Mai 2007 89,4% der beantragten Passierscheine genehmigt wurden, während diese Zahl im Oktober 2007 auf 77,1% zurückgegangen ist. In der Folge führte dies zu einem drastischen Anstieg der Todesfälle: Gemäss der israelischen NGO «Physicians for Human Rights» starben 44 Personen als Folge eines durch die israelischen Behörden verweigerten oder verzögerten Zuganges zu medizinischer Behandlung; alleine 13 davon starben im November.
Mahmoud Abu Taha, ein 21jähriger Patient mit Magenkrebs, kam am 18. Oktober um 16 Uhr in Begleitung seines Vaters mit einem palästinensischen Notarztwagen am Grenzübergang Erez an. Die Einreise des Patienten wurde um 2½ Stunden verzögert. Nach dieser Zeit wurde sein Vater aufgefordert, auf die israelische Seite von Erez zu gehen. Sein Sohn, der Patient, wurde aufgefordert, mit einer Gehhilfe – nicht mit dem Notarztwagen – die Grenze zu passieren. Nachdem sie das Ende eines 500 Meter langen Tunnels erreicht hatten, wurde dem Sohn der Zugang verweigert, und der Vater wurde für 9 Tage vom israelischen Militär inhaftiert.
Am 28. Oktober, 10 Tage später, wurde eine zweite Ausreise für den Patienten bewilligt. Er wurde in ein israelisches Krankenhaus eingewiesen, wo er noch in derselben Nacht starb. […]
Verletzung des Völkerrechts

Zwar ist die Situation in der West Bank nicht so gravierend wie diejenige in Gaza, aber die Unterschiede sind nur gradueller Natur. Vielmehr ist, ähnlich der Situation in Gaza, die ernste humanitäre Lage in der West Bank weitgehend das Resultat von Verletzungen des Völkerrechts durch Israel. Gemäss dem internationalen Gerichtshof verletzt die Mauer Normen des Humanitären Völkerrechtes und der Menschenrechte; die Siedlungen verletzen die vierte Genfer Konvention; Grenzkontrollpunkte verletzen das in der Menschenrechtskonvention vereinbarte Recht auf freie Bewegungsfreiheit; die Zerstörung der Häuser verletzt die vierte Genfer Konvention; die humanitäre Krise in der West Bank wurde durch das israelische Einbehalten der palästinensischen Steuermittel und weitere Verletzungen des Völkerrechtes herbeigeführt.
Damit verstösst Israel gegen viele Rechte, die im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte festgelegt sind. In Gaza stellen Israels Handlungen eine unrechtmässige Kollektivbestrafung des ­paläs­tinensischen Volkes dar.

Quelle: «Human Rights Situation in Palestine and Other Occupied Arab Territories»,
Report A/HRC/7/17, 21. Januar 2008,
Human Rights Council

(Übersetzung Zeit-Fragen)
Protest gegen Bruch der Genfer Rotkreuzabkommen vom 12. August 1949
Israel zerstört die Sozialeinrichtungen von Hamas in der West Bank
Waisenkinder und Witwen

«Als Teil von Aktionen gegen die Hamas zerstört die Olmert-Regierung Waisenhäuser, Schulen und soziale Einrichtungen in der West Bank.
Es gibt keine anderen Institutionen an ihrer Stelle. Waisenkinder, Witwen und arme Leute werden einfach auf die Strasse geworfen.»
Verletzung des IV. Genfer Abkommens vom 12. August 1949

Mit diesem Vorgehen in der West Bank bricht die Olmert-Regierung geltendes Humanitäres Völkerrecht. So heisst es unter 4: «Geschützte Personen in den besetzten Gebieten:
a) Die geschützten Personen sollen im Rahmen des Möglichen weiterhin in normaler Weise leben können (IV, 47) […].
b) Die Besatzungsmacht soll besonders für das Schicksal der Kinder sorgen (IV, 50) […].
Allgemein gilt, dass die Behörden, die Verwaltungseinrichtungen sowie die privaten und öffentlichen Institutionen der besetzten Gebiete weiter funktionieren dürfen (IV, 54, 63, 64).»

Quelle: Aus einer Anzeige von Gush Shalom in «Haaretz» vom 11.7.2008

Freitag, 25. Juli 2008

Barack Obama - der falsche Prophet?

Wahlkampf für die kommenden Kriege?
US-Präsidentschaftskandidat Obama in Deutschland

km. In seinem grossen Roman «Ein Tag länger als das Leben» hat der vor kurzem verstorbene kirgisische Schriftsteller Tschingis Aitmatow die Lebenslogik des Menschseins und die ­Todeslogik der Macht und Gewalt eindrucksvoll gegenübergestellt und auf eine das Gewissen zutiefst berührende Art und Weise erzählt, was es bedeutet, wenn der nach Leben strebende Mensch unter die Räder der Todeslogik gerät.
Barack Obama, der Kandidat für die im November stattfindenden US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen, wird von vielen, gerade auch in Deutschland, als kommender Befreier von Krieg und Ungerechtigkeit gefeiert. Aber auch dieser Kandidat zeigt immer deutlicher, dass er ein Teil des Apparates von Macht und Gewalt sein wird, sollte er der nächste US-Präsident sein.
Am 25. Juli wird Obama in der deutschen Hauptstadt Berlin an der Siegessäule(!) eine Grundsatzrede halten. Darüber, wie er sich die kommenden transatlantischen Beziehungen vorstellt. Geplant ist, eine «Fanmeile» («Berliner Zeitung» vom 19. Juli) mit Grossleinwänden für Zigtausende bis hin zum Brandenburger Tor zu errichten.
Nun ist allerdings schon vorher deutlich geworden, welcher Betrug an den Menschen in den USA und überall in der Welt der propagandistische Versuch darstellt, Obama mit der Aura eines Kämpfers für Frieden und Gerechtigkeit zu umgeben. Und dies auf eine solch offensichtliche Art und Weise, dass man nur staunen kann, dass dies nicht bemerkt wird.
In der Ausgabe der deutschen Wochenzeitung Die Zeit vom 18. Juli hat Obama in kompakter Art und Weise sein kriegspolitisches Programm formuliert – mit dem verlogenen Titel: «Es ist Zeit, den Krieg zu beenden.»
Obama legt dar, wie er innerhalb der ersten 16 Monate seiner Amtszeit den Grossteil der US-Truppen aus dem Irak abziehen will, um nur noch die zurückzulassen, die für die Kontrolle des Landes als notwendig betrachtet werden. Obama und seine Berater wissen: Der Irak-Krieg gilt in der US-Öffentlichkeit als der «schlechte», der «falsche» Krieg, deshalb dieser Schachzug.
Mit dem Abzug aus dem Irak soll der Krieg in Afghanistan ausgeweitet werden. Obama spricht von zwei zusätzlichen Kampfbrigaden, also rund 10 000 Soldaten. Kein Zufall also, dass Obama wenige Tage vor seinem Deutschland-Besuch Afghanistan bereiste.
Warum erschien dieser Artikel eine Woche vor Obamas Besuch in Deutschland in der prominentesten deutschen Wochenzeitung? Sicherlich nicht, um herauszustellen, dass auch Obama ein Kriegsherr sein wird! Vielmehr geht es um Einflussnahme auf die Nato, und vor allem auf Deutschland. Der kommende Kriegsherr soll in Deutschland gefeiert werden. Der Widerstand der Deutschen gegen den Krieg, der in allen bisherigen Umfragen deutlich wird, soll gebrochen werden.
Afghanistan soll das Pilotprojekt dafür sein, alle Nato-Verbündeten der USA, also auch Deutschland, viel mehr als bisher in den Krieg zu zwingen. Wie es heisst, fehlen die Soldaten für den mörderischen Kampf Mann gegen Mann. Die soll künftig auch Deutschland stellen. Und: Die finanzielle Logik des Krieges hat die USA in den Ruin getrieben. Ganz offensichtlich sollen künftig die anderen Länder zahlen: mit viel mehr Geld und mit viel mehr Menschenleben. Dafür steht der Kandidat Obama.
Und warum gerade Afghanistan? Das Land ist ein geostrategisches Sprungbrett für Zentralasien, schliesslich auch für Russland und China. Die USA wollen ihre «zweite Chance» (Obama-Berater Brzezinski), einzige Weltmacht zu werden, wahrnehmen: mit viel mehr deutschen Soldaten an der Front. Wer Obama am 25. Juli in Berlin zujubelt, weiss nicht, was Obama wirklich vorhat. Notwendig sind statt dessen sehr kritische Fragen an den Kandidaten.

