Freitag, 30. November 2007

Wahrheit und Mythos

Zeitgeist EarthZeitgeist

mit deutscher Tonspur von infokrieg.tv

Part1 beschäftigt sich mit der "Größten Geschichte aller Zeiten", wie dieser Mythos entstand, und welche Auswirkungen er auf die Menschheit hat.

Part2 beschäftigt sich ausführlich mit den Terroranschlägen am 11. September 2001.

Part3 zeigt wie ein Zentralbanksystem funktioniert, wie Bankiers von Kriegen profitieren und der uns umgebende, gänzlich auf Angst basierte Zeitgeist wird entlarvt.

Die Totalisierung der Volksschule

Heute werde ich immer noch angefragt für Einzel- und Team-Supervisionen, in seltenen Fällen noch von einzelnen Schul­häusern, die ihre Zusammenarbeit verbessern möchten. Die Rektorate jedoch fragen nicht mehr an. Sie wissen mittlerweile, dass ich ihren Auftrag ablehnen oder neu verhandeln würde. Vor zehn Jahren bekam ich noch Aufträge, in denen es darum ging, den Menschen die Möglichkeit zu bieten, sich entwickeln zu können. Das Zentrum meiner Arbeit, das waren die Menschen und das Wissen darum, dass eine Schule aus ein paar Gebäuden und ansonsten aus Schülerinnen und Schülern, aus Lehrerinnen und Lehrern - Menschen eben - besteht. Ich bin immer davon ausgegangen, dass die Stärke der Lehr­personen der wichtigste Faktor bei der Entwicklung der Qualität einer Schule darstellt. Damals waren sich auch Rektoren bewusst, dass Lehrpersonen Menschen sind - nicht nur Funktionsträger­ und auch sie eine Persönlichkeit besitzen, die es wert ist, entwi­ckelt zu werden, die sogar entwickelt werden muss, denn gerade in diesem Beruf wirken sie, wie sonst nirgends so stark, als ganze Person auf ihr Gegenüber, also auf die Kinder. Heute liegt das Schwergewicht der Interventionen nicht mehr beim Menschen, sondern ausschliesslich bei den Strukturen. Das gesamte System unserer Schule soll in den nächsten Jahren grundlegend geändert werden und das hat schon begonnen. Dabei spielt die einzelne Lehrperson mit ihren Besonderheiten, mit ihrer Individualität keine Rolle mehr. Vereinheitlichungen, Normierungen und die so genannte Verschriftlichung sind gross im Trend. Die Bildung von Unwörtern übrigens auch.
Heute spriessen Projekte, Konzepte, Pilotversuche wie Giftpilze aus dem Boden. Die müssen dann eben verschriftlicht werden, das heisst, dass jeder Gugus schriftlich vorliegen muss. Zudem wird das gesamte Schulsystem grundlegend auf den Kopf gestellt. Nehmen wir mal eines der aktuellen Projekte: die Ver­teilung der sonderpädagogischen Ressourcen auf alle Standorte. Innerhalb von nur wenigen Monaten sollen alle sonderpädagogi­schen Stunden einer Stufe grundlegend neu umverteilt werden. Was nie ausgesprochen wurde ist Folgendes: Die Sonderklassen verschwinden praktisch von der Bildfläche, die Sonderlehrer wer­den jetzt alle Wanderpädagogen, die Kinder in den Regelklassen mal hier mal da unterstützen. Separation ist pfui! Integration ist hui! Das ist die neue Devise, die von den Herren auf den richtigen Sesseln propagiert und durchgesetzt wird. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Führungs-, Entwicklungs- und Arbeitsgruppen gebildet. Organisationsentwickler werden - für sehr teures Geld angestellt, um die verschiedenen Funktionen dieser Gruppen und deren Zusammenwirken in unverständlichen Sätzen, denn das tönt doch gescheiter - zu defi­nieren. Wie die Mitglieder der einzelnen Gruppen untereinander zu funktionieren haben, wird selbstverständlich auch nicht ver­gessen. Innerhalb sehr enger Rahmenbedingungen, die natürlich auch von einer externen Leitung im Auftrag der Rektorate festge­halten werden, werden nun Lehrkräfte dazu verknurrt, neben ihren sonstigen Aufgaben die Vorstellungen der Rektoren und ihrer Helfer für ihr Schulhaus umzusetzen. Das nennt man dann partizipativen Führungsstil. Mittlerweile lehne ich solche Auf­träge in unserer Stadt ab, denn sie bedeuten, dass der Organisa­tionsentwickler nichts anderes mehr ist, als „His Masters Voice“. Er muss nämlich die Lehrerinnen und Lehrer dazu bringen, ohne zu knurren und mit Enthusiasmus die Kopfgeburten einiger Herren auf die Beine zu bringen. Da wir in Europa und im einundzwangstigten – sorry, einundzwanzigsten Jahrhundert sind, soll­ten auch in diesen Prozessen demokratische Strukturen, so weit als möglich, vorgetäuscht werden. Hearings, Open-Space-Veran­staltungen, Fischpools und sonstige Meinungsaustausch-Treffen werden in regelmässigen Abständen angeboten. Dort können dann die Immer-noch-Naiven ihren Kröpf leeren und die Enthu­siasten ohne Verfallsdatum ihre Optimierungsvorschläge an den Mann bringen, - die dann irgendwann, von einem der vielen Gremien zum Verschwinden gebracht werden. Ich finde es so schwierig, Aussenstehenden begreifbar zu machen, wie sich die Stimmung an unseren Schulen in den letzten Jahren verändert hat. Aber den Mund aufreissen, das traut sich kaum jemand. Manche schon, nämlich, diejenigen, die eine so genannte befristete Anstellung haben. Das ist theoretisch nur in den ersten vier Jahren möglich, danach müssen sie entweder angestellt oder nicht weiter beschäftigt werden. Natürlich gibt es Ausnahmeregelungen, die recht oft angewendet werden, zum Beispiel wenn Aus­bildungen abgeschlossen oder Diplome, Nachqualifikationen nachgeholt werden müssen. Dies kommt in unserem Land sehr oft vor, da nicht mal die Kantone untereinander ihre Diplome anerkennen wollen. Von ausländischen Diplomen wollen wir schon gar nicht reden, die sind eh nie gut genug. Das Schlimmste ist, was uns so in verschachtelten Sätzen oder zwischen den Zeilen der Elaborate vermittelt wird.

Peter Bloch, Supervisor, Coach, Mediator, Kommunikationsberater, Organisationsentwickler

Donnerstag, 29. November 2007

Staatliche Indoktrination

Um dem Leser oder Zuhörer unangenehme Wahrheiten besser verkaufen zu können, werden Begriffe so genannt neurolinguistisch zurecht gebogen. Einfach ausgedrückt, werden Begriffe weich gewaschen, damit sie besser verdaulich sind.

