Montag, 31. Mai 2010

Die "Landnahme" der Israeliten

Das »Gelobte Land« – Hat Israel ein Recht auf Palästina?

Michael Grandt

Die Israeliten, das »Auserwählte Volk«, nahm einst das Land Kanaan, das heutige Palästina, mit der Begründung in Besitz, es sei das »Gelobte Land«. Diese gewaltsame Invasion hat Auswirkungen bis heute.

Die jüngsten schrecklichen Angriffe der israelischen Luftwaffe auf Zivilisten im Gaza-Steifen offenbaren die Vehemenz, mit der um das »Heilige Land« gekämpft wird. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass man nicht blutige Bilder aus Palästina sieht. Israelis fühlen sich als Opfer von Terroranschlägen – ungeachtet dessen, dass die Hamas ein Produkt ihrer Okkupation ist – und die Palästinenser fühlen sich als Freiwild einer Besatzungsmacht. Der Konflikt dauert schon viele tausend Jahre an. Wie aber wurde aus Palästina das »jüdische« Israel?

Das »Gelobte Land«
Nach der Genesis gab Gott an Abraham (dem ersten jüdischen Erzvater) den Befehl: „Gehe aus deinem Vaterlande und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.« (Gen. 12,1)

Abrahams Gehorsam gegenüber diesem Befehl war der Beginn eines historischen Prozesses, dessen Kulminationspunkt noch immer aussteht und dessen Auswirkungen wir im aktuellen Überfall der Israelis auf die Palästinenser im Gaza-Gebiet sehen.

Der Auszug der Israeliten in das »Gelobte Land« Kanaans (Palästina) stellte eine Wende in der Geschichte der Menschheit dar.

Moses ist die bedeutendste Persönlichkeit in der jüdischen Tradition und nimmt als Prophet den ersten Rang ein. Er war Gesetzgeber und Richter, Feldherr, Staatsmann, hatte seinem Schöpfer unmittelbar erblickt und das Gesetz (die Zehn Gebote) für sein Volk und die gesamte Menschheit empfangen. Die drei wichtigsten jüdischen Patriarchen sind Abraham, Isaak und Jakob. Sie sind Träger einer doppelten göttlichen Verheißung, nämlich der Vervielfältigung ihrer Nachkommenschaft, die das Volk »Israel«, das »Auserwählte Volk« bilden sollte und die dauerhafte Inbesitznahme des »Gelobten Landes«. Damit begann der bis heute andauernde Konflikt.

Kanaan = Palästina
Gaza bildete den Mittelpunkt Kanaans, umfasste das westliche Palästina, erstreckte sich nordwärts bis Tyrus (später sogar bis Byblos) und schloss Transjordanien und das Golangebiet im Norden ein, also das heutige Staatsgebiet Israels, die Palästinensergebiete und Teile von Jordanien.

Vor der gewaltsamen Invasion der israelitischen Stämme kennzeichnete eine buntgemischte Bevölkerungsstruktur das Land Kanaan: Amalekiter, Hethiter, Jebsuiter, Amoriter und Kanaanäer lebten in Koexistenz. Zudem hatte das Land eine der größten Kulturleistungen der Menschheit hervorgebracht: die Erfindung des Alphabets.

Friedliche »Infiltration« oder gewaltsame Invasion?
Die gewaltsame Okkupation Palästinas durch die Israeliten spaltet die Forscher bis heute. »Israelfreundliche« Wissenschaftler gehen davon aus, dass nomadische und halbnomadische Stämme von Osten her immer weiter in die fruchtbaren Ackergebiete Kanaans vorgedrungen waren mit der Absicht, sich dort niederzulassen. Die Konstitution der Israeliten in Kanaan wäre also eine »langsame Sesshaftwerdung«, eine »friedliche Infiltration« gewesen, von einer gewaltsamen Invasion könne deshalb keine Rede sein.

Andere Forscher widersprechen dieser These vehement. Sie stellen den biblischen Texten archäologischen Funde gegenüber und kommen zu einer anderen Bewertung der »Landnahme«. In ganz Palästina sind inzwischen viele Städte ausgegraben worden, die von Israeliten zerstört worden waren (was freilich von vielen Gelehrten bis heute bestritten wird).

Aus den zeltbewohnenden Halbnomaden, die als Halbsklaven des Pharao lebten, wurden nach ihrem Auszug aus Ägypten (Exodus) also kriegerische Invasoren, die über Kanaan herfielen. Vorausgegangen war wohl eine religiöse Metamorphose (wie sie durch die Offenbarung am Berge Sinai symbolisiert wird), die den Übergang bloßer Stammesgruppierungen in eine »Volkwerdung« (Nationalstaatlichkeit) widerspiegelte.

Freilich schildert die Bibel dies in anderen Worten, aber die »Befreiung aus der (äqyptischen) Knechtschaft« und die »Wanderung« durch die Sinai-Halbinsel in das »Land der Verheißung« wurde zum Eckpfeiler des israelitischen Glaubens.

Die Bibel berichtet über die Invasion Palästinas als vergleichsweise kurze militärische Operation, an der alle zwölf israelitischen Stämme teilnahmen, zunächst unter der Führung von Moses, später dann unter Josua. Heutige Forscher weisen jedoch auf verschiedene Phasen langwieriger militärischer Unternehmungen und komplizierter historischer Prozesse hin und streiten die gewaltsame Besetzung Kanaans und die Zerstörung kanaanäischer Städte durch die Israeliten keinesfalls ab. Der Tendenz der Bibel, Moses und Josua zum Eroberer fast ganz Kanaans zu machen, wird jedoch widersprochen. Dies sei in Wirklichkeit das Werk verschiedener Personen und Stammesgruppen in mehreren Eroberungszügen gewesen.

Die sogenannten »Lea«-Stämme, die von Juda angeführt wurden, die »Rahel«-Stämme unter der Führung des »Hauses Josef«, die »Gad-«, »Ascher-«, »Dan-« und »Naftali«-Stämme, die den Mädgden oder Nebenfrauen zugeordnet waren, fielen in Kanaan ein. Dabei spielten zwei militärische Konfrontationen eine wichtige Rolle – die eine in Obergaliläa und die andere im Süden bei Gibeon. Der nächste Schritt war dann die Zerstörung der Stadt Hazor, des Zentrums der kanaanäischen Macht im Norden.

Viele kanaanäische Städte wurden von den Invasoren zerstört, auf ihren Ruinen entstanden neue israelitische Siedlungen. So wurde beispielsweise Kirjat-Arba zu Hebron. Neuere Ausgrabungen bezeugen, dass dann eine intensive israelitische Kolonisierung einsetzte.

Raub, Kriegslist und Täuschungen
Aber wie gelang es den halbnomadischen israelitischen Stämme die überlegenen kanaanäischen Gegner zu überwinden?

Nach Ansicht der Forscher gibt es dafür verschiedene Gründe:

a) Die von religiösem und nationalem Eifer erfüllten Invasoren stießen auf eine zersplitterte kanaanäische Bevölkerung, die nicht in der Lage war, gegen die Eindringlinge geschlossen Front zu machen.

b) Die Israeliten nutzen die Gegensätze zwischen den verschiedenen ethnischen und nationalen Elementen Kanaans geschickt aus, etwa durch Bündnisse und Separatfrieden.

c) Die spezifische israelitische Methoden der Kriegsführung waren dem der Gegner überlegen: Etwa ein hervorragender Nachrichtendienst zur Ausspionierung militärischer, wirtschaftlicher und demografischer Informationen.

d) Durch Raub von Vieh- und Feldfrüchten für die eigenen Truppen wurde dem Feind die Nahrung entzogen.

e) Die Israeliten vermieden Frontalangriffe, verließen sich auf Kriegslisten, Täuschungsmanöver und Ablenkungsversuche.

f) Sie nutzten topografische Gegebenheiten aus: In der Schlacht Deboras und Baraks gegen Sisra, der angeblich 900 eiserne Streitwagen besaß, verzögerten die Israeliten den Angriff bis zur Regenzeit, die die Jesreelebene in unwegsamen Sumpf verwandelte und dadurch die Wagen der Kanaanäer manövrierunfähig machte.

Trotz der militärischen Vorteile gelang es den israelitischen Stämmen zunächst nicht, sich in ganz Palästina auszubreiten. Ihre Ansiedlungen konzentrierten sich auf das Bergland, das durch massive Waldrodungen urbar gemacht wurde. Erst später, als die Bevölkerungszunahme so groß war, dass der Platz im Bergland immer kleiner wurde, dehnten sich die Stämme auch in den Ebenen aus. Als wichtigstes Aufnahmebecken fungierte dafür das Transjordanland.

»Landnahme« statt Besetzung
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass vor allem jüdische Wissenschaftler und Forscher bei der gewaltsamen Okkupation Palästinas durch die Israeliten von »der Landnahme« sprechen und nicht etwa von einer Invasion und Besetzung.

Nach den geschilderten Ereignissen dürfte zumindest klar sein, dass es ein »angestammtes« oder gar historisches Recht der Israelis auf das »Gelobte Land«, sprich Palästina nicht gibt. Dieses liegt lediglich in der biblischen Genesis begründet und ist seither Legitimation zu Besatzung, Folter und Mord.

Donnerstag, 27. Mai 2010

Die Tricks der Psychiater

Unglaublich: Unabhängige Denker gelten der Psychiatrie jetzt als krank

Ethan A. Huff

Seit geraumer Zeit arbeiten Psychiater an der vierten überarbeiteten Ausgabe des »Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders« (DSM, »Diagnostisches und Statistisches Handbuch psychischer Störungen«), in die sie eine ganze Reihe neuer psychischer Störungen aufzunehmen hoffen. Leider handelt es sich bei vielen dieser Störungen jedoch nur um Persönlichkeiten oder Verhaltensformen, die von der Norm abweichen.

Möglicherweise werden in diese neue Ausgabe »Störungen« wie »Oppositional Defiant Disorder« (Aufsässigkeits-Trotz-Störung) aufgenommen, die bei Menschen festgestellt werden, die »Autoritätsfiguren gegenüber ein negativistisches, trotziges, ungehorsames und feindliches Verhalten« an den Tag legen. Zu den »Symptomen« dieser Störung zählt, dass der Betreffende leicht in Wut gerät, andere belästigt und »reizbar« ist.

Auch Persönlichkeitsauffälligkeiten wie antisoziales Verhalten, Arroganz, Zynismus oder Narzissmus sollen als »Störungen« gelten. Es gibt sogar Kategorien für Menschen mit häufigen Essattacken und für Kinder, die zu Wutanfällen neigen.

Schon jetzt wird bei Kindern viel zu häufig die Diagnose »bipolar« oder Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADS) gestellt, und daraufhin werden gefährliche Neuroleptika verschrieben. Werden noch mehr normale Kindheits-Verhaltensmuster als psychiatrische Störungen kategorisiert, werden nur noch mehr Kindern unnötig solche Medikamente verordnet.

Bei jeder neuen Ausgabe des DSM hat es umstrittene neue Einträge gegeben, die jüngste macht in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Tatsächlich hat der Umfang des Handbuchs im Laufe der Jahre erheblich zugenommen. Die schöne neue Art und Weise, wie die sogenannten medizinischen Fachleute bestimmte individuelle Charakteristika betrachten, ist das Beunruhigendste an der neuesten Ausgabe.

Kinder, die im Verein mit ihrer unverwechselbarer Persönlichkeit eine besondere Verhaltens-Exzentrizität an den Tag legen, würden jetzt allgemein als an einer Geisteskrankheit leidend eingestuft. Hätte es in der Vergangenheit dieses Kriterium zur Diagnose einer Krankheit schon gegeben, dann hätte es Menschen wie Mozart oder Einstein, die sich über die Norm hinwegsetzten und neue und einmalige Ideen hervorbrachten, vielleicht nie gegeben.

Ein Artikel in der Washington Post bringt das Wesentliche dieser Vorstellung in folgendem Zitat auf den Punkt:

»Würde der siebenjährige Mozart heute versuchen, seine Konzerte zu komponieren, würde man bei ihm vielleicht eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivität-Störung diagnostizieren und ihn durch Medikamente in eine fruchtlose Normalität zurückführen.«

Die Vorstellung, charakterliche Unterschiede von der Norm stellten eine Art psychiatrischer Erkrankung dar, nimmt Individuen nicht nur die Verantwortung für sich selbst, sie beraubt sie ihrer unverwechselbaren Persönlichkeit. Sie reduziert Menschen zu Subjekten, die nicht selbst denken können, sondern durch Medikamente unter Kontrolle gebracht werden müssen.

Womit wir bei der vielleicht größten treibenden Kraft hinter den Neuformulierungen des DSM gelandet wären: die Arzneimittelhersteller. Die Pharmaunternehmen werden sehr viel verdienen, wenn praktisch jeder Mensch als geisteskrank und medikamentös behandlungsbedürftig eingestuft wird.

Vielleicht wäre es in dieser Lage eher geraten, die Psychiater und die Götter der Medikamente, die solchen Unsinn verbreiten, als wirklich an einer psychiatrischen Erkrankung leidend zu betrachten. Vielleicht sind sie es, die einer stationären Behandlung bedürfen.

Dienstag, 25. Mai 2010

Die SP und ihre Ziele

Verrat an sozialen und demokratischen Grundlagen!