Donnerstag, 24. Juli 2008

Samuel Schmid und Roland Nef

Armee-Affäre
Raketenhafter Auf- und Abstieg

Von Urs Paul Engeler

Bundesrat Samuel Schmid hätte alles wissen können über Roland Nef und hat fast alles gewusst. Trotzdem hat er ihn zum Chef der Armee gemacht und bei Gegenwind fallengelassen: eine schmidsche Gemeinheit mehr.

Das Idealbild, das Wehrminister Samuel Schmid von seinem ersten Soldaten, Korpskommandant Roland Nef, zeichnen liess, war immer ganz falsch. Die Urteile über den zackigen Berufsoffizier aus Frauenfeld waren, für alle hörbar, die es wissen wollten, stets sehr gemischt. Strebsamkeit, Können und Fleiss wurden dem früheren Ministranten ohne Vorbehalt attestiert: «Bei den Tests hatte er stets die besten Noten», erinnert sich ein Dienstkamerad. Die Fragezeichen, die Milizoffiziere hinter Nefs Bilderbuchkarriere setzten, betrafen das Sozialverhalten von «Teflon-Roli», wie er auch genannt wird. Ein «seelenloser Apparatschik» sei er mit einem Hang zum «Bestrafen», gab ein Hauptmann bereits geraume Zeit vor dem Ausbruch der Affäre der Weltwoche zu Protokoll: Sein Führungsprinzip könne als «management by terror» bezeichnet werden. Für andere funktioniert der Offizier einfach wie die perfekte Militärmaschine: salutieren, Befehle entgegennehmen, salutieren, Befehle weitergeben, salutieren, kontrollieren, bemängeln, befehlen, salutieren.

Tobsuchtsanfall am Weihnachtsessen

In einem zähflüssigen Talk mit dem Titel «19 Tage im Amt», inszeniert am 20. Januar 2008 beim Rapport der Territorialregion 4 in der St. Galler Olma-Halle, kokettierte Nef vor der gesamten Ostschweizer Polit- und Armeeprominenz damit, dass er lange gezögert habe, ob er eine militärische oder doch eher eine musikalische Laufbahn einschlagen solle. Als Schüler des bekannten (und offenbar viele begeisternden und antreibenden) Kirchenmusikers Josef Holtz hatte es der Jurist - sein Verbindungs-Vulgo «Taschte» bürgt dafür - zum guten Klavier- und Orgelspieler gebracht. «Musik wäre vielleicht doch die bessere Entscheidung gewesen», kommentierte ein Oberleutnant a. D. Nefs leicht irritierende Selbstdarstellung.

Tatsächlich beobachteten hohe Militärs, die nicht als frustrierte Konkurrenten gelten können, den Raketenaufstieg des CVP-nahen Katholiken mit wachsender Verwunderung. Sie vermissten die Tiefe der Bildung, die Breite der Erfahrungen oder auch eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Sicherheitspolitik: «Viele Kommandoposten bekleidete er nur sehr kurz. Sein einziger Auslandaufenthalt im amerikanischen Fort Sill ist keine hochwertige Ausbildung für höhere Offiziersränge. Nef hat auch nie etwas publiziert.» Und hinter vorgehaltener Hand wird immer wieder sein Vater, der umstrittene Artillerie-Instruktor mit dem Übernamen «Chlapf-Toni», thematisiert: «Der überkorrekte, asketisch wirkende Auftritt des Juniors und sein Drang an die Spitze können fast nur als Kompensation verstanden werden», übt ein Weggefährte sich in Populärpsychologie.

All diese heiklen Konstellationen und Dispositionen des Kandidaten waren durchaus bekannt, als Bundesrat Schmid Anfang 2007 einen neuen Armeechef suchte. Ja noch mehr und noch Brisanteres lag vor. Nach einer gescheiterten ersten Ehe im gemeinsamen Haus in Uesslingen TG hatte Tastenspieler Nef eine schwierige Beziehung zu P. S., einer Berufsmusikerin am Opernhaus Zürich, aufgenommen. Kolportiert wird eine fürchterliche Szene, als Nef, angetrunken, im Dezember 2004 an einem Weihnachtsessen bei Bekannten seiner Partnerin eruptiv vorwarf, ein anderes Verhältnis zu unterhalten, ausrastete und unkontrolliert derart zu toben begann, dass die Gäste alle gefährlichen Gegenstände wie Messer vor dem Wütenden versteckten und P. S. aus der Wohnung flüchten musste. Die belastete Zweisamkeit am Zürichberg endete Anfang 2005 denn auch in tiefer Zwietracht, im Zorn und in einer 18-monatigen Verfolgungsjagd, die erst durch eine Strafanzeige der Frau gestoppt wurde. Bei einer Haus- und Bürodurchsuchung wurden Nefs Computer konfisziert und sogar dessen Armeepistole beschlagnahmt. Der Brigadier musste für einige Zeit, unfreiwillig, waffenlosen Dienst leisten.

Amateurhafter Beförderungsprozess

Das von P. S. im Herbst 2006 angestrengte Nötigungs- und Stalking-Verfahren vor der Zürcher Staatsanwaltschaft lief noch, als das Rennen um den höchsten Posten in der Armee in die Endphase trat. Korrekt machte der Kronfavorit den Wehrminister, der die Selektion leitete und zu verantworten hätte, auch auf diesen äusserst diffizilen Umstand aufmerksam.

Mit dieser Mitteilung und in diesem Moment wurde die peinliche (Privat-)Affäre Nef zum öffentlichen Skandal Schmid. Das Wahlgremium hatte alle Möglichkeiten, sich im Detail über die Vorwürfe gegen Nef und ihre Hintergründe zu informieren. Für die notwendige Personensicherheitsüberprüfung (PSP) muss jeder Anwärter auf höchste Staatsämter alle seine Bücher, alle Dossiers und Konten offenlegen. Und die Wahlbehörde kann, im eindeutigen Gegensatz zu den Billigausflüchten von Schmid, gemäss PSP-Verordnung Einblick nehmen in die Akten. Das Departement war also jederzeit im Bild. Entweder unterschätzten Schmid und sein Beraterstäbchen die Sprengkraft dieser Zeitbombe, oder, was wahrscheinlicher ist, die VBS-Crew hoffte, sie unter dem Deckel halten zu können. Auf jeden Fall begann mit der offiziellen Information des Departementschefs die grosse Vertuschung der Vergangenheit des Mustersoldaten.

Das von Schmid eingesetzte Quartett zur Vorbereitung der wichtigen Wahl bestand aus vier einigermassen gleichgeschalteten Gestalten: Peter Arbenz (FDP), in den achtziger Jahren von Kopps Gnaden Flüchtlingschef, heute wirbelnder Berater, VBS-Generalsekretär Markus Seiler (FDP), Divisionär Markus Rusch, der Militärflüsterer Schmids mit Einfluss und Interessen, sowie der leicht affektierte Nachdenker Stephan Bieri, vormals ETH-Geschäftsführer und an der Universität Zürich Dozent für Wirtschaftspolitik, heute Verwaltungsratspräsident der S-U-P-Gruppe, wie die in Basel domizilierte Societät für Unternehmungsplanung sich auch nennt.

