Donnerstag, 29. Mai 2008

Bushs Angriffspläne gegen den Iran

Laut gut unterrichteter Quelle wird Bush den Iran im August angreifen

Asia Times berichtet dass zwei US-Senatoren bereits über den Angriffsplan informiert wurden

Paul Joseph Watson
Prison Planet
Tuesday, May 27, 2008

Die hoch geschätzte Zeitung Asia Times berichtet, dass die Bush-Administration Luftschläge gegen den Iran für August plant und dass zwei US-Senatoren bereits über die Pläne informiert worden sind.
Die Asia Times beruft sich auf einen US-Karrierediplomaten und ehemaligen Assistenten eines US-Außenministers als Quelle.
Laut Muhammad Cohens Artikel wären die Senatorin Diane Feinstein, eine Demokratin aus Kalifornien sowie Senator Richard Lugar, ein Republikaner aus Indiana, bereits über die Pläne informiert worden und hätten vor, ihren Widerstand in einem Leitartikel der New York Times zu äußern um die Luftschläge möglicherweise zu verhindern.

Cohens Quelle berichtet dass die Neokonservativen mit "begrenzten" Luftschlägen eher eine Botschaft an den Iran senden wollen anstatt Irans Nuklearprogramm zu zerstören; die Konsequenzen eines solchen Schrittes werden gemäß den Warnungen von Präsident Ahmadinedschad jedoch höchstwahrscheinlich einen massiven Gegenangriff provozieren.

Die Administration von George W. Bush plant, Luftschläge gegen den Iran innerhalb der nächsten zwei Monate durchzuführen, wie eine gut unterrichtete Quelle der Asia Times Online berichtet. Dies spiegelt weitere Berichte wider, die in den Medien der vereinigten Staaten in jüngster Zeit aufgetaucht sind.

Zwei bedeutende US-Senatoren die über den Angriff informiert wurden, planen laut der Quelle, sich mit ihrem Widerspruch gegen diesen Schritt an die Öffentlichkeit zu wenden, der angestrebte Artikel in der New York Times ist jedoch noch nicht erschienen.

Die Quelle, ein US-Karrierediplomat im Ruhestand und der ehemalige Assistent eines US-Außenministers der immer noch in den Kreisen der Außenpolitik aktiv ist, sagte unter dem Schutz der Anonymität vergangene Woche, dass die USA Luftschläge gegen den Iranian Revolutionary Guards Corps (IRGC) planen. Die Luftschläge würden auf das Hauptquartier der IRGC- Eliteeinheit Kuds abzielen. Die erklärte Mission der 90.000 Mann starken Kuds ist die Verbreitung der iranischen Revolution von 1979 in der Region.

Die Quelle erklärte dass das weiße Haus die vorgeschlagenen Luftschläge als begrenze Aktion betrachte, um den Iran für dessen Einmischung im Irak zu bestrafen. Die Quelle, ein Botschafter während der Administration von George H.W. Bush, lieferte keine Details darüber welche Waffen bei dem Angriff zum Einsatz kommen würden oder in welcher Planungsphase sich die Sache befindet. Es ist nicht bekannt ob das weiße Haus sich bereits mit Alliierten über die Luftschläge beraten hat oder ob dies überhaupt vorgesehen ist.

Der Bericht spekuliert, ob derartige Luftschläge entweder McCain oder Obama so kurz vor den Präsidentschaftswahlen nützlich sein würden. Da eine aggressive Außenpolitik zentraler Bestandteil von McCains Kandidatur ist, kommt der Autor des Artikels zu dem Schluss dass McCain von der Sache profitieren würde.

"Andererseits könnten Luftschläge die Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der Politik der Bush-Administration im mittleren Osten verstärken, was zu vermehrter Unterstützung des demokratischen Kandidaten führen würde, wer auch immer dies sein mag."

Die Reaktion des Irans würde die Ölpreise auf 200$ pro Barrel in die Höhe schießen lassen und darüberhinaus dafür sorgen, dass die globale Instabilität sich auf zahlreiche weitere Regionen ausbreitet.
Die Massenmedien und ein substanzieller Teil der Bevölkerung würden sicherlich McCain in der Rolle des Kriegspräsidenten unterstützen, besonders dann wenn amerikanische Interessen durch Terroranschläge der Hamas und Hisbollah bedroht wären.
Chinas Reaktion als größter Käufer des iranischen Öls wäre ebenfalls bedeutsam. Jegliche feindselige Reaktion könnte die Welt der größten Bedrohung seit dem Höhepunkt des kalten Krieges aussetzen. In dem Artikel heißt es dass Lugars und Feinsteins Widerstand

"wahrscheinlich eine öffentliche Welle der Kritik auslösen wird die die Bush-Administration dazu bewegen könnte, ihren Plan zu überdenken".

"Angesichts jedoch ihrer Verpflichtung zur Geheimhaltung von vertraulichen Informationen ist es unwahrscheinlich dass die Senatoren den Plan der Bush-Administration oder ihr Wissen darüber enthüllen würden."

Seit drei Jahren in Folge wird von verschiedenen Seiten vor einem unmittelbar drohenden Krieg gegen den Iran gewarnt und viele befürchten, dass jene Leute diskreditiert werden könnten die wiederholt das Szenario einer Invasion heraufbeschwören. Die Rhetorik hat sich in den vergangenen Monaten jedoch deutlich verschärft.
Während Bushs Besuch in Israel behauptete ein Funktionär der israelischen Regierung, dass ein hochrangiges Mitglied von Bushs Entourage in einer nichtöffentlichen Konferenz erklärt hätte, dass Bush und Vizepräsident Dick Cheney einen Angriff auf den Iran vor Ende der Amtsperiode planen. Inmitten einer Nachrichtenkonferenz am israelischen Parlament verkündeten die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi und der Mehrheitsführer des Repräsentantenhauses Steny Hoyer, dass die militärische Vorgehensweise gegen den Iran immer noch eine Option sei.
Prominente Individiuen aus der Politik wie Zbigniew Brzezinski und Gary Hart warnten, dass ohne eine inszenierte Provokation oder einen neuen Golf von Tonkin ein Angriff gegen den Iran nicht zu erwarten sei.

Während eines Treffens des Senatskomitees für außenpolitische Angelegenheiten im Jahr 2007 spielte Brzezinski auf die Möglichkeit an, dass die Bush-Administration eine Operation unter falscher Flagge im Stile des Golf-von-Tonkin-Vorfalls durchführen könnte; er beschrieb ein "plausibles Szenario für eine militärische Kollision mit dem Iran," welches sich um

"irgendeine Provokation im Irak oder um einen Terroranschlag in den USA" drehen würde "für die man den Iran verantwortlich macht, was zu einer defensiven Militäraktion der USA gegen den Iran führen würde die ein einsames Amerika in einen sich ausbreitenden und tiefer werdenen Sumpf hineinstößt, der letztendlich Irak, Iran, Afghanistan und Pakistan miteinschließt."

In einem offenen Brief an Mahmoud Ahmadinedschad warnte der dem Council on Foreign Relations angehörende ehemalige US-Senator Gary Hart den iranischen Präsidenten, dass jener

"gut beraten wäre, die Geschichte der in Havana gesunkenen USS Maine im Jahr 1898 sowie die Geschichte des Golf von Tonkins im Jahr 1964 zu lesen,"

zwei Operationen unter falscher Flagge die von den USA inszeniert wurden um einen Krieg zu beginnen.

Donnerstag, 22. Mai 2008

Gelenkte Demokratie durch Behördenpropaganda

Behördenpropaganda
Hinter den Kulissen

Von Urs Paul Engeler

Bundesräte und Verwaltung dementieren, doch die Beeinflussungsmaschine Bundeshaus läuft effizient. Ein Blick in die Werkstatt der behördlichen Meinungsmacher.

Von den vielen Sätzen im Abstimmungskampf um die Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» ist er ohne Zweifel einer der drolligsten. Er stand in der Basler Zeitung, stammt von Bundesrat Moritz Leuenberger (SP) und lautet: «Staatspropaganda findet nicht statt.» Weil im Vorfeld eines Urnengangs jedes Wörtchen, das ein Komitee einwirft, und jede behauptete Zahl bewusste Anstiftungen sind, entlarvt der Satz sich selbst und so den Sprecher. Minister Leuenberger macht staatliche Propaganda für ein Nein zur Initiative, wenn er mit Unschuldsmiene nachschiebt, das offizielle Bundesbüchlein sei die «einzige kleine Oase», die dem Bürger sichere Orientierung biete.

Dass der parteiische Magistrat unverfroren und gegen sein Wissen den Neutralen spielt, ist keine Behauptung. Man kann es im Rapport der eidgenössischen Kommunikationsbeamten nachlesen, der unter dem Titel «Das Engagement von Bundesrat und Bundesverwaltung im Vorfeld von eidgenössischen Abstimmungen» die Methoden und (finanziellen) Mittel der Bearbeitung der öffentlichen Meinung beschreibt. So auch im Detail die Tricks, mit denen Verkehrsminister Leuenberger 1998 dem Stimmvolk die Schwerverkehrsabgabe (LSVA) sowie die Finanzierung der Neat und anderer überrissener Eisenbahnprojekte (Finöv) verkauft hat. Das Beispiel beweist, dass die präzis geplanten Bundeskampagnen laufen, bevor der erste Bürger oder Journalist etwas davon merkt, dass Bundesrat und Behörden eng und vertraulich mit PR-Büros und «Verbündeten» kollaborieren, dass für externe Dienstleistungen locker sechsstellige Beträge eingesetzt werden, dass Regierung und Verwaltung nachweislich falsche Zahlen und Aussagen in die Welt setzen und dass sie keine Hemmungen kennen, bei Bedarf die Gegner mit unlauteren Mitteln herunterzumachen.Der LSVA-Finöv-Feldzug des Bundesrates begann laut Bericht «bereits zu einem frühen Zeitpunkt und deutlich vor den eigentlichen Abstimmungskampagnen». Diese vorbereitenden Massnahmen werden im Bundesjargon «Informationsteppiche» genannt, die mit Hilfe geneigter Medien über das ganze Land ausgerollt werden und die systematisch den Boden für die Akzeptanz der politischen Pläne bereiten sollen. Schon zwei Jahre vor dem Urnengang, also 1996, setzte Moritz Leuenberger dazu die Arbeitsgruppe «Kommunikationsstrategie Verkehr» ein. In diesem Ausschuss, der hinter den Kulissen den Meinungsbildungsprozess zu steuern und ein Ja zu den Vorlagen zu produzieren hatte, sassen neben Bundesbeamten auch Vertreter der SBB sowie ein PR-Profi. Diesen externen Berater und diverse Werbematerialien liess das Departement sich immerhin 330 000 Franken kosten.

Das Grundlagenmaterial bestellte die Arbeitsgruppe bei Meinungsforscher Claude Longchamp. Dessen GfS-Forschungsinstitut organisierte im April 1997 eine breitangelegte Befragung, deren Resultate nie veröffentlicht, sondern exklusiv den Politplanern zugehalten wurden. Die Sondage gab Auskunft über «Prädispositionen in der Bevölkerung (Vorwissen, allgemeine Grundhaltungen zu verkehrspolitischen Fragen, Einstellungen zu ausgewählten Aspekten der Verkehrspolitik) und die Evaluierung der Kernbotschaften». Aufgrund dieser Werte entwarf Longchamp eine «Planungsstudie», welche die Stossrichtung der Kampagnen, die Chancen und Risiken einzelner Argumente, die dafür empfänglichen Zielgruppen etc. skizzierte. Als erste konkrete Massnahme wurde «der Abstimmungsfahrplan so ausgerichtet, dass zuerst über die LSVA abgestimmt wurde, die bei den Stimmberechtigten besser disponiert war». Etwas konkreter: Die Abklärungen hatten ergeben, dass die Vorlage gegen die isolierte Lastwagenbranche (Astag) leicht(er) zu gewinnen war. Die Zustimmung zum Finöv-Paket konnte dann als logischer zweiter Schritt beliebt gemacht werden.

Dass der für die Bundeswerbung mitverantwortliche Meinungsforscher Longchamp (bis heute) auf allen SRG-Kanälen und in vielen Printmedien, fast exklusiv, als scheinbar unabhängiger Experte auftreten und unwidersprochen seine Botschaften verkünden darf, macht die behördlichen Aktivitäten zwar noch intransparenter und fragwürdiger, aber umso effizienter.

Die operativen Arbeiten der Kampagne führten zwei spezielle Task-Forces aus, die ebenfalls nie öffentlich in Erscheinung traten. Das Publikum bekam zwei gewichtig inszenierte Dreierauftritte von Bundesräten zu sehen, dazu viele illustrierte Fact-Sheets und die Bundesamts-Broschüre «Die Modernisierung der Bahn in der Schweiz» (Auflage: 100 000 Stück). Bewusst und mit grossem Erfolg agierten die Behörden, wie sie zugeben, auf der Metaebene jenseits der Fakten und bar jeder Neutralität; sie machten die Gegner offiziell als «die Neinsager» schlecht und diffamierten den Stil ihrer Kampagne. Als besonderes Glanzstück im harten Abstimmungskampf wurde die «dezidierte Richtigstellung zur Behauptung der Astag, die LSVA koste pro Haushalt 500 Franken», gefeiert. Wer heute rasch nachrechnet, stellt allerdings fest, dass die Astag genau kalkuliert und Bundesrat Leuenberger das Stimmvolk knallhart angelogen hat: Die Transportbranche wird 2008 über 1,5 Milliarden Franken in die Bundeskasse abliefern, die Schweiz zählt rund drei Millionen Haushalte - macht 500 Franken pro Einheit. Keine einzige der vielen Zahlen, die im Herbst 1998 zu den Finöv-Vorhaben in der «Oase» Bundesbüchlein abgedruckt wurden, überstand die Zeitdauer von zwei, drei Jahren. Nicht nur alle Kostenprognosen erwiesen sich als billige Propaganda, sondern vor allem das Versprechen, die Bahnen könnten einen Viertel der Kosten verzinsen und amortisieren.