Parteiprogramm und «Europapolitische Agenda» der SP Schweiz sind Verrat am Volk
von Dr. iur. Marianne Wüthrich

Die Geschäftsleitung der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz hat am 26. März 2010 dem Entwurf zu einem neuen Parteiprogramm zugestimmt, über den der Parteitag am 30./31. Oktober entscheiden soll.1 Wie es sich gehört, finden sich in diesem Papier einige Eckpfeiler, für die sich die Sozialdemokraten aller Länder stets eingesetzt haben: der Kampf für Gerechtigkeit und für die Emanzipation der Arbeiterschaft, die Solidarität mit den Mitmenschen im eigenen Land und auf der ganzen Welt sowie mit den Nachgeborenen. Der Einsatz gegen die wachsende Kluft zwischen arm und reich, gegen Hunger und Armut auf der Welt, für eine gute Bildung der Jugend, für ein gerechtes Gesundheitswesen, für die Integration der Migranten in die Gesellschaft gehören ebenso zum sozial­demokratischen Grundstock wie der Ausbau der sozialen Sicherheit und des Service public unter staatlicher Kontrolle und ein nachhaltiger Umgang mit den natürlichen Ressourcen.
Um so bedenklicher ist die Tatsache, dass das Parteiprogramm zahlreiche massive Verstösse gegen die eigenen unterstützungswürdigen Grundsätze enthält. Insbesondere die Stellungnahmen zur EU-Integration der Schweiz2 sowie zur Globalisierungsproblematik zeichnen sich nicht durch soziales oder demokratisches Denken und Mitfühlen aus, sondern sind durchsetzt mit haarsträubenden Plänen und Unwahrheiten. Als Autor des Parteiprogrammes firmiert Hans-Jörg Fehr.
Es steht zu hoffen, dass es nicht einfach durchgewinkt wird, sondern Anlass zu echten und grundsätzlichen Diskussionen gibt, dass sich diejenigen Stimmen Gehör verschaffen, die sich nicht von ihren basisdemokratischen Anliegen abbringen lassen und diesem Programm zur Auflösung der direktdemokratischen Schweiz im EU-Zentralmoloch die Gefolgschaft verweigern. Solange diese Frage nicht geklärt ist, verlieren alle andern Vorschläge zu sozialen Anliegen und alle Bekenntnisse zur Förderung der Demokratie ihre Glaubwürdigkeit.

Mit Recht spricht die SP sich dezidiert gegen die «neoliberale Ideologie des Staatsabbaus und der Marktgläubigkeit mit ihrer unsäglichen Dreifaltigkeit Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung» aus, die von den «Regierungen mächtiger westlicher Staaten (USA, GB) bewusst vorangetrieben» wird, mit Recht prangert sie den «enormen Machtzuwachs transnationaler Unternehmen» und den «Machtverlust der demokratischen Nationalstaaten […] zulasten des Sozialstaates» an. (Parteiprogramm, S. 5) Statt dann aber dem Übel an die Wurzeln zu gehen und die Auflösung der Machtinstrumente des Grosskapitals, allen voran der WTO, mit Nachdruck zu verlangen, statt die Stärkung der Souveränität der Nationalstaaten und der kleinräumigen Wirtschaft anzustreben, verstrickt sich die SP Schweiz in Widersprüchlichkeiten, eingedenk der altbekannten Pläne der Sozialistischen Internationale, die sich der Globalisierung für ihre eigenen Machtpläne bedienen will:
«Die Sozialdemokratie ist seit ihren Anfängen eine international ausgerichtete und organisierte Parteien-Familie. Die europäische Integration und die Globalisierung der Welt sind daher transnationale Entwicklungen, die dem Charakter der Sozialdemokratie strategisch entsprechen.» (Parteiprogramm, S. 8)
Zur Verbreitung sozialistischer Ideen sind der SP auch fragwürdige Mittel recht. So rühmt das Parteiprogramm die «Globalisierung der Kommunikation mit Hilfe des Internets und anderer digitalisierter weltweiter Plattformen. Sie ist wegen ihrer technologisch vielfältigen Anwendbarkeit ambivalent, darf aber nicht nur unter dem Blickwinkel ihrer Anwendung auf den Finanzmärkten beurteilt werden. Die Informations- und Kommunikationstechnologien haben kommunikative, teilweise sogar subversive Qualitäten, die wir positiv beurteilen.» (Parteiprogramm, S. 7)

Kampf gegen totale globale Marktöffnung – oder doch nicht?
In bezug auf die wirtschaftliche Globa­lisierung äussert sich die SP zwar gegen die «kapitalistische Globalisierung» und die «totalen globalen Marktöffnungen, die sich allen staatlichen Regulierungen entziehen und enorme soziale und ökologische Schäden anrichten» (Parteiprogramm, S. 6), ja sie will «den Übergang vom freien zum fairen Handel voranbringen.» (Parteiprogramm, S. 38) Dieses wirklich erstrebenswerte Ziel verkehrt sie aber flugs ins pure Gegenteil, wenn es konkret wird: Dann opfert die SP-Geschäftsleitung ihren hehren Einsatz gegen den liberalisierten Welthandel ohne Zögern dem alles überragenden Ziel, nämlich dem EU-Beitritt der Schweiz. Um diesem Ziel näherzukommen, wird jeder bilaterale Vertrag mit der EU besehen oder unbesehen befürwortet, auch wenn er in eklatantem Widerspruch zu den sozialdemokratischen Parteizielen steht und die EU vor allem der internationalen Hochfinanz dient.

Erstes Beispiel: SP unterstützt Strommarkt-Abkommen mit der EU
«Ziel ist u.a. die Versorgungssicherheit im weitgehend liberalisierten europäischen Strommarkt. Die Öffnung des Schweizer Marktes richtet sich nach den im Stromversorgungsgesetz festgelegten Schritten, das 2008 in Kraft trat. Es führte zunächst zu massiven Preissteigerungen und musste schon bald korrigiert werden. Parallel kamen auch die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU ins Stocken.» (Europapolitische Agenda, S. 9)
Herr und Frau Schweizer erinnern sich: Im September 2002 war die Liberalisierung des Schweizer Strommarktes in einer eidgenössischen Referendumsabstimmung vom Volk abgelehnt worden; das Referendum ergriffen hatte der Schweizerische Gewerkschaftsbund. Wenige Jahre später legte der Bundesrat praktisch dieselbe Vorlage dem Parlament erneut vor, welches über den Entscheid des Stimmvolkes hinweg das Elektrizitätsmarktgesetz ein zweites Mal befürwortete, damit die Schweiz künftig in die europäische Strommarktregelung von Brüssels Gnaden eingespannt werden kann. Der Souverän verzichtete darauf, noch einmal 50 000 Unterschriften für das fakultative Referendum zu sammeln. Der zuständige Departementsvorsteher, SP-Bundesrat Moritz Leuenberger, hatte – um das Gesetz durchzubringen – wider besseres Wissen behauptet, im liberalisierten Strommarkt würden die Strompreise sinken. Obwohl zum Zeitpunkt der Volksabstimmung im Jahr 2002 bereits bekannt war, dass die Preise überall massiv gestiegen waren, die Infrastruktur vernachlässigt wurde und das Geld in die Taschen privater Investoren floss.
Die SP, die für sich in Anspruch nimmt, den Service public vor dem freien Markt schützen zu wollen, legt sich also in ihrer «Europapolitischen Agenda» vom März 2009 für die Teilnahme der Schweiz am liberalisierten EU-Strommarkt ins Zeug, mit der schwächlichen Argumentation, den «grünen Strom» und die Versorgungssicherheit stärken zu wollen.
Ein Jahr später ruft dieselbe SP im Widerspruch zu ihrem eigenen Tun «die Schweiz» dazu auf, sich der Liberalisierung der Grundversorgung entgegenzusetzen:
«Der Service public steht auch international unter Druck: Die führenden Staaten in der Welthandelsorganisation WTO wollen die nationalstaatlichen Grundversorgungen Schritt um Schritt in Märkte verwandeln und privatisieren. Die Schweiz muss diesen Bestrebungen Widerstand leisten, sie blockieren und dem Service public auch unter globalisierten Vorzeichen die ihm gebührende Stellung sichern helfen. Besondere Bedeutung hat der kostenlose Zugang zu frischem Trinkwasser.» (Parteiprogramm, S. 45)
Die Schweizer Bevölkerung tut das ja bereits, sie leistet den Bestrebungen der WTO und der EU entschieden Widerstand, denn sie hat einen gesunden Widerwillen gegen die Privatisierung des Service public, wie sie in der Abstimmung über das Elektrizitätsmarktgesetz gezeigt hat. Die Schweizer sind gewohnt, dass die Gemeinden und Kantone sorgsam und haushälterisch mit dem kostbaren Wasser und mit der Wasserkraft umgehen, und sie wollen, dass Schulen und Gesundheitswesen, Strassen, Kanalisation und Abfallentsorgung, öffentlicher Verkehr und Postwesen in der Hand des Staates bleiben und so vom Souverän kontrolliert werden können. Die Sozialdemokraten stehen (neben den Grünen) mehr als alle anderen Parteien in der Pflicht, sich hinter das eigene Volk und die Völker der Welt zu stellen und sich mit aller Kraft für die Auflösung der nur den internationalen Grosskonzernen dienenden WTO einzusetzen, statt sich bei jedem Räuspern aus Washington oder Brüssel als eifrige Kopfnicker zu betätigen und gleichzeitig ihre eigenen Grundsätze zu verraten.

Zweites Beispiel: SP unterstützt ein Abkommen für den Agrarfreihandel
Auch hier zeigen sich die Sozialdemokraten ausgesprochen marktfreudig: «Angestrebt werden eine Marktöffnung der gesamten ernährungswirtschaftlichen Produktionskette sowie die verstärkte Zusammenarbeit in den Bereichen Lebensmittel- und Produktsicherheit sowie beim Gesundheitsschutz.» (Europa­politische Agenda, S. 8) Die SP-Geschäftsleitung gibt zu, dass die EU an einem solchen Abkommen interessiert ist, weil sie ja weit mehr Agrargüter in die Schweiz exportiert als umgekehrt. Die Schweizer Bauern vertröstet sie mit dem grossen Absatzmarkt für «ökologisch produzierte hochwertige Agrargüter», obwohl sie genau weiss, dass die Bauern in der EU selbst ökologische Produkte im Überfluss produzieren. Bundesrätin Doris Leuthard hat vor einiger Zeit offen zugegeben, dass ein Agrarfreihandelsabkommen mit der EU das Aus für mindestens die Hälfte der Schweizer Landwirtschaftsbetriebe bedeuten würde.
Auch die Bauern gehören zur arbeitenden Bevölkerung – zur hart arbeitenden! – und haben Anspruch darauf, von einer Partei, die sich sozial nennt, nicht im Regen stehengelassen zu werden. Statt dessen setzt die SP noch einen drauf, indem sie den Bauern vorgaukelt, mit dem grossflächigen Verkauf von Bioprodukten im EU-Raum «erhält die Schweizer Landwirtschaft eine bessere Perspektive – dies gilt insbesondere für den Fall eines erfolgreichen Abschlusses der WTO-Verhandlungen». Im Klartext: Die SP, die an anderer Stelle mit Recht die ausschliessliche Ausrichtung der WTO auf die Interessen der globalen Grosskonzerne kritisiert, ist nicht gewillt, die Schweizer Bauern und die gesamte Bevölkerung, die mit den Lebensmitteln aus regionaler Produktion gut fährt, vor dem Abschluss des Weltagrarfreihandelsabkommens der WTO zu bewahren. Gleichzeitig verrät sie ihr Ziel der Solidarität mit den Armen dieser Welt, denen sie angeblich zu «fairem Handel» statt «freiem Handel» verhelfen will. Mit einem WTO-Freihandelsabkommen für gefüllte Kassen von Monsanto und Nestlé? Da lachen ja die Hühner!
Warum die SP-Geschäftsleitung wirklich für das Agrarabkommen mit der EU ist, verrät sie uns erstaunlich ehrlich:
«Die SP will dieses Abkommen. Es senkt aus europapolitischer Sicht eine der letzten innenpolitischen Beitrittshürden und hat einen hohen symbolischen Wert (Abbau der Réduit-Mentalität, Autarkie-Mythos).» (Europapolitische Agenda, S. 9)

EU-Beitritt als Türöffner für die Sozialdemokraten
Für den EU-Beitritt der Schweiz macht sich die SP-Parteileitung schon seit langem stark, allerdings sind auch etliche Parteigenossen skeptisch eingestellt. Denn bei genauer Analyse der schönfärberischen EU-Beitrittspropaganda der SP ergibt sich: alles ist Lug und Trug.

Europäischer Einheitsstaat unter sozialdemokratischer Führung
Hauptargument der SP-Geschäftsleitung: «Die Schweiz muss dort mitentscheiden können, wo die zentralen Entscheidungen gefällt werden. […] Nur der EU-Beitritt verschafft der Schweiz das volle Mitentscheidungsrecht.» (Europa­politische Agenda, S. 6) Obwohl in dieser Agenda sämtliche bilateralen Verträge mit der EU kritiklos befürwortet werden, stört sich die SP-Führung plötzlich daran, dass der Bilateralismus die Souveränität der Schweiz untergrabe. Dasselbe gelte für den sogenannten «autonomen Nachvollzug», das heisst die laufende Anpassung des Schweizer Rechts an die Gesetzgebung der EU (Europapolitische Agenda, S. 5). Kleine Anmerkung: Schweizer EU-Skeptiker haben diesen schleichenden Souveränitätsverlust schon lange moniert und waren aus diesem Grund gegen einige der bilateralen Verträge; sie wurden jeweils – auch von SP-Seite – als Neinsager ohne Sachverstand abgetan.
Selbstverständlich wissen die Genossen sehr wohl, dass die Schweiz – wie die anderen Kleinstaaten – als EU-Mitglied nichts zu melden hätte, sondern das tun müsste, was Merkel und Sarkozy als verlängerter Arm der US-Supermacht befehlen würden. In Wirklichkeit träumen die Parteikader für sich persönlich von einem einflussreichen und finanziell ergiebigen Sitz in Brüssel: «Die von der EU weltpolitisch vertretenen Positionen stehen jener der SP nahe. […] Will die Schweiz [i.e. die SP-Kader der Schweiz, die Verf.] die Globalisierung sozial, ökologisch und friedenspolitisch gestalten, so wird sie innerhalb der EU mehr erreichen können als ausserhalb.» (Europapolitische Agenda, S. 7). Den Genossen geht allerdings der heute erreichte unsägliche Zustand der Zentralisierung ohne Rücksicht auf die vielfältigen Völker und Kulturen noch zuwenig weit – sie haben radikalere Ambitionen: «Die Entstehung eines unionsweiten Rechtsraumes erhöht in hohem Mass die Lebensqualität der Bürger und Bürgerinnen Europas. Nur wenn die Schweiz der EU beitritt, hat sie vollen Anteil an der wachsenden Zusammenarbeit, Vergleichbarkeit und Übereinstimmung in den Rechtssystemen der EU-Mitgliedstaaten.» (Europapolitische Agenda, S. 7).
Vor zwei Jahren haben sich 18 Mitglieder des Nationalrats im virtuellen Projekt «aktiv-mitglied.EU – Die EU, wie wenn wir dabei wären!» der NEBS (Neue europäische Bewegung Schweiz) als künftige Mitglieder des EU-Parlaments zur Schau gestellt. Darunter sind auch fünf Sozialdemokraten. Weitere SP-Politiker wie Andreas Gross und Hans-Jürg Fehr wären sicher auch nicht abgeneigt, in der EU-Machtzentrale mitzuspielen.