Aus Krieg wird robuster Einsatz, zerfetzte Leiber von Frauen und Kindern werden zu Kollateralschäden; wer sich gegen Ausbeutung und Demütigung wehrte, war früher Rebell, heute Terrorist, die absolut rechtlos sind und mit allen Mitteln bekämpft werden dürfen; Bombardierung nennt man Luftschlag, den Angriffskrieg Befreiungseinsatz; aus Ausbeutung wird Gewinnoptimierung; Manipulation ist Information; Lügen sind Missverständnisse; sich von der Verantwortung drücken heisst delegieren; Indiskretionen nannte man einst Waschweibergeschwätz. Die Liste könnte man beliebig verlängern.

Die Menschen merken schon, dass sie für dumm verkauft werden. Viele fühlen sich mehr und mehr ohnmächtig und resignieren. Sie ziehen sich in sich selbst zurück, versuchen, sich irgendwie durchzuwursteln und vereinsamen. Sie leben nach dem Prinzip: ich höre nichts, ich sehe nichts und ich sage nichts. Dieses Phänomen trifft man vor allem in Städten und Agglomerationen. Die Manipulierer reiben sich die Hände, weil sie damit ihr Ziel erreicht zu haben glauben. Leider hat jede Medaille zwei Seiten.

Eine gesunde Gesellschaft braucht aktive Menschen, die denken und tatkräftig an anstehende Probleme herangehen. Allgemeine Resignation und Passivität führen in den Abgrund und bilden Nährboden für eine Diktatur. Parlamentarier, die den Bundesrat zum Führen auffordern, weil sie ihre Verantwortung delegieren wollen, dürfen sich nicht beklagen, wenn sie manipuliert werden. Keine Verfassung, keine Gesetze und Verordnungen schützen davor. Man kann immer gesetzeskonform handeln, wenn man den Sinn von Begriffen etwas umformuliert. In der Bundesverwaltung sitzen genug Leute, die dem Bundesrat mit geeigneten „Informationen“ so an die Hand gehen, dass er selbst den Durchblick verliert. Sie nennen sich „Kommunikationsbeauftragte“ und sind nichts anderes als psychologisch geschulte Journalisten, die mit den Medien eng zusammen arbeiten und mit „Indiskretionen“ ihre Einschaltquoten und Auflagen erhöhen. Die Parlamentarier, die die eigene Verantwortung an die Exekutive delegiert haben, damit bei der Wiederwahl nicht sie, sondern andere für alles schuld sind, sitzen nun in der eigenen Falle. Heute beklagen sich viele, dass sie statt informiert manipuliert werden. Wer kann es den Medien verdenken, wenn sie das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, um ihr Geschäft zu optimieren.

Zusammenfassend kann man sagen, dass niemand mehr für irgendetwas verantwortlich ist, weil alles anonym geregelt ist. Die Grosskonzerne sitzen nirgends und überall, so dass sie für alle Verpflichtungen immer ein Schlupfloch haben. Der Staat ist zwar für alle sozialen Aufgaben zuständig, aber diese sind so aufgeteilt, dass niemand für etwas verantwortlich ist. Gemeinden delegieren sogar soziale Aufgaben an Privatunternehmen. Das System ist sozialistisch aber nicht sozial. Dadurch verlieren viele den Boden unter den Füssen, sie fühlen sich nicht mehr verwurzelt und geborgen. Der Computer in der Primarschule wird mithelfen, bereits Kinder zu vereinsamen. Teamgeist, Zusammenstehen, sich gegenseitig helfen wird bereits den Kindern ausgetrieben. Einsame Menschen sind leicht manipulierbar und für das Konsumieren zugänglicher. Um dafür zum nötigen Kleingeld zu kommen, locken Wettbewerbe und Lotterien aller Art.

Das Rezept, um der ganzen Misere abzuhelfen, ist eigentlich ganz einfach. Verantwortlichkeiten müssen wieder ganz klar zugewiesen werden und zwar privat, wie in Politik und Wirtschaft: Eheleute müssen ihre Angelegenheiten ohne staatliche Einmischung regeln. Die Kindererziehung ist Sache der Eltern, die Lehrerschaft ist für eine erfolgreiche Bildung zuständig, der Staat hält sich wieder strikt an die Gewaltentrennung und ordnet sich so, dass die Zuständigkeiten klar aufgeteilt sind. Die Gesetze sind nur da, um grobe Verstösse der Verantwortung im weitesten Sinne zu regeln.

Jeder einzelne Bürger muss sein Verhalten in Bezug auf Verantwortung hinterfragen. Jeder und jede muss selbst mehr zugreifen statt um der Bequemlichkeit willen wegschauen. Wir Bürger sind der Staat und deshalb müssen wir uns alle in irgendeiner Weise in dessen Dienst stellen. Die da oben machen so lange, was sie wollen, bis wir erwachen und aktiv am Erhalt unseres schönen Landes teilnehmen. Andernfalls wird unsere einzigartige direkte Demokratie zu Recht bald einmal der Vergangenheit angehören.

Hanny Haidvogl-Werder, Gelterkinden

Mittwoch, 28. November 2007

Manipulation durch Sprache

von Dr. phil. Judith Barben, Psychologin FSP und Psychotherapeutin APP

Vor zwei Jahren sass ich neben Herrn Professor Dr. iur. Hans Ulrich Walder-Richli in der Arena-Sendung zur Armee XXI. Schräg gegenüber posierten Bundesrat Samuel Schmid und sein Gefolge. Ich konnte deren dreiste Unwahrheiten kaum ertragen. Nach einer Weile flüsterte Professor Walder mir zu: „Ist Ihnen schon aufgefallen, welche Worte Bundesrat Schmid am häufigsten braucht? Glaubwürdigkeit und glaubwürdig.“ Das war eine wichtige Beobachtung. Sie wirft ein Licht auf die Tatsache, dass unsere Bundesräte von ihren Spindoctors daraufhin geschult werden, ihren Aussagen stets den richtigen „Spin“ (Dreh) zu geben. Der Herr Bundesrat wusste, worauf es ankam: Auf keine Frage inhaltlich eingehen, immer dieselben Behauptungen wiederholen und diese ständig mit der Worthülse glaubwürdig garnieren. An einer Medienkonferenz zur Armee XXI sagte Schmid: „Die Behauptung, wir wollten in die Nato“ ist „reine Phantasie und an Einfallslosigkeit nicht zu überbieten. (…) Eine Lüge bleibt eine Lüge, auch wenn man sie hundertmal wiederholt.“ Er beteuerte, die Neutralität und der Verfassungsauftrag würden gewahrt und das Milizprinzip sogar verstärkt.

Lüge oder Manipulation?

Heute wird immer offensichtlicher, wie dreist der Bundesrat uns damals hinters Licht geführt hat: Weder der Verfassungs­auftrag zur Landesverteidigung noch das Milizprinzip werden gewahrt, und inzwischen gibt das VBS selbst bekannt, dass ein Zusammenlegen unserer Armee mit der Nato in den Bereichen Ausbildung und Rüstung geplant ist. Damals diffamierte der Bundesrat diejenigen, die solche Zusammenhänge aufzeigten, als Lügner.