Dem Bürger bleiben Wut oder Resignation. Die Beeinflussungsprofis bilanzierten, sichtlich zufrieden mit sich selbst und der durchschlagenden Wirkung der amtlichen Verführungskunst: «Die strategischen Weichenstellungen in Bezug auf Timing, Kernbotschaften, Zielgruppen etc. erwiesen sich als richtig. Zur Nachahmung empfiehlt sich die frühzeitige und systematische Planung der Kommunikation.» Und ihr Auftraggeber, Bundesrat Leuenberger, behauptet in der Basler Zeitung: «Staatspropaganda hat in unserer direkten Demokratie keinen Platz. Und sie findet auch nicht statt.»

Wahr ist das Gegenteil. Faktisch bilden Landesregierung und Bundesverwaltung derzeit die wohl grösste, mächtigste und erfolgreichste Organisation zur politischen Willenslenkung im Land. Sie sind längst nicht mehr die Instanz, die sachlich informiert, neutral und ausgleichend über den Komitees steht, Abstimmungen und Wahlen organisiert, die Resultate brav akzeptiert und umsetzt. Bundesbern ist und nimmt Partei und setzt für seine Interessen alle verfügbaren Mittel ein: Mal organisiert es eine Volksinitiative (Beitritt der Schweiz zur Uno), mal koordiniert es Komitees und Medienberichte (Schengen-Konzept), mal macht es Werbung auf Plakatwänden («Sensibilisierungswelle» für die neue Bundesverfassung), mal versorgt es die 1500 Offiziere mit professionellen CD-ROMs (Militärvorlagen von 2001), öfter mal schreibt es Musterleserbriefe, die über Parteisekretariate an Ortssektionen und Bürger verteilt werden (Bundesamt für Flüchtlinge), mal arbeitet es, gut kaschiert, Hand in Hand mit «verbündeten Organisationen», «Mitkämpfern» oder Lobbys zusammen (mit der Pharmaindustrie abgesprochene Aktionen und Manifestationen gegen die links-grüne Genschutz-Initiative).

Noch jeder Bundesrat hat das einzigartige, kaum kontrollierte Instrument genutzt, um Abstimmungen zu beeinflussen. Auch SVP-Bundesrat Christoph Blocher, der angetreten war, die Herrschaft der Zentralverwaltung zu brechen, zog 2006 alle Staatsregister, um die Revision des Asyl- und des Ausländergesetzes zu seinem persönlichen Triumph zu machen. Und weil alle grossen Parteien bei Gelegenheit auf diese Machtmittel zurückgreifen wollen, engagiert sich kaum eine Kraft «gegen Behördenpropaganda».

Quelle: www.weltwoche.ch

Montag, 19. Mai 2008

Die Bilderberger

Noch heimlicher als sonst: die Bilderberger-Konferenz 2008, 17.05.2008 21:54

politonline d.a. Diese fand vom 8. bis 11. Mai im Plaza-Hotel, das nahe am sandigen Strand von Vouliagmeni bei Athen liegt, statt. Dort hatte auch die Konferenz des Jahres 1993 vom 22. bis 25.4. stattgefunden. In diesem Jahr gab das genaue Datum des Treffens Anlass zu Spekulationen, wobei es geheissen hatte, dass es womöglich in der USA abgehalten werden sollte, in zeitlicher und räumlicher Nähe zu dem Treffen der Trilateral Commission - der von David Rockefeller geschaffenen Privatorganisation, der auch viele Bilderberger angehören.

Die üblichen websites, die sich Jahr um Jahr mit dieser Konferenz beschäftigen, legten dar, dass dieses Jahr keinerlei Informationen zu erhalten waren. Es erschien lediglich ein in der griechischen Presse veröffentlichter kurzer Artikel 1. Seit den frühen 1990er Jahren war das Treffen der Gruppe nie mehr völlig unentdeckt geblieben. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren liegt dieses Jahr nicht einmal eine Teilnehmerliste vor. Auf einer Bilderberger-Konferenz, deren Teilnehmer - kritischen Stimmen gemäss - die Rolle einer Art informeller Weltregierung ausüben, werden immerhin auch Premierminister ernannt, was umso schwerer wiegt, als getroffene Absprachen resp. konzipierte Strategien den Parlamentariern des Heimatlands gegenüber vollkommener Geheimhaltung unterliegen, eine zusätzliche Bestätigung der leeren Hülle unserer Demokratie. Die Tatsache, dass sich die Bilderberger dieses Jahr vor investigativen Reportern abschirmen konnten, schreibt Steve Watson 2, zeigt, dass der Grad der Geheimhaltung auf Grund der durch Leute wie Alex Jones, Jim Tucker und Daniel Estulin erfolgten Enthüllungen gewaltig erhöht wurde.

Tony Gosling, der Brite, der sich als einer der ersten dem »Aufspüren« der Bilderberger und deren Ziele verschrieben hatte, führt aus 3, »dass sich dieses Jahr insbesondere alle wichtige Schlüsselpositionen einnehmenden Teilnehmer hinsichtlich zukünftiger Pläne besonders still verhalten haben, so dass wir vermutlich nie erfahren werden, was besprochen wurde.« Es bleibt dennoch zu hoffen, meint Gosling, dass irgend jemand, der sich bewusst macht, dass sich auf diesen Konferenzen Krieg und Geld zusammenfinden, über nach draussen gedrungene Informationen verfügt. Man könnte vermuten, heisst es ferner, dass Henry Kissinger mit seinem Krieg gegen den Terror Schwierigkeiten hat, da niemand mehr glaubt, dass dieser etwas anderes als den Griff der USA, Israels und Grossbritanniens nach dem Empire darstellt. Gosling ferner: »Ich habe kaum Zweifel daran, dass die ungeheure Macht, die die Bilderberger ausüben, letztlich teuflischer Natur ist. Man könnte auf den Strassen von London einen heimatlosen Landstreicher aussuchen, damit er bei einer ihrer Konferenzen als Präsident fungiere - in seinem kleinen Finger würde sich mehr Vernunft anfinden als in den zusammengenommenen gierigen Körpern der Lenkungskräfte. [….] Vielleicht ist es das, was wir brauchen: Ein Erneuerungsjubiläum, um diese Despoten und ihre freimaurerischen Befehlsempfänger aus den Komitees, die die Kandidaten für die politischen Parteien auswählen, zu entfernen.« So bezeichnet Gosling die Ziele der Bilderberger auch als psychopathisch. Was wir natürlich auch brauchen, sagt er, ist eine geeinte Front wie die, die sich in Südamerika gebildet hat, wahrscheinlich aus dem Grund, dass dieser Kontinent einer derart grossen, üblen und illegalen Einflussnahme durch die USA ausgesetzt war. »Eine geeinte Front, die auf einer freien Presse ohne zionistische Agenten und auf der Erkenntnis der wahren hinter dem 9. 11. verborgenen Fakten ruht, die den ganzen Wahnsinn des ›Kriegs gegen Widerstandskämpfer‹ entfachte.

Daniel Estulin führt in seinem Buch ›Die wahre Geschichte der Bilderberg-Gruppe‹ ein Zitat von William Shannon an: »Die Bilderberger streben das Zeitalter des Post-Nationalismus an, wenn es keine Länder mehr geben wird, sondern eher von universalen Werten eingefasste Weltgegenden. Das bedeutet eine Weltwirtschaft, eine Weltregierung (deren Mitglieder eher ausgewählt anstatt gewählt werden) und eine universale Religion. Um sicherzustellen, dass sie diese Ziele erreichen, konzentrieren sich die Bilderberger auf einen breit angelegten technischen Ansatz und auf geringe Beachtung durch die allgemeine Öffentlichkeit.« Dieser Ansatz ist in der schrittweise erfolgenden Entnationalisierung der Staaten - in der EU mittels des jetzigen Reform-Vertrags grundlegend erleichtert - erkennbar, die anstelle von Nationen nur noch Regionen anstrebt, was der in der Agenda 21 festgelegten Strategie entspricht. Dazu gehört auch die bereits seit langem geplante Instituierung einer einzigen Religion, deren Kern die Erde bilden soll. Schritte dieser Art vollziehen sich, von der UNO sorgsam gelenkt und von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, mitunter nur sehr langsam, aber dennoch unerbittlich.


Unter dem Stichwort Bilderberger finden sich zahlreiche Beiträge auf politonline
1 http://www.patris.gr/articles/132651
2 http://infokrieg.tv/bilderberg_08_abgeschirmt_2008_05_13.html 13. 5. 08
Steve Watson, Bilderberg-Treffen in Athen von den Medien völlig totgeschwiegen?
3 http://prisonplanet.com/articles/may2008/130508_b_bilderberg.htm und http://www.indymedia.org.uk/en/2008/05/398802.html Bilderberg 2008 Evades All Scrutiny in Vouliagmeni, Greece by Tony Gosling
Siehe auch http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=881 Die Abschaffung der Nationalstaaten
Die wahre Geschichte der Bilderberg-Gruppe von Daniel Estulin. ISBN: 978-3-938516-47-8s./w.
4 http://www.jungewelt.de/2008/05-17/032.php

Sonntag, 18. Mai 2008

Der Freihandelsvertrag mit der EU

«Grosspapa, was haben die Bauern gegen den Freihandel?»
Ein Gespräch mit Enkelin Nicole
von Dr. rer. publ. W. Wüthrich, Zürich

Nicole: Grosspapa, der Bauer auf dem Erlenhof denkt ans Aufhören. Der Freihandelsvertrag mit der EU bedrohe seine Existenz.

Grosspapa: Ja, Bundesrätin Leuthard vom Volkswirtschaftsdepartement hat vor kurzem angekündigt, dass sie mit der EU im Agrarbereich einen Freihandelsvertrag abschliessen wolle. Die Verhandlungen werden in Kürze beginnen.

Was ist daran so schlimm? Freihandel tönt doch gut. Jeder produziert das, was er am besten kann, und verkauft es dann an andere weiter. Diese machen es genauso, und alle profitieren. Was ist daran so falsch?

Falsch ist es nicht, aber es funktioniert nicht immer. Gerade unser Land hat viel Erfahrung mit dem Freihandel. Wir Schweizer waren Pioniere und sind heute quasi Experten, die etwas darüber erzählen können. Das will ich gerne tun: Ihr habt in der Geschichte die Alte Eidgenossenschaft durchgenommen. Unsere Vorfahren haben vor mehr als 700 Jahren einen genossenschaftlichen Bund geschlossen für ein Leben in Freiheit ohne Feudalherren. Sie haben die Adligen davongejagt und ihre Unabhängigkeit von fremden Mächten in vielen blutigen Schlachten erkämpft. Sie wurden dadurch in Europa zu einer bedeutenden und gefürchteten Militärmacht, die auch begonnen hatte, Gebiete zu erobern.
Im Jahr 1515 jedoch haben die Eidgenossen in der Schlacht bei Marignano in Italien gegen den französischen König Franz I. zum ersten Mal eine furchtbare Niederlage erlitten. Das war eine politische Weichenstellung. Zum Glück. Seit 1515 hat die Schweiz nach aussen nie mehr Krieg geführt, bis heute. Franz I. war allerdings sehr klug: Er hütete sich, die unterlegenen Eidgenossen im Friedensvertrag zu demütigen. Im Gegenteil: Er bot ihnen einen Freihandelsvertrag an. Es war eine Einladung, freundschaftlich mit Frankreich Handel zu betreiben. Die Landesgrenzen sollten kein Hindernis sein. Die damalige Schweiz nahm die Einladung an und hat seither über die Landesgrenze hinweg nur noch Handel und nie mehr Krieg geführt, bis heute. Der Freihandelsvertrag mit Frankreich beinhaltete allerdings auch, dass die Schweiz den französischen Königen Soldaten gegen Entgelt zur Verfügung stellte. Mit anderen Worten, man hat Söldner exportiert. Auch das gehörte damals zum Freihandel. Sogar der Papst hat sich damals eine Schweizergarde zugelegt. Sie leistet ihren Dienst noch heute.

Wie lange hat das funktioniert mit Frankreich?

Fast 300 Jahre. In dieser Zeit haben sich bereits in Ansätzen bedeutende Wirtschaftszweige, wie zum Beispiel die Uhrenindustrie, entwickelt, für die die Schweiz noch heute berühmt ist. Schon damals wurden Uhren exportiert.

Was geschah mit der Landwirtschaft?

Der Freihandelsvertrag mit Frankreich hat das Gesicht der Schweiz verändert. Nicht nur in den Städten, sondern auch in den ländlichen Regionen. Das landwirtschaftliche Erb­recht bestimmte an vielen Orten, dass der Hof ungeteilt an den ältesten oder den jüngsten Sohn übergeben werden ­musste. Seine Geschwister mussten sich eine andere Tätigkeit suchen. Aus dem Volk der Bauern und Hirten wurde so mehr und mehr ein Volk geschickter und initiativer Handwerker, Facharbeiter und Fabrikanten, Unternehmer eben, die Rohstoffe importierten und ­Handelswaren für den Export herstellten. Wenn du mit dem Velo durch die Schweiz fährst, kannst du an vielen Orten noch alte Fabrikgebäude aus jener Zeit antreffen. ­Bereits vor der Französischen Revolution war die Schweiz, ein Land ohne Zugang zum Meer und ohne Rohstoffe, das industrialisierteste Land auf dem europäischen Kontinent. So wirkt es heute komisch, wenn man die Bauern auffordert, sie sollten Unternehmer werden. Sie sind es schon seit Urzeiten.

Spannend, wie ging es weiter?

Auch im 19. Jahrhundert waren die schweizerischen Unternehmer Pioniere des Freihandels. Ein französischer Professor schrieb damals, dass kein Land der Erde im Verhältnis zu seiner Grösse so ausgedehnte Handelsbeziehungen unterhalten hat wie die Schweiz. Die Glarner zum Beispiel verkauften ihre Textilien bis nach Afrika und China. Heute ist es umgekehrt: Wir tragen Kleider, die aus China kommen. Auch für landwirtschaftliche Produkte gab es damals keinerlei Grenzschutz, bis etwas Einschneidendes passierte: 1881 wurde der Gotthardtunnel eröffnet und grosse Mengen billigen russischen und amerikanischen Getreides gelangten über den Mittelmeerhafen Genua in die Schweiz. Viele Getreidebauern konnten nicht mehr kostendeckend produzieren und stellten auf Milch- und Fleischproduktion um. Das ging sehr schnell. Die Schweiz wurde «grün», das heisst viel Ackerland wurde zu Wiesen umfunktioniert. Damit wurde die Schweiz in der Nahrungsmittelversorgung abhängig vom Ausland. Das wirkte sich vor allem im Ersten Weltkrieg und in den Jahren danach sehr negativ aus, weil die Importe keineswegs immer gesichert waren. In diesen Jahren begann sich die Bevölkerung in der Schweiz Gedanken zu machen über Fragen wie «Was für eine Landwirtschaft wollen wir?», Wie stark wollen wir in der Nahrungsmittelversorgung vom Ausland abhängig sein?, «Wie können wir unsere Bauern stützen und auch schützen?» Diese Fragen sind der Ursprung der Landwirtschaftspolitik, wie wir sie auch heute noch kennen. Im Zweiten Weltkrieg hat sich diese Politik als sehr segensreich erwiesen, ohne die Bauern und vor allem auch ohne die Landwirtschaftspolitik hätten unsere Gross- und Urgrosseltern gehungert. Wenn du möchtest, werde ich dir gerne einmal mehr erzählen.