Das handverlesene konforme Grüppchen, das heute über seine missglückte Arbeit nicht sprechen will, winkte, offenbar artig Vorgaben aus dem Departement befolgend, den jungen Nef (damals 47) an älteren und mit wesentlich mehr Meriten behangenen Divisionären vorbei durch. Das Assessment, das gemäss Schmid eine professionelle externe Firma durchgeführt hat, wurde - für teure Steuerfranken - gleich von Stephan Bieris eigener S-U-P («arbeitet ausschliesslich auf Basis persönlicher Empfehlungen hochqualifizierter Fach- und Führungskräfte») erledigt. So blieben die dunklen Flecken auf Nefs Uniform fast verborgen.

Die Verantwortung für die amateurhaft vorbereitete Beförderung aber hatte Schmid, der mal gar nichts gewusst, mal nichts Konkretes, mal keine Details über das laufende Verfahren gegen Roland Nef gekannt haben will. Immerhin hatte der VBS-Chef ein derart schlechtes Gewissen, dass er den Gesamtbundesrat gezielt nicht über das noch immer laufende Strafverfahren informierte. Der unvollständige Antrag, Nef zum Chef der Armee zu ernennen und per Anfang 2008 zum Korpskommandanten zu befördern, flatterte am Morgen des 8. Juni 2007, kaum zwei Stunden vor Sitzungsbeginn, in die Büros der andern sechs Bundesräte, die ahnungs- und diskussionslos zustimmten.

Weggeputzt wurde der Fleck auf der Weste vier Monate später hinter den Kulissen. Das Prestige des neuen Amtes und etwas Geld - die nicht bestätigte Rede ist von einem fünfstelligen Betrag - halfen mit, die Exfreundin P. S. zu einer «Desinteresse-Erklärung» zu bewegen. Und die Staatsanwaltschaft Zürich stellte, wie gewünscht, das Verfahren ein. Oberstaatsanwalt Andreas Brunner bestätigte, dass es in dieser Phase auch «Kontakte zum VBS» gegeben habe; «Druck aus Bern» hingegen sei nicht ausgeübt worden. Mittlerweile schweigen Brunner und die Staatsanwaltschaft sich eifrig darüber aus, unter welchen Umständen und mit welcher Begründung sie die Einstellung verfügt haben.

Das Interesse des Departements an diesem Entscheid auf jeden Fall war gross. Erst nach Abschluss dieses Verfahrens wurde offiziell die Sicherheitsüberprüfung Roland Nefs gestartet, die dann - logischerweise - keine Defizite mehr entdecken konnte. Zum Zeitpunkt der Wahl wäre Nef durchgefallen, denn ausgeleuchtet werden auch die «persönlichen Verhältnisse», die nicht «ungeordnet» sein dürfen. «Ungeordnet» heisst unter anderem «ein hängiges Strafverfahren». Samuel Schmid lügt auch, wenn er nun behauptet, die Überprüfung Nefs vor der Wahl hätte zu lange gedauert. Ein solches Verfahren ist gemäss Praktikern problemlos innerhalb von zwei, drei Wochen abzuschliessen.

Die Wahl des neuen Armeechefs war nicht nur ein Pfusch, sondern ein Murks, bei dem vielfach gegen Usanzen, Vorschriften und Gesetze verstossen wurde. Das Parlament kommt nicht darum herum, den verschleierten Prozess nochmals aufzurollen. Ein halbes Jahr lang schien die Rechnung aufzugehen: Der schneidige Nef, der den Reformeifer zu bremsen und die wacklige Armee zu «konsolidieren» versprach, war für viele der Leuchtturm in der Sinnkrise, der letzte Stützpfeiler in einer abrutschenden Region. Selbst für sinnlose und dürftig abgestützte Aktionen wie die erzwungene Demission von Luftwaffenchef Walter Knutti erntete der Durchgreifer nur Applaus. Doch - Ironie der Geschichte - je heller in den Medien das Bild des Saubermanns erstrahlte, umso rascher nahte sein Ende.

Es war der wachsende Widerspruch zwischen dem öffentlich strahlenden und privat problematischen Nef, der offenbar jemanden bewog, die Sonntagszeitung über die Defizite des Armeechefs zu informieren. Sie zielten auf Nef, trafen aber zugleich Schmid, dessen Machenschaften bei der Wahl seines ersten Mitarbeiters nun auffliegen. Doch selbst in dieser Situation setzte der VBS-Chef auf Schweigen und Bemäntelung (siehe Kasten).

Schmid war jederzeit vollständig informiert, nicht nur vor einem Jahr über das Verfahren gegen Nef und die Anstrengungen, es niederzuschlagen, sondern auch jetzt über die angekündigte Veröffentlichung von Details aus dem Verfahren. Er hätte, dies das einzig mögliche Fazit, den Risikofaktor Nef gar nie auf diesen sensiblen Posten befördern dürfen.

Wenn Schmid mit grosser Geste und feuerrotem Kopf nun von angeschlagenem Vertrauen spricht und dem obersten Offizier einen Monat Zeit gibt, «alle Mutmassungen, Gerüchte und Vorwürfe zu entkräften», dann spielt er wie der schmierige Dorfrichter Adam in Kleists «Zerbrochenem Krug» den Richter in eigener Sache. Die besondere Perfidie dieser politischen Inszenierung ist, dass Schmid ganz genau weiss, dass Nef die «unbesonnenen» Handlungen, die er ja schon öffentlich eingestanden hat, gar nicht aus der Welt schaffen kann. Nef, der bei der Trennung von seiner Partnerin vieles falsch, bei der Berufung auf den hohen Posten aber alles richtig gemacht hat, sitzt in der Falle.

Befreien kann er sich nur, wenn er nicht von einem hinterhältigen Bundesrat, der ihn terrorisiert, etwas «Vertrauen» zurückbettelt, sondern gegenüber der Öffentlichkeit reinen Tisch macht, in die Offensive geht, die Winkelzüge Schmids darstellt. In Kleists Stück zumindest entflieht der entlarvte Adam.

Quelle: www.weltwoche

Mittwoch, 23. Juli 2008

Der Iran hat keine Pläne, Israel anzugreifen

politonline d.a. Gemäß einer der website http://www.arbeiterfotografie.com/iran/index-iran-0000.html zu entnehmenden Meldung von PressTV sagte der iranische Präsident Ahmadinedschad am 8. Juli in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur, wo er am Gipfel der Gruppe der islamischen Entwicklungsländer teilnahm, unter anderem, »dass der Iran keine Pläne habe, Israel anzugreifen. Ahmadinedschad führte laut der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti in diesem Zusammenhang folgendes aus:

»Die Zionisten werfen uns Vorbereitungen auf einen möglichen Angriff vor, das ist aber eine Lüge. Die iranische Nation hat nie in ihrer Geschichte jemanden angegriffen.« Ferner: »Das zionistische Regime stellt eine politische Aggressorengruppe dar. Seinem Wesen nach zerstört sich dieses Regime selbst. Das iranische Volk braucht dafür nichts zu unternehmen.« Im Iran gebe es gegenüber Juden wie gegenüber jeder anderen religiösen Minderheit Toleranz. Obwohl die jüdische Gemeinde eine kleine Minderheit darstelle, habe sie einen Sitz im iranischen Parlament (de.rian.ru). Ähnlich hat sich Ahmadinedschad bereits mehrfach auf seiner website president.ir geäussert und auch jüngst im Rahmen eines Interviews mit dem italienischen Fernsehen RAI während seines Aufenthalts in Rom Anfang Juni 2008 (Video: rai.tv, Transkript: italian.irib.ir)«. 1

In Jerusalem hatte sich die israelische Aussenministerin Tsipi Livni Anfang Juni dafür ausgesprochen, den internationalen Druck auf die iranische Regierung aufrechtzuerhalten. Vor dem aussenpolitischen und dem Verteidigungsausschuss des Parlaments sagte sie nach Angaben eines Teilnehmers: »Jedes Zögern im Handeln gegen den Iran erzeugt einen Eindruck von Schwäche.« Der Iran müsse verstehen, »dass die militärische Bedrohung existiert und nicht vom Tisch genommen wird.« In seiner aussenpolitischen Grundsatzrede hat nun auch Barack Obama am 15. 7. 08 einen harten Kurs gegen dem Iran angekündigt. Falls er Präsident werden sollte, schliesse er kein staatliches Mittel aus. Er werde alle Elemente amerikanischer Macht nutzen, um Druck auf das iranische Regime auszuüben.

