Montag, 17. Dezember 2007

Staatspropaganda

Staatspropaganda – Gefahren für die direkte Demokratie der Schweiz

ev. Der Beitrag von Tobias Salander über die Studie von Jörg Becker und Mira Beham (vgl. Seite 5) macht deutlich, welchen Einfluss PR-Agenturen und PR-gelenkte Medien heute nehmen können: Mit Mitteln der Propaganda, der Desinformation und Manipulation, durch die Besetzung der Sprache u.a. werden nicht nur Regierungen gestürzt oder gewechselt, sondern ganze Länder destabilisiert und Kriege herbeigeführt. Regierungen lassen sich beraten, wie sie ihr «Image» verbessern können, wie sie der Bevölkerung unpopuläre Massnahmen als etwas Gutes oder Notwendiges «verkaufen können» oder wie man die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung zu lenken vermag.
Zugleich ist damit aber eine Grundvoraussetzung der Demokratie in Frage gestellt: Welche Legitimation hat eine Regierung, die ihren Mitbürgern nicht wahrhaftige und ehrliche Information über ihre Tätigkeit vorlegen kann oder will und sich statt dessen für ihre «Kommunikation» mit der Bevölkerung durch PR-Büros, Kommunikationstechniker und Medienspezialisten ersetzen lässt?
Auch in der Schweiz haben sich in den letzten Jahren die Beispiele gehäuft, in denen die Landesregierung sich solcher PR-Methoden bediente, um den Ausgang von wichtigen Volksabstimmungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sie hat sich dabei immer wieder auf ihre Informationspflicht berufen – eine Aufgabe, die ihr grundsätzlich zweifellos zukommt und die sie auch schon immer wahrgenommen hat. Dazu bedarf sie aber keiner PR-Agenturen, dazu braucht sie nicht 500 bis 800 «Kommunikationsbeauftragte». Von einem Bundesrat, dem die Mitarbeiter eines ganzen Bundesamtes zuarbeiten, kann und darf man erwarten, dass er seine Geschäfte so weit kennt, dass er sie der Bevölkerung in sachlich nachvollziehbarer Form auch selber erläutern kann.
Gegen eine ehrliche Informationspolitik, die alle Seiten eines Problems beleuchtet, die negative Punkte nicht einfach verschweigt oder leugnet, bei der es also um eine «umfassende Auslegeordnung der Sachverhalte […], einschliesslich der Darlegung verschiedener Alternativen und deren Bewertung nach pro und contra geht» (Franz Muheim) wird niemand etwas einzuwenden haben. Problematisch und undemokratisch wird es dort, wo Methoden der Propaganda, der Manipulation oder Indoktrination zur Anwendung kommen und nicht mehr offen und ehrlich kommuniziert wird: Wo aber der Bundesrat Vertreter einer anderen Meinung verächtlich macht, indem er sie als «Betoneure» (alt BR Deiss) oder als Lügner bezeichnet (BR Schmid über die Gegner der Armee XXI, die vor der Gefahr einer Annäherung an die Nato warnten), hat er die Grenze zwischen Information und Indoktrination weit überschritten.
Dazu gehört auch das Vermeiden einer inhaltlichen Diskussion, an deren Stelle «Kernbotschaften» kommuniziert werden, um eine «Aufbruchstimmung» zu erzeugen, wie im Vorfeld zur Abstimmung über die neue Bundesverfassung geschehen (nachzulesen im Bericht der Konferenz der Informationsdienste). Das einseitige Hervorheben eines Teiles einer Vorlage unter völliger Weglassung anderer, für die direkte Demokratie wesentlicher Aspekte – so geschehen im Falle der Abstimmung zum Bildungsartikel oder zum neuen Finanzausgleich –, all das sind Vorgänge, die einer Demokratie unwürdig sind.
Bundesräte, die tatsächlich dem Volke dienen, die sich «in erster Linie als Teil jenes ‹Service public› fühlen, der sich als ‹Service au public›» (Hans Letsch) versteht, werden keine Schwierigkeiten haben, sich verständlich zu machen. Wer keine Hidden agenda verfolgt, braucht den unverstellten, offenen Dialog mit dem Volk nicht zu scheuen.
Um die Diskussion über diese Problematik in Gang zu bringen, hat der Verein «Bürger für Bürger» die Initiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» lanciert. Sie hat bereits einiges Nachdenken in Gang gesetzt. Die nationalrätliche und die ständerätliche Debatte dazu zeigen, dass verschiedene Parlamentarier sich mit der Frage auseinandergesetzt haben. Dies zeigt auch die Diskussion um die Initiative Burkhalter, die den Bundesrat darauf verpflichten will, die Mehrheit des Parlamentes zu vertreten. Damit soll das Parlament mehr Gewicht erhalten und dem Einfluss grosser privater Geldgeber entgegengewirkt werden. Ob das verfassungsrechtlich zulässig ist, ist die eine Frage.
Vor dem Hintergrund aktueller Abläufe, etwa der Frage der CIA-Überflüge oder angesichts der bundesanwaltschaftlichen Zusammenarbeit mit Guantánamo und deren Behandlung, müssten allerdings weitere Fragen geklärt werden. Ohne Klärung der Interessenbindungen bleibt auch das Vertrauen in die Parlamentarier auf wackligem Boden. Solange der Bundesrat seine Abstimmungskampagnen mit dem grössten Schweizer Wirtschaftsverband und dessen Millionengeldern koordiniert und darüber hinaus Millionenbeträge an Steuergeldern für PR-Büros ausgibt, bleibt auch das Argument des Schutzes gegen private Gelder – die zweifellos Einfluss nehmen – mehr als fraglich.
Die sogenannte Politikverdrossenheit würde – nicht nur in der Schweiz – ein schnelles Ende nehmen, wenn eine PR-befreite, ehrliche und echte Kommunikation zwischen Behördenvertretern und Souverän zum Tragen käme. Tatsächlich stellt das Phänomen, dass Wirtschaftskartelle Milliardenbeträge in PR-Firmen und Medienanstalten investieren, um ganze Länder zu beeinflussen, ein gewaltiges Problem für die Demokratie in allen Ländern dar. Das bedarf einer offenen und breiten Diskussion: Wenn die Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» eine solche in Gang zu setzen vermag, ist das allein schon ein grosses Verdienst der Initianten. •

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