Ist das ein Beispiel für sprachliche Manipulation? Was ist der Unterschied zur Lüge? Ich will dazu den Philosophen Josef Pieper zu Wort kommen lassen. In seinem bemerkenswerten Vortrag von 1964 „Der Verderb des Wortes und die Macht“ hat Pieper auf den unauflöslichen Zusammenhang zwischen Sprache und Wahrheit hingewiesen. Wahrheit ist nichts anderes als der Bezug zur Realität, sagt Pieper. Wenn die Sprache sich nicht um Wahrheit kümmert, wird sie zum gefährlichen Machtinstrument.

Pieper rollt seine Gedanken anhand der Auseinandersetzung von Sokrates und Platon mit den Sophisten auf. Diese hatten die Technik der politisch einflussreichen Redekunst im antiken Griechenland zur höchsten Raffinesse entwickelt, kümmerten sich aber nicht um den Wahrheitsgehalt dessen, was sie sagten. Mit ihrer Rhetorik konnten sie für die schlimmsten Dinge gute Gründe finden. Sokrates und Platon kritisierten die Sophisten als gefährliche Wortkünstler. Für Pieper ist das Schlimme an der Sophistik, dass sie die Würde des Wortes verderbe.

Worin besteht denn die Würde des Wortes? Sie liegt nach Pieper darin begründet, dass die Sprache nichts Spezielles ist, sondern das Medium unserer gemeinsamen geistigen Existenz schlechthin. Im Wort trägt sich menschliches Dasein zu. Die Errungenschaft und Würde des menschlichen Wortes liegt im Bezug der Sprache zur Realität und zum Mitmenschen: Man spricht, um etwas Wirkliches kenntlich zu machen für einen Anderen. Einem Anderen soll etwas Wirkliches vor Augen gebracht werden. Diese beiden Aspekte von Sprache, ihr Realitätsbezug und ihr Mitteilungscharakter, sind zu unterscheiden, aber nicht voneinander zu trennen.

Was geschieht, wenn der Mensch lügt? Pieper zeigt auf, dass durch die Lüge beide Aspekte von Sprache zerstört werden, sowohl ihr Realitätsbezug als auch ihr Mitteilungs­charakter. Die Lüge ist genau genommen keine Mitteilung. Warum? Wenn sich die Rede des Menschen nicht mehr nach den Sachen richtet, wenn der Bezug des Wortes zur Wirklichkeit aufgelöst ist, wird gleichzeitig auch der Mitteilungscharakter der Sprache zerstört, denn der Andere wird nicht mehr als gleichwertiger Partner anerkannt; er wird zum Objekt, das durch Sprache in eine bestimmt Richtung gelenkt oder zu einer bestimmten Handlung gebracht werden soll. Es handelt sich um ein partnerloses Reden. Das Wort wird zum Mittel, um den Anderen zu manipulieren. Dessen Würde wird verletzt. Er soll wie ein Instrument zur Funktion gebracht werden. Der gleichwertige Bezug zum Anderen fehlt. Deshalb ist die Lüge keine Mitteilung im eigentlichen Sinne.

Durch die sophistische Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit findet also nach Pieper eine zweifache „Korrumpierung des Wortes“ statt: „Verderb des Realitätsbezuges“ und „Verderb des Mitteilungscharakters“.

Spindoctors kosten Steuerzahler Millionen

Auch heute haben wir es mit Sophisten zu tun. Es sind die Spindoctors, die im Integrationsbüro und anderen Propagandaabteilungen der Bundesbehörden sowie in den Kampagnenbüros von Economiesuisse sitzen. Sie werden „Kommunikationsspezialisten“ genannt, sind sozialwissenschaftlich und kommunikationstheoretisch hoch geschult und ihr Geschäft ist die „politische Kommunikation“ Allein der Bund beschäftigt 432 solche „Kommunikationsfachleute“ für jährlich 80 Millionen Franken. 220 von ihnen befassen sich ausschliesslich mit sogenannter „Öffentlichkeitsarbeit“. In ihren Büros wird der sich nicht um Wahrheit scherende Wortgebrauch immer weiter ausgefeilt, um planmässig verdeckte politische Ziele zu erreichen. Solcher Missbrauch ist laut Pieper nicht nur falsch, sondern „schlecht, minderwertig, miserabel, schändlich, unheilvoll: grundschlecht!“

Besonders heimtückisch ist die Lüge, wenn sie nicht nur praktiziert, sondern zudem noch dem anderen unterstellt wird – wie im erwähnten Beispiel der Arena-Sendung. Kürzlich war dasselbe Verhalten bei Vertretern der Grossfinanz zu beobachten: Economie­suisse-Präsident Ueli Forster und Grossbank-Chef Marcel Ospel verbreiteten die absurde Behauptung, die Schengen/Dublin-Abkommen der Schweiz mit der EU würden die Sicherheit erhöhen und Arbeitsplätze schaffen. Alle gegenteiligen Aussagen seien „falsche Informationen“ und „Unwahrheiten“, sagten sie, „Lügen können wir nicht unbeantwortet lassen“. Economiesuisse ist die Frontorganisation der Grossfinanz und setzte ein Budget von mehreren Millionen Franken für die Pro-Schengen/Dublin-Kampagne ein.

Für Pieper ist die Auseinandersetzung von Platon und Sokrates mit den Sophisten ein Modell-Fall. Es spreche vieles für die Vermutung, meint er, dass Platon und Sokrates in der Sophistik eine Gefährdung erkannt und beim Namen genannt haben, die das Leben des Geistes und der Gesellschaft zu jeder Zeit bedroht, eine ewige Versuchung gewissermassen, welcher Widerstand zu leisten der geschichtliche Mensch seit eh und je aufgefordert gewesen ist und auch in Zukunft aufgefordert bleibt.

Ist die Sprache einmal prinzipiell neutralisiert gegen die Wahrheitsnorm, dann ist sie das zubereitete Werkzeug, das nur darauf wartet, von einem Machthaber in die Hand genommen und als Propaganda für beliebige Gewaltzwecke eingesetzt zu werden. Darin sieht Pieper die grosse Gefahr der sophistischen Korrumpierung der Sprache. Zur Propaganda gehöre immer auch „das Element der Drohung“ mit all ihren Formen und Graden der Diffamierung, der öffentlichen Belächelung und des Übergangenwerdens. Die Meisterschaft bestehe darin, sagt Pieper, die Drohung nicht nackt hervortreten zu lassen, sondern sie zu verhüllen. Sie bleibe zwar durchaus wahrnehmbar, das soll sie auch, aber zugleich werde es dem Bedrohten leicht gemacht zu glauben, er tue, indem er sich einschüchtern lässt, in Wirklichkeit das Vernünftige und Richtige und übrigens auch das, was er sowieso selbst tun wollte.