Eine Fülle endloser Zynismen offenbaren folgende Fakten

Den Afghanistankrieg will Barack Obama einer Meldung der Berliner Umschau zufolge ausweiten 2. Er hat sich klar zu einer Fortsetzung des Krieges bekannt und dazu, die Aufstockung der Besatzungstruppen zu vergrössern. Afghanische Politiker zeigen sich im übrigen über das Vorgehen der Besatzungstruppen gegen Zivilisten zunehmend empört. NATO-Chef Jaap de Hoop Scheffer seinerseits forderte Mitte März von den deutschen Kommandeuren mehr Kampfwillen 3. Er sieht die NATO-Länder in der Pflicht, eine »skeptische Öffentlichkeit« zu überzeugen und ihr die »strategische Notwendigkeit« des Krieges zu vermitteln. Letztere existiert offensichtlich nur für ihn und die Besatzer: alle, die gegen diesen mörderischen Krieg sind, in dem die Massaker an den Taliban kein Ende nehmen, können in seinen Worten lediglich die totale Missachtung jeglichen Menschenrechts erkennen.

Überaus wissenswert ist ferner ein dem JonesReport zu entnehmender Fakt, dass Obamas angekündigte Arbeitsgruppe für nationale Sicherheit wenig mehr als ein Konsortium von einschlägig bekannten Globalisten, Mitgliedern von Geheimorganisationen, ehemaligen Funktionären der Clinton- und Bush-Administrationen sowie der Architekten der letzten Kriege ist 4. Im Falle seines Sieges bei den Präsidentschaftswahlen will er an Verteidigungsminister Robert Gates festhalten. Gates ist mit Zbigniew Brzezinski, der bereits Berater von Obama ist *, Coautor des Berichtes des Council on Foreign Relations, der den Titel ›Iran: Time For A New Approach‹ (Iran: Zeit für eine neue Herangehensweise) trägt. »Jene Leute«, heisst es im JonesReport, »die uns Bosnien eingebrockt haben, werden uns wahrscheinlich in den Irankrieg hineinzwingen.« Ein Wahnsinn, der weitere irreversible Zerstörungen anrichten würde und mit allen Mitteln zu verhindern ist.

Der ehemalige US-Berater für nationale Sicherheit, Anthony Lake, beschwor die Notwendigkeit für eine ›verbleibende Präsenz‹ im Irak, als er der Financial Times gegenüber erklärte, dass der Abzug aus Vietnam ›traumatisch‹ gewesen sei. Ein weiteres Mitglied von Obamas Arbeitsgruppe hat seit langem den Wandel des ›unilateralen präemptiven Kriegs‹ zu einem ›durch eine Koalition unterstützten Präventivkrieg‹ befürwortet. James Steinberg, ein weiterer ehemaliger Berater für nationale Sicherheit, schrieb in einem Dokument mit dem Titel ›Preventive War, A Useful Tool‹ (Präventivkrieg, ein nützliches Werkzeug) folgendes: »Unilateralismus ist nicht die einzige Alternative..... Regionale Organisationen und eine neue Koalition demokratischer Staaten bieten Wege, den Einsatz von Gewalt zu legitimieren, wenn der Rat daran scheitert, seiner Verantwortung gerecht zu werden.« Steinberg betrachtet Bushs unilateralen Krieg gegen den Irak nicht als Fehler. »Ein Problem der Bush-Doktrin ist folglich nicht, dass sie übermäßig von präventiver Gewalt abhängig ist, sondern daß sie deren Gebrauch zu eng konzipiert.« James Steinberg ist derzeit Dekan an der Universität von Texas und war bisher im CFR, in der Trilateralen Kommission, im Brookings Institute, in der RAND Corporation sowie in der Bilderberger-Gruppe involviert.

Was die Absichten der USA bezüglich ihrer Präsenz im Irak betrifft, so sind die US-Pläne wie folgt beschaffen 5: Derzeit bereitet die US-Administration eine permanente Besetzung des Iraks vor. Zu wichtig sind die Ölvorkommen und zu unwichtig ist die irakische Bevölkerung. Zu diesem Zweck ist dem irakischen Parlament ein entsprechendes Gesetz zur Unterzeichnung vorgelegt worden. Mit diesem sogenannten ›Status of Forces Agreement‹ [Abkommen über den Status der Streitkräfte] soll den US-Truppen eine unbegrenzte Verweildauer im Irak zugesichert werden. Dafür sind insgesamt 58 Militärbasen vorgesehen. Vor dem Ablauf der Amtszeit von Bush und der UN-Resolution für die Besetzung des Iraks versucht die US-Regierung unumkehrbare Fakten zu schaffen, die einen dauerhaften Krieg und Besatzung im Mittleren Osten sicherstellen sollen. Der nun vorgelegte Vertrag wird darüber hinaus das US-Militär dazu ermächtigen, beliebige militärische Aktivitäten, Luftangriffe, usw., durchzuführen oder Iraker festzunehmen, ohne dabei der Kontrolle durch die irakische Regierung oder Justiz unterworfen zu sein. Auch der gesamte Luftraum des Iraks bis zu einer Höhe von 10.000 m soll durch US-Militär kontrolliert werden. Irakische Parlamentsabgeordnete befürchten, dass die Unterzeichnung einer solchen ›Vereinbarung‹ zu einem Volksaufstand führen könnte, denn man könne nicht freiwillig die eigene Unterwerfung unterschreiben. Die Bush-Regierung versucht gleichzeitig, den Druck auf die irakischen Abgeordneten und Politiker zu erhöhen, um eine zügige Ratifizierung ihrer Wünsche zu erreichen. Die irakische Regierung (im eigentlichen eine reine Marionetten-Regierung, Anmerk. von politonline) sieht sich derzeit genötigt, dem Vertrag gegebenenfalls zuzustimmen, da sie ohne Unterstützung der US-Truppen ihre Existenz in Frage gestellt sieht. Im Vertrag wird bestimmt, dass allein die amerikanische Militärführung eine Aggression nach aussen definiert und die entsprechende politische und militärische Antwort bestimmt. Zwischenzeitlich ist keine Rede mehr von einem Rückzug der US-Truppen aus dem Irak oder Afghanistan. Im Gegenteil: Nun hat auch der US-Senat mit 92 zu 6 Stimmen nach dem Repräsentantenhaus bedingungslos weitere 162 Milliarden $ für die Kriege im Irak und in Afghanistan genehmigt. Die Bewilligung war nicht mit einem Rückzugsplan aus dem Irak verknüpft. Parallel dazu hat die offizielle Ausplünderung des Iraks durch die Ölmultis begonnen. Den vier grössten Ölkonzernen der Welt wurden nach Verhandlungen die entsprechenden Ölfelder im Irak zugewiesen und diese ›Vereinbarung‹ soll nun durch die irakischen Behörden bestätigt werden. Nach aktuellen Berichten hat die Stimme eines irakischen Abgeordneten einen Wert von 5 Millionen $. Soviel wollen anscheinend die Ölkonzerne investieren, damit das ›Ölgesetz im irakischen Parlament verabschiedet wird. Das Gesetz sieht für die Ölkonzerne umfangreichen Nutzungsrechte vor und eine Rendite, die das Vielfache des sonst Üblichen beträgt. Durch den wachsenden Druck der irakischen Bevölkerung auf ihre Abgeordneten, den Ölvertrag nicht zu unterschreiben, verzögert sich das Vertragswerk nun schon seit 9 Monaten. Jeder Abgeordnete, der letzterem seine Stimme gibt, riskiert wohl seinen Kopf und wird anschliessend das Land verlassen müssen.