Überlegenes Sozialmodell der EU?
Die Behauptung der SP-Parteileitung, das EU-Sozialmodell sei dem schweizerischen haushoch überlegen, entbehrt im übrigen jeder Grundlage: «Ausgebaute Sozialversicherungssysteme, freier Zugang zur Bildung, Gleichberechtigung der Geschlechter, ein rechtlich verbindliches System von Arbeitsbeziehungen» (Europapolitische Agenda, S. 2) usw. gibt es in der Schweiz auch. Ein besseres Berufsbildungssystem als das duale der Schweiz mit ihrer europaweit kleinsten Jugendarbeitslosigkeit soll uns einmal jemand zeigen, und wenn wir auch weniger Betriebsräte haben als die Betriebe unserer Nachbarländer, hindert diese Tatsache die Nachbarn nicht, in den schweizerischen Arbeitsmarkt zu strömen – offenbar sind unsere Arbeitsbedingungen doch nicht so schlecht.

«EU als Friedensprojekt»?
«Die EU ist ein Friedenswerk, das in Europa das seit Jahrhunderten bestehende verheerende Kriegsrisiko nahezu auf null reduziert hat.» (Parteiprogramm, S. 8) – «Es liegt im ureigensten Interesse der Schweiz, innerhalb der EU zum europäischen Friedenswerk beizutragen.» (Europapolitische Agenda, S. 6)
Eine kühne Behauptung, wenn man bedenkt, dass massgebliche EU-Mitgliedsländer, insbesondere Deutschland im Bündnis mit den USA und Israel, Jugoslawien in die Steinzeit zurückbombardiert haben, für das 60jährige Leiden des palästinensischen Volkes mitverantwortlich sind und sich am Bombenkrieg gegen die afghanische Zivilbevölkerung beteiligen.
Ausserdem begann die friedliche wirtschaftliche Zusammenarbeit im Nachkriegs­europa 1948 nicht mit der EWG, sondern mit der Gründung der OEEC, der Vorgängerorganisation der OECD. Auf Wunsch der USA setzten sich 1957 einige Staaten ab und schlossen sich zu einer besser steuerbaren überstaatlichen Vereinigung zusammen, der EWG. Ihr Fernziel einer politischen Union ist heute praktisch erreicht. Um sich neben diesem Separatistenklub behaupten zu können, blieb den anderen westeuropäischen Staaten nichts anderes übrig, als sich zu einer Freihandelsorganisation, der Efta, zusammenzutun, deren Mitglieder ihre volle Souveränität behielten. Wir überlassen es dem Leser zu entscheiden, welche dieser beiden Organisationen für ein friedliches und freiheitliches Zusammenleben souveräner Nationalstaaten geeigneter ist.
Ein weiterer Pfeiler der EU ist die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP), deren militärische Truppen zum Beispiel in Bosnien-Herzegowina und im Kongo stehen, die sogenannte Piraten vor der somalischen Küste beschiessen und die seit 2003 in der Lage sind, «für eine militärische Operation binnen 60 Tagen bis zu 60 000 Mann an Bodentruppen sowie Luft- und Seestreitkräfte bereitzustellen.» (Lexikon «Aktuelle Schweiz», S. 328).

Mitmarschieren in den Kriegen der EU statt neutraler Verteidigungspolitik
Bei den Militäreinsätzen dieser kriegerischen Organisation unbedingt dabeisein zu wollen, streben SP-Bundesrätin Calmy-Rey und die SP-Leitung eifrig an. Laut Parteiprogramm soll die Verteidigungsarmee – die immerhin integrativer Bestandteil der immerwährenden bewaffneten Neutralität der Schweiz ist – ganz einfach gestrichen werden:
«Die strikte Trennung von innen und aussen passt nicht mehr in unsere Zeit. Die militärzentrierte, am nationalen Territorium orientierte Sicherheitspolitik ist überholt.»
Konsequenterweise soll die allgemeine Wehrpflicht in der Schweiz abgeschafft und die Armee «ab- und umgebaut werden», so dass sie neben dem Zivilschutz in erster Linie für die «internationale Friedensförderung» eingesetzt werden kann. (Parteiprogramm, S. 39f.) In ihrer «Europapolitischen Agenda» macht sich die SP stark für ein Rahmenabkommen, «mit dem die Teilnahme an EU-geführten internationalen Friedensmissionen erleichtert werden soll», und wirft dem Bundesrat vor, «er druckse sich seit Jahren um die Aufnahme von Verhandlungen» mit der EU «herum». (S. 10) Inzwischen hat sich ein grosser Teil der SP-Nationalrätinnen und Nationalräte im September 2009 mutig und eigenständig gegen den von Bundesrätin Calmy-Rey geplanten Militäreinsatz «Atalanta» unter EU-Kommando gestellt und diesen damit zu Fall gebracht. Die Parteileitung sollte vielleicht zur Kenntnis nehmen, dass viele ihrer Parlamentarier und erst recht ihrer Basis keine EU- oder Nato-Kriegs­einsätze mitmachen wollen. Für einen Sozialdemokraten, der diesen Namen verdient, sollte das selbstverständlich sein. Dass die Mitglieder der Parteispitze in fremden Kriegen mitmarschieren wollen, ist nur damit zu erklären, dass sie eben unbedingt den EU-Beitritt samt Pöstchen in Brüssel anstreben.

Rüstungspolitik – «Weniger Heimatschutz und mehr Marktnähe»
Es kommt noch dicker: Dieselbe SP, die angeblich «will, dass die Schweiz alle kriegsfördernden Aktivitäten wie Waffenexporte an risikobehaftete Partner unterlässt», (Parteiprogramm, S. 40) und bekanntlich seit Jahren Sturm läuft gegen den Export jedes Schräubchens, das für die Konstruktion einer Waffe verwendet werden könnte, treibt als Krönung ihrer «Friedenspolitik» die Zusammenarbeit mit der Europäischen Verteidigungsagentur (EVA) im Rüstungsbereich voran. Man höre und staune:
«Die internationale Kooperation im Rüstungsbereich ist gegenüber einer rein national aufgestellten Rüstungsindustrie weit kostengünstiger. Diese Kooperation findet in Europa primär im Rahmen der Europäischen Verteidigungsagentur (EVA) statt. […] Die SP-Fraktion hat sich in ihrem Positionspapier zur Zukunft der Armee vom 23. September 2008 klar für eine Rüstungspolitik ausgesprochen, welche von weniger Heimatschutz und mehr Marktnähe geprägt ist [sic!].» (Europapolitische Agenda, S. 11)
Bleibt zu hoffen, dass sich einige aufrechte Sozialdemokraten finden, die diese unwürdigen Spielchen zum alleinigen Zweck eines baldigen EU-Beitritts nicht mitmachen, sondern eine echte Friedenspolitik unterstützen, wie sie die Schweiz immer geführt hat und wie sie von derselben Bundesrätin Micheline Calmy-Rey sehr positiv betrieben wird, wenn sie nicht gerade von internationalem Aktionismus befallen wird.

Umbau der Schweiz als Vorarbeit für den EU-Beitritt
Dass die einzigartige direktdemokratische und föderalistische Staatsstruktur der Schweiz zur undemokratischen und zentralistischen EU wie die Faust aufs Auge passt, hat sich sogar bis in die Führungsetagen der Schweizer Sozialdemokraten herumgesprochen. Also muss diese Struktur zertrümmert und dann EU-kompatibel umgebaut werden.

Alle Macht den Agglomerationen?
Zwar gesteht die SP-Führung der föderalistischen Staatsstruktur zu, dass sie zur Machtteilung und zur Bürgernähe beiträgt. Aber: «Die Gliederung in die drei Ebenen Bund, Kantone und Gemeinden […] muss durch eine vierte Ebene, die europäische, ergänzt werden.» Und weiter:
«Der Föderalismus ist reformbedürftig. Das gilt in erster Linie für das aus dem 19. Jahrhundert stammende strukturelle Übergewicht der kleinen, ländlichen und agrarisch geprägten Kantone. Sie haben parlamentarisch mit der Sitzverteilung für den Ständerat und direktdemokratisch mit dem Ständemehr ein Übermass an Einfluss, das der realen Bevölkerungsverteilung zwischen Stadt und Land längst nicht mehr entspricht. Die SP tritt für eine Anpassung des Föderalismus an die reale gesellschaftliche Entwicklung ein. Namentlich muss die Stellung der Städte und Agglomerationen gestärkt werden.» (Parteiprogramm, S. 33)
Aha, jetzt wissen wir, wer in der Schweiz die Gründung von EU-gesteuerten Metropolitanräumen einerseits und die Verödung der ländlichen und der Berggebiete andererseits vorantreibt. Jetzt wissen wir, warum einige Ostschweizer Politiker mit fieberhafter Betriebsamkeit einen Kanton Ostschweiz erfinden wollen, damit sie von der EU-Zentrale nicht zur «Provinz» abgestuft werden. Die Thurgauer, St. Galler, Appenzeller und Bündner würden sich gescheiter gegen solch unsägliche Pläne zur Wehr setzen. Dem bleibt hinzuzufügen, dass der Autor des Parteiprogramms Hans-Jürg Fehr ist, Nationalrat des kleinen Kantons Schaffhausen, dessen «strukturelles Übergewicht» er mit der Abschaffung des Ständemehrs und der Umfunktionierung des Ständerats zu einer Regionenvertretung bodigen will. Ob die Schaffhauser Bevölkerung ihn wohl 2011 wieder wählen wird, wenn sie das liest?
Konsequenterweise ist der SP die feinmaschige föderalistische Struktur mit 26 Kantonen und fast 3000 Gemeinden ein Dorn im Auge. Sie setzt sich für Gemeinde- und Bezirksfusionen ein und verlangt den Zusammenschluss der Kantone zu Grossregionen: «Langfristig soll die Anzahl Kantone stark reduziert werden, damit grössere und eigenständigere Einheiten als heute untereinander gleichwertig und mit neuer Vitalität ihre zukunftsgerichteten Aufgaben erfüllen können.» (Parteiprogramm, S. 34) Mit «neuer Vitalität» ist gemeint, dass die SP in grösseren Gemeinden und Kantonen mit mehr Parteiwählern und Parteisitzen rechnet, hat sie doch ihre grössten Wähleranteile in den Städten und den einwohnerstarken Kantonen. In kleineren Gemeinden werden nämlich mehrheitlich parteiunabhängige und nur selten SP-Gemeinderäte gewählt – das soll geändert werden. Was an den Grossregionen «eigenständiger» sein soll als an den in vielen Bereichen souveränen Kantonen, darüber schweigt sich das Parteiprogramm aus.

Abschaffung der direkten Demokratie
Unter dem an Orwell erinnernden Titel «Die Demokratie weiterentwickeln» äussert sich das Parteiprogramm zuerst fast überschwenglich zur direkten Demokratie, um sie dann flugs zu relativieren:
«So wichtig die demokratische Staatsform für uns ist, so wichtig ist es auch, ihre Grenzen zu benennen, denn auch das Volk darf nicht alles [sic!].»
Demokratie finde ihre Grenzen im «übergeordneten Recht, das ja seinerseits demokratisch legimiert ist, also in den Menschenrechten und im Völkerrecht». (Parteiprogramm, S. 31)
Zum sogenannt «übergeordneten Recht», das nach dem Gusto der Sozialdemokraten die direktdemokratischen Rechte der Schweizerinnen und Schweizer aushebeln soll, würde nach dem EU-Beitritt der Schweiz selbstverständlich der gesamte Dschungel von Rechtserlassen aus der EU-Zentrale zählen. Was daran «demokratisch legitimiert» sein soll, weiss niemand.

Schweizer Souverän durch Gericht entmachtet?
Um das reichhaltige Initiativ- und Referendumsrecht der Stimmbürger unter Kontrolle zu bekommen, will die SP-Parteileitung die Judikative über den Souverän und über das eidgenössische Parlament stellen: «Die SP hält die Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative für eine zentrale historische Errungenschaft und verteidigt sie uneingeschränkt. [Diese Selbstverständlichkeit muss man offenbar betonen, wenn man in die EU will, die Verf.] Auch demokratische Verfahren und Entscheide müssen sich an den Rahmen halten, den die Menschenrechte und der Rechtsstaat setzen. Die Judikative muss deshalb gestärkt werden.» Dementsprechend verlangt die SP die Einführung eines Verfassungsgerichtes, das die «Entscheide der Regierung, des Parlamentes und des Volkes auf ihre Vereinbarkeit mit dem übergeordneten Recht, namentlich mit den Grundrechten prüft. Volksinitiativen sollen künftig nur gültig sein, wenn sie die grundlegenden Prinzipien des Verfassungs- und Völkerrechts respektieren.» (Parteiprogramm, S. 33f.)