Gerne. Das habe ich nicht gewusst.

Du siehst, Nicole, der Freihandel hat zweifellos seine Vorteile. Die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz ist dafür Beweis. Der Freihandel ist aber kein Naturgesetz, dem man zwangsläufig nachleben muss oder dem man gar ausgeliefert ist, wie dem Wetter zum Beispiel. Wir können uns überlegen, was für eine Landwirtschaft wir wollen, wie sehr wir in der Nahrungsmittelversorgung vom Ausland abhängig sein wollen und wie wir das alles am besten regeln wollen. Das ist geschehen schon vor 100 Jahren, das geschieht heute und das wird auch in Zukunft geschehen. Der Staat hat die Aufgabe, die Bauern zu unterstützen, zu schützen und für die Lebensmittelversorgung zu sorgen, so wie wir es wollen. Auch als Konsumenten können wir einiges tun, um die Bauern zu unterstützen.

Wieso kommt man heute auf die Idee, im Bereich der Landwirtschaft Freihandel zu betreiben, obwohl sich so etwas gar nicht bewährt hat?

Diese Frage hängt zusammen mit internationalen Abkommen und mit Politikern, die bei diesen Abkommen mitgewirkt haben. Es fallen mir in diesem Zusammenhang die Namen von zwei Politikern ein. Es sind die Bundesräte Hans Schaffner (FDP) und Josef Deiss (CVP).
Hans Schaffner war einer der Väter des Wirtschaftswunders in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Er war zuständig für den Freihandel. Man würde ihn heute als «Mister Freihandel» bezeichnen. Er war massgeb­lich beteiligt an der Gründung der Freihandelszone EFTA und an der Vorbereitung des grossen Freihandelsvertrages mit der EG von 1971, der noch heute von grosser Bedeutung ist. Schaffner hat die Verhandlungen geführt, die 1966 zum Beitritt der Schweiz zum GATT geführt haben. Diese multinationale Organisation hatte sich das Ziel gesetzt, weltweit Handelshemmnisse und Zölle schrittweise abzubauen. Hans Schaffner führte alle diese Verhandlungen so, dass sie der Landwirtschaft nicht schadeten und der Schweiz die Möglichkeit liessen, eine eigene Landwirtschaftspolitik zu betreiben. «Nicht ohne die Bauern», war seine Devise. Er hat seine Verhandlungspartner überzeugt und seine Ziele sowohl bei der EFTA, dem GATT als auch bei der Europäischen Gemeinschaft erreicht. Erstaunlich war sein Erfolg beim GATT: Es gelang Schaffner, einen Vorbehalt zugunsten der Bauern durchzusetzen. Der Schweiz hat diese Politik nicht geschadet, im Gegenteil. Sie hat vor allem das Gefühl gestärkt, dass wir zusammen gehören und alle mit den Bauern im gleichen Boot sitzen.

Haben wir heute keine Politiker mehr wie Hans Schaffner, die sich für unsere Landwirtschaft und für unsere Landesversorgung einsetzen?

Seit 1995 haben wir die WTO. Sie will praktisch alle Handelshindernisse und Zölle abschaffen, und sie will neu auch landwirtschaftliche Produkte in den Freihandel einbeziehen. Damit dreht sie das Rad der Zeit wieder zurück.

Warum hat man das gemacht?

Die Landwirtschaft hat sich verändert. An manchen Orten der Welt finden wir fast keine Bauernhöfe mehr. Es wird industriell produziert und gehandelt, wie das eine Fabrik macht. Es ist zu einem Geschäft geworden. Die landwirtschaftlichen Produkte werden an den Börsen gehandelt. Es wird damit spekuliert wie mit Wertpapieren und Geld.

Was bedeutet das für die Schweiz?

Die Einstellung zur Landwirtschaft hat sich verändert. Der bedeutendste Wirtschaftsverband der Schweiz, die économiesuisse zum Beispiel, vertritt heute den Standpunkt, die Interessen der Landwirtschaft sollen bei der WTO nur noch soweit verteidigt werden, als dabei die Anliegen der übrigen Wirtschaft nicht tangiert werden.

Was heisst das? Schaden die Bauern der Wirtschaft?

économiesuisse denkt so: Falls wir unsere Grenzen für landwirtschaftliche Produkte, zum Beispiel für Gemüse oder Getreide, ganz öffnen, so kann im Gegenzug unsere Exportwirtschaft ihre Produkte auf ausländischen Märkten noch besser verkaufen, oder die UBS kann zum Beispiel in Peking noch leichter eine neue Filiale eröffnen.

Komisch ? was haben unsere Bauern mit einer Filiale der UBS in Peking zu tun? Das kann man doch gar nicht miteinander vergleichen. Man darf nicht Äpfel und Birnen zusammenzählen, sagt unser Lehrer immer. Und die UBS soll zuerst einmal ihr eigenes Haus in Ordnung bringen, bevor sie neue Filialen eröffnet. Was würde Hans Schaffner dazu sagen?

Du hast recht. Wirklich komisch, dass unsere Politiker auf Kosten der Bauern globale Grossunternehmen unterstützen sollen, die bereits einen guten Zugang zu den Märkten haben und jedes Jahr viele Milliarden verdienen. Seit 2001 werden in der WTO Gespräche geführt in der sogenannten Doha-Runde. Man will auch im Bereich der Landwirtschaft ein grosses Freihandelsabkommen abschliessen, praktisch für die ganze Welt. Das Abkommen soll dann auch für unsere Exportwirtschaft Vorteile bringen. Die Gespräche sind bis heute jedoch erfolglos verlaufen. Die im Dezember 2007 geplante Ministerkonferenz wurde abgesagt.

Warum?

Das Konzept funktioniert nicht. Die Gründe sind einfach: Jedes Land hat eine eigene Landwirtschaft und seine eigene Landwirtschaftspolitik, die so unterschiedlich und verschiedenartig ist wie die Länder selber. Die Landwirtschaft ist nicht vergleichbar, und man kann sie auch nicht aufrechnen mit irgend etwas anderem. Gleichschaltung macht hier überhaupt keinen Sinn. Das hat man beim GATT gewusst und deshalb die landwirtschaftlichen Produkte als «sensible Güter» bezeichnet und sie nicht zusammen mit Industriegütern und Dienstleistungen in den Freihandel einbezogen. Bundesrat Hans Schaffner hat mitgeholfen, dass sich diese Auffassung beim GATT allmählich durchgesetzt hat. Dieser Fortschritt ist leider heute wieder verlorengegangen. Vielleicht auch deshalb, weil wir heute keinen Hans Schaffner mehr im Bundesrat haben.

Du hast vorhin Bundesrat Josef Deiss erwähnt. Was für eine Rolle hat er gespielt?

Bundesrat Deiss hat für die Schweiz die Verhandlungen in der Doha-Runde geführt bis zu seinem Rückritt im Jahr 2006. Er hat das neue Konzept der WTO unterstützt, das die Landwirtschaft in den Freihandel einbezieht. Er stellte sich damit in Gegensatz zu Bundesrat Hans Schaffner, der dies im GATT konsequent bekämpft hatte. Die Landwirtschaft müsse umgebaut werden, sagte Josef Deiss den Schweizer Bauern. Sie müssten sich auf offene Grenzen einstellen. Er wurde nicht müde, den bevorstehenden Erfolg der Doha-Runde über Jahre hinweg immer wieder anzukündigen. Das Abkommen werde in Kürze unterschrieben, sagte er am Fernsehen immer wieder.

Was ist dann passiert?

Unter diesem Druck wurde die Landwirtschaft in der Schweiz viele Jahre lang umgebaut. Wer nicht in die neue Politik hineinpasste, gab auf. Etwa ein Drittel der Bauern hat bisher aufgegeben. Der Selbstversorgungsgrad ist auf unter 55 Prozent gesunken. Er ist damit etwa gleich hoch wie vor dem Ersten Weltkrieg. Der Verhandlungsführer der Schweiz bei der WTO, Botschafter Luzius Wasescha, hat einmal deutlich gesagt, wohin die Reise gehen könnte: die Zahl der Bauern könnte von heute 60 000 auf 25 000 absinken. Vor 15 Jahren waren es noch 100 000.
Heute stellt sich die Frage, ob unser Bundesrat sich von einem Phantom leiten lässt. Bauen wir unsere Landwirtschaft um, wegen eines Freihandelsabkommens, das es so gar nicht gibt und das es sehr wahrscheinlich gar nie geben wird? Werden unsere Kinder uns das einmal verzeihen?

Ist ein Phantom so etwas wie Nessie in Schottland?

Ja, genau das ist es. Nur ist Nessie etwas Lustiges und schadet niemandem. Im Gegenteil, es nützt dem Tourismus. Das WTO-Abkommen, das angeblich bevorsteht und niemals kommt, ist etwas Trauriges und schadet unsern Bauern und unserm Land.
In einem zweiten Punkt unterscheidet sich Josef Deiss von Hans Schaffner. Ungefähr zur gleichen Zeit, als die WTO gegründet wurde, hat sich unsere Regierung das strategische Ziel gesetzt, die Schweiz in die EU zu führen. Bundesrat Deiss war davon überzeugt und hat diese Politik vorangetrieben. Für Hans Schaffner war das nicht in Frage gekommen. Für ihn waren Selbstbestimmung und Eigenständigkeit wichtig. Ganz anders dagegen Josef Deiss: noch in seiner Abschiedsrede betonte er, der Beitritt zur EU sei unausweichlich. Ihm war klar, dass dieses Ziel nicht zu erreichen war, ohne die Schweizer Landwirtschaft mit derjenigen der EU gleichzuschalten. Er lancierte kurz vor seinem Rücktritt die Idee, einen Freihandelsvertrag mit der EU abzuschliessen.
Hans Schaffner dagegen hatte ein Gespür, wo Freihandel am Platz ist und wo nicht. Er war in meinen Augen der bessere «Freihändler».

Wie ist es heute?

Die Nachfolgerin von Josef Deiss, Bundesrätin Doris Leuthard, führt dessen Politik weiter. Auch sie sagt heute, ein WTO-Abkommen stehe bevor. Sie will in der Doha-Runde auf einen Abschluss drängen und die Importzölle für Landwirtschaftsprodukte um bis zu 70 Prozent senken. Die Bauern müssten sich auf offene Grenzen einstellen, sagt auch sie. Auch sie sieht im Freihandel mit der EU ungeahnte Vorteile.

Ja, Doris Leuthard sagt, die Schweiz sei eine Hochpreisinsel, und wir müssten für Nahrungsmittel viel zu viel bezahlen.

Das ist so nicht richtig. Die Schweiz ist nicht nur eine «Hochpreisinsel», sondern auch eine «Hochlohninsel». Im Verhältnis zum Einkommen bezahlen wir für Nahrungsmittel weniger als die Bevölkerung in der EU. Medien putschen die Preisunterschiede auf, so dass die Konsumenten meinen, ihnen gehe es schlecht.

Medien behaupten auch, Freihandel weltweit mit landwirtschaftlichen Produkten sei modern und zukunftsgerichtet.

Wahrscheinlich weil viele Journalisten in die EU wollen. In Wirklichkeit ist diese Politik veraltet, weil sie sich als untauglich erwiesen hat. Beobachter der EU und der WTO, die hier nicht so fixiert sind wie Deiss und Leuthard, sagen dies schon längst. Ein Beispiel: In den letzten Wochen ist der Weltmarktpreis für Reis explodiert, weil dieses Grundnahrungsmittel immer knapper wird. Überhaupt werden Nahrungsmittel knapper. Die Vorräte sind so gering wie seit Jahren nicht mehr. Das hat verschiedene Gründe, die wir ein andermal besprechen werden. In verschiedenen Ländern sind bereits Hungerrevolten ausgebrochen. In Japan ist es anders. ­Politiker dort haben ihre Reisbauern geschützt und unterstützt. Diese erhalten einen festen Preis, mit dem sie leben können und in der Lage sind, das Land zu versorgen. Bei uns war das auch einmal so. Heute ist der Selbstversorgungsgrad massiv gesunken. Wir beziehen fast die Hälfte der Nahrungsmittel aus dem Ausland.

Warum sind denn die landwirtschaftlichen Produkte im Ausland billiger?

Das Regelwerk der WTO und der EU haben die industrielle Landwirtschaft sehr gefördert. Es werden zum Beispiel hunderttausend Tiere in einer Fabrik gemästet. Sie können sich kaum bewegen und werden geschlachtet, ohne dass sie jemals Tageslicht gesehen haben. Oder in Südspanien werden ganze Landstriche für das Gemüse mit Plastikplanen umhüllt und zugedeckt. Bootsflüchtlinge aus Afrika arbeiten hier für 5 Euro am Tag und ohne Sozialversicherungen. Das mit viel Chemie produzierte Gemüse landet dann in den Regalen von Migros und Coop. Da können unsere Gemüsebauern im Thurgau oder im Berner Seeland nicht mithalten, die unsere Löhne bezahlen und strenge Vorschriften einhalten müssen. Wenn der Freihandelsvertrag mit der EU kommt und der Import von Gemüse nicht mehr beschränkt ist, werden die Gemüsefelder bei uns wohl zu Golfplätzen umfunktioniert, oder es werden auf ihnen riesige Fabriken gebaut, wie dies in Galmiz fast geschehen ist. Das kann nicht sein.