Wozu, fragt man sich, müssen wir einen Menschenrechtsrat in Genf finanzieren, der sich dadurch, dass er gegen diese brutale Inbesitznahme eines Landes nicht laut aufbegehrt, selbst desavouiert?

1 Quelle: Tagebuch Iran: Notizen aus dem Kontext des drohenden Krieges gegen den Iran http://www.arbeiterfotografie.com/iran/index-iran-0000.html
2 Ausgabe vom 15. 7. 08 www.berlinerumschau.com/index.php?set_language=de&cccpage=15072008ArtikelPolitikMueller1
3 http://www.jungewelt.de/2008/03-12/049.php 12.3.08
4 http://infokrieg.tv/obamas_beratergruppe_2008_07_02.html
Obamas Expertengruppe für nationale Sicherheit enthält einschlägig bekannte Kriegstreiber
JonesReport.com vom 1. 7. 08
* Siehe http://www.politonline.ch/?content=news&newsid=948 Die US-Wahlen und mögliche Folgen
5 Interinfo Linz, Folge 355, Juli 2008

Montag, 21. Juli 2008

HarmoS - die Gleichschaltung der Volksschule

Ein Machtkampf ist entbrannt

HarmoS: Hinter diesem so seltsam geschriebenen Wort steht angeblich ein Bildungs-Projekt. Erfunden von der Erziehungsdirektoren-Konferenz (EDK). Ein Projekt zur schweizweiten Gleichschaltung der Volksschule. Kein einziges Kantonsparlament konnte dieses Projekt beraten. Es wurde den Kantonen fixfertig präsentiert. Sie konnten zur Vorlage der Erziehungsdirektoren-Konferenz nur gesamthaft Ja oder Nein sagen. Änderungen waren unmöglich.

Die EDK wird in keiner Verfassung erwähnt. Niemand hat ihr Kompetenzen eingeräumt. Sie führt sich auf als gesetzgebende Institution ganz von eigenen Gnaden. Sie masst sich gesetzgebende Kompetenz über alle Kantonsparlamente hinweg einfach an. Die Kantone, eigentlich zuständig für Volksschulpolitik, werden kurzerhand entmachtet.

Vier Pfeiler

HarmoS ruht auf vier Pfeilern: Es verlangt erstens die generelle Schulpflicht – nicht Kindergartenpflicht – für Vierjährige, mit Hochdeutschpflicht ab erstem Schultag. Es zementiert zweitens den sogenannt «integrativen Unterricht». Das heisst: Sonderklassen werden abgeschafft. Auch schwächer Begabte, die vom Normalunterricht überfordert sind, und Kinder mit ausgeprägten Verhaltensschwierigkeiten werden künftig also den Regelklassen zugeteilt. Dafür werden diese von einem Team aus Lehrern und Therapeuten, nicht mehr von einem Klassenlehrer unterrichtet. Nivellierung nach unten wird die Folge sein. Der dritte Pfeiler von HarmoS: Sämtliche Schulgemeinden der Schweiz müssen Tagesstrukturen für ganztägige Kinderbetreuung einrichten. Und vierter HarmoS-Pfeiler: Die Kantonsparlamente, die Stimmbürger (also auch die Eltern) werden von jeder Mitsprache zur weiteren Ausgestaltung der Volksschule ausgeschlossen.

Leere Behauptung

Die Erziehungsdirektoren mit ihrer (von keinem Parlament kontrollierten) heute vierzigköpfigen Verwaltung behaupten, mit HarmoS den sogenannten Bildungs-Rahmenartikel der Bundesverfassung umzusetzen, welchem der Schweizer Souverän 2006 zugestimmt hat. Nur: Von Schulpflicht für Vierjährige, von Hochdeutschpflicht für Vierjährige steht in diesem Bildungs-Rahmenartikel kein Wort. Ebensowenig von obligatorisch in allen Schulgemeinden anzubietenden Tagesstrukturen – ein neues Sozialwerk ohne Verfassungsgrundlage, dafür mit immensen Kostenfolgen. Und statt Entmachtung der Kantonsparlamente und der Stimmbürger fordert der Bildungs-Rahmenartikel in der Bundesverfassung sorgfältigste Berücksichtigung der Mitwirkungsrechte der Kantone mit ihren Stimmbürgern. Also das Gegenteil von dem, was die EDK-Verwaltung inszeniert.

Mehrere Referenden

In einer ganzen Anzahl Deutschweizer Kantone, in denen die Kantonsparlamente HarmoS durchgewinkt haben, regt sich jetzt Widerstand. Er geht vor allem von Müttern aus, die sich ihre Mitsprache zur Schulpflicht ihrer Kinder nicht nehmen lassen wollen. Appenzell Innerrhoden hat HarmoS an der Landsgemeinde durch ein einziges Votum einer betroffenen Mutter mit sechs Kindern verworfen. Die erste Referendums-Abstimmung findet im September im Kanton Luzern statt. Bereits wird mobilisiert. Freilich: Nirgends machen sich Politiker pro HarmoS stark. Nur die Beamten der Erziehungsdirektoren-Konferenz, allen voran deren Generalsekretär, führen – als von der EDK entlöhnte Funktionäre – das grosse Wort. Sie lassen sich vom Stimmbürger zahlen, um die Entmachtung der Stimmbürger zu erreichen. Nachdem das Volk die Initiative, welche Behördenpropaganda eindämmen wollte, nach begütigenden Zusicherungen, dass Missbräuche abgestellt worden seien, abgelehnt hat, operiert die EDK jetzt skrupelloser denn je mittels dem Steuerzahler belasteter einseitiger Propaganda. Die Verwaltung kämpft gegen die Stimmbürger. Ein Machtkampf ist im Gang.

Noch dreister operiert der Kanton Thurgau. Dieser verspricht Parteien, die HarmoS befürworten, Geld direkt aus der Staatskasse. Geld des Steuerzahlers. Mit dem Ziel, Steuerzahler und Stimmbürger zu entmachten. Völlig skrupellos.

Täuschungsmanöver

Niemand in der allmächtigen EDK-Verwaltung aber sagt dem Stimmbürger, was finanziell auf ihn zukommt. Nur zwei Kantone haben durchgerechnet, was die obligatorischen Tagesstrukturen kosten werden. Aargau rechnet mit Zusatzkosten von über hundert Millionen jährlich. Solothurn mit über vierzig Millionen jährlich. Rechnet man diese Zahlen hoch für die ganze Schweiz, dann liegt der Gesamtaufwand für Tagesstrukturen zugunsten von Erziehungsmüden bei wohl über zwei Milliarden Franken. Irgend so etwas wie eine Verfassungsgrundlage für diesen neuen, kostspieligen Sozialapparat gibt es nicht. Die EDK – Organ ohne Verfassungsgrundlage – will ihn hinter dem Rücken von Stimmbürgern schaffen – und dann einfach die Rechnung präsentieren. Die Wohlfahrtsstaats-Ideologen aus den städtisch geprägten Kantonen, die alle Macht im Staat den Funktionären zuschanzen wollen, haben sich durchgesetzt.