Einschüchterung der Stimmbürger

Kommt uns nicht auch das sehr bekannt vor? So rief Bundesrat Deiss an einer CVP-Versammlung drohend in den Saal: „Fort mit den Protektionisten, den Barrikadeuren und Betonneuren: Ich will eine CVP, die mich unterstützt.“ Mit solchen Drohungen soll der Stimmbürger eingeschüchtert werden, damit er Verträgen zustimmt, die – zum Schaden der Bürger – der Grossfinanz mehr Profite verschaffen. Mit manipulierten Argumenten sollen alle Dämme gegen die Globalisierung niedergerissen werden. Bundesrätin Calmy-Rey behauptete in einem Interview, dass im Falle eines Nein der Stimmbürger zu Schengen/Dublin und zur erweiterten Personenfreizügigkeit neue Verhandlungen mit der EU unter erschwerten Bedingungen, nämlich „mit einem Messer an der Kehle und einem Dolch im Rücken“ geführt werden müssten. Professor Walder entlarvte diese Drohung als Propagandalüge, indem er Frau Calmy-Rey schriftlich anfragte, ob entsprechende Drohungen seitens der EU vorliegen würden. Er erhielt nur eine ausweichende Antwort.

Im Missbrauch der Sprache zur Lüge und Propaganda sieht Pieper eine untergründige Vorbereitung der Tyrannei. Er stellte die These auf, dass man an der sophistischen Manipulation der Sprache die „latente Virulenz des totalitären Giftstoffes“ geradezu ablesen könne. Bevor die Tyrannei für jedermann sichtbar zu Tage trete, beginne sie nämlich weit weniger alarmierend in jenem kaum wahrnehmbaren Augenblick, da das Wort seine Würde verliere. Mit diesen grundlegenden Gedanken zeigt uns der Philosoph auf, wie eng Sprache, Wahrheit und politisches Klima zusammenhängen. Machthaber sind noch nie ohne Manipulation und Propaganda ausgekommen. Sie instrumentalisieren dafür auch die Medien.

Deshalb ist es so wichtig, über eigene unabhängige Zeitungen und Publikations­organe zu verfügen. Und deshalb ist auch die Eidgenössische Volksinitiative „Volks­souverä­ni­tät statt Behördenpropaganda“ so dringend und unentbehrlich. Sie erfasst zwar nur einen Teil, aber einen äusserst wichtigen Teil des Problems: die Behörden­propaganda. Die Propaganda durch die Medien und die Grossfinanz ist damit noch nicht thematisiert. Doch die Behördenpropaganda ist besonders heimtückisch und verfassungs­widrig, weil die Steuergelder aller Bürger für einseitige Propaganda missbraucht werden und weil viele Menschen den Behörden immer noch vertrauen und von ihnen – eigentlich zu Recht – erwarten, dass sie im Sinne des Gemeinwohls handeln.

Zum Arsenal der Spindoctors zählen auch die Sozialwissenschaften. So wird die Psychologie, eigentlich ein wertvolles Mittel der Hilfeleistung, von ihnen als Instrument der Manipulation missbraucht. Besonders verbreitet ist eine aus Amerika stammende Psycho­technik, das „Neurolinguistische Programmieren“. Dessen Vertreter bezeichnen ihre Technik als eine “Sammlung höchst wirksamer Kommunikations- und Ver­än­der­ungs­techniken”, mit denen sie angeblich, “die Persönlichkeit auf Wunsch bis in den Kern der Identität hinein” verändern können.


Neurolinguistisches Programmieren statt Sachargumente

Das Neurolinguistische Programmieren wurde aus der Hypnose entwickelt und zielt darauf ab, mittels “hypnotischen Worthülsen“ unbewusste Reaktionen und Prozesse beim Menschen in Gang zu setzen. Der Name Neurolinguistisches Programmieren setzt sich aus den Elementen „neuro“, „linguistisch“ und „programmieren“ zusammen. „Neuro“ meint die Wahrnehmung, „linguistisch“ die Sprache, und mit „Progammieren“ ist das Umprogrammieren unbewusster Verhaltensmuster gemeint. Mit diesen Elementen arbeitet das Neurolinguistische Programmieren. Man will den Menschen auf verschiedenen Wahrnehmungskanälen beeinflussen, vor allem mittels sprachlicher Botschaften, um ihn auf unbewusster Ebene umzuprogrammieren.

Zwei wichtige Grundannahmen des Neurolinguistischen Programmierens sind, erstens: die Realität sei nicht wichtig, da jeder Mensch seine eigene Realität habe; und zweitens: die Sprache sei nicht als Mittel der Verständigung zu benutzen, sondern als Mittel der Beeinflussung. Im Neurolinguistischen Programmierens hat die Sprache die Aufgabe, den Menschen abzulenken und in Stimmungen zu versetzen „quasi mit Schallwellen“ zu manipulieren und nicht, sich mit ihm über etwas Reales zu verständigen. Das erinnert an die antiken Sophisten.

Eine häufig angewandte Technik des Neurolinguistischen Programmierens ist das „Reframing”. Reframing heisst: „etwas in einen neuen Rahmen stellen“. Mit dieser Technik werden Begriffe, die ursprünglich eine positive Bedeutung und einen positiven Gefühlston hatten, in einen völlig neuen Rahmen gestellt, wo etwas anderes gemeint ist. Der positive Gefühlston der ursprünglichen Bedeutung wird jedoch automatisch auf den neuen Zusammenhang übertragen.

Diese Technik kommt zur Anwendung, wenn Bundesrat Deiss ins Publikum ruft: „Mehr Wachstum (für die Schweizer Wirtschaft) ist das vordringlichste Ziel der schweizerischen Innen­politik“ – „Packen wir die Chance!“ Hier verwendet Deiss, angeleitet von seinen Spindoctors, die Begriffe „Wachstum“ und „Chance“ als hypnotische Worthülsen, um die Erweiterung der Personenfreizügigkeit mit einem positiven und angenehmen Gefühlston zu koppeln.

Was wir von bundesrätlichen Versprechen vor Abstimmungen zu halten haben, wissen wir inzwischen. So versprach Bundesrat Leuenberger im Jahr 2000, dass sich der Schwerverkehr infolge der Bilateralen Verträge I bis ins Jahr 2009 halbieren würde. In Wirklichkeit ist der Schwerverkehr seither permanent angestiegen, von damals unter einer Million auf heute bereits 1,3 Millionen Lastwagen, die pro Jahr durch unser Land donnern.

Im Hinblick auf die bevorstehende eidgenössische Abstimmung vom 25. September 2005 über die Ausdehnung der Personen­frei­zügig­keit gaukelt man uns mit hypnotischen Worthülsen wie „Aufschwung für Arbeits­plätze“ und „Neue Exportmärkte in den neuen EU-Ländern“ rosige Zukunftsaus­sichten vor. Natürlich wissen auch die Befürworter, dass das alles nicht stimmt. Auch sie wissen, dass die neuen EU-Länder gigantische Arbeitslosenquoten haben und dass die erweiterte Personenfreizügig­keit zur Zunahme der Arbeitslosigkeit auch bei uns und zu massivem Lohndumping führen würde. Mit sprachlicher Manipulation versuchen sie, uns über diese Realitäten hinwegzutäuschen, denn sie verfolgen andere Ziele. Es geht ihnen darum, für das global operierende Kapital alle Markthemmnisse wegzuschaffen, zum Schaden von uns Bürgern.

Doch, um mit Abraham Lincoln zu sprechen: „Für eine gewisse Zeit kann man alle Leute hinters Licht führen und einige Leute kann man für immer hinters Licht führen, aber niemals kann man alle Leute für immer hinter Licht führen.“ (You can fool all the people some of the time, and some of the people all of the time, but you cannot fool all the people all the time.)

