Dienstag, 11. Dezember 2007

Ignoranz der Macht

Parlament beklagt Respektlosigkeit

BASEL. GROSSRÄTE VON LINKS BIS RECHTS KRITISIEREN, DIE REGIERUNG NEHME SIE ZU WENIG ERNST

Viele Geschäfte müssten unter grossem Zeitdruck behandelt werden, Vorstösse würden zu spät beantwortet, und oft seien Regierungsräte gar nicht da: Solche Vorwürfe muss sich nach der Baselbieter auch die Basler Regierung gefallen lassen.

Zoom Ärger. Dass viele Regierungsbänke bei den Sitzungen leer sind, sorgt im Grossen Rat für Unmut. Foto Roland Schmid

Peter Wittwer

Nicht nur im Landrat, auch im Basler Grossen Rat hat sich über alle Fraktionsgrenzen hinweg viel Unmut zum Umgang der Regierung mit den Volksvertretern angestaut (vgl. baz von gestern). Am unverblümtesten äussert LDP-Grossrat Andreas Burckhardt Kritik am, wie er sagt, getrübten Verhältnis zwischen Regierung und Parlament. «In Basel haben wir noch schlimmere Zustände als im Baselbiet. Ich habe zunehmend den Eindruck, die Regierung nimmt uns nicht ernst und behandelt das Parlament als notwendiges Übel.»

Geringschätzung. Indizien dafür sind für ihn die dürftige Präsenz der Regierungsmitglieder an den Ratsdebatten und die Missachtung von Terminen, die in der Geschäftsordnung festgeschrieben sind. Burckhardt gibt sich allerdings auch selbstkritisch. Die Abwertung des Parlamentes habe auch damit zu tun, dass zu viele Vorstösse lanciert werden und der Betrieb durch die Überweisung fast aller Geschäfte an Kommissionen schwerfälliger geworden ist.

Ein zunehmendes Schwinden des Respekts gegenüber dem Parlament konstatiert auch der designierte Grossratspräsident Roland Stark. Anzüge würden nicht rechtzeitig beantwortet, Aufträge verschlampt und Grossratsentscheide gar nicht erst abgewartet, moniert der altgediente SP-Grossrat.
Den zunehmenden Zeitdruck, unter dem der Grosse Rat Geschäfte durchpeitschen muss, beklagt auch Michael Wüthrich von den Grünen. «Immer wieder bleiben Ratschläge ewig lang in der Regierung, und dann wird von uns erwartet, dass wir den Rückstand wieder aufholen», kritisiert der Präsident der Umwelt- und Verkehrskommission.

Bremsklotz. Das sei umso stossender, als wiederholt erst in der Kommissionsberatung bemerkt wurde, dass zu einer Bauvorlage noch ein Vorstoss aus dem Parlament hängig ist, der nicht im Ratschlag erwähnt wird. «Hier müssen wir ein waches Auge haben, auch wenn wir uns leicht dem Vorwurf aussetzen, bei mehr als einer oberflächlichen Prüfung als Bremsklotz zu wirken.»

SVP-Vizepräsident Sebastian Frehner wittert hinter dem Zeitdruck, unter dem das Parlament zunehmend arbeiten muss, eine bewusste Strategie der Regierung. «Bei heiklen Geschäften kommt die Regierung absichtlich im letzten Moment. Wer sich gegen die vorgespurte Marschrichtung sperrt, setzt sich dem Vorwurf aus, nicht lösungsorientiert zu arbeiten.» Ein Musterbeispiel für Frehner ist das Vorgehen von Finanzdirektorin Eva Herzog beim Steuerpaket, das morgen in den Grossen Rat kommt. Andere Parlamentarierer kritisieren den enormen Zeitdruck beim neuen Veloparking beim Bahnhof St. Johann oder das Vorpreschen bei der noch hängigen ÖKK-Vorlage.
Das finanzpolitische Taktieren der Regierung kommt nicht nur bei der SVP weniger gut an. Sowohl Andreas Burckhardt als auch CVP-Präsident Markus Lehmann sind überzeugt, dass der nun aufgebaute Termindruck beim Steuerpaket wahltaktische Gründe hat. In einem Hauruck-Verfahren wolle die Regierung kurz vor der eidgenössischen Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform ihr kantonales Paket unter Dach und Fach bringen. Dieses Vorgehen sei unanständig und undemokratisch, hat Burckhardt schon früher kritisiert.


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