«Internationale Volksmotion» als Ersatz für verlorene politische Rechte?
Den Schlusspunkt zur Abschaffung der hochentwickelten und umfassenden politischen Rechte der Schweizerinnen und Schweizer auf allen drei Ebenen (Bund, Kanton, Gemeinde) setzt Demokratie-Experte Andreas Gross, der in der ganzen Welt herumreist und anderen Völkern erzählt, was direkte Demokratie ist: «Andi Gross reicht die Parlamentarische Initiative 09.417 zur Einführung einer internationalen Volksmotion ein. Mit einer von 20 000 Stimmberechtigten unterzeichneten Volksmotion soll dem Bundesrat der Auftrag erteilt werden können, auf internationaler Ebene in einer bestimmten Form tätig zu werden, sofern die Mehrheit der beiden Kammern der Volksmotion zustimmt, nachdem auch der Bundesrat zu deren Inhalt Stellung genommen hat.» (Europapolitische Agenda, S. 18)
Damit wäre die Schweiz endgültig in EU-kompatible Form gepresst: Mit einem blossen Petitionsrecht, also der unverbindlichen Bitte an die Behörden, etwas zu tun, sollen wir Schweizer abgespiesen werden, wenn die Brüsseler Zentrale an unserer Stelle die Rechtsetzung übernimmt? So nicht, ihr Herren von der SP-Parteileitung! Es ist zu hoffen, dass viele Sozialdemokraten gegen den Entwurf des Parteiprogramms und die Europapolitische Agenda Widerstand leisten. •

1 SP Schweiz, Parteiprogramm. Entwurf der Geschäftsleitung vom 26. März 2010
2 Vgl. dazu besonders auch «Europapolitische Agenda der SP-Fraktion vom 17. März 2009»

Ökofschismus - die neue Terrorwelle

Die verbrecherische ökoterroristische Agenda unter dem Vorwand des größten Betrugs in der Geschichte der Menschheit wird von der despotischen europäischen Bundesregierung planmäßig vorangetrieben

Propagandafront.de, 20.05.2010

Während ganz Europa unter der anhaltenden Kälte zu leiden hat und der größte Betrug in der Geschichte der Menschheit, der Klimaschwindel der angeblich durch den Menschen verursachten Erderwärmung, alleine in den letzten 6 Monaten massiv an Glaubwürdigkeit verlor, schreiten die despotischen Eurokraten weiter dabei voran, die einst souveränen Länder Europas in ein ökostalinistischen High-Tech-Gefängnisgulag zu verwandeln.

Die neue Häuserrichtlinie der EU-Diktatur legt unter Anderem das Folgende fest:

•Ab Ende 2020 (und 2018 bei öffentlichen Gebäuden) soll es nur noch Neubauten geben, die nicht bedeutend mehr Energie verbrauchen, als sie selbst erzeugen.
•Die neuen Vorschriften gelten auch für bereits bestehende Gebäude, die renoviert werden, falls die Renovierungskosten 25% des Gesamtwerts des Gebäudes übersteigen.
•Häuser und Wohnungen müssen Energieausweise erhalten. Der Energieausweis ist Käufern und Mietern bei Besichtigung zu zeigen und bei Vertragsabschluss in Kopie zu übergeben (ab 2012 in Deutschland). Die Energieeffizienzklasse muss in Inseraten mit angegeben werden (ab 2012 in Deutschland).
•Häuser müssen intelligente Stromzähler erhalten (in Deutschland bei Neubauten bereits Pflicht).
Das Europäische Parlament (EP) hat diese neue Richtlinie zur Energieeffizienz von Häusern am Dienstag verabschiedet. Das Informationsbüro vom EP beteuert: „Für den Verbraucher bedeutet die neue Richtlinie niedrigere Energiekosten.“ und schreibt weiter:

„Auf Gebäude entfallen 40% des Gesamtenergieverbrauchs der Union. Sie stellen damit Europas größte Emissionsquelle dar. Die Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz würde folglich helfen, das geforderte CO2 Emissionsziel zu erreichen…Für bereits bestehende Gebäude gilt, dass größere Renovierungen gleichzeitig die Energieeffizienz verbessern müssen ´sofern dies technisch und wirtschaftlich machbar ist`. Hauseigentümer werden angehalten, im Zuge von Renovierungsarbeiten sog. intelligente Zähler einzubauen und vorhandene Heizungen, Heißwasserrohre und Klimaanlagen durch energieeffiziente Alternativen, wie z. B. Wärmepumpen, zu ersetzen. Regelmäßige Kontrollen von Heizkesseln und Klimaanlagen werden ebenfalls vorausgesetzt.“

Um es gleich vorweg zu nehmen und es für Sie, hochverehrter Leser, nicht allzu spannend zu machen: Was wir hier erleben ist eine riesige totalitäre und kollektivistische Machtergreifung des technokratischen Abschaums der EU-Diktatur und ihrer lokalen Lakaien vor Ort. Die Agenda der Absenkung des Lebensstandards und der Zerstörung der Industriegesellschaft, hier am Beispiel der neuen ökofaschistischen Terrorrichtlinien beim Häuserbau, bedarf einer massiven Expansion bürokratischer Kontrollmaßnahmen und einer durchgehenden Kette der wissenschaftlichen Gehirnwäsche aller Altersgruppen der Bürger in den einzelnen Ländern – wie im Folgenden noch eingehend beleuchtet werden wird.

Lehnt man sich zurück und schaut auf die langfristigen Auswirkungen so bleibt festzustellen, dass es sich hierbei um eine weitere Sowjetisierung durch die Faschisten in Brüssel und ihre europaweit ansässigen Speichellecker handelt. Bisher gab es in angeblich freiheitlich verfassten Republiken mit gesicherten Eigentumsrechten bereits das Phänomen, dass diese demokratischen westlichen Länder Grundsteuer auf Eigentum erhoben haben, was „Eigentum“ in Form von Immobilien zur Makulatur macht. Durch den CO2-Energieeffizienzterror bei Gebäuden wird dieses Märchen einmal mehr entkräftet.

Mit dem ökoterroristischen Verbrechen der CO2-Richtlinien wird ein weiterer massiver Kontroll- und Gesetzesaufwand ins Leben gerufen um die Agenda der Deindustrialisierung weiter voranzutreiben. Das Europäische Parlament begründet die Schaffung des technokratischen Öko-Gulags unter Anderem mit folgenden Zielen und Notwendigkeiten:

•Mineralöl, Erdgas und feste Brennstoffe sind die größten Verursacher von Kohlendioxidemissionen.
•Die Maßnahmen würden es der EU-Diktatur ermöglichen „das Kyoto-Protokoll zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) einzuhalten und ihrer langfristigen Verpflichtung, den Temperaturanstieg unter 2° C zu halten, sowie ihrer Verpflichtung, bis 2020 die Gesamttreibhausgasemissionen gegenüber den Werten von 1990 um mindestens 20% bzw. im Fall des Zustandekommens eines internationalen Übereinkommens um 30% zu senken, nachzukommen.“
•Die EU würde durch den Klimafaschismus „Beschäftigungsmöglichkeiten…insbesondere in ländlichen Gebieten“ im Auge haben.
•Die EU wird „Finanzinstrumente und andere Maßnahmen“ einrichten bzw. bestehende nutzen, „mit denen energieeffizienzfördernde Maßnahmen angeregt werden sollen“.
•Die „Kommission“ der despotischen EU-Diktatur legt auf Wert auf eine „angemessene Unterrichtung“, weshalb die „Mitgliedsstaaten Auflistungen der…Maßnahmen…auch finanzieller Art…die zwar nicht nach dieser Richtlinie vorgeschrieben sind, die aber den mit ihr verfolgten Zielen dienen“ übermitteln sollen.
•„Es könnten Informationskampagnen durchgeführt werden, um die Eigentümer und Mieter noch stärker zu einer Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes oder der Gebäudeteile anzuregen. Zusätzlich sollten die Eigentümer und Mieter von Gewerbegebäuden zum Austausch von Informationen über den tatsächlichen Energieverbrauch angeregt werden, damit alle Daten für fundierte Entscheidungen über notwendige Energieeffizienzverbesserungen verfügbar sind.“ [Hervorhebungen hinzugefügt]
•Die Gehirnwäsche darf sich nicht alleine auf die Zwangsschulen in Deutschland erstrecken, die EU hat viel größere Pläne und muss mit Ihrer CO2-Klimaverbrecheragenda alle Altersschichten erreichen, damit sich die diktatorische High-Tech-Kontrolle der EU-Schuldensklaven auch kollektivistisch in die Hirne brennt: „Die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Gesamtenergieeffizienz sollte durch Anbringung der Energieausweise an gut sichtbaren Stellen unterstützt werden: dies gilt insbesondere für Gebäude…wie Ladengeschäfte und Einkaufszentren, Supermärkte, Gaststätten, Theater, Banken und Hotels.“
•Regionale und lokale Behörden sollen an „Sensibilisierungsprogrammen“ mitwirken.
•„Die Mitgliedsstaaten [sollten] Architekten und Planer in die Lage versetzen“ den Ökostalinismus „angemessen in Betracht zu ziehen.“
•Installateure und Baufachleute brauchen ebenfalls die „angemessene Fachkompetenz“ den Klimaterror in alle Winkel des Protektorats des europäischen Bundesstaates zu tragen.
•Bei der Indoktrination der Lagerleiter soll das Programm „Intelligente Energie – Europa“ mit Berücksichtigung finden.
Auf Propagandafront.de wurde bereits hinlänglich darauf hingewiesen, dass es sich beim Kohlenstoffdioxidschwindel um einen essentiellen Bestandteil des wissenschaftlich geplanten Kontrollnetzes der Weltregierung handelt, wo jeder einzelne Aspekt des Lebens der Menschen durchweg kontrolliert wird. Zu dieser Agenda gehören die planvolle Umwandlung der Wirtschaft hin zu einer „Grünen Wirtschaft“ (von der bekannt ist, dass sie unglaubliche Schuldenberge aufhäuft, die Basis wirtschaftlicher Prosperität zerstört und Massenarbeitslosigkeit schafft), die Einführung von CO2-Steuern, CO2-Strafmaßnahmen und Regularien, CO2-Emissionshandel, die Umwandlung des Geldsystems, eine weitreichende Entvölkerung des ländlichen Raumes unter dem Vorwand der Biodiversität sowie die Absenkung der Geburten- und Erhöhung der Sterberaten.

Die ökostalinistischen Entwicklungen, wie die verbrecherischen Initiativen zur Förderung von intelligenten Stromzählern, intelligenten Stromnetzen, der Energieeffizienz bei Häusern, Elektroautos und ähnlichem die Realproduktion zerstörenden Unfug, werden von Anfang an durch die faschistischen und ökoterroristischen Lakaien in den Regierungen vorangetrieben, also von Ihren Steuergeldern bezahlt.

Die ultraperverse und verbrecherische neue Richtlinie zur Energieeffizienz von Häusern ist ein weiteres Paradebeispiel dafür, wie Privatorganisationen, Konzerne, vor allem jedoch der Bankenclan und die Ökofaschisten in Berlin und Brüssel ihre detaillierten und Jahrzehnte im Voraus ausgearbeiteten Pläne Wirklichkeit werden lassen. Die Bürger der europäischen Mitgliedsstaaten der EU-Diktatur dürfen ihre eigene Versklavung also auch noch mit (nicht vorhandenen) Steuergeldern finanzieren.

Das Europäische Parlament erklärt, wer bei der größten Abzocke der Menschheit alleine in der Immobilienbranche von Brüsseler Seite aus alles mit eingebunden werden soll:

Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung, die öffentlich-private Partnerschaft „Europäische Initiative für energieeffiziente Gebäude“, die „EU-Initiative zur Finanzierung einer nachhaltigen Energiewirtschaft“ der EU-Kommission und der Europäischen Investitionsbank (EIB), die „Europäischen Fonds 2020 für Energie, Klimaschutz und Infrastruktur“, das Projekt „JEREMIE“ zur Finanzierung kleiner und mittelständischer Unternehmen, die Fazilität zur Förderung der Energieeffizienz, das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation, das Programm „Intelligente Energie – Europa II“, die Fazilität für technische Hilfe „ELENA“ (Europäische Energiehilfe auf lokaler Ebene), der Bürgermeisterkonvent, das Programm für unternehmerische Initiative und Innovation, das Programm „Unterstützung der IKT-Politik“ 2010, das Siebte Forschungsrahmenprogramm sowie Finanzmittel der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung.

Haben Sie das verstanden? Hier ist alles von vorne bis hinten durchgeplant. Wenn Sie sich gegen diesen ökoterroristischen Abschaum in Berlin und Brüssel nicht zur Wehr setzen, wird ganz Europa in einen Öko-Gulag verwandelt. Davon auszugehen, dass es sich bei den tausenden Schritten dieser Agenda um Einzelinitiativen handelt, ist nichts weiter als „Zufallstheorie“ in vollendeter Form. Vielleicht lesen Sie sich die soeben aufgeführten EU-Organisationen (ohne die einzelnen Mitgliedsländer) nochmals durch, die lediglich an dem Immobilien-CO2-Terrormüll teilnehmen sollen.

Und diese Auflistung ist bei Weitem nicht vollständig, die tausenden von privaten Denkfabriken, Stiftungen, Schutzbünde und anderen Vollidioten, die auf den Klimazug aufgesprungen sind und in den Ländern sowie bei der EU-Diktatur massiv Lobbyarbeit betreiben, finden dabei gar keine Erwähnung. Diese Stiftungen, Denkfabriken und Vereine sind ebenso wie die Europäische Kommission, die Vereinten Nationen oder der Internationale Währungsfonds alles private Organisationen, die gegenüber dem Bürger überhaupt nicht rechenschaftspflichtig sind, obwohl diese Psychopathen beteuern alle zu Ihrem Wohle Einfluss auf die Politik zu nehmen oder diese selbst zu betreiben.

Es sind Frontorganisationen der Bankenherrscherdynastien und Speichellecker. Genauso wie die ganzen gekauften staatlichen Wissenschaftler, welche die CO2-Lüge zementieren wollen, die gerade so jämmerlich in sich zusammenbricht. Wir erkennen also, dass es völlig unerheblich ist, wen wir bei dieser CO2-Agenda vor uns haben: Perverse Wissenschaftler und „Experten“, psychopathische Globalisten in politischen Entscheidungspositionen oder Vertreter von „philanthropischen“ Stiftungen und wohlmeinenden Denkfabriken – entweder sind sie selbst Teil des inneren Kreises der Elite oder es handelt sich bei ihnen um verbrecherische und niederträchtige Speichellecker, die, wie es sich für gute Psychopathen gehört, mitbekommen haben, woher der Wind weht und mit welchem Betrug die Bevölkerung in nächster Zeit professionell abgezogen werden soll.

Sprechen Sie sich gegen diesen verbrecherischen CO2-Betrug aus, solange dies von den EU-Diktatoren noch nicht als Klima-Leugnung mit Haftstrafen belegt wird. Diesem niederträchtigen Abschaum ist alles zuzutrauen.