Der Artikel basiert auf einem Referat der Autorin am 6. Felseneggessen auf Schloss Wartensee (Schweiz) am 18. Juni 2005

Die Arena-Sendung wird jeweils am Freitagabend vom Schweizer Fernsehen DRS zu verschiedenen politischen Themen ausgestrahlt, vor Abstimmungen oft zu Abstimmungsthemen. Das Sendegefäss gilt als politische „Diskussions“-Sendung, ist aber ein hektisches und polemisches Hickhack; Meinungen prallen aufeinander, keine Frage wird inhaltlich geklärt, oft fehlt jeder Bezug zur Realität. Angeblich sind jeweils beide Seiten einer kontroversen Frage vertreten. In Wirklichkeit wählt das Fernsehen DRS die Teilnehmer sowie die Statisten und Claqueure in den hinteren Rängen willkürlich aus. Der Arena-Moderator, von einer nicht sichtbaren Person per Ohrhörer gesteuert, erteilt einzelnen Teilnehmern das Wort oder schneidet es ihnen ab. Viele kommen nie zu Wort. Der Moderator bestimmt, ob auf eine Frage eingegangen wird oder nicht. Oft werden Gesichter einzelner Teilnehmer eingeblendet, die unwillig den Kopf schütteln, zustimmend nicken oder hämisch lachen – je nachdem, welcher „Spin“ der Sendung gege­ben werden soll (vgl. nächste FN). Viele Menschen sind nach dem Anschauen der Arena-Sendung verwirrt und verunsichert und haben auf ihre Fragen keine Antwort. Aufgrund des hektischen Durcheinanders wird die Arena im Volksmund oft „nationale Hackfleischsen­dung“ genannt.

Der Begriff „Spin“ ist aus dem Tennissport entlehnt. Ein geübter Spieler kann, um den Gegner zu täuschen, beim Schlagen den Ball mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung in Rotation versetzen, so dass dieser nach dem Aufprall in eine völlig unerwartete Richtung fliegt

Medienkonferenz Abstimmungskampagne, 17. Februar 2003

Joseph Pieper: Missbrauch der Sprache – Missbrauch der Macht. Zürich 1970

Sabine Lüthi: Und wieder zwei Frontenwechsel. Tages-Anzeiger, 26.4.2001. Otfried Jarren: Soll und Grenzen der Staatsinformation. Politische Kommunikation als staatspolitische Aufgabe. Neue Zürcher Zeitung, 4.2.2005

Joseph Pieper. A.a.O. Seite 19

SonntagsZeitung, 29.5.2005 und www.news.ch 29.5.2005

Delegiertenversammlung der CVP. Vgl. Aargauer Tagblatt 7.2.2005

Tages-Anzeiger 21.3.2005

Das Neurolinguistische Programmieren, kurz: NLP, wurde von den Amerikanern Richard Bandler und John Grinder entwickelt. Vgl. dazu Judith Barben: Die Psychologisierungsfalle – ein „dirty trick“ der „Spin-doctors“. Zeit-Fragen 12.02.2001. Dies: Von Machiavelli bis zum Neurolinguistischen Programmieren. Zeit-Fragen 28.01.2002. Dies. Neurolinguistisches Programmieren statt Wissenschaft. Bergier-Bericht verrät Handschrift der Spin-doctors, Teile I und II. Zeit-Fragen 24.6.2002 und 1.7.2002

Thies Stahl: Neurolinguistisches Programmieren (NLP). Was es kann, wie es wirkt und wem es hilft. Mannheim 1992, S. 13

Thies Stahl, zitiert in: Kobler Hans Peter. Neue Lehrer braucht das Land – Kommunikation & Lernen. Paderborn 1995, S. 20

Thies Stahl. Neurolinguistisches Programmieren. A.a.O. S. 55f.

Richard Bandler & John Grinder: Reframing. Neuro-Linguistic Programming and the Transformation of Meaning. Moab, Utah 1982

An der Delegiertenversammlung der CVP (vgl. Aargauer Tagblatt 7.2.2005) und im Interview mit „Facts der Wirtschaft“ Nr. 31, Juni 2005 (Facts der Wirtschaft ist eine Publikation der Economiesuisse)

Siehe Propagandamaterial und Inserate der „Informationsgruppe Bewährte Bilaterale“ (www.bilaterale.ch). Zu dieser Gruppe gehören ausser Spindoctors und Vorzeigepolitikern vor allem Vertreter der internationalen Grossfinanz wie Ueli Forster (economiesuisse), Marcel Ospel (UBS), Peter Spuhler (UBS) und André Kudelski (Nestlé, Crédit Suisse). Kudelski etwa hat an der diesjährigen „Bilderberger-Konferenz“ im Mai in Rottach-Egern am Tegernsee teilgenommen, wo Vertreter der internationalen Finanzwelt wie er selbst, David Rockefeller, Daniel Vasella, Josef Ackermann, Paul Wolfowitz und andere mit massgeblichen Politikern, Diplomaten und handverlesenen Medienleuten aus Europa und USA unter strengster Geheimhaltung globale politische und wirtschaftspolitische Strategien zur Profitmaximierung der Reichsten dieser Welt ausgeklügelt haben

Das von Lincoln stammende Zitat wird fälschlicherweise oft Winston Churchill zugeschrieben

Dienstag, 27. November 2007

Traumatisierung in der Psychiatrie

(Überarbeitete Fassung des Vortrags "Ordnungsmacht Psychiatrie", den Marc Rufer am 10. September 2005 an der Tagung des BPE in Kassel hielt.)