Überforderte Kinder

Im Kanton Luzern und im Kanton St. Gallen ist inzwischen klar geworden: Vierjährige sind dem Strassenverkehr nicht gewachsen. Schulpflicht für Vierjährige bedeutet demnach: Alle Gemeinden müssen einen Transportdienst für Schüler einrichten. Auch das kostet gesamthaft Aberdutzende von Millionen. Die EDK dekretiert etwas – der Bürger soll die Folgekosten zahlen – ohne Rechtsgrundlage.

Übrigens: Für Schüler, die für jeden Meter transportiert werden, sind schon bald staatliche «Bewegungsprogramme» nötig. Um der «Bewegungsarmut» entgegenzuwirken.

Das steht zwar nicht in HarmoS. Aber es ist Konsequenz aus HarmoS. Immer auf Kosten der Steuerzahler.

Funktionäre gegen Bürger

Ein Machtkampf tobt. Der EDK geht es – auch wenn sie das nicht offen sagt – nicht zuletzt um ein «EU-kompatibles» Volksschulwesen. Und um Zementierung des Achtundsechziger-Bildungswesens, von dem die Eltern längst genug haben – weil es mit seiner Leistungsfeindlichkeit den Zerfall des Bildungswesens eingeläutet und weit vorangetrieben hat. Weil solches vom Volk sicher nicht freiwillig unterstützt wird, will man das Volk unter allerlei Täuschungsversuchen von der Mitsprache zur Volksschule ausschliessen.

Darum geht es im Machtkampf zwischen Funktionären und Bürgern.

Ulrich Schlüer

Sonntag, 20. Juli 2008

Guantánamo - das Konzentrationslager der Faschisten

«Wir hatten keine Rechte, wir wurden nicht wie menschliche Wesen behandelt»
Ein Interview mit Sami Elhaj*, ehemaligem Häftling in Guantánamo, geführt von Professor Alfred de Zayas

Professor Alfred de Zayas: Herr Elhaj, im Mai 2008 wurden Sie nach mehr als 6 Jahren Haft aus Guantánamo entlassen. Nun sind Sie in Genf, um Vertreter der Vereinten Nationen und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz zu treffen. Im Dezember 2001 wurden Sie damals an der Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan verhaftet, obwohl Sie nichts mit Terrorismus zu tun hatten, kein «feindlicher Kombattant» waren und auch nie angeklagt wurden. Wie erklären Sie sich Ihre Verhaftung?

Sami Elhaj: Das US-Militär warf mir fälschlicherweise vor, ein Kurier für eine militante Muslimorganisation zu sein. Ich bin ein Journalist für Al-Jazira und wurde wahrscheinlich verhaftet, weil die USA gegen Al-Jazira feindlich eingestellt sind und die Medien über (Menschen-)Rechtsverletzungen in Afghanistan berichteten.

Haben Sie von den US-Behörden für die mehr als 6 Jahre dauernde willkürliche Haft Entschädigung verlangt? Artikel 9(5) des Internationalen Abkommens über Zivile und Politische Reche schreibt in Fällen von willkürlicher Verhaftung und Gefangenhaltung ein Recht auf Entschädigung vor. Haben Sie eine Sammelklage ehemaliger Guantánamo-Häftlinge gegen die USA wegen willkürlicher Haft, Misshandlung, Folter, religiöser Lästerung und Diffamierung erwogen?

Ich bin nach meiner Entlassung so schnell nach Genf gekommen, weil ich besorgt bin um die, die immer noch in Guantánamo Bay sind und meine Hilfe brauchen. Mein Ziel ist es jetzt, das Bewusstsein und das Verständnis zu stärken für die Lage der Gefangenen in Guantánamo Bay, wo ich 6 1/2 Jahre gefangengehalten wurde. Diese Männer müssen freigelassen werden; viele von ihnen können nicht in ihre Heimatländer zurückkehren und müssen von anderen Ländern Schutz bekommen.
Mir geht es auch um die Stärkung des Bewusstseins für die Tausenden von Gefangenen, die immer noch in geheimen Gefängnissen auf der ganzen Welt gefangengehalten werden, auch im Irak und in Afghanistan; geheime Gefängnisse, die im Rahmen des «Kriegs gegen den Terror» errichtet wurden. Natürlich muss man auch über das Thema der moralischen und rechtlichen Kompensation nachdenken für diejenigen, die Opfer dieser Massnahmen waren, und wie wir alle unter der Folter, dem Verlust der Menschenwürde und der Freiheit gelitten haben. Im Moment geht es mir darum, dass die Gefangenen aus diesen Orten freigelassen und ihre Menschenrechte geachtet werden.

Schreiben Sie ein Buch über Ihre Erfahrungen? – Wenn nicht, warum nicht?

Ich arbeite an vielen Projekten und hoffe, dass ich in Zukunft in der Lage sein werde, meine Erfahrungen und Gedanken in dieser Form festzuhalten.

Seit Ihrer Haft benutzen Sie einen Gehstock. Wurden Sie in Guantánamo persönlich gefoltert?

Viele, viele Dinge sind mir in den 6 1/2 Jahren seit meiner Gefangennahme zugestossen. Ich wurde auch geschlagen. Als ich wegen einer Kopfverletzung infolge von Misshandlungen medizinische Behandlung brauchte, konnte der Arzt mich nur durch die Gitterstäbe meiner Zelle hindurch behandeln. Ich wurde auf verschiedene Weise gefesselt und in schmerzhaften Positionen gehalten. Als Bestrafung steckte man mich in sehr kalte Zellen und nahm mir die Kleider weg. Wir wussten nicht, wie viele Tage, Monate, vergangen waren. Ich ging in Hungerstreik, um gegen unsere Lage zu protestieren, und die Art, wie ich behandelt wurde, war unmenschlich und qualvoll. Ich wurde zwangsernährt, bis ich krank war, sie benutzten Kanülen, die unsauber und sehr schmerzhaft waren – viele, viele solche Dinge. Wie sie die Gefangenen im Hungerstreik behandelten, war eine spezielle Art von Folter. Wir hatten keine Rechte, wir wurden nicht wie menschliche Wesen behandelt.

Was war in Guantánamo am schwersten zu ertragen?

Die Verletzung der Würde, der Verlust des Kontakts mit meiner Familie und die Unmöglichkeit, meinen Glauben zu praktizieren.

Kannten Sie die Gefangenen, die Suizid begangen haben?

Darüber kann ich viele Dinge sagen. Erstens, ich glaube nicht, dass diese Gefangenen Selbstmord begangen haben, und ich habe darüber mit Vertretern der UN-Menschenrechtskommission gesprochen. Ich habe diese Männer gekannt, und ich weiss, dass einer von ihnen sogar gerade von seinem Anwalt gute Neuigkeiten über seine Lage erhalten hatte. Im Fall von Ahmed Ali Abdullah, einem jemenitischen Bürger, hat die Alkarama-Stiftung für Menschenrechte der Familie geholfen, eine Autopsie der Leiche ihres Sohnes zu organisieren. Alkarama beauftragte ein Ärzteteam unter der Leitung des Direktors des Instituts für forensische Medizin der Universität von Lausanne. Die Autopsie fand im Militärkrankenhaus von Sanaa statt. Die Autopsie stellte einige Anomalien fest, insbesondere die Tatsache, dass die amerikanischen Behörden die Organe der oberen Luftwege, die im Fall eines Selbstmords durch Erhängen zentral sind, nicht herausgaben. Auch zwei anderen, den verdächtigen Todesfällen von Yassir az-Zahrani und Mani Shaman al-Utaybi, wurden diese Organe entfernt. Die Akten zu diesem Thema sind noch nicht geschlossen.