Lesen Sie mehr über Ökofaschistische EU-Diktatoren verschärfen die Richtlinien zur Energieeffizienz von Häusern von www.propagandafront.de

Freitag, 21. Mai 2010

Globalisierung - Weltfaschismus ohne Grenzen

Gender-Revolution: Feminismus, Gewerkschaften und die Kirche als nützliche Idioten der Globalisierung

Wang Xin Long

Scheinbar ohne öffentliches Interesse vollzieht sich derzeit die größte wirtschaftliche, soziale, kulturelle und sexuelle Revolution der Menschheitsgeschichte. Dass es sich hierbei um eine Revolution handelt, liegt auf der Hand: wieder einmal schafft ein kleiner revolutionärer (aber diesmal elitärer!) Kreis über die Köpfe der Bevölkerung hinweg eine neue Regierungsform, die mit dem Vorgängerkonstrukt so gut wie nichts gemeinsam hat, mit Ausnahme des Namens: Demokratie. Denn innerhalb einer Demokratie lässt sich so einiges anstellen. Das, was heute als Demokratie gedacht wird, ähnelt im Prinzip einem Gummiband, das scheinbar endlos zu strecken ist. Alles geht! Und doch: Rien ne vas plus! Nähern wir uns heute gemeinsam der Antwort auf die Fragen: Warum gibt es keine demokratische Aufarbeitung des Gender-Konzeptes, warum gibt es keine Abstimmungen im Parlament, warum gibt es keine Opposition gegen diesen Wahnsinn?
Revolution? Wo? Mag der eine oder andere sich fragen, und mal kurz den Vorhang beiseite schieben. Draußen ist doch alles in Ordnung, es sind keine Aufständischen unterwegs, es gibt keine Straßenkämpfe, keine brennenden Barrikaden und es fließt kein Blut! Das ist zwar alles richtig, aber die heute – in dieser Sekunde – stattfindende Revolution bedient sich keiner klassischen Umsturztechnologien. Sie bedient sich keiner schreienden und gewalttätigen Revoluzzer. Das war gestern! Die Revoluzzer von gestern sind nämlich gereift, sie werden alt, und sie haben eine völlig neue Qualität an sich entdeckt: Geduld. Diese neue Revolution bedient sich der Gehirne der Bevölkerung, denn es ist die Bevölkerung, die sowohl Ziel als auch Träger dieser Revolution ist. Der Umsturz findet nicht in den Straßen statt, sondern in den Köpfen. Diesmal gibt es keine Kräfte, die sich im Gegenstrom messen, sodass am Ende eine Kraft als die siegreiche hervorgeht. Die Kräfte in dieser Revolution sind nicht konträr, sondern sie sind konform, gebündelt und ausgerichtet auf ein Ziel: Einebnung und Gleichschaltung.

Die Revolution, von der hier die Rede ist, hat auch einen Namen: Globalisierung. Nun mag der geneigte Leser sich unter dem Begriff der Globalisierung lediglich einen freien, ungehinderten internationalen Verkehr von Gütern und Dienstleistungen vorstellen, der im Ergebnis auf der einen Seite für den massiven Verlust von Arbeitsplätzen und den Ausverkauf der Naturressourcen verantwortlich ist, aber zeitgleich auf der anderen Seite auch für die Schaffung eines bisher nicht gekannten Reichtums einer kleinen, gleichgeschalteten neo-humanistischen Elite. Dieses ist zwar eine treffende Beschreibung des vordergründigen Ist-Zustandes; der Prozess selbst ist aber wesentlich komplexer und folgenschwerer, und eine komplette Aufarbeitung ist im Rahmen dieses Artikels nicht möglich.

Aber wir können zumindest versuchen, uns dem Problem soweit zu nähern, sodass wir dessen Kern erkennen können. Es handelt sich nämlich beim Begriff der Globalisierung (Substantivierung des Verbs globalisieren) um eine Aktivität, einen Prozess, der seit Jahren vonstatten geht und der sich völlig neuer Techniken und Mechanismen bedient mit dem Ziel der Umgestaltung des öffentlichen Lebens, ja der ganzen Gesellschaft. Der Prozess entfaltet seine Wirkung in der Beziehung des Menschen zu sich selbst, in seiner Beziehung zu anderen Menschen, aber auch in dessen Beziehung zu den altbekannten Institutionen Familie, Arbeitgeber, Staat etc. Insofern kann man ruhigen Gewissens sagen, dass dieser Prozess, diese Revolution, alle Teile des menschlichen Daseins erreicht hat. Und zwar alle Teile des menschlichen Daseins, die über das Denken des Menschen erreichbar sind. Es gibt sozusagen keinen Bereich der menschlichen Natur, der von dieser Mutter aller Revolutionen ausgespart wird.

Jedem derartigen Prozess liegt eine übergeordnete Idee – besser gesagt: eine Ideologie – zugrunde, die den Prozess ins Leben ruft, diesen vorantreibt und dessen Ausgang bestimmt. Auch im Falle der Globalisierung gibt es eine solche Ideologie, und diese Ideologie hat einen Namen: Neoliberalismus. Dieser Begriff bewegt sich schon etwas abseits der öffentlichen Wahrnehmung auf dem Territorium von Politik und Wirtschaftswissenschaft. Dabei ist Neoliberalismus als Konzept schnell erklärt: ihm liegen die Überlegungen des klassischen Liberalismus, mit seinen freien Marktkräften aus Angebot und Nachfrage, zugrunde. Der Unterschied zum klassischen Liberalismus liegt aber darin, dass der Neoliberalismus jegliche restriktive staatliche Intervention ablehnt, zeitgleich aber vom Staat verlangt, alle wirtschaftlichen Aktivitäten zu fördern, Hindernisse aller Art auszuräumen und die Folgen dieser Aktivitäten zu tragen. Noch kürzer erklärt: Privatisierung der Gewinne – Verstaatlichung der Verluste.

Ganz besonders wichtig ist, dass der Mensch in dieser Ideologie sowohl von der Wirtschaft aber auch von der Politik nur noch als Kostenfaktor angesehen wird, der in seiner Gesamtheit derart zu konditionieren ist, dass er innerhalb des Systems möglichst viel Nutzen erwirtschaftet, unter möglichst gering zu haltender Kosten. Es mag angesichts steigender Arbeitslosenzahlen, steigender Armut und sinkender Lebensqualität befremdlich klingen, aber aus einer neoliberal ausgerichteten (volks-)wirtschaftlichen Buchführung heraus ist es absolut vertretbar: Es geht hier um eine vollkommen emotionslose, rein statistisch geführte Lenkung der Massen. Der globale Markt als solcher prosperiert und dem statistischen Mittel dienen die eben genannten Randerscheinungen lediglich als Gewichtungsfaktor.

Wie sieht das aber in der Praxis aus? Wie kann man nachvollziehen, dass unter der Doktrin des Neoliberalismus globalisiert wird? Eine der Techniken der Globalisierung ist dem Leser schon bekannt, und zwar unter dem Begriff Gender Mainstream. Das Konzept des Gender Mainstream mit all seinen Zielen, Vorgehensweisen und Folgen für die Gesellschaft wird mittlerweile in zunehmendem Maße diskutiert und die Machenschaften der Protagonisten und der willfährigen Politiker enthüllt. Es gibt aber über der Aktionsebene des Gender-Konzeptes wie gesagt das Konzept der Globalisierung, und es ergibt durchaus einen Sinn, einmal die Verstrickungen zwischen den beiden Konzepten näher zu untersuchen, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass beide letztendlich auf operative Komponenten des Neoliberalismus zu reduzieren sind.

Wie bereits zu einem früherem Zeitpunkt beschrieben, bedient sich die Bundesregierung bei der Umsetzung des Gender-Konzeptes einiger einschlägiger Institutionen, unter anderem dem Kompetenzzentrum e.V. mit Sitz in Bielefeld. Dieser Kompetenzverein kann ruhigen Gewissens als sogenannte Nicht-Regierungs-Organisation (englisch: Non-Governmental Organisation, NGO) bezeichnet werden. Es ist nicht Ziel dieses Artikels, weiter auf das Kompetenzzentrum einzugehen, denn es steht lediglich als eines vieler Beispiele. Denn wer beim Kompetenzzentrum angelangt ist, ist auch schon beim ersten Anzeichen einer neuen NGO-Regierungsform angekommen, die mit dem Neoliberalismus konform läuft: einer Nicht-Regierungs-Regierung. Da könnte sich der eine oder andere schon vor Lachen auf die Schenkel klopfen, wenn es denn nicht so traurig wäre – und überaus real! Denn in der Praxis sieht das so aus, dass diese Nicht-Regierungs-Organisationen mit einem Auftrag versehen und mit Steuergeldern unterfüttert werden. Diese Organisationen setzen dann die im Programm festgelegten Ziele um, und zwar unter Umgehung aller ansonsten gebotenen parlamentarischen und demokratischen Mechanismen. Die Regierung gibt alle lästigen demokratischen Pflichtübungen, wie Eingaben, Debatten, Meinungsbildung und Abstimmungen nach außen ab; Regierungs-Outsourcing sozusagen – ganz im Sinne des neoliberalen Neusprechs. Der Faktor Mensch wird sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher und politischer Ebene im Zuge dieses neuen Demokratieverständnisses aus dem System einfach wegrationalisiert, weil er dem System im Wege steht.

Dieses generiert die Frage: Worin liegen die wirtschaftlichen Interessen? Warum ist es einer globalisierten, neoliberalen Welt so wichtig, dass es keine Männer und Frauen (und Kinder!) im klassischen Sinne mehr gibt, sondern nur noch den eigenen Neigungen folgende Individuen? Antwort: Weil Männer und Frauen im klassischen Sinne die atomaren Kerne darstellen, um die sich das wirtschaftliche und soziale Leben des familiären Nukleus dreht. Und die Familie (im Original: das Haus) ist, wie Aristoteles bereits treffend festgestellt hat, die kleinste Zelle des Staates (der Demokratie). Es ist aber nun einmal leider so, dass der Neoliberalismus für sich den Anspruch des Alleinherrschenden reklamiert und den Staat – und dessen Institutionen – als Erfüllungsgehilfen für seine absolutistische Doktrin verpflichtet.

Der Neoliberalismus duldet keine Nischen mehr, in die sich die Menschen gedanklich, wirtschaftlich, sozial, kulturell und letztlich auch sexuell zurückziehen können. Alles wird beleuchtet, alles soll und wird ans Licht gezerrt werden. Talkshows, sogenannte Votings, Gerichtssendungen, Sondersendungen, Befragungen, Forschungsarbeiten: Es gibt nichts, an dem der neue Staat nicht interessiert ist. Er zerrt alles ans Licht und nimmt somit aus allen Strömungen die Kraft. Im Zeitpunkt der öffentlichen Diskussion einer Sache liegt auch deren Ende, denn alles wird katalytisch aufbereitet, konsumiert und im Sinne der Sache verwertet.

Der Neoliberalismus duldet keine Abweichungen, denn Abweichungen bedeuten Reibungsverluste bei der Erreichung des Zieles der totalen Wirtschaft. Wenn die Familie die kleinste Zelle des Staates ist, dann hat die Familie auch – auf kleinstem aber durchaus berechtigtem Niveau – staatstragende Aufgaben: Ausarbeitung der Finanzen, Festlegung der Arbeitsabläufe, Vorgabe von Strategien im alltäglichen familiären Leben. Noch einmal: Wir betrachten hier das statistische Mittel, und wer glaubt, dass Familie Müller um die Ecke nicht wichtig genug ist, um auf der neoliberalen Abschussliste zu stehen, der sollte schon mal die Tür gut abschließen und möglichst ein paar Schränke vorschieben: Familie Müller, Familie Maier und Otto Normal bilden das statistische Mittel, das gegen sie verwendet wird. Der Neoliberalismus duldet keine Finanzpläne, Arbeitsabläufe und Strategien mehr außer den eigenen; in einer totalen Wirtschaft kann es keinen Strategie-Pluralismus geben, weil er der angestrebten Gleichschaltung entgegen läuft. Die Statistik wird aus der Gesellschaft erhoben, um die Gesellschaft zu lenken.

Und hier sind wir angelangt, bei der Kernaussage der Überlegungen: Die heute stattfindende Revolution hat die Gleichschaltung aller Ebenen des menschlichen Lebens zum Ziel, und sie bedient sich der Köpfe des Menschen, damit die Menschen dieser Gleichschaltung auch zustimmen. Es ist eine friedliche Revolution. Es fließt kein Blut. Aber sie ist brutal und ungerecht, weil sie den Menschen seiner ureigensten Eigenschaften beraubt: Es ist eine wichtige Eigenschaft dieser Gleichschaltung, dass die Gleichschalter sich diese neu geschaffene Welt in jeder Hinsicht leisten können. Die Elite schwimmt wie ein Korken auf dem Gewässer, welches sie unter sich geschaffen hat. Die nach oben verteilte statistische Mitte schwebt über dem statistischen Rohmaterial, während dieses Rohmaterial sich in einem täglich verschärfendem Wettbewerb gegeneinander behaupten muss.

Nun müssten solche Begriffe wie »soziale Ungerechtigkeit«, »wirtschaftliche Brutalität« und »neoliberaler Wettbewerb« eigentlich bestimmte – vornehmliche linke – Gruppen auf den Plan rufen. Und auch die Kirche, der man eine gewisse moralische Wächterinstanz abverlangen sollte, auch wenn sie bitteschön und hoffentlich keine linke Instanz ist. Aber nein, diese Institutionen werden nicht auf den Plan gerufen: sie berufen sich selbst! Befragen Sie jegliche Institution, die ihnen in den Sinn kommt: Parteien aller Couleur, die Presse, führende Persönlichkeiten, die Gewerkschaften und sogar die Kirche: Das Deckmäntelchen der Gleichberechtigung legt sich über alles und jedes Argument im Diskurs des Neoliberalen.