Das Tabu
Die Psychiatriekritik ist seit längerer Zeit immer leiser geworden, ja nahezu verstummt. Es ist der Psychiatrie in den letzten Jahren gelungen, mit ihren wissenschaftlichen "Erfolgen" die Medien zu besetzen und damit ihr "image", das in den 1970er und 1980er Jahren doch schwer beschädigt war, ganz wesentlich zu verbessern. Heute ist die Rede vor allem von den biologischen Ursachen der psychischen Störungen und deren Behandlung mit Psychopharmaka. Die Balance der Neurotransmitter sei es, die die psychische Befindlichkeit des "gesunden, wie auch des "kranken" Menschen bestimmt. Durch ihre fortwährende Wiederholung wurden derartige Aussagen gleichsam zu gesellschaftlichen "Wahrheiten". Verschwiegen wird dabei, dass es sich dabei um schlecht belegte Hypothesen handelt. Obschon diese "Wahrheiten" auf tönernen Füssen stehen, haben sie eine deutliche Wirkung: Sie lenken von den nach wie vor verheerenden Praktiken des psychiatrischen Alltags ab. Nach wie vor sind und bleiben Zwang und Gewalt das bestimmende Element der heutigen Psychiatrie. Es ist noch kein Jahr vergangen, seitdem im Deutschen Ärzteblatt von einem drastischen Anstieg der Zwangseinweisungen berichtet wurde. (Müller, 2004, A-2794) Dabei gab es in Deutschland bereits 2000 ca. 140 000 Zwangsunterbringungen (175 pro 100 000 Einwohner.) (Dressing, 2004, 89) Besonders oft trifft es jüngere Männer, ältere Frauen, ferner arbeitslose und bereits mehrfach hospitalisierte Menschen; überrepräsentiert ist auch die Diagnose Schizophrenie. (Bruns, 1997, 62)
Nach wie vor gelten Psychiaterinnen als Respektspersonen. Es herrscht Unsicherheit und Angst, schließlich ist potentiell jede und jeder in Gefahr, irgendwann als psychisch "krank" diagnostiziert zu werden. Die Psychiater gelten als die Experten, die den "Wahnsinn", beziehungsweise die "Geisteskrankheiten" sogar dann, wenn sie noch nicht ausgebrochen sind, diagnostizieren können.
Ein Tabu verhindert den ungetrübten Blick auf die Psychiatrie: "Wo man nicht weiter zu fragen wagt oder nicht einmal auf den Gedanken kommt, hat man es mit einem Tabu zu tun." (Mitscherlich 1977, 111) Das Tabu reguliert die Einstellung zu einem Sachverhalt, wie das eine sehr mächtige Autorität, die keinen Widerspruch duldet, zu halten pflegt und führt damit zu einer Denkhemmung. Damit wird Erkenntnis verhindert. Der Gehorchende bleibt in der Position eines Kindes, das nicht fragen darf.
So bewegt sich psychiatrisches Handeln seit jeher in einem gesellschaftlichen Schonraum. Gleichzeitig erklärt sich die Selbstsicherheit der Psychiater: Wer sie kritisiert, gerät schnell ins gesellschaftliche Abseits.
Das gilt für die Psychiatriekritik ganz allgemein. Doch die Macht des Tabus, die Wirkung des "du sollst und darfst es nicht aussprechen, nicht benennen, nicht anprangern", ist an einer ganz bestimmten Stelle noch wesentlich größer, praktisch unüberwindlich: Es handelt sich um die Benennung der Schädigungen, die durch psychiatrische Zwangsmassnahmen ausgelöst werden können. Es fällt den Psychiaterinnen leicht, auf Grund einer willkürlichen Zusammenstellung von Symptomlisten fragwürdige und wissenschaftlich nicht gesicherte "Krankheiten" wie die "Schizophrenie" zu diagnostizieren. (Rufer, 2004, 112ff) Sie tun sich jedoch sehr schwer damit zuzugeben, dass ihre eigenen Handlungen für die Betroffenen hochgradig schädlich sein können. Vielmehr ziehen sie es vor, diese Schädigungen als Symptome der "Krankheit" zu bezeichnen, die ihrer Ansicht nach Grund für die Unterbringung war.
Als ich von einer Studie zum Thema Aggression und Zwang in der Psychiatrie hörte, schöpfte ich Hoffnung. Doch Ernüchterung, als ich zu lesen begann: "Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Pflegerin oder ein Pfleger der Akutpsychiatrie im Laufe der Berufskarriere von einem Patienten tätlich angegriffen wird, liegt bei über 70 Prozent."(Heusser, 2005,15) Also noch immer wird dieses üble Bild vermittelt: Es sind die Patientinnen, die die Pfleger und Schwestern angreifen. Zwang und Gewalt dann von Seiten der Pfleger und Ärzte Isolierung, Fixierung, Medikation ohne Einwilligung , wird, wenn überhaupt davon die Rede ist, als Antwort der Institution auf aggressives Verhalten der Insassen verstanden, als eine die krankhafte Aggression begrenzende Behandlungsmaßnahme.
Dabei ist die Aggressivität der Betroffenen in der Psychiatrie praktisch immer eine provozierte, eine durch die Situation bewirkte Aggressivität. Sie ist keineswegs einfach als Symptom zu betrachten, als krankhafte Besonderheit, die nun einmal zu diesen Menschen gehört. Einfühlung wäre nötig: Wenn jemand sich gegen die Einweisung an einen Ort, den er fürchtet, sich gegen Einsperrung und Isolation, gegen die Einschränkung elementarster Menschenrechte, gegen die zwangsweise Trennung von den Menschen, die er liebt oder gegen die Einnahme von Medikamenten wehrt, kann das doch nicht als Krankheitssymptom bezeichnet werden. Es handelt sich hier mit größter Wahrscheinlichkeit um eine einfühlbare, gesunde und selbstverständliche Reaktion eines Menschen, der seine Freiheit braucht und liebt.

Die Psychiatrie - kein medizinisches Spezialfach wie die andern
Die Psychiatrie hat eindeutig und offensichtlich eine Doppelfunktion. Nicht nur soll sie psychisch leidenden Menschen helfen und sie möglichst heilen (was ihr übrigens auch im besten Fall kaum gelingt), sondern sie hat auch eine Ordnungsfunktion, bisweilen auch soziale Kontrolle genannt. Am deutlichsten zeigt sich dies darin, dass Psychiaterinnen befugt sind, Zwang und Gewalt anzuwenden. Es handelt sich dabei um Gewalt, die im staatlichen Auftrag ausgeübt wird; sie rückt die Psychiatrie in die Nähe der Polizei, deren Wirken sie ergänzt. Wo staatlich sanktionierte Eingriffe notwendig erscheinen, ohne dass Delikte begangen wurden, tritt die Ordnungsmacht Psychiatrie in Aktion: "Psychisch Kranke sind in rechtsstaatlichen Demokratien die einzigen Menschen, denen die Freiheit entzogen werden darf, ohne dass sie eine Straftat begangen haben." (Finzen 1993, 13)
Die Ordnungsfunktion der Psychiatrie wird kaum wahrgenommen, kann die Anwendung von Gewalt doch leicht als Hilfe und bestmögliche Behandlung ausgegeben und damit verschleiert werden. Die Verbindung mit der Medizin veredelt diese Eingriffe. Sanktionen werden so zu Maßnahmen der Hilfe und Menschlichkeit, was sie fälschlicherweise legitimiert. Kritik wird dadurch massiv erschwert, ja praktisch verunmöglicht. Allenfalls können gewalttätige Exzesse kritisiert werden, nicht aber die Tatsache, dass die Psychiatrie als Ganzes diese Aufgabe willig und klaglos übernommen hat. Dabei ist es doch ein riesengroßer Unterschied, ob eine Behandlung durchgeführt wird, um dem betreffenden Menschen bestmöglich zu helfen, oder ob es schlicht und einfach darum geht, die gefährdete Ruhe und Ordnung wiederherzustellen.