Haben Sie religiöse Beleidigungen oder Erniedrigungen erlitten?

Ja, oft – und ich habe vieles gesehen. Ich habe gesehen, wie mit Stiefeln auf den Heiligen Koran getreten wurde und wie Beleidigungen und obszöne Phrasen daraufgeschrieben wurden. Während der Befragungen sass der Vernehmende auf dem Heiligen Koran und sagte, er würde nicht aufstehen, bis seine Fragen beantwortet wären. Sie zeichneten beleidigende Bilder des Propheten Mohammed. Sie schnitten unsere Bärte ab und nahmen uns als Bestrafung die Kleider weg. Sie gaben vor, mit Allah am Telefon zu sprechen, und machten sich über ihn lustig. Sie zwangen uns, obszöne und gewalttätige Filme anzusehen, und zwangen uns, zu beschreiben, was wir gesehen haben. Viele, viele Dinge sind in den Jahren geschehen, und das ist ein sehr schmerzliches Thema. Man hat mich sogar rassistisch beleidigt – eine Sache, die ich in diesem Jahrhundert nicht für möglich gehalten hätte.

Herr Elhaj, vielen Dank für dieses Interview. Ich wünsche Ihnen Erfolg bei Ihrem Bemühen um die Befreiung der anderen unschuldigen Häftlinge in Guantánamo und anderswo auf der Welt. •

*Sami Elhaj, 38, arbeitet jetzt als Produzent für den in Qatar ansässigen Sender Al-Jazira. Er ist der einzige Journalist einer grösseren internationalen Medienorganisation, der in Guantánamo gefangengehalten worden ist.

Donnerstag, 10. Juli 2008

Psychoterror gegen angebliche "Terroristen"

Terrorliste
Die Schweiz auf der Anklagebank

Text: Peter Johannes Meier
Bild: Emanuele Gagliardi

Der angebliche Terrorhelfer Youssef Nada klagt am Europäischen Gerichtshof gegen die Schweiz: Obwohl Beweise gegen ihn fehlen, lebt er seit sieben Jahren im Tessin unter Hausarrest.
Reiseverbot: der Ex-Bankier Youssef Nada in seinem «Gefängnis» im Tessin
Seinen Lebensabend hatte sich der 77-jährige Ex-Bankier Youssef Nada anders vorgestellt. Statt seine über die ganze Welt verteilt lebenden Kinder zu besuchen, kämpft er aus seiner Villa in Campione für seine Rehabilitierung. Die 1,6 Quadratkilometer kleine italienische Enklave im Tessin darf er seit fast sieben Jahren nicht verlassen, seine Konten sind gesperrt, seine Bank ist ruiniert. Grund: Nadas Name steht auf der Terrorliste der Vereinten Nationen, die weltweit rund 500 Personen und Organisationen umfasst.

US-Präsident George W. Bush persönlich nannte den italienisch-ägyptischen Geschäftsmann und Anhänger der Muslimbruderschaft einen Geldwäscher und Financier des Al-Kaida-Netzwerks. Der auf Erkenntnissen von Geheimdiensten beruhende Vorwurf konnte allerdings nicht erhärtet werden, trotz jahrelangen Untersuchungen der Bundesanwaltschaft und der italienischen Justiz. Dennoch weigert sich der Uno-Sicherheitsrat, Nada von der Liste zu streichen. Sein Gesuch ist Anfang Jahr ohne Begründung abgelehnt worden.

Jetzt hat Nada am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg gegen die Schweiz Klage eingereicht. Ausgerechnet die Schweiz, die sich selber gegen die Handhabung der Terrorliste wehrt, muss jetzt die mit ihr verbundenen Sanktionen vor Gericht verteidigen. «Es blieb mir nichts anderes übrig. Mit Diplomatie hat die Schweiz ja kaum etwas erreicht», sagt Nada. Tatsächlich forderten die Schweiz und weitere Staaten Ende Mai den Sicherheitsrat auf, ein Gremium aus unabhängigen Experten zusammenzustellen, das Fälle wie jenen von Nada überprüft. Vergangene Woche hat die Uno nun eine neue Resolution zur Handhabung der Terrorliste erlassen - das Anliegen der Schweiz wird darin nicht berücksichtigt.

Unterstützung von Dick Marty
«Campione ist zu meinem Gefängnis geworden», bedauert Nada. Der Tessiner Ständerat Dick Marty (FDP) nennt das Vorgehen der Uno einen «Skandal», der die Glaubwürdigkeit der Organisation beschädige. Diplomatische Bemühungen reichen seiner Meinung nach nicht aus. «Ein Krebsgeschwür sollte man nicht homöopathisch behandeln. Es braucht einen chirurgischen Eingriff.» Marty fordert deshalb die Schweiz und andere Staaten auf, Uno-Sanktionen nicht mehr umzusetzen, wenn sich Vorwürfe in rechtsstaatlichen Verfahren nicht erhärten lassen.

Hollywood - die Manipulation der Wirklichkeit

Das Weisse Haus sieht schwarz

Von Wolfram Knorr

Die Traumfabrik Hollywood ist in der Manipulation der Wirklichkeit erstaunlich erfolgreich. Das jüngste Beispiel ist die breite Akzeptanz von Barack Obama.

Hollywood wollte schon immer mit der Möchtegern-Wirklichkeit in die Echt-Wirklichkeit eingreifen. Dabei ist die Traumfabrik bei ihrem beharrlichen Rumfingern am Realen erstaunlich erfolgreich. «Ich dacht’, ich bin in einem Film», gehört schon lange zu den stehenden Redewendungen; auch der Begriff vom «Lebensfilm» ist fast normal, und Foltervorwürfe kontert die CIA schon mal mit dem Kino als Inspirationsquelle.

Angesichts einer solchen Entwicklung lässt sich auch «beweisen», dass in der besten aller Demokratien, in der alle Menschen gleich sind und jeder, auch ein Schwarzer, Präsident werden kann, auf der Leinwand schwarze Präsidenten präsent sind. Man muss nur diese Möchtegern-Wirklichkeit zur Wiedererkennungs-Wirklichkeit machen, und am Ende wird Echt-Wirklichkeit daraus.

Genau das ist fast geglückt! Für den Afroamerikaner Barack Obama ist das höchste Amt in greifbare Nähe gerückt. Selbst die andere, nicht weniger kühne Showbiz-Fiktion - eine Frau als Präsidentin - perforierte mit Hillary Clinton ziemlich vehement die Wirklichkeit. War Aussenministerin Condoleezza Rice nicht ein erster und dazu idealer Schritt? Schwarz und Frau! In allen anderen Kulturen, vor allem der europäischen, liegen zwischen Fiktion und Realität Welten, die respektiert werden. Für Amerika gilt dieser Respekt nicht. Das hat Gründe.

Walt Whitman, Amerikas erster grosser Dichter, hielt seine Gesänge für religiöse Handreichungen, wie der Amerikaner zu denken und zu handeln habe. «Ich hörte, Ihr wollt die Neue Welt erklärt haben, Amerika und seine athletische Demokratie», fragte er und gab sich die Antwort: Seht in meine Gedichte, damit ihr wisst, wonach ihr verlangt. Und Whitman wollte, dass nicht nur nach Freiheit, Freude, Frömmigkeit, Fanatismus und Kraft verlangt wurde, sondern auch nach einer neuen ureigenen Kunst. Und die sah er aus seiner Lyrik hervorgehen. Doch er sollte sich irren. Die neue Kunst voll kraftvoller Träume und Wünsche wurde das mächtige Medium Kino, diese gigantische Illusionskathedrale, in der sichtbar zelebriert wird, was in den Seelen-Katakomben der «athletischen» Nation rumorte.