Und der Begriff der Gleichberechtigung ist, im Ergebnis seiner Suche nach einer treibenden Kraft, im Hafen der Genderisierung und Globalisierung angekommen. Das Fatale an dieser Entwicklung ist, dass nun all jene, die für die Gleichberechtigung eintreten, sich entspannt zurücklehnen können. Die Gleichberechtigung ist in einem Neo-Feminismus angelangt, der mit dem Feminismus, der in den 30er-Jahren des alten Jahrtausends in den USA entstanden ist, kaum vergleichbar, und der diesen – sehr zum Wohlgefallen aller Befürworter – weit übertrifft. Und dieses Muster ist vom Feminismus auf alle anderen – vermeintlich linken Ideen – übertragbar: Individualismus, Freidenken, Gerechtigkeit, die Internationale: linke Gruppen, die eigentlich als Gegenstrom der Globalisierung verstanden werden sollten, werden von dieser vereinnahmt. Die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände bedienen sich derselben Rhetorik, derselben Argumente und derselben Agitationen. Im Zuge der Globalisierung werden die Fronten eingeebnet. Aus den Antagonisten werden Protagonisten, die sich qualitativ kaum noch unterscheiden. Der Unterschied liegt heute nicht mehr zwischen den Positionen, sondern zwischen denen, die die Vorgaben machen, und jenen nützlichen Idioten, die die Vorgaben umsetzen. Es ist gleichzeitig die Eigenschaft und auch der Erfolg des Neoliberalismus, dass er alle Kräfte, ob links oder rechts, säkular, profan aber auch kirchlich, für sich vereinnahmen kann.

Die Globalisierung und die Gender-Revolution als tragende Säulen des Neoliberalismus sind daher bereits vollzogen. Es ist lediglich die Frage, wann der rollende Stein der Gleichschaltung zum Stehen kommen wird. Es gibt noch ein paar Nischen, in denen sich ganz profane Interessen verbergen und sich dessen, was von wirklich allen Institutionen und Parteien vorangetrieben wird, widersetzen.

Der Staat ist kein Staat der Bürger mehr. Er stützt sich ausschließlich auf Mechanismen, die die Bürger auf eine kalkulierbare Größe reduzieren, damit der Bürger kostengünstig regierbar wird. Dass die Bürger diese Mechanismen nicht einmal mehr nachvollziehen können, ist derselben Logik irrelevant. Darüber hinaus versteckt sich der Staat hinter Organisationen, die er in die Gesellschaft gepflanzt hat, damit diese Wurzeln schlagen, die Doktrin weiter tragen und somit die Nicht-Regierung jeglicher Verantwortung entziehen.

Es gibt noch so viel in dieser Hinsicht zu tun und zu schreiben. Das Potenzial für einen realen, sozial notwendigen und nützlichen Widerstand gegen einen in seiner Natur kaum greifbaren Angriff auf die Gesellschaft ist vorhanden. Es liegt aber auch in der Eigenschaft des Gegenstandes, dass der Widerstand dagegen bereits fast ausgeschaltet wurde. Die totale Wirtschaft unter der neoliberalen Ideologie schreitet voran. Und alle scheinen es zu wollen. Denn es ist eines der besonderen Merkmale des Neoliberalismus, dass er die Kräfte der Opposition zu bündeln und einzuebnen vermag, indem er sich deren Ziele zueigen macht und diese für sich instrumentalisiert.

Samstag, 15. Mai 2010

Reformwahn und Bildungsbürokratie

In der Falle
Wie die Schule von Reformwahn und Bildungsbürokratie erdrückt wird

von Martin Beglinger

Vor einem knappen Monat, am 21. April 2010, sassen sämtliche Baselbieter Lehrkräfte in der Basler St.-Jakobs-Halle; 3000 Leute und eine Stimmung, die ungefähr so schlecht war wie an der Generalversammlung der UBS, die ein paar Tage zuvor am selben Ort getagt hatte. Der Baselbieter Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP) versuchte, der Lehrerschaft seinen Reform- und Sparkurs zu verkaufen, doch der Mann hatte einen sehr schweren Stand damit. So stellte der Ettinger Sekundarlehrer Daniel Vuilliomenet einen Antrag, wie man ihn im ganzen Land noch nie gehört hat: Er verlangte einen sofortigen Stopp sämtlicher Volksschulreformen. Vuilliomenet drang zwar nicht durch damit, doch 746 Lehrerinnen und Lehrer stimmten dem radikalen Vorhaben zu, und ganze 1000 enthielten sich der Stimme, was kaum anders zu deuten ist als Zeichen «tiefster Verunsicherung der Lehrerschaft einerseits durch die Reformflut und anderseits durch den undurchsichtigen Führungs- und Planungsstil der Bildungsdirektion», wie Bea Fünfschilling sagt, die Präsidentin des Baselbieter Lehrervereins.

Nicht minder reform- und bürokratiekritisch klingt es in Kantonen wie Bern, Solothurn, St. Gallen, Luzern — und Zürich. Das Stadtzürcher Primarschulhaus Allenmoos hat Mitte April seine «Aktion Schule im Sinkflug» gestartet. «Unsorgfältige Reformen und überbordende Administration fressen die Zeit für die Vorbereitung des Unterrichts und die Betreuung der Kinder — die Kinder kommen zu kurz», heisst es in einer Petition. Ein halbes Dutzend weiterer Schulen hat sich seither mit der Aktion solidarisiert, innerhalb von vierzehn Tagen haben 4000 Personen ihren Namen unter diesen Protest gesetzt.

Die Klage unter vielen der rund 100 000 Lehrerinnen und Lehrer in der Schweiz ist überall die gleiche: Es ist die Klage über einen Reformwahn, der die Schweizer Schulen in den letzten fünfzehn Jahren überzogen hat. Und mit ihm eine Bürokratisierungswelle wie nie zuvor. Von Harmos bis zur schulischen Integration sind in der Schweiz «Hunderte» von Reformprojekten auf allen Stufen am Laufen, schätzt der Bildungsforscher Urs Vögeli-Mantovani. Den genauen Überblick haben selbst die Spezialisten verloren.

Das Gleiche gilt für die Bildungsbürokratie. Ein hoffnungsloses Unterfangen, wer dieses Dickicht in Zahlen zu fassen versucht. Alle, die es versucht haben, sind kläglich gescheitert. Weil auch die Bildungsdirektionen selber dauerreformiert werden, lässt sich nichts miteinander vergleichen. Sicher ist nur, dass «das System wächst und wächst und unter dem Strich immer teurer wird», so das Fazit von Samuel Ramseyer, Präsident der Bildungskommission im Zürcher Kantonsrat, gegenüber dem «Tages-Anzeiger».

Das Grosse zeigt sich auch im Kleinen: Der langjährige Schulpsychologe einer Zürcher Vorortsgemeinde hat ermittelt, dass von 1975 bis 2008 die Schülerzahlen und Klassenlehrstellen um je 20 Prozent gestiegen sind, jene für die schulische Heilpädagogik hingegen um 155 und für Schulverwaltung gar um 355 Prozent. (Die Zahlen stammen aus Jürg Jegges Buch «Fit und Fertig».) Der Zürcher Psychologe und Hochschuldozent Jürg Frick schrieb dazu im «Tages-Anzeiger»: «Die Bürokratisierung nimmt von Jahr zu Jahr zu: Papiere, Konzepte, Programme, Formulare, Untersuchungen, Befragungen, Statistiken, Tabellen, Berichte, Leistungsvereinbarungen. (…) Statt die Kräfte der Lehrerinnen und Lehrer mit Reformen, Sitzungen und Projekten zu verzetteln, braucht es hier eine radikale Umkehr. Es braucht wenige, gut ausgewählte Reformen, die mit den Beteiligten umgesetzt werden.»

Abhängigkeiten

Frick zählt zu den wenigen, die solche Kritik überhaupt öffentlich zu äussern wagen. Viele Bildungsfachleute gehen hingegen sofort in Deckung, wenn man sie auf Stichworte wie «Bildungsbürokratie» oder «Reformwahn» ansprechen will. Einer sagt: «Das sind sehr spannende Themen, aber zu heikel für mich. Ich kann es mir nicht leisten, mich mit meinen Auftraggebern anzulegen.» Anton Strittmatter, der kampferprobte langjährige Chefpädagoge des Schweizer Lehrerverbandes LCH, sagt dazu: «Sehr viele Erziehungswissenschaftler sind ein Stück weit in die Prostitution geraten, weil sie am Tropf der Bildungsdirektionen hängen.»

Einer, den solche Rücksichtnahme herzlich wenig kümmert, ist Roland Reichenbach, 48, Pädagogikprofessor an der Universität Basel. Reichenbach sitzt in seinem grosszügigen Büro, das in der prächtigen Orangerie eines barocken Landsitzes aus dem 18. Jahrhundert zu finden ist. Der Mann, ein Hüne mit wallendem, dunkelbraunem Haar, gebürtig aus Gstaad, ist der schnellstredende Berner, den man je angetroffen hat, ein ebenso schneller Denker sowie «ein grosser Freund des arabischen Sprichwortes, dass ein schnelles Kamel haben muss, wer die Wahrheit sagt».

Roland Reichenbach passt in keine Schublade. Er ist kein Linker, kein Rechter und gewiss auch kein Anwalt der politischen Korrektheit, wohl aber der eloquenteste Reformkritiker im Land. Was nicht heisst, dass er gegen jede Reform wäre. Er weiss, dass er gelegentlich «Applaus von der falschen, der konservativen Seite» kriegt, was ihn gar nicht freut, weil er sich beileibe nicht als Romantiker fühlt, der früher alles besser fand. Reichenbach nimmt einzig seine Freiheit als Wissenschaftler in Anspruch, mehr als andere jene Frage zu stellen, die der Psychoanalytiker Aron Bodenheimer einmal «obszön» nannte: Die Frage nach dem Warum. Obszön deshalb, weil bei dieser typischen Kinderfrage die Gegenseite sofort unter Legitimationszwang gerät. Wer etwas verlangt, muss einsehbare Gründe vorbringen können, sonst wird die Sache schwierig.

Die Concorde-Falle

Sechs Jahre lang war Reichenbach Professor an der norddeutschen Universität Münster, bevor er auf den Lehrstuhl nach Basel berufen wurde. Noch bevor er dort im Februar 2008 begann, hielt er im Herbst 2007 ein fulminantes Referat vor der Aargauer Lehrerschaft über die «Concorde-Falle» und das «erfolgreiche Scheitern» von Bildungsreformen. Die Reaktion? Wie gehabt. Begeisterung an der Basis, ganz im Gegensatz zum damaligen Bildungsdirektor Rainer Huber (CVP), dessen Kanton (via Fachhochschule Nordwestschweiz) den Lehrstuhl von Reichenbach mitfinanziert. Huber war derart verärgert über diesen Auftritt, dass Reichenbach sich ernsthaft fragte, ob er tatsächlich in die Schweiz zurückkehren solle, an einen Ort, an welchem die Politik einzelnen Wissenschaftlern offenbar vorschreiben möchte, was sie sagen sollen und was nicht. Er trat seine Stelle dann trotzdem an — und bekam aus Halbdistanz, aber ohne die geringste Schadenfreude mit, wie Rainer Huber, der Ambitionierteste unter den Schweizer Bildungspolitikern, ein Jahr später mit Getöse scheiterte. Zunächst wurde sein grosses Reformprojekt «Bildungskleeblatt» an der Urne versenkt und kurz darauf der Bildungsdirektor selbst.

Die Concorde-Falle: ein Begriff, den Reichenbach im Buch «Die Logik der Unvernunft» des ungarischen Spieltheoretikers László Mérö entdeckt hat. Gemeint ist dies: Je länger man einen schlechten Film schaut, umso eher schaut man ihn bis zum Schluss. Je länger man auf einen Bus wartet, desto unwahrscheinlicher ruft man ein Taxi, weil der Bus zwischenzeitlich ja doch eintreffen könnte. Irgendwann wird es zu spät, um aufzuhören. Nicht anders bei der Concorde: Schon früh im Laufe der Entwicklung dieses Überschallflugzeugs war allen Beteiligten klar, dass das Projekt ein finanzielles Desaster sein würde. Jenseits jeder Rentabilität. Aber es steckte viel zu viel politisches Prestige drin, als dass die Verantwortlichen vernünftigerweise Übungsabbruch beschlossen hätten. So wurde die Concorde zum Prototypen für ein «erfolgreich gescheitertes» Projekt: offiziell beklatscht, inoffiziell ein Fehlschlag.

Exakt diesen Mechanismus sieht Reichenbach auch bei vielen Schulreformen am Werk, ob bei Harmos oder der schulischen Integration. Nicht dass er alles unnötig oder schlecht daran fände, denn früher war durchaus nicht alles besser. Für ihn beginnen die Probleme schon vor dem Start, nämlich bei der Begründung von Reformen: «Die behaupteten Defizite, mit denen Reformen behoben werden sollen, sind oft nicht wissenschaftlich abgeklärt worden.» Stattdessen werde pausenlos reformiert und innoviert, aber niemand wisse mehr warum.

Immer schön aktiv

Der Zeitgeist der letzten zwanzig, dreissig Jahre hielt Veränderung a priori für gut und den Status quo für langweilig. Wer etwas beim Alten belassen wollte, galt rasch als behäbig, verschlafen, von gestern. Oder zynisch. «Wenn die Politik oder die Bildungsverwaltung irgendwo ein Problem entdeckt hat, kann sie schlecht nichts tun, auch wenn niemand glaubt, dass es wirklich hilft. Untätigkeit könnte als Zynismus ausgelegt werden.» Oder wie Reichenbach in seinem Aargauer Vortrag mit sarkastischem Unterton gesagt hatte: «Hauptsache immer schön aktiv bleiben und Dinge umkrempeln, den maroden Laden ausmisten, denn irgendwo sind alle Läden marode, alle Institutionen ineffektiv, alle Schulen unwirksam, alle Lehrerinnen und Lehrer unprofessionell… Ein weites Feld also, in dem es immer etwas zu verändern gibt.»

Die Politik will handeln, aktiv sein, am liebsten gar an der Spitze, um als «Pionierin» gelobt zu werden. Es geht ja immerhin um Bildung, die mehr denn je als goldenes Tor zu einem guten Leben gilt. Weil die Politik selber unter steigendem Legitimationsdruck von Eltern, Medien und Wirtschaft steht, braucht sie ein überzeugendes Alibi: die Wissenschaft. Pädagogen, Erziehungswissenschaftlerinnen und Bildungsforscher sollen den Reformbedarf begründen. «Evidence based policy», evidenzbasierte Politik heisst der Modebegriff, der quasi ein objektives Gütesiegel suggeriert. Doch genau daran zweifelt Reichenbach: «Es wird zwar immer behauptet, Reformen förderten die Qualität des Unterrichts, aber den Beweis für diese Allerweltsthese bleiben die Reformer meistens schuldig.» Erst recht schwierig wird es, wenn ein Forscher gegen den Strom schwimmt: «Für Skepsis gibt es in diesem Bereich kaum Forschungsgelder», weiss Reichenbach aus Erfahrung. Umso grösser wird die Gefahr, dass die Forschung gefällige Gutachten für Politik und Bildungsverwaltung abliefert und mit neuen Aufträgen belohnt wird.