Was wird denn eigentlich sanktioniert?
Was ist sie denn die schlimme Tat der Betroffenen, der Grund, wieso gegen sie oft richtiggehend erbarmungslos vorgegangen wird? Es geht um die Verweigerung dieser Menschen gegenüber der Zuverlässigkeit, Regelmäßigkeit, Planbarkeit, Verfügbarkeit, wie sie heute im durchstrukturierten Arbeitsprozess gefordert und vorausgesetzt wird. (Bruns, 1993, 18) Doch nicht nur dort: Auch außerhalb der Arbeit, im privaten Bereich, sind diese Eigenschaften in unserer durchgeplanten Gesellschaft unverzichtbar und selbstverständlich geworden. Wer sie nicht aufweist, wird bald einmal ausgegrenzt, sein Platz in der Gemeinschaft der Angepassten ist hochgradig gefährdet.
Und -das darf an dieser Stelle nicht vergessen werden - in der psychiatrischen Klinik sind Behandlungen, insbesondere Zwangsbehandlungen, in vielen Fällen ganz klar und auf kaum durchschaubare Weise mit Motiven der Disziplinierung und Strafe für ungebührliches Verhalten verwoben.

Das Gefährlichkeitskriterium
In vielen Ländern, u.a. auch in Deutschland, ist die Gefährlichkeit - Selbst- oder Fremdgefährlichkeit - der Betroffenen eine wichtige, gesetzlich festgehaltene Voraussetzung für eine Zwangsunterbringung. Es wird vom Gefährlichkeitskriterium gesprochen.
Doch das Gefährlichkeitskriterium wird in der Praxis nicht überall gleich umgesetzt. Was ist denn Gefährlichkeit? Da kann bereits das Werfen einer Bananenschale, eine rein verbale Drohung ohne Tätlichkeit, die erhobene Hand, die möglicherweise schlagen oder etwas werfen könnte, hinreichender Grund für eine Zwangsunterbringung sein. Miteingeschlossen in den vagen Begriff der Gefährlichkeit wird oft sogar die Gefährdung von eigenem oder fremdem, materiellem Besitz.
Meiner Erfahrung nach wird der Befund Fremd- oder Selbstgefährlichkeit vom Arzt oft ohne zu zögern und ohne längere Abklärungen geradezu leichtfertig auf Einweisungszeugnisse geschrieben. Und dieser Befund ist keine klare und eindeutige Feststellung, vielmehr eine Vermutung, eine höchst unsichere Vorhersage. Nach amerikanischen Untersuchungen liegt die Zuverlässigkeit der klinischen Vorhersage (dazu gehört die Gefahrenvermutung allemal) nicht über derjenigen der Zufallswahrscheinlichkeit. (Bruns, 1993, 40)
Die tatbestandslose Unterstellung einer Gefahr und die darauffolgende Unterbringung kann aus juristischer Sicht bei nachsichtiger Interpretation nur als eine gesetzlich fragwürdige präventive Maßnahme, bei strenger Interpretation als Freiheitsberaubung betrachtet werden. (Bruns, 1993, 42) Im Grunde müsste von präventiver Zwangsunterbringung, psychiatrischer Präventionshaft, beziehungsweise Vorbeugehaft für psychisch Kranke gesprochen werden. Ganz klar werden Zwangsunterbringungen nicht selten durchgeführt, um eine von der Betroffenen abgelehnte Behandlung zu erzwingen.

Ambulante Zwangsbehandlung
In den meisten Staaten der USA ist die bedingte Entlassung von Psychiatriepatientinnen und die ambulante Zwangsbehandlung im Laufe der 80er- und 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts gesetzlich etabliert worden. Die Gesetze Belgiens, Schwedens, Portugals und Luxemburgs erlauben die ambulanten Zwangsbehandlung für Patientinnen, die zuvor untergebracht waren, verbunden mit der Möglichkeit einer stationären Wiederaufnahme bei Verstößen gegen Behandlungsauflagen. (Dressing, 2004, 138/153). In Deutschland, Großbritannien und der Schweiz wird über die Möglichkeit der ambulanten Zwangsbehandlung intensiv diskutiert. Großbritannien kennt Entlassungen unter Aufsicht (discharge under supervision), Frankreich die bedingte Entlassung. Bedingte Entlassungen, bzw. Entlassungen unter Aufsicht, schaffen eine Situation, die faktisch derjenigen einer ambulanten Zwangsbehandlung entspricht, auch wenn sie im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Im Übrigen wird damit die nahe Verwandtschaft mit der Strafjustiz nur allzu deutlich. Auch dort gibt es bekanntlich bedingte Entlassungen.
Dass in vielen Ländern Zwangsbehandlungen auch außerhalb der Klinikmauern möglich wurden, bedeutet eine dramatische Ausweitung der Ordnungsfunktion der Psychiatrie, die sie noch weiter von der körperlichen Medizin hinwegführt: Die Sonderstellung der Psychiatrie innerhalb der Medizin wird immer offensichtlicher. Die Psychiatrie auf der ganzen Welt ist daran, ihre Aufgaben auszuweiten. Der Übergang zur Strafjustiz wird immer fließender. Das Netz, das der Überwachungsstaat flechtet, wird immer dichter: Und die Psychiatrie macht mit.

Die traumatische Reaktion
Die psychischen Folgen von Traumatisierungen - Vergewaltigung, Geiselnahme, brutaler Raubüberfall, politisch oder religiös motivierte Verfolgung, verschiedenste Formen der Folter - sind gut bekannt und sorgfältig aufgezeichnet:
Die Grundlage all dieser Traumatisierungen ist ein radikales Macht-/Ohnmachtgefälle: Absolute Übermacht auf der einen, klar ersichtliche Ohnmacht auf der andern Seite. Die Betroffene befindet sich in der Gewalt des/der ihm gegenüberstehenden Menschen. Wie immer sie sich wehrt, sie hat absolut keine Chance, sich durchzusetzen. Je mehr sie sich wehrt, desto brutaler wird sie traktiert, geschlagen, gequält. Die traumatisierende Situation erzwingt eine umfassende Reinfantilisierung des Opfers. (Ehlert, 1988, 505) Die absolute Hilflosigkeit, die existentielle Abhängigkeit von den Absichten eines anderen versetzen das Opfer gefühlsmäßig in seine früheste Kindheit zurück; elementarste Kindheitsängste werden wiederbelebt. Die Grenze zwischen Realität und Phantasie verschwimmt. Das traumatisierte Ich versucht so lange als möglich, verzweifelt daran festzuhalten, dass die aktuelle Wahrnehmung der Realität nur ein böser Traum sei, aus dem es bald wieder erwachen werde. (Ehlert, 1988, 506) Dieser Zustand ist heikel, die Verkennung der Realität einerseits hilfreich, andererseits äußerst gefährlich; es kann zur totalen Verwirrung kommen.
Das Selbstbild des Opfers gleicht sich dem Fremdbild des Täters an (Ehlert, 1988, 520), wird damit identisch. Damit setzt sich in seinem Innern das vom Verfolger propagierte Feindbild fest: Eine Unterwerfung also, eine Übernahme der Ansicht des Täters; sie ist mit dem Eingeständnis, so wie frau/man ist, nicht richtig "böse" oder "schlecht" zu sein, verbunden. Das geht so weit, dass die Täter gleichsam als Vertreter des Rechts wahrgenommen werden, währenddem sich die Opfer schuldig und verachtenswert fühlen. Bekannt ist insbesondere das auf Grund der objektiven Gegebenheiten unverständliche Schuldgefühl von ehemaligen KZ-Insassen und von missbrauchten Kindern.
So beweist denn allein die Tatsache, dass eine bestimmte Frau vergewaltigt wurde, in den Augen des Täters und damit via Introjektion auch oft in denjenigen des Opfers, dass sie es verdient hat, macht sie zur Hure: "Nur Huren werden vergewaltigt", das ist die unausgesprochene Argumentation der Vergewaltiger.
Der Hauptabwehrmechanismus, mit dem das Ich versucht, die Traumatisierung zu bewältigen, ist die Abspaltung, beziehungsweise die Dissoziation. Weder fehlt den Opfern die Erinnerung an das traumatische Ereignis (sie können sich in der Regel überdeutlich daran erinnern), noch ist die traumatische Erinnerung von ihren zugehörigen Affekten entblösst - das Entsetzen über die erlittene Tat ist den Opfern meist Jahre und Jahrzehnte später noch unmittelbar anzusehen. Ihre Abwehr besteht vielmehr in dem Versuch, das traumatische Erlebnis und die mit ihm verbundenen Affekte nicht in Kontakt mit dem sonstigen Leben kommen zu lassen. Der traumatische Komplex - Erinnerung und Affekt - bleibt also unverändert erhalten, aber er wird vom gesamten restlichen Erleben abgespalten. (Ehlert, 1988, 524)
Die Ichspaltung kann sich als "flashback" manifestieren: Das Opfer sieht sich bisweilen urplötzlich und unvermittelt in die traumatische Situation zurückversetzt. Es handelt sich um kurze Anfälle, die meist nur einige Sekunden dauern. In dieser Zeit ist der Kontakt zur Außenwelt gestört.
Was bleibt bei vielen Traumatisierten, ist vor allem ein Gefühl der Schuld. Sie schämen sich, verachten sich selbst, leiden wegen ihrer Abhängigkeit vom Täter. In dieser verzweifelten Situation ertragen sie sich selbst nicht mehr, möchten sich endgültig auslöschen, von dieser Welt verschwinden. So ist denn bei vielen Traumatisierten eine deutliche Tendenz, Selbstmord zu begehen, zu beobachten. Im Grunde ist nun der äußere Verfolger, der die Betroffenen quälte und zu vernichten drohte, durch einen inneren ersetzt worden, der das Werk seines Vorgängers fortsetzt.