Das ist schlimm.

Die industrielle Landwirtschaft kann wohl billiger produzieren, aber die Schäden, die im Bereich der Gesundheit, der Ressourcen, der Natur und auch für das Leben in ländlichen Regionen entstehen, sind immens. Gleichzeitig wird mit Nahrungsmitteln spekuliert. Hedge-Fonds wetten auf steigende Preise. Sie kaufen sogar Farmen nicht um damit zu arbeiten, sondern um sie in Kürze teurer weiterzuverkaufen. Andere Spekulanten lassen sich vom Börsenfieber anstecken und treiben damit die Preise weiter hoch. Aktien der Agro-Multis werden zu Höchstkursen gehandelt usw. So darf es nicht weitergehen. Auch die Schnapsidee, aus Nahrungsmitteln Benzin herzustellen, gehört in dieses Kapitel. Darüber werden wir ein anderes Mal reden.

Was können wir tun?

Der Landwirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland, Horst Seehofer, hat die Situation in diesen Tagen auf den Punkt gebracht: Eine Renaissance der bäuerlichen Landwirtschaft stehe an, verkündete er am Fernsehen. Diese sei um so dringender, weil die Nahrungsmittel immer knapper werden und es gefährlich werden kann, hierbei vom Ausland abhängig zu sein.

Was sagt unsere Bundesrätin Leuthard dazu?

Sie führt die Politik von Josef Deiss mit WTO, EU, Freihandel und Umbau der Landwirtschaft unbeirrt weiter. Man hat den Eindruck, dass sie sich noch weniger für die Bauern engagiert als Josef Deiss. Zu diesem Schluss kommt auch der Präsident des ­Bauernverbandes. Deiss habe sich bei den Verhandlungen mehr eingesetzt, meinte er in diesen Tagen.

Dann ist Doris Leuthard auf dem Holzweg. Wenn unsere Regierung die Zeichen der Zeit nicht sehen will, müssen wir etwas tun. ­Packen wir es an!

Samstag, 17. Mai 2008

Die Aushöhlung der Demokratie

Eliten

Von Roger Köppel

Ausgehöhlte Demokratie: Die Volksvertreter wollen sich das Volk vom Hals schaffen.

Das Prinzip Rütlischwur.
Schon den antiken Philosophen war das Dilemma bewusst: Will sich der Staat den Leidenschaften seiner Bürger unterwerfen, oder soll eine erleuchtete Elite herrschen? Die Schweiz ist seit 700 Jahren eine Art Sonderfall, in dem sich die Demokratie als ungesteuerter, evolutionärer Prozess aus den Gebirgstälern der Alpen ins Flachland fortpflanzte. Die Urschweizer hatten sich aus Freiheitsdrang in die Berge zurückgezogen, um so der Fremdbestimmung durch mächtigere Nachbarn zu entgehen.

Man zog das Prinzip Rütlischwur der Aussicht auf ein bequemes Leben vor. Für die Möglichkeit, die eigenen Angelegenheiten im ewigen Streit selber zu entscheiden, nahm man die Entbehrungen der Wildnis sowie ungezählte Kriege mit gottgesalbten Monarchen in Kauf. Das ist nicht Kitsch und nationale Mythenbildung, wie man uns an den Universitäten einredete, sondern die faszinierende Frühgeschichte dieses Landes und seiner politischen ­Prägungen. Die Schweiz ist nie erfunden worden, sie hat sich mit ­ihren Institutionen aus der Geografie heraus entwickelt. Deshalb
ist unser Staat, ein natürliches Kunstwerk der Geschichte, vernünftiger als die Leute, die ihn bewohnen und zu beherrschen glauben. Er verkörpert Erfahrungswissen, das den Horizont der jeweils Lebenden übersteigt.

Was eigentlich unbestritten sein sollte: An der Wurzel der Schweiz steht die Idee der Selbstbestimmung und der Unabhängigkeit. Sie setzt den mündigen Bürger voraus und produziert ihn. Das Schweizer Stimmvolk hat die Herausforderungen der Politik meist mit Augenmass bestanden. Es gibt keinen Grund, an der kollektiven Vernunft der Leute zu zweifeln. Die Schweizer haben sich einen vergleichsweise schlanken Staat, tiefe Steuern, ein hohes Mass an Freiheit und Eigenverantwortung sowie ein kleinräumiges, bürgernahes und durch Wettbewerb geprägtes politisches System gegeben. Gemeinsinn ist verbreitet. Die Leute kennen sich aus, informieren sich, sind misstrauisch gegenüber Ideologen. Skepsis ist ein nationaler Charakterzug, konser­vative Gelassenheit dem Neuen gegenüber.

Man hat sich darüber lustig gemacht, und die Intellektuellen beklagen periodisch einen Mangel an «progressivem» Drive. Aber hinter dem Unwillen, jedem Trend hinterherzulaufen, stand oft die kluge Einsicht, dass das Neue erst dann gewagt werden sollte, wenn sich das Alte vollständig überlebt hat. Das Schweizervolk, man kann es nicht oft genug betonen, war in den dreissiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als Europa von politischen Verrückten überrannt wurde, die verlässlichste Säule unserer Demokratie. Während die Eliten von links bis rechts den «neuen Menschen» oder den Anschluss suchten, stand die Basis unverrückbar zur Schweiz.

Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich und geschichtsblind, wenn sich eine wachsende Zahl von Politikern, Beamten, Publizisten und Funktionären von einer Rhetorik anstecken lässt, die den Vernunft- und Legitimitätsanspruch des Schweizer Stimmvolks in Zweifel zieht. Es begann in den neunziger Jahren, als das Establishment in der EWR-Abstimmung überstimmt wurde, weil im Volk nicht zu Unrecht der Eindruck entstanden war, die politische Elite wolle aus Eigeninteresse die Unabhängigkeit des Landes opfern. Die Niederlage wurde nicht verwunden. Statt die eigenen Fehler schonungslos zu analysieren, gingen die staatsnahen Kreise dazu über, die direkte Demokratie zu kritisieren und die Leute, gegen die sie an den Urnen ver­loren hatten.

Der Trend bleibt ungebrochen. Dem Volk wird misstraut. Der Kampfbegriff des Populismus macht die Runde. Politiker und Journalisten warnen vor «Volksabsolutismus» und «Pöbelherrschaft», wenn abweichende Meinungen erklingen. Immer härter wird gegen unten ausgeteilt, aber oben herrscht die grosse Empfindlichkeit. Bundesräte werten ­Kritik grundsätzlich als «Angriff auf die Institutionen». Man hat sich darauf verständigt, Widerspruch mit Stil- und Anstands­debatten wegzubürsten. Am Ende geht es darum, das Volk zurückzudrängen. Notfalls werden internationale Organisationen oder Gerichte herbeigerufen, um den eigenen Machtanspruch zu festigen. Die Volksvertreter wollen sich das Volk vom Hals schaffen.

Die Aushöhlung der Demokratie ist im vollen Gang. Wenn der Eindruck nicht täuscht, wurde in jüngster Zeit eine neue Qualität erreicht. Letzte Woche sassen Staaten wie Kuba oder Marokko im Uno-Menschenrechtsrat gegen die Schweiz zu Gericht. Unter dem Einfluss von NGOs und Bundesämtern mischen sich die Kommissionen der Weltbehörde immer dreister in unsere Angelegenheiten ein. Gravierender allerdings ist der neue internationale Kollektivismus in Steuer­fragen. Offensichtlich schwindet der Respekt vor der fiskalischen Autonomie eines jahrhundertealten Rechtsstaats wie der Schweiz. Finanzminister Merz legte in einem eindringlichen Referat vor Pfingsten dar, dass die «internationale Akzeptanz» unseres Steuersystems nicht mehr gewährleistet sei. Die EU habe es darauf angelegt, «in letzter Konsequenz eine generelle Abschaffung der kantonalen Steuerregime» zu verlangen. Es wäre ein tödlicher Schlag gegen unseren Wirtschaftsstandort.

Wir sollten nicht zu hämisch mit dem Finger auf die anderen zeigen. Der Elitendünkel, der die EU und die Uno antreibt, beseelt auch unsere eigenen Führungsschichten. Die Berufspolitiker in Bern sägen an den Volksrechten. Gegen die direktdemokratische Willkür der Stimmbürger wird die angeblich höhere Willkür nationaler oder internationaler Experten gesetzt. Volksentscheide stehen unter Generalverdacht. Der Staat und seine Gremien hoffen bei Einbürgerungen und anderen Sicherheitsfragen ohne Stimmvolk auszukommen. Käme es heute noch einmal zum Rütlischwur, das Lausanner Bundesgericht würde ihn unter Applaus der Medien und der Brüsseler EU-Kommission als völkerrechtswidrig ausser Kraft setzen.

Donnerstag, 15. Mai 2008

Multikulti, Integration und Littering

Ruhe und Ordnung
Mit dem eisernen Besen

Text: Christoph Schilling, Yvonne Staat
Bild: Rahel Arnold, Markus Forte
Mitarbeit: Otto Hostettler

Auf den Boden spucken oder achtlos Zigarettenstummel und Kaugummis wegwerfen kann teuer werden. Denn immer mehr Städte und Gemeinden erlassen rigide Verbote. Diagnose: Der Staat leidet unter Kontrollwahn.
Barbara Schneider erhält morgens um sieben schon mal wütende Telefonanrufe auf ihren Privatanschluss. Sie solle endlich etwas tun, die Stadt von Schmutz und Unrat befreien. Manchmal werden ihr Fotografien zugeschickt vom müllübersäten Rheinbord. Beweisfotos. Jedes Bild eine Anklage. Das ist nicht immer leicht auszuhalten. Schneider (SP) ist Basler Baudirektorin. Gehts um den Müll, hört der Spass für viele Bürger auf.

Und der Staat reagiert. Mit missionarischem Eifer werden Polizeiverordnungen umgeschrieben, erlassen Gemeinden und Städte Verbote und führen Sofortbussen für Abfallsünder ein. In Dietikon ZH patrouillieren bereits private Sicherheitsdienste auf der Jagd nach Rauchern, die ihren Zigarettenstummel auf den Boden schnippen. In Basel werden Freiluft-Pinkler gebüsst. Die Basler Ständerätin Anita Fetz (SP) fordert vom Bundesrat, «schweizweit das Liegenlassen von Abfällen unter Strafe» zu stellen. Wer an eine Hauswand schifft, die Reste des Lunchpakets am Boden liegen lässt oder den Hundekot nicht ordnungsgemäss entsorgt, muss an immer mehr Orten mit einer sofortigen Busse rechnen. Winterthur, die zweitgrösste Zürcher Stadt, erwägt sogar ein Spuckverbot. Ein Sauberkeitswahn erfasst das Land.

«Wir sind eine Gesellschaft, die unglaublich viel Abfall produziert», sagt der Psychoanalytiker Mario Erdheim (siehe unter Artikel zum Thema das Interview «Toleranz wird zum Schimpfwort»). «Darüber regt sich niemand auf.» Tatsächlich: Die Menge des jährlich in der Schweiz entsorgten Abfalls würde eine Lastwagenkolonne von rund 800 Kilometer Länge füllen. Heute sind es über fünf Millionen Tonnen, 1985 waren es erst 3,5 Millionen. Bis vor drei Jahren wurden die Abfalleimer in der Bundesstadt nur zweimal pro Tag geleert, seither sechsmal. Statt über weniger Abfall nachzudenken, wird bestraft, wer Müll liegen lässt. «Saubere Strassen, saubere Städte - das beruhigt», sagt Erdheim, und es lenke vom eigentlichen Problem ab. Abertausende verköstigen sich über Mittag «fliegend» an der warmen Theke - Plastikbehälter für die Lasagne, Plastikbesteck und PET-Flasche inbegriffen.

Ist aber das achtlose Wegschmeissen von Verpackungen, Kaugummis und Zigaretten tatsächlich eine «Landesplage», wie eine Zeitung titelte? «Das Wegwerfen von Abfall ist kein gravierendes Problem», sagt Hans-Peter Berger, Chef der Stadtreinigung Zürich. Viel mehr Kopfzerbrechen bereiten ihm Grossanlässe wie die kommende Euro 08 oder die Street-Parade. Auch die Berner Stadtreinigung macht nicht auf Panik, es sei eine Frage der Ästhetik, nicht der Menge. Nur wenige Leute, so Berger, «vielleicht zwei Prozent», liessen ihren Müll einfach liegen: «Wollen Sie für diese wenigen Leute ein Heer von Polizisten abkommandieren?», fragt er.

Der Zeigefinger des Güsel-Rangers
Um das zu vermeiden, heuerte die Stadt Dietikon ZH einen privaten Sicherheitsdienst an. Im Zürcher Vorort werden seit Mitte April Abfalldelinquenten vor Ort mit 80 Franken gebüsst. «Wenn die Erwischten zickig tun, holen die privaten Sicherheitspatrouillen die Polizei», sagt der Sicherheitschef Heinz Illi (EVP). Und wer nicht in die Fänge des privaten Patrouillendienstes gerät, muss immer noch damit rechnen, einem sogenannten Güsel-Ranger vor den erhobenen Zeigefinger zu laufen. Das ist ein für die Kampagne «Sauberes Dietikon - wir packens an» im Ort herumweibelnder ehemaliger Greenpeace-Mann, der die Aufgabe hat, Abfallsünder zurechtzuweisen. Der wundert sich dann in seinem Internet-Tagebuch über «einen Jugendlichen», der ihn «bewusst provozierte»: «Er liess seinen Abfall vor meinen Augen auf den Boden fallen.» Was die Befürchtung der Berner FDP-Nationalrätin Christa Markwalder bestätigt: Ein Verbot zu übertreten sei gerade für Jugendliche «attraktiv». Deshalb hält sie solche Verbote sogar für kontraproduktiv. Doch «so wie es jetzt läuft, verhängt der Staat Verbot um Verbot», kritisiert sie.