Die Zauberwörter

Wer reformieren wolle, sagt Reichenbach, müsse das Bestehende schlecht- und das Künftige schönreden, sonst gäbe es ja keinen Grund zum Verändern. Was es aber zweifellos gibt, ist eine Reformrhetorik, und die besteht nach Reichenbachs Erfahrung aus einem ganzen Schwall von Zauberwörtern, lauter «wohlklingenden und emotional aufgeladenen Begriffen, bei denen alle nicken und gegen die keiner etwas haben kann»: zum Beispiel Fortschritt. Innovation. Modernisierung. Koordination. Qualität. Transparenz. Oder: aktiv, autonom, selbstständig, sozial. Das Problem dieser Begriffe ist bloss, dass sie «ausgehöhlt sind» (Reichenbach). Wer will schon rückschrittliche Lehrer? Oder passive, abhängige und inkompetente Schüler?

Paradebeispiel für eine von vielen Zauberwörtern begleitete Reform ist die Einführung von Frühenglisch als zweite Fremdsprache. Das schillerndste heisst in diesem Fall Hirnforschung. Wenn «die Hirnforschung» (angeblich) sagt, je früher man eine Fremdsprache lerne, umso besser, dann können ja wohl nur Ignoranten und Hinterwäldler etwas dagegen haben. Man dürfe die Kinder nicht mit «Lernverboten» belegen, hiess eines der Argumente, mit denen man die letzten Kritiker mundtot machte. Wie genau und mit welchen Mitteln das alles funktionieren solle, das fragten nur noch die Praktiker. Hauptsache es wurde möglichst rasch eingeführt, um zu signalisieren, dass auch die Volksschule eine «moderne» Schule ist. Dass viele Lehrkräfte sehr skeptisch waren, buchte die Bildungspolitik und -verwaltung als übliches Gejammer eines notorisch veränderungsunwilligen Berufsstandes ab. Unterdessen ist die frühe Einführung zweier Fremdsprachen durchgedrückt worden, sie kostet Millionen. Die Resultate sind zwiespältig bis ernüchternd, weil man gemerkt hat, dass der Lernerfolg sehr auf die Umstände ankommt, und die passen häufig nicht zusammen. Doch längst steckt zu viel Geld und Prestige in dem Grossprojekt, als dass die Verantwortlichen selbstkritisch über die Bücher gingen. Kurz: «Die Concorde-Falle schnappt zu», wie auch Anton Strittmatter vom LCH feststellt.

Die Iso-9000-Schule

Mitte der Neunzigerjahre war bereits eine andere Englisch-Welle über die Schweiz und ihre Schulen geschwappt. Es war die «New Public Management»-, «Ranking»-,«Benchmarking»-, «Input»-, «Output»- und «Performance»-Welle. Spätestens mit der ersten Pisa-Runde im Jahr 2000, im Grunde aber schon vorher, kam sie hierzulande in Gestalt von Ernst Buschor an, jenem Professor für Finanzwirtschaft und Finanzrecht, der sich als Bildungsdirektor die Radikalreform der Zürcher Volksschule zum Ziel gesetzt hatte. Dahinter stand der Glaube eines Ökonomen an die totale Steuer-, Mess- und Kontrollierbarkeit von Bildungssystemen; Schule als ISO-9000-Projekt. Doch an Bildung als durchstandardisiertem Industriezweig glaubt Reichenbach so wenig wie zum Beispiel der Berner Pädagogikprofessor Walter Herzog.

In den USA, wo sie ihren Ursprung hatte, ist diese Welle bereits wieder verebbt, auch weil man gemerkt hat, dass die Schulen im Gefolge des Ranglistenwahns immer mehr «teaching to the test» betreiben, also nicht breite Bildung, sondern kurzfristiges Eintrichtern, um möglichst gute Testresultate zu erreichen. In der Schweiz hingegen flutet diese Reformwelle weiter.

Ein weiterer Begriff aus der grossen Kiste der Reformzauberwörter ist «Qualitätsmanagement». «Hat jemand etwas gegen Qualität? Natürlich nicht», sagt Reichenbach. Trotzdem verdreht er die Augen bei diesem Begriff, genauso wie Tausende von Lehrkräften oder LCH-Vertreter Anton Strittmatter. Denn sie machen alle die gleiche Erfahrung: Anstatt die (wie auch immer definierte) Qualität zu verbessern, wird in erster Linie eine bürokratische Papierflut provoziert: «Da schreibt man sich in Hunderten von Schulhäusern während Tausenden von Stunden die Finger mit irgendwelchen Papieren wund, man füllt Ordner um Ordner mit Titeln wie ‹total quality management›, doch letztlich macht man bloss die Lehrkräfte verrückt», wie Strittmatter sagt. Auch hinter den «externen Schulevaluationen» vermag der LCH-Vertreter selten mehr als «sündhaft teure, letztlich aber sinnlose Fassadenmalerei» zu erkennen, die in erster Linie als politische Legitimation für die vielen, vielen dafür geschaffenen Jobs in der Bildungsverwaltung diene.

Jobs, Prestige, Macht

Verkauft wird das alles mit Vorliebe unter dem Zauberwort «Professionalisierung». Klingt immer gut. Wer mag es schon «unprofessionell»? Doch wer ein Metier «professionalisieren» (und folglich reformieren) will, der ruft nach Ausbildung, Zertifikaten, Investitionen, sagt Reichenbach. Das möge in vielen Fällen berechtigt sein, und doch stelle sich die Frage, ob denn die «Profis» in jedem pädagogischen Bereich immer bessere Arbeit leisteten als die «Amateure». Reichenbach selber war mit 16 Jahren ans Berner Lehrerseminar gegangen und mit 21 ausgebildeter Primarlehrer. In Basel musste ein Lehrer eine Matura haben, in Bern hingegen nicht. «Waren die Lehrer in Basel deshalb nachweislich besser als in Bern? Darüber weiss man nichts!», sagt Reichenbach.

Trotzdem ist auch die Lehrerausbildung totalrefomiert worden mit dem Umbau der früheren praxisorientierten Seminare und Pädagogischen Hochschulen, die jetzt auch forschen müssen und theorielastiger werden und damit selber wieder zu Treibern neuer Reformen. Das müsse keineswegs falsch sein, sagt Reichenbach, der dezidiert für die Akademisierung der Primarlehrerinnen- und Primarlehrerausbildung ist. Doch bei vielen Reformen im Bildungsbereich bleibe offen, ob sie richtig und überhaupt nötig sind. «Das ist eben ein Grundproblem aller Reformen: dass die Reformer so tun müssen, als wüssten sie alles schon vorher besser.»

Sicher hingegen ist: Wer Professionalisierung verlangt, der spricht immer auch von Jobs, Prestige, Macht. Tatsächlich haben die Reformschübe zu einem Boom von Beratern und Experten geführt, die alles Neue mit Kursen, Gutachten und Weiterbildungen begleiten. Respektive kontrollieren. Genaue Zahlen gibt es nicht, es dürften etliche Tausend sein. Manche von ihnen standen früher selber vor Schulklassen und wechselten dann ins Berater- , Verwaltungs- und Expertenmetier, wohl auch deshalb, weil es mit weniger Mühsal und Verantwortung verbunden ist, als täglich vor einer Klasse mit 25 Pubertierenden zu bestehen.

Das klingt natürlich wenig schmeichelhaft. Reichenbach will den Beratern und Experten «durchaus nicht unedle Motive unterstellen». Jede und jeder will das Beste machen, helfen, Probleme lösen — aus seiner individuellen Logik heraus. Man glaubt durchaus an den Sinn des eigenen Tuns — wie jeder stolze Concorde-Pilot. Die Frage ist bloss, ob daraus auch das Beste für das grosse Ganze resultiert. Und da setzt der Pädagoge Reichenbach viele Fragezeichen.

Das Reformbusiness

Unbestritten ist allerdings, dass das Reformmetier seine Eigendynamik entwickelt. Es funktioniere wie das Gesundheitswesen, sagt Reichenbach: je mehr Ärzte, desto mehr Kranke. Der Berner Erziehungswissenschaftler Fritz Osterwalder erklärt: «Jede Verwaltungsstelle im Bildungswesen erfindet neue Reformen, um ihre eigene Existenz zu legitimieren.» Und der Ökonomieprofessor Mathias Binswanger, der an einem Buch über Reformzwänge und sinnlose Wettbewerbe arbeitet, schrieb kürzlich im Magazin «GDI»: «Jeder neue Präsident, Rektor, Direktor oder Chefbeamte einer öffentlichen Organisation muss seine Fähigkeiten zuerst einmal mit einer Reform unter Beweis stellen.» Hierauf zitiert Binswanger einen früheren HSG-Rektor mit dem Satz: «Wir müssen nicht rechtfertigen, weshalb wir Reformen durchführen, sondern weshalb wir keine Reformen durchführen.» Für den Ökonomen Binswanger ist es nur eine Frage der Konsequenz, dringend von einem nationalen Bildungsdepartement abzuraten, das man derzeit in Bern einrichten will. «Ein Bildungsdepartement würde vermutlich alles noch schlimmer machen, Reformen würden noch mehr zum Selbstzweck.»

So weit will Reichenbach nicht gehen, auch wenn er den Schlagworten ebenfalls misstraut, die dahinter stehen. Und erst recht der Vorstellung eines präzise steuer- und kontrollierbaren Bildungssystems. Im Grunde hält er das für eine sorgsam gepflegte Illusion. Dass eine Wirkung erzielt wird mit Reformen, das steht für ihn ausser Frage. Er bezweifelt nur, «ob die gewollte Wirkung wirklich kontrollierbar ist. Ich bin da bescheiden bis skeptisch.»

Hinzu kommt etwas Grundsätzliches: «Wer reformieren will, muss wissen, wohin er will. Doch wo liegt das Ziel? Man weiss nicht mehr, wo die Reise hingeht.» Ausser in der Technik glaubten die Menschen kaum mehr an Fortschritt, sagt Reichenbach. «Nehmen Sie das sozialdemokratische Milieu, das am nächsten bei den Schulreformen steht. Die liberalen, aufgeschlossenen Eltern sagen ihren Kindern: ‹Werde nicht schwanger! Mache deinen Schulabschluss! Nimm keine Drogen! Aber sonst kannst du machen, was du willst, es ist dein Leben.› Das klingt zwar liberal, aber es verdeckt nur die eigene Ratlosigkeit.» Lieber wolle man begleiten als führen, sagt der vierfache Vater Reichenbach, doch das bedeute in manchen Situationen nur, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

Dasselbe in der Pädagogik. Reichenbach beobachtet neuerdings «eine starke Ablehnung der Normen- und Wertediskussion» in seiner Zunft. Und ebenso von klassischen pädagogischen Konzepten wie etwa dem Begriff der Autorität, obwohl in «Pädagogik» das griechische Wort «führen» steckt. So weiche man den (umstrittenen) Fragen nach Inhalten mit endlosen Diskussionen über (Re-)Formen und Strukturen aus. Die Folge davon: «Viele Erziehungswissenschaftler lassen die Praktiker allein. Denn die Praktiker wollen von einem Professor beispielsweise auch mal wissen, ob Bestrafung nun sinnvoll ist oder nicht?»

Ratlose Pädagogik

Stattdessen sieht Roland Reichenbach überall «Bindestrich-Pädagogiken» wuchern: Freizeitpädagogik, Medienpädagogik, Familienpädagogik, Umwelt-, Sport- und Sexualpädagogik. Oder die «professionelle Eltern-Pädagogik», deren Einführung der Zuger SP-Nationalrat Andy Tschümperlin kürzlich verlangt hat. Von Pädagogik, lästert Reichenbach, sei hier «nicht mehr viel zu finden». Dafür umso mehr «pädagogischer Kitsch» (Reichenbachs «Lieblingsthema») und «Political Correctness». «Lehrer sind nicht mehr Lehrer, sondern ‹Begleiter von Lernprozessen› oder ‹Gestalter von Lernumwelten›. Ich finde das schrecklich. Es ist auch nicht politisch korrekt, wenn die Lehrerin einem Kind sagt, es solle sich mehr anstrengen. Man verlangt nicht etwas vom Kind, sondern man fragt: Wie kann ich das Kind motivieren? Letzteres ist moderner, weil diese Frage nicht moralisiert, sondern das Kind entlastet. Es ist quasi das Opfer der Verhältnisse. Man kann also therapieren — und ist damit wieder beim Experten- und Beratergürtel angelangt.»

So spricht Reichenbach auch in seinen Seminaren. Und wenn ihn die Studierenden fragen, warum er die Psychologisierung der Pädagogik so hart kritisiere, zumal er doch letztlich selber davon profitiere, dann antwortet Reichenbach: «Stimmt! Doch meine Hauptaufgabe ist es, all diesen Begriffen auf den Grund zu gehen, um zu verstehen, was Sache ist.»

Die mit Abstand grösste Reformbaustelle ist derzeit die schulische Integration der behinderten und verhaltensauffälligen Kinder in die Regelklassen. Kaum ein Kanton, in dem die Lehrkräfte nicht massive Probleme damit hätten: zu grosse Klassen, riesige Leistungsunterschiede, zu viele Lehrkräfte, die sich allein gelassen und verschaukelt fühlen. Die Integration betreffe das Kerngeschäft der Schule, und sorge man nicht für die notwendigen Gelingensbedingungen, «dann droht das gesamte System zu kippen», warnt LCH-Präsident Beat W. Zemp, der oberste Lehrer der Schweiz. «Ohne genügende Ressourcen für diese Integration laufen uns die Lehrkräfte in Scharen davon.» 175 Jahre lang, so Zemp, habe die Schweizer Volksschule in bester Absicht das Gegenteil gemacht, nämlich separiert und gesondert beschult. Dann, im Jahr 1994, wurde an einer UNO-Konferenz die «Deklaration von Salamanca» unterzeichnet. Im Namen von Antidiskriminierung und Chancengleichheit wurde hier quasi auf höchster Ebene die schulische Integration verlangt. Auch die Schweiz unterschrieb die Erklärung, und fortan liess sich immer sagen: Jetzt müssen wir es auch umsetzen. (Die zweite Begründung ist der Neue Finanzausgleich, durch den die IV-Subventionen für sonderpädagogische Massnahmen wegfallen, weshalb Kantone und Gemeinden die Kinder mit «besonderen pädagogischen Bedürfnissen» nun in die Regelklassen schicken.)