Ein Dutzend Sahnetorten ins Gesicht

Walt Whitman wollte die Aufgipfelung, das Sensationelle, aber erst das Kino löste es ein. Das täuschend echte Abbild der Wirklichkeit reizte, das täuschend echte Abbild zu toppen. Eine Sahnetorte ins Gesicht? Warum nicht gleich mehrere Dutzend? Ein Bulle hetzt den Tramp? Warum nicht gleich eine ganze Kompanie von Polypen? Eine Lady aalt sich auf dem Diwan, und ihr Lover muss brav auf dem Stuhl ausharren? Warum die prickelnde Szene nicht überdimensional auswuchten? Mit Grossaufnahmen auf die Pfefferschoten-Lippen, die, leicht geöffnet, feucht glänzen, während der Mann rasch sein Feuerzeug zündet und seine Augen durch eine unscharf flackernde Flamme wie glühende Klingen das Objekt der Begierde festnageln.

Von solch verführerischen Möglichkeiten der Verzauberung war es kein allzu grosser Schritt, mit dem Kino auch anderes aus dem Realen zurechtbiegen zu wollen. Zum Beispiel Moden, Posen, Verhalten, soziale Regularien. Ganze Generationen übernahmen typische Haltungen von Humphrey Bogart, James Dean, Marlon Brando, Marlene Dietrich, Greta Garbo, Elizabeth Taylor und anderen. Und weit vor dem Emanzen-Hype «Sex and the City» drehte George Cukor einen Frauenfilm, der die TV-Serie ziemlich spiessig aussehen lässt: «The Women» (1939). Mondäne Luder intrigieren gnadenlos, beim Coiffeur, in Modehäusern, Restaurants und auf Rennplätzen. Alles dreht sich um die Männer, aber es kommt kein einziger vor. «Women» blieb nicht folgenlos, beeinflusste das Frauen-Selbstbild und erleichterte ihren Weg zur Dominanz.

Eine neue Herausforderung war, die Schwarzen aus ihrem «Onkel Tom»-Rollenkorsett zu befreien. Allerdings waren die Motive zunächst weder von Provokationslust noch von Nächstenliebe geprägt. Es war die verdammte Konkurrenz Fernsehen, die das Leitmedium nervös zu machen begann. Mitte der fünfziger Jahre hatten einige Networks mit Hitparaden bei der Jugend Erfolg. Im Gegensatz zum Radio waren auf einmal Schwarze neben Weissen zu sehen! Und ziemlich nahe beieinander! Die weissen Mittelschicht-Bubis fanden das «reizvoll», aufregend. Die blosse Wahrnehmung reichte, aber die frass sich in die Wirklichkeit.

1958 startete Hollywood einen ersten Versuch mit «Flucht in Ketten» («The Defiant Ones»), der rassistischen Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten. Tony Curtis und Sidney Poitier, der erste afroamerikanische Star, aneinandergefesselt, fliehen aus dem Zuchthaus und bleiben draussen die Gefangenen ihrer verbohrten Vorurteile. Curtis war nicht die erste Wahl. Robert Mitchum lehnte ab, weil er nicht mit einem Schwarzen spielen wollte, und anderen wie Kirk Douglas und Marlon Brando war die Thematik zu heiss. Das Fernsehen konterte einige Jahre später mit einer gewagten gemischtrassigen Buddy-Serie. «Tennisschläger und Kanonen» («I Spy») mit Robert Culp und Bill Cosby führte in der Produktion zu wilden Diskussionen, ob beide nebeneinander in einem Auto sitzen dürfen (1965!). Um Rassenkonflikte im eigenen Land auszuklammern, wurde die Handlung häufig ins Ausland verlegt, nur die deutsche Kalauer-Synchronisation war noch völlig hemmungslos («Na, was sagt denn unser Mohrchen?»). Aber siehe da, Cosby wurde ein US-Publikumsliebling. 1967 machte Hollywood einen noch mutigeren Schritt und setzte den Stein des Anstosses ins Sanktuarium Amerikas: in die Familie. «Rat mal, wer zum Essen kommt» («Guess Who’s Coming to Dinner») war, mit Spencer Tracy, Katharine Hepburn und Sidney Poitier prima besetzt, nur halb gewagt, aber trotzdem fast gewonnen. Die Tochter wohlhabender Suburbans bringt ihren Freund mit nach Hause und der ist - Überraschung - schwarz. Die Eltern gucken erst kariert, springen aber auf moralisch einwandfreie Geleise, denn Poitier ist ein brillanter Arzt, der Vater (Tracy) liberaler Verleger, die Mutter (Hepburn) Galeristin. Pure Wohlfühldramaturgie, aber gleichwohl bewies der Film die Macht der laufenden Bilder: Mischehen waren nicht mehr tabu und sogar ein bisschen chic.

Ein Schwarzer wird Gott

«Waren Homer, Dante, Rembrandt», heisst es in Theodore Roszaks «Schattenlichter», «jemals tiefer in die schattigen Schluchten des Bewusstseins vorgedrungen als diese Zelluloidheroen?» Alle Idole, von Marlon Brando über James Dean bis Sidney Poitier, Eddie Murphy und Samuel L. Jackson, die die Säulen und Werte der Gesellschaft verspotteten, tragen mehr dazu bei, sie ins Wanken zu bringen, als tausend politische Manifeste. In rascher Folge geriet der Schwarze immer häufiger ins Bild und ist heute als Vorgesetzter, Partner, Freund und Nachbar, egal in welchem Filmgenre, nicht mehr wegzudenken. Morgan Freeman gelang ein wahres Pfingstwunder, eine Karriere in noch höheren Sphären. Vom Chauffeur aus «Miss Daisy und ihr Chauffeur» («Driving Miss Daisy», 1989) zum US-Präsidenten im Katastrophenfilm «Deep Impact» (1998) - und in «Bruce Allmächtig» («Bruce Almighty», 2003) gleich zu Gott persönlich! Höher geht’s auch für einen Weissen nicht.

Natürlich mischt längst auch das Fernsehen kräftig mit und platzierte in seinen Serien schon eine Frau und einen Afroamerikaner im Weisse Haus. In «Prison Break» ist es eine ränkeschmiedende Präsidentin, die aus dem Hintergrund die Fäden zieht, und in «Welcome, Mrs President» («Commander in Chief») wird der Alptraum aller Machos wahr. Assoziationen mit Hillary Clinton sind beabsichtigt.

Im Echtzeit-Reisser «24» wurde Dennis Haysbert in der Rolle des schwarzen Präsidenten berühmt. Zuvor glänzte er als Charaktermime in Retrofilmen wie «Liebe ohne Grenzen» («Love Field», 1992) und «Dem Himmel so fern» («Far from Heaven», 2002). Mal spielte er, in der Kennedy-Ära angesiedelt, einen «Boy» und mal, in den Fünfzigern, einen Gärtner. Seit «24» ist Haysberts Image der knallharte Boss («The Unit - Eine Frage der Ehre»). Immer hart, aber fair, ein idealer Quasipräsident. Das Glaubenssakrament amerikanischen Entertainments kann offenbar Berge versetzen. In der Komödie «Head of State» (2003) wird der schwarze Komiker Chris Rock mehr aus Versehen Präsident der Vereinigten Staaten und sorgt für Chaos. Es kommt nicht oft vor, dass deutsche Titel besser als die Originale sind; aber hier erwies er sich sogar als prophetisch: «Das Weisse Haus sieht schwarz».