Und wo ein Problem ist, sind die Experten nicht weit - und mit ihnen das passende Fremdwort. «Es wird hemmungslos gelittert, vor allem nachts!», entfährt es der Luzerner Sicherheitsdirektorin Ursula Stämmer-Horst (SP). Gelittert? Das Wort hätte vor zehn Jahren hierzulande kaum einer verstanden, heute ist es nach einer Blitzkarriere bereits eingedeutscht. Es stammt vom englischen Verb «litter» und bedeutet «Abfall wegwerfen». Im Oktober 2007 fand in Luzern ein Kongress statt mit dem Titel «Sicherheit, Sauberkeit und Sozialraum-Qualität». Zwei Tage lang diskutierten und vernetzten sich Städtevertreter, Entsorgungsbeamte, Polizeidirektoren, Vertreter privater Sicherheitsfirmen und der Putzmaschinenindustrie und natürlich Littering-Experten. Erklärtes Ziel war die «Kultivierung eines gemeinsamen Problemverständnisses». Statt Strategien der Abfallvermeidung zu erörtern, bringt sich offenbar eine Beraterindustrie in Stellung, die vor allem die Symptome bekämpft. Wer erinnert sich nicht an die radikale Achtziger-Jahre-Kampagne «Jute statt Plastik»? Solcher Fundamentalismus erscheint heute undenkbar. Lieber unterstützt der Bund eine «Littering-Studie» der Uni Basel mit 20’000 Franken. Und das Bundesamt für Umwelt widmet sich der «Problemsensibilisierung». Fragt sich nur, für welches Problem sensibilisiert werden soll.

Dass immer mehr Abfall anfällt, wird kaum jemand bestreiten. Umstritten sind die Lösungsansätze. Wer Bussen verteilt, unterstellt, dass eine Art Sittenzerfall eingesetzt hat und das Problem mit ein wenig Anstand und Erziehung gelöst werden kann. Johanna Rolshoven, Kulturwissenschaftlerin an der ETH Zürich, ortet als Motiv der aktuellen Sauberkeitshysterie etwas handfest Ökonomisches: «Die Schweiz hat im internationalen Standortwettbewerb ihren guten Ruf als sauberes Land zu verteidigen.» Das bestätigt die Luzerner Regierung indirekt, wenn sie ihre Forderung nach Sofortbussen folgendermassen begründet: «Sicherheit und Sauberkeit sind wichtige Faktoren im Standortwettbewerb.»

Bussen sind Symptombekämpfung
Das alles hat etwas Überdrehtes. Eine Gesellschaft produziert Müll am laufenden Band und stellt ihre Mitglieder an den Pranger, wenn sie Papierfötzeli hinterlassen. Psychoanalytiker Mario Erdheim gebraucht folgendes Bild: «Die ‹Titanic› sinkt, aber man will unbedingt noch den Wasserhahn in der Kajüte reparieren, weil er tropft.» Dabei reduzieren Bussen die Abfallmenge nicht. Sie sind Symptombekämpfung. In Basel wurden 2007 gerade mal fünf Hündeler erwischt, gestellt und gebüsst. Guy Morin, Basler Justizdirektor (Grüne), möchte die Verordnung, die Sofortbussen erlaubt, am liebsten wieder abschaffen: «Wenn eine Strafnorm nicht vollzogen wird, wird der Gesetzgeber unglaubwürdig. Das wissen alle Eltern, die Übertretungen von Verboten bei ihren Kindern nicht ahnden. Die verlieren schnell ihre Autorität.»

Sauberkeit und Sicherheit - diese Wörter werden mittlerweile in einem Atemzug genannt wie Emmentaler und Käse. Das illustriert, worum es eben auch geht. Im Windschatten des Kreuzzugs für Reinlichkeit werden weitere, bürgerfeindliche Gesetze scharf gemacht. Man will nicht nur saubere Plätze, sondern auch ruhige. Ohne kiffende, grölende oder saufende Kids. Immer mehr Kantone schaffen rechtliche Grundlagen, um Menschen von gewissen Orten wegzuweisen. Im Aargau kann die Polizei seit Januar 2007 Jugendlichen den Zutritt zu Restaurants oder Plätzen selbst dann verbieten, wenn diese noch gar kein Delikt begangen haben. Die Basler Regierung hat eben nachgezogen und grünes Licht für einen sogenannten Wegweisungsartikel gegeben: «Die Kantonspolizei benötigt griffige Massnahmen, wenn es gilt, grössere Auseinandersetzungen bereits im Vorfeld zu unterbinden.» Ein «Stinkefinger» oder «verbale Beleidigungen» können bereits für einen Platzverweis reichen. St. Gallen und Luzern liebäugeln ebenfalls mit solchen rigiden Platzverboten. Alles im Namen von Sauberkeit und Sicherheit auf öffentlichen Plätzen. «Anpöbeln, belästigen, Lärm machen, mit Hunden herumlungern. Wir wollen nicht zulassen, dass die öffentlichen Plätze monopolisiert werden», sagt Hans-Rudolf Arta vom St. Galler Justizdepartement.

Jugend im Visier der Tugendwächter
Schnell wird klar, wen Platzverbote treffen sollen: die Jugend. Vor allem die trinkende. Chur ist die erste Stadt, in der künftig nach Mitternacht auf öffentlichem Grund kein Alkohol getrunken werden darf. Zugleich hat man dort das Sanktionsmittel der «Wegweisungen» eingeführt.

Dagegen gibt sich das «Nationale Programm Alkohol 2008-2012» des Bundesamts für Gesundheit (BAG) erstaunlich zurückhaltend, wenn es um die 300’000 erwachsenen Alkoholiker geht. Bechern in den eigenen vier Wänden scheint okay zu sein. Dafür lamentiert das Amt umso lauter über das «Rauschtrinken» der Jugendlichen. Ein Ziel, so die Moralwächter vom BAG, sei eben auch die «Erhöhung des Sicherheitsgefühls im öffentlichen Raum».

Sogar explizit gegen die Kids geht es in 24 Aargauer Gemeinden im «Zurzibiet». Seit 1. April 2008 dürfen sich dort unter 16-Jährige nach 23 Uhr nicht mehr ohne Erwachsene auf öffentlichen Plätzen aufhalten. «Rund 15 Prozent der Jugendlichen hängen einfach herum, langweilen sich - und wir haben dann Vandalismus- und Littering-Probleme», verteidigt Peter Bühlmann, Präsident des Führungsausschusses der Regionalpolizei, die neue Massnahme. «In der Regel rufen wir die Eltern an, wenn wir die Jugendlichen draussen erwischen, und bitten sie, die Kinder abzuholen.» ETH-Stadtforscherin Rolshoven hält Ortsverbote für einen «hilflosen Versuch», die Jugend zu erziehen. «Was früher als Bubenstreich durchgegangen wäre, wird heute stark problematisiert. Bei der Ausgrenzung sogenannt randständiger Jugendlicher spielt wohl die Angst mit, dass den eigenen Kindern das auch passieren könnte.» Der Freiburger Staatsrechtsprofessor Thomas Fleiner kritisiert diese Ausgehsperre als «eindeutig diskriminierend».

Es gibt noch einen Grund, sich über die lustfeindlichen Hardliner zu wundern: Die Monopolisierung durch kommerzielle Grossveranstaltungen im öffentlichen Raum wie Street-Parade, Euro 08 oder andere Grossevents ist nämlich völlig akzeptiert. Die pöbelnden Halbstarken, die ihre Pubertät ausleben, könnten ein Leben lang rumjohlen - sie kämen nie an das heran, was bei einer einzigen solchen Veranstaltung an Lärm und Belästigung abfällt.

Auf dem Weg zur Kontrollgesellschaft?
Werden wir langsam zu einer sich im Sauberkeits- und Ordnungswahn verlierenden Kontrollgesellschaft? Staatsrechtler Fleiner warnt vor der «herrschenden Tendenz, unsere von der Verfassung geschützten Grundrechte auf Bewegungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken». Er findet, der öffentliche Raum solle jedermann in gleicher Weise zur Verfügung stehen. Fleiner staunt über die Gleichgültigkeit gegenüber den Einschränkungen. Warum wehren sich die Bürger nicht? Politiker hätten das Gefühl, «mit solch repressiven Forderungen die Popularität auf ihrer Seite zu haben». Und für viele Menschen handle es sich wohl um abstrakte Regelungen, deshalb fühle sich niemand betroffen. «Noch nicht», fügt Fleiner an.

Mittwoch, 14. Mai 2008

Alice Schwarzers billige Polemik

Schwarzer-Äußerungen: Offener Brief an die Jüdische Gemeinde Frankfurt vom 6. Mai 2008

Doña Carmen e.V.
- Verein für soziale und politische
Rechte von Prostituierten -

Elbestraße 41
60329 Frankfurt/Main
Tel/Fax: 069/ 7675 2880
eMail:DonaCarmen@t-online.de
www.donacarmen.de

An den
Vorstand
der Jüdischen Gemeinde Frankfurt
Westendstraße 43
60325 Frankfurt/Main
z. Hd. Prof. Dr. Salomon Korn

OFFENER BRIEF

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Korn,

es kommt sicherlich nicht oft vor, dass eine Prostituiertenorganisation sich an Sie in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des Vorstands der Jüdischen Gemeinde Frankfurt wendet. Unser Anliegen - da können wir Sie vorab beruhigen - betrifft aber nicht so sehr das Thema Prostitution, als vielmehr ein öffentliches Ereignis in dieser Stadt, von dem wir erwartet hätten, dass Sie bzw. die Jüdische Gemeinde Frankfurt dazu öffentlich und kritisch Stellung bezogen hätten.

Worum es geht, ist die Auszeichnung von Alice Schwarzer mit dem Ludwig-Börne-Preis. Doña Carmen e.V. hat sich, wie Sie Medienberichten entnehmen können, dazu sehr kritisch geäußert. Wie kann eine Frau Schwarzer, die die Rückgängigmachung des Prostitutionsgesetzes von 2002 fordert, die die Strafbarkeit der Förderung von Prostitution wieder eingeführt und Prostitutionskunden kriminalisiert sehen möchte, nach mehr Kontrolle und Überwachung des Prostitutionsgewerbes ruft und eine bessere Ausstattung der Polizei fordert, sodass diese noch mehr Razzien gegen die dort tätigen Frauen durchführen kann – kurzum, wie kann jemand, der in dieser Weise nach einem starken Staat und nach mehr staatlicher Repression gegenüber einer rechtlich diskriminierten Bevölkerungsgruppe ruft, mit einem nach dem jüdischen Demokraten Börne benannten Preis ausgezeichnet werden, einem Mann, der als aufrechter Demokrat und Angehöriger einer gesellschaftlich benachteiligten und drangsalierten Minderheit immer wieder mit preußischer Zensur und Polizei aneinander geriet?

Man mag einwenden, dass wir dem von uns vertretenen Anliegen - der Entkriminalisierung und (zweifellos strittigen) gesellschaftlichen Anerkennung von Prostitution - ein zu großes Gewicht beimessen, das in Abwägung mit der journalistischen Lebensleistung einer Frau Schwarzer für zu leicht befunden wird. Und zweifellos müssen wir einräumen, dass wir parteiisch sind und Interessen vertreten, lediglich die einer gesellschaftlichen Minderheit, einer diskriminierten obendrein. Doch kann all dies den prinzipiell richtigen Kern unserer Kritik in Frage stellen?

Der Name Ludwig Börne steht nicht nur für aufrechtes demokratisches Engagement in diesem Land, sondern auch für das den Juden von der Mehrheitsgesellschaft zugefügte Leid, ein unermessliches Leid, wie wir spätestens seit der Nazizeit wissen. Vor diesem Hintergrund ist es erschreckend, wie leichtfertig die Börne-Preisträgerin Frau Schwarzer in ihrer Dankesrede von einer geradezu „evidenten Parallelität zwischen der Judenfrage und der Frauenfrage“ spricht. Frauenleid und „Judenschmerz“ miteinander vergleichen – das nennt SPIEGEL online in einem Kommentar zur Paulskirchenrede Schwarzers mit Recht einen „riskanten Vergleich“.

Doch Frau Schwarzer geht in ihren Publikationen noch viel weiter: Denn dort beschränkt sie sich weder auf die Behauptung einer „Parallelität“ von Juden- und Frauenfrage im 19. und 21. Jahrhundert - wie ihr dies in der Paulskirchenrede offenbar opportun erschien - , noch blieb es beim bloßen Vergleichen. Sie macht in ihren bisher veröffentlichten Publikationen ohne zu zögern den Schritt vom riskanten Vergleich zur Gleichsetzung von Frauen und Juden als Opfer.

Schon 1985 glaubte Schwarzer zu wissen, „dass auch ich selbst zu einer minderen Rasse gehöre: zu der der Frauen.“ (Mit Leidenschaft, 1985, S.135) Schließlich hätten auch die Frauen einen Genozid vorzuweisen: die Millionen ermordeter ‚Hexen’. Gegner ihres Konzepts von Frauenemanzipation bezeichnete Schwarzer - mit dem Jargon der Nazis kokettierend - mehrfach als Vertreter einer „Herrenrasse“. Frau Schwarzer und ihre Zeitschrift EMMA propagieren die These der amerikanischen Therapeutin Judith L. Herman von „den kleinen versteckten Konzentrationslager(n), errichtet von Tyrannen, die über ihre Familie herrschen“. (EMMA, Jan/Febr. 2004, S.88) Damit werden Opfer häuslicher Gewalt mit politischen Opfern, letztlich mit Opfern des Nazi-Regimes auf eine Stufe gestellt. So genannte „Lustmörder“ bezeichnet Frau Schwarzer mehrfach als „SS des Patriachats“, was zweifellos die SS verharmlost. Immer wieder drängen sich Schwarzer „Parallelen zu 1933“ auf: „Auch damals waren (zunächst) die Juden im Visier - und die Frauen“. Schließlich habe es unter Hitler ein Berufsverbot für weibliche Juristen gegeben. (EMMA, März/April 2002) „Den Gaskammern der Nazis gingen selbstverständlich die Propagandafeldzüge der Nazis voraus, die jüdische Menschen wie Untermenschen gezeigt haben. Und wir Frauen werden heute gezeigt wie Untermenschen.“ (EMMA-Sonderband PorNO, 1988, S.49) „Wollt ihr die totale Objektfrau?“ fragte Schwarzer, Goebbels imitierend, in ihrer PorNo-Kampagne. (PorNO, 1994, S.85)

Weitere Belege für diese Verfahrensweise finden sich in Schwarzers Publikationen zuhauf. Es wimmelt nur so davon. Schwarzer zielt - wie sie selbst schrieb - darauf ab, Frauen „mit anerkannt Diskriminierten, mit Schwarzen oder gar Juden (zu) vergleichen“. (Mit Leidenschaft, 1985, S.200) Das findet sie keineswegs geschmacklos. Denn solche „realistischen Parallelen“ seien nötig „weil oft erst das die Ungeheuerlichkeit der Frauen-‚Normalität’ klarmacht“, so Schwarzer. (ebenda, S.200)

Wer Frauenverachtung und das Leiden von Frauen unter männlicher Ignoranz, wer die rechtliche und gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen in demokratisch verfassten Gesellschaften mit der Verfolgung der Juden unter dem Hitler-Regime derart „realistisch“ vergleicht und auf eine Stufe stellt, wer die Opfer häuslicher Gewalt mit den Opfern politischer Gewalt unter dem Nationalsozialismus gleichsetzt, wie Schwarzer es tut, betreibt unter dem schützenden Mantel des Philosemitismus eine verantwortungslose Verharmlosung und Banalisierung der Nazi-Verbrechen. Diese werden in unerträglicher Weise für pseudofeministische Zwecke instrumentalisiert, um eine angeblich allgegenwärtige „Männergewalt“ zu behaupten, zu dämonisieren und Frauen als stets hilflose Opfer zu fixieren. Frauenbefreiung wird auf diese Weise mit dem Heiligenschein einer antifaschistischen Tat versehen und vermarktet.