Es war eine Concorde, die hier abgehoben hatte. Und einmal mehr, sagt Reichenbach: «Man musste ein Unmensch sein, um sich gegen Integration respektive für Separation auszusprechen.» Noch heute versichern die meisten Lehrkräfte, dass sie Integration zwar für den richtigen Grundsatz halten. Aber nicht die Art der Umsetzung. Denn die erfolgte wie immer von oben nach unten, im Powerplay von Bildungsverwaltung und Beratergürtel, und wer an der Basis Bedenken anmeldete, wer die obszöne Frage «Warum?» und «Warum so?» stellte, der galt rasch als Stänkerer. Oder noch schlimmer: als SVPler.

Unterdessen ist auch diese Concorde schon weit geflogen, und das nächste erfolgreiche Scheitern zeichnet sich ab, nämlich Klassen, die zwar «integriert» sind, in denen aber nichts für niemanden mehr stimmt: weder für die neu integrierten Kinder noch für die bisherige Klasse und ebenso wenig für die Lehrperson. Die Konsequenz: Noch mehr bisherige Lehrkräfte brennen aus und noch weniger angehende übernehmen eine Stelle als Klassenlehrer, weil sie sich dort überfordert fühlen. Umso grösser die Absetzbewegung in den vergleichsweise weit weniger anstrengenden Berater- und Expertengürtel, der sich dann seinerseits an die Reform der Reform macht.

Von unten nach oben

Zurück bleiben die Klassenlehrerinnen und -lehrer mit noch mehr Sitzungen, Kommissionen, Frustrationen. Ein Drittel der Lehrkräfte, hat 2009 eine Umfrage der OECD ermittelt, fühlt sich durch die permanente Reformwalze und Bürokratie bei ihrer Arbeit überfordert. Wen wundert es, dass die Schule selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer weniger guten Nachwuchs findet. Die Reformen — die eigentlich alles besser machen müssten — wirken offensichtlich abschreckend.

Doch was tun, damit Reformen tatsächlich gelingen und nicht erfolgreich scheitern? Das Wichtigste, sagt Reichenbach: Es braucht auch Reformen von unten nach oben. Nur wenn sie an der Basis akzeptiert sind, werden die Neuerungen auch umgesetzt und nicht über passiven Widerstand sabotiert. Umso betrüblicher, dass konsequent das Gegenteil passiert. Es wird allein von oben nach unten reformiert, über die Köpfe der Betroffenen hinweg. Einer der Reformslogans heisst zwar «Autonomie», mehr Selbstverantwortung für die Schulen, was theoretisch auch allseits begrüsst wird. Tatsächlich sind in den letzten Jahren überall Schulleitungen eingeführt worden — aber mit ihnen eben auch eine gewaltige Kontrollbürokratie, weil man oben dieser Autonomie misstraut. «Controllingwahn» nennt es Anton Strittmatter vom LCH. Lehrkräfte und Schulleitungen ertrinken seither in einer Formular- und Regulierungsflut, weil sie bald jede Massnahme im Schulzimmer dokumentieren und legitimieren müssen, auch aus Angst vor Rekursen verärgerter Eltern. Der wohlklingende Begriff Autonomie sei pervertiert worden, sagt Roland Reichenbach: «Autonom entscheiden bedeutet heute: Ihr könnt selber entscheiden, welchen Arm ihr euch abschneiden wollt.»

Eine zweite Voraussetzung für gelingende Reformen ist laut Reichenbach das Tempo. Man könne nicht dauernd und immer schneller reformieren, «erst recht nicht in der Schweiz, in deren politischer Kultur wenig Expertokratie steckt». Der Berner Erziehungswissenschaftler Fritz Osterwalder sagt dazu: «Ein wichtiger und historisch gewachsener Teil der Volksschule war die Aufsicht und Steuerung über Laiengremien. Das war einerseits effizient, anderseits erhöhte es die Akzeptanz der Schule in der Bevölkerung. Doch diese Laiengremien sind in den letzten Jahren systematisch durch die Bildungsverwaltung unterlaufen und zurückgedrängt worden. Offiziell dient das der Professionalisierung, doch normative Fragen an der Schule können nicht von Profis stellvertretend für die Gesellschaft beantwortet werden.»

Die Rolle der SVP

Wenn es in den letzten Jahren eine Reformbremse gab, dann war es die direkte Demokratie. Zum Beispiel die Abstrafung von Rainer Huber und dessen Projekten im Aargau, welche die Reformlust in der Bildungspolitik massiv gedämpft hat. Fast niemand mehr will im Moment je etwas von Reformen gesagt haben. Die Politik ist mehr oder weniger abgetaucht — doch die Reformen gehen weiter. Umso heftiger legt sich die SVP seit Harmos quer und bekämpft seither alles, was an der Schule neu werden soll. Ein überraschender Nebeneffekt dabei ist, wie viele Sympathien die SVP sich mit ihrer scharfen Reformkritik in der Schweizer Lehrerschaft geholt hat, welche ansonsten eher als linksliberal oder unpolitisch gilt. Man freut sich klammheimlich über die ungewohnte Unterstützung von rechts, wenn auch oft nur so lange, bis die SVP das nächste Bildungsbudget zusammenstreichen will.

Wenn er entscheiden müsste zwischen einer Schule der totalen Kontrolle und des organisierten Chaos, dann würde sich Roland Reichenbach garantiert für Letzteres entscheiden. An die grossen Würfe im Bildungswesen glaubt er schon lange nicht mehr. Dafür umso mehr an die einzelne Lehrerin und den Lehrer, die oder der vor einer Klasse steht. «Ich bin auf der Seite der personalen Beziehungen», sagt er, auch wenn man dies für «alte ‹Reformpädagogik›» halten könnte. «Am Schluss hängt Sinn und Gelingen im pädagogischen Bereich von konkreten Menschen ab, ihrem Einsatz, ihrer Haltung und ihren Beziehungen. Das mag naiv klingen, doch es ist leider eine Angst mancher Erziehungswissenschaftler, die ganz besonders wissenschaftlich sein wollen, nur ja nicht sentimental zu erscheinen. Aber die Lehrperson hat nun einmal an die Entwicklung der guten Kräfte im einzelnen Kind, der einzelnen Schülerin zu glauben und sich dafür nach Möglichkeit einzusetzen. Das ist eine reformunabhängige Konstante.»

In den nächsten Monaten steht eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Tagungen an, welche die Reformfallen im Bildungswesen ausleuchten wollen. Das Thema gewinnt an Boden, eine schöne Überraschung für den «fröhlichen Pessimisten» Reichenbach. Er hält zwar vieles von dem, was er hier sagt, «im Grunde für banal. Aber dass es mal jemand offen anspricht, das hat offensichtlich eine befreiende Wirkung».

Martin Beglinger ist stv. Chefredaktor des «Magazins».

Freitag, 14. Mai 2010

Shoa - eine neue Religion?

Das Holocaust-Gedenken ist zu einer Art Religion geworden.
Pilgerfahrt nach Auschwitz

von Iris Hefets

Was haben die beiden Professoren Ilan Pappe (Israel), Norman Finkelstein (USA) und der Publizist Hajo Meyer (Deutschland) gemeinsam? Alle drei sind Juden, Überlebende des Holocaust beziehungsweise deren Nachkommen sowie vehemente Kritiker der israelischen Politik.

Was haben die Stadt München, die Trinitatiskirche in Berlin, die Heinrich-Böll- und die Rosa-Luxemburg-Stiftung gemein? Sie alle haben, nach anfänglichen Zusagen, Ilan Pappe beziehungsweise Norman Finkelstein wieder ausgeladen und ihnen versprochene Veranstaltungsräume verwehrt - so wie es die Heiliggeistkirche in Frankfurt vor ein paar Jahren bereits einmal mit Hajo Meyer getan hatte. Die genannten Institutionen gaben damit dem Druck sich proisraelisch gebender Kreise nach, die Finkelstein, Pappe und Meyer sogar als "Antisemiten" denunzierten. Wegen der Schoah. So nennt man das mittlerweile.

Früher sagte man "Auschwitz", dann "Holocaust". Bis Claude Lanzmann kam. Er suchte für das gigantische Menschheitsverbrechen, das er nicht verstand, ein Wort, das er ebenfalls nicht verstand. Also nannte der französische Regisseur seinen neunstündigen Dokumentarfilm über den Völkermord an den Juden 1985 "Shoah". Dabei störte es ihn nicht, dass es sich um einen religiös aufgeladenen Begriff handelt: Auf Hebräisch bezeichnet man damit eine Katastrophe, die Gott über die Welt gebracht hat. Inzwischen hat sich der Begriff auch in Deutschland eingebürgert.

Iris Hefets ist im Vorstand der "Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden" und arbeitet für das hebräische Internetportal www.kedma.co.il. Sie hat Israel vor acht Jahren aus politischen Gründen verlassen und lebt heute in Berlin.
Mit dem Wort "Schoah" wird der Völkermord an den Juden mit der Aura des Unfassbaren, des Heiligen ummantelt. Dabei handelt es sich bei diesem Völkermord, so erschreckend er war, nicht um ein esoterisches Ereignis, sondern um ein modernes, gut dokumentiertes und recherchiertes Verbrechen, das Menschen an anderen Menschen verübt haben. Zahllose Bücher wurden darüber geschrieben: Unfassbar ist es also nicht auf einer intellektuellen, sondern allenfalls auf einer emotionalen Ebene.

Mit dem hebräischen Wort "Schoah" wird in Deutschland auch die israelische Interpretation des Ereignisses übernommen. In Israel ist diese eine Art nationale Erzählung und ein Grundpfeiler des Staates, sodass sich dort jedes jüdische Kind damit identifizieren kann, selbst wenn seine Eltern ursprünglich aus dem Jemen oder aus Indien stammen. Schülerreisen nach Auschwitz, ursprünglich nur von israelischen Eliteschulen betrieben, sind heute ein fester Bestandteil jeder israelischen Postpubertätsbiografie geworden. Bevor ein junger Israeli zur Armee geht, muss er mindestens einmal Suff, Sex und eine Auschwitzreise erlebt haben. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann er seinen Armeedienst leisten und hinterher in Indien ausflippen.

Zu offiziellen Gedenktagen holen auch ältere Israelis die inzwischen obligate Pilgerfahrt nach Auschwitz nach. Von einfachen Soldaten bis zu hohen Generälen und Politikern marschieren sie in Uniform (!) durch Auschwitz und erinnern an die Worte Ehud Baraks: "Wir sind 60 Jahre zu spät gekommen." Das Evangelium von Auschwitz hat inzwischen sogar schon den Weltraum erreicht: Als der erste israelische Astronaut Ilan Ramon 2003 mit dem Raumschiff "Columbia" ins All flog, hatte er auch die Bleistiftzeichnung eines kleinen Jungen dabei, der in Auschwitz ermordet wurde.

Bei diesem Schoah-Kult handelt es sich, so muss man wohl sagen, um eine Art Religion mit festen Ritualen. Dazu gehört - ungeachtet aller heutigen Realitäten - die feste Überzeugung, die Deutschen seien die ewigen Täter und die Israelis die ewigen Opfer, weshalb die Gesetze und Regeln demokratischer Staaten für Letztere nicht zu gelten hätten: ein Sonderfall halt.

Diese Religion erfreut sich nicht nur in Israel großer Beliebtheit. Auch vielen Deutschen kommt eine solche Mystifizierung von Auschwitz gelegen. Denn wenn Auschwitz eine heilige Aura umgibt, dann muss man sich nicht mehr mit dem eigenen Potenzial zur Täterschaft auseinandersetzen. Wenn der Holocaust so heilig ist, dann darf man nur auf Zehenspitzen gehen.

Nicht wenige Deutsche haben damit ein prima Arrangement mit der Vergangenheit getroffen. Sie erklären das Verbrechen ihrer Vorfahren als so schlimm, dass es zu etwas quasi Mystischem geworden ist. Das Thema ist damit aus dem Diesseits und dem Feld der Politik in die Sphäre des Sakralen entrückt. Solange man die Rituale dieser Religion befolgt, braucht man sich nichts vorwerfen zu lassen und kann sich sogar, wie Angela Merkel in der Affäre um die Piusbruderschaft gezeigt hat, päpstlicher als der Papst verhalten. Kein Wunder, dass man in Deutschland zuweilen viel engagiertere Verfechter der israelischen Politik antrifft als in Israel selbst.

Es gibt aber auch Juden, die dieses israelisch-deutsche Interpretation der Schoah nicht akzeptieren. Für sie ist Auschwitz nicht heilig und Israels Politik noch immer kritisierbar. Publizisten wie der israelische Wissenschaftler Ilan Pappe, der ein Buch über "Die ethnische Säuberung Palästinas" geschrieben hat, sein US-Kollege Norman Finkelstein, der eines über die "Holocaust-Industrie" verfasste, und der in Deutschland geborene Dr. Hajo Meyer, der "Das Ende des Judentums" publizierte, gehören dazu. Doch in Deutschland sind sie deswegen nicht willkommen.

Man stelle sich vor, Heinrich Böll wollte heute über die Sprache der israelischen Besatzer reden - und die nach ihm benannte Stiftung ließe das nicht zu. Rosa Luxemburg bekäme in der Stiftung, die ihren Namen trägt, keine Gelegenheit, über die Machtverhältnisse in Israel zu sprechen. Und der Jude Jesus fände die Türen der Trinitatiskirche verschlossen, wenn er über die Missachtung des Nächsten in Israel sprechen wollte.

Lehren aus dem Holocaust
All diese Institutionen üben sich in Selbstzensur und belegen Publizisten, die sich für die Menschenrechte im Nahen Osten einsetzen, mit einem Redeverbot. Es ist immer noch angebracht, Rosa Luxemburgs Erbe weiterzugeben und die Dinge beim Namen zu nennen. Doch die Stadt München, die Trinitatiskirche in Berlin, die Böll- und die Luxemburg-Stiftung drücken sich davor.