Wir sind der Überzeugung, dass die Verleihung des Börne-Preises an Frau Schwarzer die Erörterung der hier aufgeworfenen Fragen notwendig gemacht hätte. Hier wäre nicht zuletzt die Jüdische Gemeinde Frankfurt, hier wären nicht zuletzt auch Sie, Herr Prof. Dr. Korn, als Vorsitzender im Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt und Mitglied im Stiftungsvorstand der Ludwig-Börne-Stiftung gefordert gewesen. Stattdessen höfliches Schweigen, nicht der Hauch von Kritik oder gar Protest. Stattdessen eine Preisverleihung als gehobenes Entertainment: man witzelt, man scherzt, man lacht. Ikonen-Verehrung statt kritischer Auseinandersetzung.

Wie kann es sein, dass die genannten Positionen von Frau Schwarzer als „kritischer Journalismus“ gewürdigt und ausgerechnet mit einem Ludwig-Börne-Preis prämiert werden? Man mag ja der Meinung sein, dass die Thematisierung des Leids, das den Juden zugefügt wurde, allemal besser sei als dessen Verleugnung. Aber rechtfertigt das Vergleiche, die eine Verharmlosung und Banalisierung der Verbrechen an den Juden beinhalten? Wir sind daher irritiert und verwundert zugleich, dass insbesondere die Jüdische Gemeinde Frankfurt und auch Sie selbst, Herr Prof. Dr. Korn, solche von Frau Schwarzer öffentlich immer wieder vertretenen Positionen kommentarlos passieren lassen.

Als Organisation, die sich tagtäglich für die Rechte von Prostituierten einsetzt, haben wir ein gutes Gespür für Diskriminierungen und den herabwürdigenden Umgang mit gesellschaftlich benachteiligten Gruppen entwickeln müssen. So haben wir uns mit öffentlichem Protest zu Wort gemeldet gegen die Herabwürdigung insbesondere ausländischer Prostituierter in den Verlautbarungen und Publikationen von Frau Schwarzer. So weisen wir den geschichtsklitternden Vergleich Schwarzers zwischen heutiger Prostitution und Sklaverei zurück, der das historisch dokumentierte Leid der Opfer der Sklaverei nachträglich verharmlost.

Aber es kann doch nicht allein Aufgabe einer Prostituiertenorganisation sein, stellvertretend für andere zu der von Frau Schwarzer behaupteten, höchst problematischen „Parallelität zwischen der Judenfrage und der Frauenfrage“ kritisch Stellung zu nehmen!

Wo bleibt die Auseinandersetzung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, wo, Herr Prof. Dr. Korn, bleibt Ihre kritische Auseinandersetzung mit den genannten Positionen von Frau Schwarzer?

In Erwartung Ihrer Antwort auf diese Fragen verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Juanita Henning

Sprecherin Doña Carmen e.V.

PS. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie unseren ‚Offenen Brief’ allen Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde Frankfurt zugänglich machen könnten.

Dienstag, 13. Mai 2008

Ja zur Einbürgerungsinitiative

Seit 1990 hat sich die Zahl der Einbürgerungen in der Schweiz auf jährlich über 50‘000 praktisch ver­zehnfacht. 2003 hat das Bundesgericht den Gemeinden die Mög­lichkeit aus den Händen geschlagen, allein zu entscheiden, wer eingebürgert wird und wer nicht. Mit der Volksinitiative für demokratische Ein­bürgerungen soll dies rückgängig gemacht werden, ein Rekursrecht an obere Instanzen soll es nicht mehr geben.

Seit jeher hatte in der Schweiz das Volk bei den Einbürgerungen das Sagen. Gemäss Bun­desverfassung setzten Bund und Kantone die Voraussetzungen für die Erteilung des Bür­gerrechts fest (z.B. Mindestzahl der Aufenthaltsjahre). Die Gemeinden waren jedoch frei, den Einzelfall zu überprüfen und Einbürgerungen zu verweigern. Ihr Entscheid war endgültig.

Zwei historische Bundesgerichtsentscheide
Wie aus heiterem Himmel fällte das Bundesgericht am 9. Juli 2003 zwei berühmt gewordene Gerichtsentscheide. Es behauptete plötzlich, Abstimmungen an der Urne seien diskriminie­rend. In Zukunft müssten negative Entscheide begründet werden, damit sie gerichtlich über­prüfbar werden. Damit wurde faktisch ein Recht auf Einbürgerung geschaffen, denn wenn Gerichte Kriterien schaffen, wann Einbürgerungen aufzuheben sind, heisst dies logischer­weise gleichzeitig, dass jedermann, der diese Kriterien einhält, zwingend eingebürgert werden muss.

Angebliches Völkerrecht und Menschenrechte
Es wird nun einfach behauptet, unbegründete Einbürgerungs-Entscheide auf Gemeinde­ebene verstössen gegen das Völkerrecht und gegen die Menschen­rechte. Das ist Unsinn.
Geradezu ernüchternd waren für mich die Experten-Anhörung im Schweizer Parlament zu diesem Thema. Eingeladen vor die zuständigen Kommissionen waren die hochkarätigsten Juristen, Universitätsprofessoren und Experten. Auf die simple Frage hin, ob denn ein Land wie die USA kein Recht habe, Leute aus dem benachbarten Kanada schneller einzubürgern als aus Afrika, Asien oder einem anderen Kontinent, resultier­te ein peinliches Stillschweigen. Auf die Frage hin, ob denn eine Schweizer Gemein­de kein Recht habe, umliegende Euro­päer bei der Einbürgerung anders zu behandeln als Leute aus fernen Drittweltländern, ka­men Antworten, die nur noch peinlich waren.
Selbstverständlich ist das Bürgerrecht kein Grundrecht, sondern ein politi­sches Recht, das zur politischen Mitwirkung an der Urne ermächtigt. Ob jemand Schweizer Bürger ist oder nicht, hat nichts mit Menschen­rechten zu tun. Man schaue sich nur weltweit um: Wer meint, er könne in ein fremdes Land ziehen und erhalte dort vom obersten Gericht des Lan­des nach einigen Jahren automatisch das Recht auf Einbürgerung, ist gründlich auf dem Holzweg.

Kompetenz zurück an die Gemeinden
Die Volksinitiative will nur, dass künftig wieder die Gemeinde endgültig zuständig ist. Der Be­völkerung wird freigestellt, welches Gremium zuständig ist. In grösseren Städten kann die Bevölkerung kaum Einzelfälle beurteilen; somit ist es dort sinnvoll, dass das Stadtparlament oder spezielle Gremien über die Einbürgerungen entscheiden können. Aber auf jeden Fall können in einer Gemeinde die Betroffenen am besten beurteilen, ob sich ein Gesuchsteller in das Gemeindeleben integriert hat. Kaum ein Krimineller oder Sozialhilfebezüger würde die Hürde eines demokratischen Volksentscheids schaffen. Ein Ja zur Volksinitiative ist des­halb dringend nötig, um die heutige Verschleuderung des Schweizer Bürgerrechts zu stoppen.

Luzi Stamm

Sonntag, 11. Mai 2008

Mobbing gegen Lehrkräfte

Provozierter Lehrer rastet aus

Schüler Stöße versetzt, wegen Körperverletzung verurteilt - Mütter starten "Haberfeldtreiben"

Sie schikanierten ihn bis zur Weißglut. Da rastete ein erfahrener Schwandorfer Lehrer aus und tat etwas, das er nie hätte tun dürfen. Der 54-Jährige ging tätlich gegen einen 14-jährigen Schüler vor und versetzte ihm mehrere heftige Stöße. Gestern wurde er deswegen vom Schwandorfer Amtsrichter Walter Leupold zu 3500 Euro Geldstrafe verurteilt.

Der Lehrer Rudolf H. hat sich am Donnerstag hingestellt und freiweg bekannt: "Ich hätte das niemals machen dürfen". Er schilderte aber auch, wie er im Juli 2005 mit 67 Jungen und Mädchen ins Schullandheim nach Borkum reiste, was dort ablief und welchen Belastungen er sich ausgesetzt sah. Provokation ein ums andere Mal, rüdes Benehmen, mahnende Worte zwecklos.

Nur wenige Stunden vor der Abreise wurde dann sogar um zwei Cola gewettet, wer es wohl schaffen würde, den Pädagogen mit lauten Rufen seines Vornamens vollends aus der Fassung zu bringen. Da ging Rudolf H. in das Zimmer, in dem sich mehrere Burschen aufhielten, griff sich den Rufer, versetzte ihm mehrere heftige "Pferdeküsse". Gleich danach tat es ihm leid. Dem Schüler auch. Es gab gegenseitige Entschuldigungen.

Hoch qualifizierter Lehrer

Einen Tag später war in Schwandorf der Teufel los. Die Polizei nahm die Anzeige der Mutter des Schülers entgegen, in der Schule herrschte helle Aufregung. Der 54-Jährige befindet sich seither im Krankenstand. Ob er damals schon krank war, ist ungewiss. Fest steht allerdings, dass er es endgültig wurde, als gegen ihn etwas einsetzte, das der Amtsgerichtsdirektor Walter Leupold jetzt als "Haberfeldtreiben" bezeichnete.

Mütter solidarisierten sich, zum aktuellen Fall wurde noch ein weiterer aus der Schublade gezogen. Drei Jahre zuvor soll der Lehrer, den seine Rektorin gestern als hoch qualifiziert schilderte, schon einmal einen Schüler gepackt und am Hals vor die Türe gezerrt haben. Der Junge erinnerte sich jetzt an die fragliche Unterrichtsstunde, seine Eltern wollen mit Rudolf H. und einem weiteren Lehrer später geredet haben. Allerdings: Dieser Lehrer sagte gestern als Zeuge, es könne nicht sein, dass H. den fraglichen Schüler auch nur eine Stunde unterrichtet habe.

Während Rudolf H. ("31 Jahre habe ich funktioniert, ein Mal war ich von der Rolle") nicht mehr unterrichtete, kam eine von mehreren Müttern ausgelöste Maschinerie ins Rollen, die darauf ausgerichtet war, ihn menschlich, familiär und psychisch zu ruinieren. Plötzlich standen Frauen mitsamt Kindern vor seinem Haus, hatten einen Fernsehreporter mitgebracht. Als H. nichts sagen wollte, wurde eine Wochenzeitung eingeschaltet, wo er sich anschließend mit voller Namensnennung abgedruckt fand.

Verzicht auf Rechtsmittel

All das berücksichtigten Richter und Staatsanwalt jetzt. Nach fünf Stunden Verhandlungsdauer schlug der Vorsitzende Leupold vor, die Dinge zu einem Ende zu bringen. Wegen Körperverletzung im Amt muss Rudolf H. jetzt 3500 Euro zahlen. Im Strafbefehl, gegen den er Einspruch erhoben hatte, waren 14 400 Euro ausgesprochen worden. Rudolf H. akzeptierte seine Ahndung noch im Gerichtssaal, auch Oberstaatsanwalt Harald Riedel verzichtete auf Rechtsmittel.

In seiner Urteilsbegründung sagte Richter Leupold: "Man muss sehen, was gegen den Mann in Gang gesetzt wurde. Das kann nicht richtig sein. So etwas gräbt sich in die Seele".

Donnerstag, 8. Mai 2008

Volksouveränität statt Behördenpropaganda

Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» ist dringend notwendig
Zur eidgenössischen Volksabstimmung am 1. Juni
von Dr. iur. Marianne Wüthrich, Zürich

Die Initiative verlangt, dass die freie Willensbildung der Stimmberechtigten vor Volksabstimmungen wieder gewährleistet ist, wie es die Bundesverfassung vorschreibt. Zu diesem Zwecke muss die Exekutive (Bundesrat und Bundesverwaltung) auf ihre in den letzten Jahren überbordende Propagandatätigkeit verzichten, die das erklärte Ziel verfolgt, Abstimmungen «zu gewinnen» (gegen wen?). Statt dessen sollte sie ihren verfassungsmässigen Informationsauftrag erfüllen, was sie oft unterlässt.

In den Schweizer Tageszeitungen wird zurzeit häufig beteuert, mit seinen Abstimmungskampagnen erfülle der Bundesrat lediglich seinen Informationsauftrag. Diese Behauptung ist falsch. Es muss unterschieden werden zwischen der kontinuierlichen Informationspflicht des Bundesrates und seiner Propagandatätigkeit vor Volksabstimmungen.
Was beinhaltet die verfassungsmässige Informationspflicht des Bundesrates?

Der Bundesrat hat tatsächlich den verfassungsmässigen Auftrag, die Bevölkerung über seine Planung und seine Tätigkeit kontinuierlich zu informieren:
«Er [der Bundesrat] informiert die Öffentlichkeit rechtzeitig und umfassend über seine Tätigkeit […]».
Artikel 180 Absatz 2 der Bundesverfassung
Im dazugehörigen Bundesgesetz wird diese Informationspflicht des Bundesrates präzisiert:
«Art. 10 Information
1 Der Bundesrat gewährleistet die Information der Bundesversammlung, der Kantone und der Öffentlichkeit.
2 Er sorgt für eine einheitliche, frühzeitige und kontinuierliche Information über seine Lagebeurteilungen, Planungen, Entscheide und Vorkehren.»
Artikel 10 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes [RVOG]
Die Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» richtet sich nur gegen die Propaganda des Bundesrates im Abstimmungskampf, aber gerade nicht dagegen, dass er «seine Politik erklärt und darüber informiert, wie er seine Führungsaufgabe wahrnimmt», wie Bundesrätin Leuthard am 26. April anlässlich der Delegiertenversammlung der CVP fälschlicherweise behauptet hat. Im Gegenteil nehmen wir Bürgerinnen und Bürger den Bundesrat in seine Pflicht, über seine politische Tätigkeit lückenlos zu informieren. Diesen verfassungsmässigen Auftrag erfüllt der Bundesrat oft nicht, sondern wägt nach taktischen Überlegungen ab, ob und wieviel er dem Volk überhaupt verraten will. Vor allem seine Absichten, die Schweiz noch mehr in internationale Organisationen wie Nato, EU und WTO einzugliedern, hält die Exekutive lieber so lange wie möglich verdeckt.
Fazit: Die Informationspflicht des Bundesrates beinhaltet in erster Linie die kontinuierliche Erklärung seiner Politik und nicht den Auftrag, vor der Abstimmung alle Mittel einzusetzen, um eine Vorlage «durch die Abstimmung zu bringen» und so faktisch die Souveränität des Volkes ausser Kraft zu setzen.
Was will die Volksinitiative?

Statt seine Pflicht zu erfüllen, die Bevölkerung frühzeitig über seine Pläne und Tätigkeiten zu informieren, nimmt der Bundesrat seine «Informationstätigkeit» vor Volksabstimmungen in Angriff. Da setzt er viele Millionen von Steuergeldern dafür ein, sich von Spin-doctors beraten zu lassen, wie er die Stimmberechtigten dazu bringen kann, so abzustimmen, wie er es für richtig hält. Seit einigen Jahren wurde die direkte Demokratie dadurch klammheimlich in eine «gelenkte Demokratie» umgewandelt, in der das Stimmvolk in die von Bundesbern gewünschte Richtung gelenkt werden soll.
Ein solches Gebaren verstösst gegen die Bundesverfassung:
«Die Garantie der politischen Rechte schützt die freie Willensbildung und die unverfälschte Stimmabgabe.»
Artikel 34 Absatz 2 BV

Gegen diese massiven Eingriffe der Exekutive in die Freiheit der politischen Willensbildung setzt sich die Initiative zur Wehr und fordert die Wiederherstellung der Volkssouveränität. Deshalb will sie die Informationstätigkeit von Bundesrat und Bundesverwaltung vor Volksabstimmungen auf die Publikation der Abstimmungsbroschüre und eine kurze Stellungnahme in den Medien beschränken. Der Abstimmungstermin soll zudem sechs Monate im voraus bekanntgegeben werden, damit die Stimmberechtigten genügend Zeit haben, sich zu informieren. Die Abstimmungsvorlagen sollen unentgeltlich bezogen werden können, was zum Beispiel bei den bilateralen Verträgen I mit der EU nicht der Fall war.
Ehrliche Information statt Propaganda

Zu diesen Mitteln hätten die Initianten nicht greifen müssen, wenn der Bundesrat wie in früheren Zeiten einen ehrlichen Umgang mit dem Bürger und ein wahrheitsgetreues Informationsgebaren pflegen würde. Mir persönlich wäre ein offener, ehrlicher Austausch zwischen Behörden und Bürgern weit lieber als der unehrliche Weg, den Bundesbern beschritten hat und der das klare Gegensteuer der Initiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» leider notwendig macht.
Es ist absurd, wenn ein deutscher Publizistikwissenschafter behauptet, der Bundesrat stelle vor Abstimmungen «nur Wissen und Informationen bereit» und befleissige sich «zurückhaltender Mitwirkung». Gemäss dem Leitbild, das die Bundesverwaltung für seine Kommunikationstätigkeit erlassen habe, seien «Propaganda und Formen der persuasiven Kommunikation nicht möglich» [Hervorhebung der Verfasserin] (Otfried Jarren in «Neue Zürcher Zeitung» vom 30. April).
Es ist anzunehmen, dass Herr Professor Jarren mit dem erwähnten Leitbild den bundeshausinternen «Bericht der Arbeitsgruppe erweiterte Konferenz der Informationsdienste (AG KID)» vom November 2001 meint, der unter dem Titel «Bundesrat und Bundesverwaltung im Vorfeld von eidgenössischen Abstimmungen» herausgegeben wurde.
Diese Broschüre hat die Initianten geradezu von der Dringlichkeit der Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» überzeugt.
Hier nur ein kleines Muster:
Unter dem Titel «Medienorientierung des Bundesrates» ist Folgendes zu lesen (Seite 35):
«In den letzten Jahren hat es sich eingebürgert, dass der Bundesrat seine Abstimmungskampagne rund zwei Monate vor dem Abstimmungstermin mit einer Medienorientierung im Bundeshaus eröffnet. Bei wichtigen Themen, die verschiedene Departemente betreffen, treten bis zu drei Mitglieder des Bundesrates gemeinsam auf.
An der Medienorientierung werden in der Regel folgende Unterlagen in drei Sprachen verteilt:
– Pressemitteilung
– Kurzübersicht über die Vorlage
– Musterreferat (wird auch verwaltungsexternen Referenten zur Verfügung gestellt)
– Argumentarium / Glossar
– Fact-Sheet
– wenn möglich Abstimmungsbüchlein
Bei komplexen Themen werden Medienseminare angeboten, in denen Experten die Materie erklären.
Die Wirkung der Medienorientierung ist gross. Die meisten Medien übernehmen die wichtigsten Aussagen der Mitglieder des Bundesrates, welche damit in einer zentralen Phase der Meinungsbildung grossräumig Präsenz markieren und ihre Argumente darlegen können.
Medienorientierung: Folgerung
Wenn möglich sollte der Bundesrat versuchen, seine Startmedienorientierung vor den anderen Akteuren durchzuführen.»

Kommentar überflüssig!

Die Lektüre dieses «Berichts» der Kommunikationsabteilung des Bundesrates über ihre eigenen Praktiken ist eine gute Einstimmung auf die Volksabstimmung vom 1. Juni.
Beispiel Volksinitiative: bewusste Verdrehungen

Die manipulative Propaganda des Bundesrates macht nicht einmal vor der Abstimmung über die Volksinitiative halt, die diese Missstände gerade beheben will. An der CVP-Delegiertenversammlung vom 26. April hat Bundesrätin Doris Leuthard als Begründung für ihre Ablehnung der Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda» erklärt, «Maulkörbe seien für bissige Hunde. Der Bundesrat hingegen müsse seine Politik erklären und darüber, wie er seine Führungsaufgabe wahrnehme, informieren können.»
Es ist der Gipfel an Manipulation, wenn der Bundesrat den Spin-doctor-Begriff «Maulkorb», den er selbst bzw. Ex-Bundeskanzlerin Annemarie Huber-Hotz vor vier Jahren zwecks Diskreditierung der Initiative in die Welt gesetzt hat, den Befürwortern der Initiative zuschiebt.
Die Initiative will dem Bundesrat nämlich keineswegs einen «Maulkorb» verpassen, sondern nur seiner in den letzten Jahren überbordenden Propagandatätigkeit mit zudem fragwürdigen Methoden einen Riegel schieben. Es spricht für sich, dass der Bundesrat es als lästigen Maulkorb empfindet, wenn er daran gehindert werden soll, weiter fragwürdige Mittel einzusetzen, um Abstimmungen gegen das Volk «zu gewinnen.»
Beispiel Nato-Integration der Schweizer Armee (eidgenössische Volksabstimmung 2001)

Erster Schritt:
Mangelhafte und irreführende Information
Zum seit Jahren geplanten allmählichen Umbau der Schweizer Armee in Richtung Nato-Integration hätte der Bundesrat lange vor der Abstimmung über die Armeereform im Jahre 2001 informieren müssen. Dies hat er aber nicht getan. Die Umwandlung der Schweizer Armee von einer dem Grundsatz der Neutralität verpflichteten reinen Verteidigungsarmee zu einer Armee XXI nach den Vorgaben der Nato hat uns der Bundesrat wider besseres Wissen als «humanitäre Friedenseinsätze der Schweiz» verkauft. Erst vor der Abstimmung erfuhren diejenigen Stimmberechtigten, die sich nicht nur beim Bundesrat, sondern auch bei den Kritikern der Armee XXI informierten, dass die Schweiz bereits seit Jahren Mitglied der PfP und deshalb weitgehend in die Nato integriert war. In der direkten Demokratie Schweiz wurde das Volk nicht einmal gefragt, ob es den Beitritt zur Nato-Organisation PfP wolle oder nicht.

Lagebeurteilung:
Mehr «Einsatz» des Bundesrates nötig
Trotz der oben beschriebenen Nicht- und Falschinformation konnte sich der Bundesrat keineswegs sicher sein, ob die Bevölkerung der Armeereform und insbesondere den Auslandeinsätzen der Schweizer Armee zustimmen werde. Wenn man weiss, dass die Schweizer Bevölkerung in Befragungen zur Neutralitätspolitik regelmässig mit 80% bis 90% die Neutralität beibehalten will, kann man ermessen, dass weit handfestere Methoden nötig waren, um diese Standfestigkeit der Stimmbürger ins Wanken zu bringen.
Also griff der Bundesrat zu Methoden, auf Grund derer die Armee XXI in der Volksabstimmung knapp angenommen wurde. Es ist bitter, dass die Schweiz mit diesem verhängnisvollen Entscheid ihre Friedenspolitik aufgegeben hat und seit dem 19. Jahrhundert erstmals wieder Söldnertruppen in Kriegseinsätze ins Ausland schickt.

Zweiter Schritt:
Manipulation par excellence
Einige Zeit nach der Abstimmung gab Bundesrat Leuenberger offen zu, dass er die Gegner der Vorlage zur Rechten und zur Linken bewusst gespalten habe, um die Vorlage durchzubringen:
«Militärgesetzvorlage 2001. Abstimmungsgetöse. Die Rechte war dagegen, ein kleiner Teil der Linken ebenfalls. Als sozialdemokratischer Bundespräsident wandte ich mich gegen die diffamierende Kampagne der Rechten und setzte die Kampagne mit der Nein-Parole gleich. Ich errichtete der zweifelnden Linken eine moralische Barriere, für die Vorlage zu stimmen, weil sie sich sonst im Lager der (rechten) Gegner befunden hätte. […] Diese Intervention scheint für die knappe Annahme der Vorlage entscheidend gewesen zu sein, eine Verführung zu einem, wie ich meine, richtigen und guten Resultat also.»1
Dass Bundesrat Leuenberger diese Vorgehensweise – bei deren Enthüllung jedem demokratisch Denkenden der Atem stockt – nach der Abstimmung so unverfroren zugegeben hat, zeigt, dass die «Lenkung» der Stimmberechtigten «in die richtige Richtung» bereits seit langem salonfähig geworden ist. Nur mit diesen absolut unzulässigen Mitteln hat der Bundesrat die Armee XXI knapp durchgebracht.
Dagegen wendet sich die Volksinitiative «Volkssouveränität statt Behördenpropaganda». •

1 Rede von Bundesrat Moritz Leuenberger «Das Böse, das Gute, die Politik», veröffentlicht am 6.9.2002 vom Eidgenössichen Departement für UVEK, www.uvek.admin.ch

Sonntag, 4. Mai 2008

Die vorsätzliche Zerstörung der Demokratie

Wie man das Opfer zum Täter macht - Von Johanna Haidvogl-Werder, 03.05.2008 19:22

Es wird nichts so bekämpft wie die Wahrheit. Man kann wirklich mit George Orwell sagen: »In Zeiten, da Täuschung und Lüge allgegenwärtig sind, ist das Aussprechen der Wahrheit ein revolutionärer Akt«. Direkt auf einen Grossteil unserer Politiker übertragen, heisst dies: Wie heruntergekommen muss die Moral einer Regierung sein, welche es wagt, im Zusammenhang mit der letzten Bundesratswahl den Begriff »demokratisch« zu bemühen.

Das Vorgehen der SP, Grünen und CVP glich doch eher einem hinterhältigen Schildbürgerstreich als einem demokratischen Verhalten. Frau Widmer-Schlumpf hinterlässt damit wirklich den Eindruck, dass ihr jedes Mittel recht ist, um ihr Machtstreben zu befriedigen. Für die Linken und Scheinbürgerlichen musste die Katze Blocher einfach weg, damit die Mäuse wieder fröhlich tanzen können. Wenn jetzt der Club der Scheinheiligen der SVP zeigen will, wie man sich politisch zu benehmen hat, ist zu erwarten, dass die Lügen und Halbwahrheiten wieder Oberhand gewinnen. Herr Couchepin kann wieder den Taktstock schwingen und ohne Klotz am Bein die Direktiven der Bilderberger durchsetzen, koste es, was es wolle. Er ist ja Mitglied dieses Gremiums, das, wie Daniel Estulin schreibt, zusammen mit dem Council on Foreign Relations und der Trilateralen Kommission zu einer wahren Schattenregierung geworden ist, mit dem Ziel, die Souveränität der Nationalstaaten abzuschaffen, um deren Wirtschaft unter die globale Kontrolle der Konzerne zu stellen und unter dem Deckmantel der UNO frei bestimmen zu können.

In der EU ist man bereits dabei, die Volksrechte abzuschaffen, indem die ursprüngliche Verfassung in neuer Verpackung als Vertrag deklariert und ohne Volksbefragung eingeführt wird, nach dem Motto: Bist Du nicht willig, dann brauch’ ich Gewalt. Wenn allfällige Unruhen zu gross werden, steht die EU-Eingreiftruppe, die unter die Fuchtel der NATO gestellt werden soll, um Aufmüpfige niederknüppeln, bereit. Es ist auch zu erwarten, dass unsere Durchdiener rascher, als wir denken, die Milizarmee ersetzen werden, im Glauben, dass ein Berufsmilitär eher gegen das eigene Volk losgeht. Vorstellbar ist dies ohne weiteres, wenn die Mütter die Erziehung ihrer Kinder mehr und mehr sogenannten Fachleuten überlassen, damit sie sich »selbst verwirklichen« können. Neuerdings werden am Laufmeter Studien über die kindliche Entwicklung gemacht, weil Frauen nicht mehr imstande sind, als Mutter selbst zu beobachten und Erfahrungen zu verarbeiten. Jeder Mensch, ja jedes Tier, ist ein Individuum und kein genetisches Produkt, das nach Lehrbuch gezüchtet und geformt werden kann. Diese irrwitzige Denkweise hat sich leider vor allem unter der akademischen Oberschicht bereits eingenistet. Der Wahn »alles ist machbar« wird zwangsläufig ins Verderben führen, wenn wir nicht endlich erwachen und nicht alles kritiklos übernehmen, was wissenschaftlich daherkommt.

Die Tatsache, dass sich ein Volk anschickt, der Landesregierung Zurückhaltung aufzuerlegen, spricht Bände. Die Landesregierung mitsamt dem Parlament müsste eigentlich über sich selbst nachdenken und sich fragen, wie es dazu kommen kann, dass sich ein ansehnlicher Teil des Volkes betrogen vorkommt. Es müsste in hohem Masse beunruhigen, wenn eine Regierung nicht mehr glaubwürdig ist. Statt mit einem vernünftigen Gegenvorschlag mehr Ehrlichkeit zu beweisen, macht man den Ankläger zum Täter, indem man Halbwahrheiten und das Verschweigen von Nachteilen im Vorfeld von Abstimmungen als notwendige Information darstellt. Bürger, die denken und hinterfragen, werden als unanständig, sich politisch nicht korrekt verhaltend und rechtsextrem abgestempelt. Für mich besteht demnach die Mitte aus mutlosen, rückgratlosen Mitläufern und die Linken aus Drahtziehern zugunsten einer Diktatur.

Johanna Haidvogl-Werder Redaktion www.haidvogls-sperberauge.ch
Um einmal ausloten zu können, auf welche Weise unsere Demokratie seit Jahren unterlaufen wird, empfiehlt sich ›Die wahre Geschichte der Bilderberger‹ von Daniel Estulin;
ISBN: 978-3-938516-47-8s./w.

Die Personenfreizügigkeit - das Mittel zur Abschaffung der Nationalstaaten

Der Ständerat und die Personenfreizügigkeit - Da wird Demokratie zerstört, 03.05.2008 19:26

Wer vor zweieinhalb Jahren, im Abstimmungskampf über die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Osteuropa die Behauptung aufstellte, ein Ja beinhalte auch die Personenfreizügigkeit mit Rumänien, Bulgarien und der Türkei, wurde aufs schärfste zurechtgewiesen. Wer Einzelabkommen mit neuen EU-Mitgliedern mit dem gesamten Konzept «Personenfreizügigkeit» vermische, sei ein übler Demagoge, ein Populist, ein politischer Lügner. So tönte es damals.

Das Ständerats-Paket
Doch genau diese Verbindung des Prinzips der Personenfreizügigkeit einerseits, Abkommen mit einzelnen Ländern andererseits, will der Ständerat jetzt erzwingen: Das ist nichts anderes als demokratiefeindliche Abstimmungsmanipulation. Worum geht es? 2009 kann, so wie es dem Stimmvolk anlässlich der Bilateralen I versprochen wurde, per Referendum eine Abstimmung für Weiterführung oder Abbruch der Personenfreizügigkeit verlangt werden. Im gleichen Jahr 2009 kann auch das Abkommen, das die Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien ausdehnen will, per Referendum der Volksabstimmung unterstellt werden.
Der Ständerat hat - ein Nein zu Rumänien/Bulgarien befürchtend - die beiden Vorlagen nunmehr zu einer einzigen zusammengezurrt - auf dass dem Schweizer Stimmbürger der Einzelentscheid zu Rumänien/Bulgarien verunmöglicht werde. Fadenscheinige, durch nichts bewiesene Begründung für diese Verschnürungs-Manipulation: Die Ablehnung der beiden Vorlagen hätte den Totalausstieg der EU aus allen bilateralen Verträgen zur Folge. Damit wird die Abstimmungsmanipulation mit nichts anderem als einer Polit-Erpressung begründet - bedenkliche Desavouierung der direkten Demokratie.

Chronologie
Im ersten Paket der bilateralen Verträge mit der Europäischen Union vereinbarte die Schweiz Personenfreizügigkeit mit den «alten», den westeuropäischen Mitgliedern der EU. Schon damals wurde klar, dass die Personenfreizügigkeit im Rahmen der Bilateralen einen Sonderstatus geniesst: Während Brüssel in allen anderen Bereichen der Bilateralen volle Hoheit und damit Handlungsfreiheit im Namen aller EU-Länder besitzt, ist zur Personenfreizügigkeit immer auch das Ja aller EU-Einzelstaaten im Rahmen eines Ratifizierungsbeschlusses notwendig. Personenfreizügigkeit ist auch innerhalb der EU noch Angelegenheit der Mitgliedländer, nicht von Brüssel allein. Damit können auch innerhalb der EU für neu der EU beitretende Mitglieder Freizügigkeits-Sonderbestimmungen vereinbart werden. Solche gelten gegenüber Rumänien und Bulgarien z. B. von Seiten Deutschlands und Österreichs, die ihre Arbeitsmärkte vor einwandernden Rumänen und Bulgaren damit stärker schützen als vor Einwanderern aus andern EU-Ländern. Solche Sonderregelungen werden in Einzelverträgen festgehalten, was selbstverständlich rechtfertigt, dass alle Verträge einzeln und gesondert ratifiziert werden. Nicht nur in der Schweiz - auch in der EU. Das zweite bilaterale Paket zwischen der Schweiz und der EU erfasste bereits auch die nach der Osterweiterung der EU neu beigetretenen Mitgliedländer aus Osteuropa. Auch für dieses Paket wurde die Personenfreizügigkeit besonders ausgehandelt, weil Brüssel die Hoheit über Personenfreizügigkeits-Bestimmungen weiterhin nicht besitzt. Dazu waren Ratifizierungsbeschlüsse aller EU-Mitgliedländer nötig.

Versprechungen
Zum Zeitpunkt der Abstimmung über die Bilateralen II führte die EU bereits Verhandlungen und Vorverhandlungen mit weiteren Beitrittskandidaten. Verhandlungen mit Rumänien/ Bulgarien, Vorverhandlungen mit der Türkei. Im Bundesbüchlein für die Volksabstimmung vom 25. September 2005 (Erweiterung der Personenfreizügigkeit aus Osteuropa) machte der Bundesrat dazu eine klare Aussage: Er erinnerte einerseits daran, dass das gesamte Prinzip der Personenfreizügigkeit im Jahre 2009 mittels Referendum den Stimmberechtigten noch einmal vorgelegt werden könne. Und sagte dann wörtlich: «Auch eine Ausdehnung der Freizügigkeit auf künftige neue EU-Staaten (gemeint: Rumänien und Bulgarien, allenfalls auch Türkei - Anm. der Red.) muss vom Parlament genehmigt werden und untersteht dem fakultativen Referendum.» Von einer Zusammenlegung beider referendumsfähigen Beschlüsse in eine einzige Abstimmungs-Vorlage fand sich im Bundesbüchlein kein Wort.

Im Januar 2007 liess der Bundesrat durch das Integrationsbüro den «Fahrplan Osteuropa» bezüglich der Personenfreizügigkeit präzisieren. Mit Ausnahme der Personenfreizügigkeit, sagte er, würden alle von der Schweiz bisher eingegangenen bilateralen Verträge automatisch auf Bulgarien/Rumänien ausgedehnt. Zur Personenfreizügigkeit sagte das Integrationsbüro wörtlich: «Einzig beim Abkommen über die Personenfreizügigkeit sind neue Verhandlungen nötig. Die Schweiz will mit der EU Übergangsregelungen für eine schrittweise und kontrollierte Ausdehnung der Freizügigkeit auf die beiden neuen Beitrittsländer festlegen. Gegenstand der Verhandlungen werden insbesondere die Übergangsfristen für arbeitsmarktliche Beschränkungen sein, zu welchen die bevorzugte Einstellung von Inländern (Inländervorrang), die vorgängige Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie die Höhe der Kontingente von Aufenthaltsbewilligungen gehören. Wie bei den zehn Staaten, die der EU 2004 beigetreten sind, wird dieses Übergangsregime in einem Protokoll zum bestehenden Vertrag festgelegt. Der Bundesbeschluss zu diesem Protokoll wird dem fakultativen Referendum unterstellt.» Auch nicht der Hauch einer Andeutung kann aus dieser für die Öffentlichkeit abgegebenen bundesrätlichen Erklärung abgeleitet werden, wonach die Personenfreizügigkeit mit Rumänien und Bulgarien mit der ungefähr zum gleichen Zeitpunkt abstimmungsreifen Verlängerung des Prinzips der Personenfreizügigkeit mit allen bisherigen EU-Mitgliedern zu einem Gesamtpaket geschnürt werden könnte. Die Öffentlichkeit konnte immer von zwei Abstimmungen ausgehen.

Auch die Türkei wäre eingeschlossen
Eine klare Trennung der beiden Vorlagen hat der Bundesrat bereits auch in einem Papier vorgenommen, welches das Integrationsbüro im bundesrätlichen Auftrag im Juli 2003 veröffentlicht hat. Nebst dem Bundesrat haben aber auch engagierte Personenfreizügigkeits-Befürworter gleich kommuniziert. Für die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer verbreitete z. B. Travail.Suisse ein Argumentarium für die Personenfreizügigkeits-Abstimmung vom 25. September 2005. Unter dem Titel «Die Antworten auf die falschen Argumente der Gegner» brandmarkt Travail.Suisse als unredliches Gegenargument, dass «ein Ja zur Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Osteuropa bedeutet, dass die Schweiz nicht Nein sagen kann, wenn Rumänien, Bulgarien und vielleicht die Türkei Mitglieder der EU werden.» Wörtlich stellt Travail.Suisse dieses angeblich falsche Argument der Gegner wie folgt richtig: «Es gibt keine automatische Ausweitung und das Volk wird immer die Möglichkeit haben, im Rahmen einer Volksabstimmung zu entscheiden (Referendum).»

Interessant: Es sind die Gewerkschafter von Travail.Suisse, die bezüglich Ausweitung der Personenfreizügigkeit ausdrücklich auch die Türkei ins Spiel bringen. Wenn jetzt also der Ständerat in taktisch-manipulatorischer Absicht den Schweizer Stimmbürger in den Schwitzkasten nimmt, indem er ihm ein als gefährdet eingestuftes Ja zur Personenfreizügigkeit mit Rumänien und Bulgarien dadurch abzunötigen sucht, dass er die Rumänien/Bulgarien-Vorlage unauflösbar mit der Fortführung der Personenfreizügigkeit gegenüber allen EU-Ländern verknüpft, dann würde diese Verknüpfung zwangsläufig auch die Türkei mit beinhalten. Eine brisante Entdeckung, welche sich der Bürger merken sollte.

Bundesrat: Fein raus?
Der Bundesrat redet sich derweil heraus, die Idee der unfairen Abstimmung im Doppelpack zwecks Nötigung der Stimmbürger zu einem Ja zu Bulgarien und Rumänien sei im Ständerat aufgekommen, nicht bei ihm. Das stimmt freilich nur zum Teil. Denn der Bundesrat selbst hat, als er das Verhandlungsmandat gegenüber Rumänien und Bulgarien den aussenpolitischen Kommissionen zur Konsultation unterbreitete, bereits mit dieser Doppelpack-Idee zu liebäugeln begonnen. Er hat diese Idee - damals zweifellos unter nachhaltigem Druck von Christoph Blocher - seinerzeit zwar nicht weiterverfolgt. Aber unschuldig ist er nicht an der Tatsache, dass sie der Ständerat als «Zuchtinstrument» gegen die Stimmbürger heute wieder aufgreift.

Einheit der Materie
In der Schweiz gilt das Prinzip der «Einheit der Materie» für jede Abstimmungsvorlage. Es müsste garantieren, dass die Bürger jede Sachfrage gesondert, einzeln, ihrem eigenen genauen Inhalt nach prüfen und dann an der Urne beurteilen können. Dieses Prinzip durchbricht der Ständerat mit seiner Doppelpack-Idee - auf der erpresserisch-unbewiesenen Behauptung fussend - die EU würde gegenüber der Schweiz alles annullieren, wenn die Schweiz nicht beide Vorlagen (sowohl die Fortführung der Personenfreizügigkeit insgesamt als auch deren Erweiterung auf Rumänien und Bulgarien) vorbehaltlos schlucke. Ein schwaches, manipulatorisches Argument. Jene Mehrheit im Ständerat, die solche Manipulation des freien Volksentscheids durchgedrückt hat, beweist mit ihrem Vorgehen nur eines: Dass die hiesige Classe politique offensichtlich auch hier an der Demokratiefeindlichkeit, wie sie der EU längstens eigen ist, Gefallen findet.

Ulrich Schlüer, Chefredaktor der «Schweizerzeit»; 30. 4. 08

Empfohlene Veranstaltungen
Mittwoch, 7. Mai 2008: Biel
Waffenbesitz: Sicherheit oder Freiheit
Kongresshaus Biel, Podiumsgespräch 19.15 Uhr
mit (u.a.) NR Oskar Freysinger (SVP), NR Jo Lang (Grüne), NR Daniel Jositsch (SP), Chefredaktor Ulrich Schlüer (SVP) (OG Biel)

Dienstag, 13. Mai 2008: Windisch AG
Demokratische Einbürgerungen: Ja oder Nein
Restaurant Sonne, 19.30 Uhr
Podium: Roberto Rodriguez (SP-Parteisekretär) gegen Ulrich Schlüer (SVP Windisch)

Donnerstag, 22. Mai 2008: Lilienberg TG
Lilienberg-Tagung «Ja zur Neutralität»
Unternehmerforum Lilienberg, Ermatingen TG, 16.30 Uhr
Referent: Ulrich Schlüer, Co-Referenten: NR Jakob Büchler (CVP), NR Hans Widmer (SP)
(Lilienberg)