Traumatisierung in der psychiatrischen Klinik
BIOLOGISCH AUSGELÖSTE, PSYCHISCHE FOLGEN DER HOCHDOSIERTEN INJEKTION EINES NEUROLEPTIKUMS:
Es können delirante Syndrome, bzw. toxische Delire auftreten: Verwirrung, Desorientierung, Halluzinationen also auf Grund der Medikamentenwirkung. Genau die Symptome, die die PsychiaterInnen um jeden Preis wegbehandeln wollen, provozieren sie demnach nicht selten, rein biologisch ausgelöst, mit ihren Psychopharmaka. Weitere psychische Wirkung der Neuroleptika: Dämpfung, Schlaf, Schläfrigkeit, Beeinträchtigung des intellektuellen Leistungsvermögens, des Gedächtnisses, der Kreativität, der Gefühlswahrnehmung, Depressivität, Resignation, suizidale Tendenzen, Störungen des sexuellen Erlebens.
Nicht vergessen werden darf, dass auch tödliche Komplikationen zu den Wirkungen dieser Medikamente gehören.

DIE TRAUMATISCHE REAKTION IN DER KLINIK
Für eine Zwangsbehandlung wird wenn nötig das sogenannte "Aufgebot" herbeigerufen: Bis zu acht, zu körperlicher Gewalt bereite Pfleger, stehen einem Betroffenen gegenüber. Doch auch Zwangsunterbringungen, nicht selten von gewaltbereiten Polizisten durchgeführt, sind oft ein dramatisches Geschehen. So sind denn diese Konfrontationen durchaus vergleichbar mit einer Vergewaltigung oder Folter.
Im Milieu der psychiatrischen Klinik erhalten Traumatisierungen eine besonders ungünstige Prägung: Zu beachten ist, dass die Betroffenen bereits im Vorfeld der Einweisung in schwerwiegende Konflikte mit ihren Angehörigen, Arbeitgeber oder Lehrer usw. verwickelt sind, auf Grund derer sie sich in einer Krisensituation befinden. Andererseits werden sie sogleich den Wirkungen der Neuroleptika ausgesetzt. Ihre Fähigkeit, die Folgen der Traumatisierung bewusst zu verarbeiten, ist damit ganz wesentlich beeinträchtigt dazu bräuchte es vor allem ein möglichst klares Bewusstsein und intakte Gefühle.
Die zu Beginn auftretende Verwirrung kann durch die Wirkung der Neuroleptika massiv verstärkt werden.
Mit der unfreiwilligen Unterbringung, insbesondere wenn es sich um den ersten Kontakt mit der Psychiatrie handelt, ist die Betroffene meistens unvorbereitet dem Schock ihrer ersten Diagnose ausgesetzt. Psychiatrische Diagnosen, insbesondere die Diagnose "Schizophrenie", von der jede und jeder in unserer Gesellschaft eine Vorstellung haben, verändern auf einen Schlag das Selbstverständnis eines Menschen. Fast unmöglich, sich dieser Wirkung zu entziehen. Dies vor allem auch, weil sämtliche Bezugspersonen, sowohl in der Klinik wie die Angehörigen der Betroffenen außerhalb, von der Diagnose hören und sie als Expertenmeinung akzeptieren. Zudem werden Betroffene nach der Zwangsbehandlung isoliert. Isolation, bzw. der damit verbundene Wegfall der gewohnten Sinnesreize (sensorische Deprivation), führt zum Auftreten von außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen (ABZ), zu deren Erscheinungsbild unter anderem Wahrnehmungsverzerrungen, Halluzinationen, Veränderungen der Emotionalität und auch Hypersuggestibilität gehören. Die Betroffenen können leicht beeinflusst werden. Wer zwangsbehandet wurde, dem kann die Diagnose und das mit ihr verbundene Wissen besonders leicht als neue Identität übergestülpt werden. Und zur Diagnose, zur neuen "kranke" Identität, gehört fast zwingend zunehmend "krankhaftes" Verhalten. Die Einverleibung des Fremdbildes, das der Täter vom Opfer hat bedeutet in der psychiatrischen Situation die Übernahme der Krankenrolle. Nur indem die Betroffene die Krankenrolle den Vorstellungen der Psychiaterinnen entsprechend zu spielen vermag mit anderen Worten krankheitseinsichtig ist , vermag sie in gewissem Ausmaß Zuwendung und Anerkennung von denjenigen, denen sie ausgeliefert ist, zu erlangen. So erschaffen den Zwangsbehandlungen gleichsam bis heute den "echten Geisteskranken", genauso wie früher Vergewaltigungen Frauen zu Huren machten: "Dieser Mensch muss "echt schizophren" sein, "echt gefährlich"; die vollzogene Zwangsbehandlung beweist es." So lautet die unausgesprochene Argumentation der Menschen, die in psychiatrischen Kliniken und ihrem Umfeld beruflich tätig sind. Zwangbehandlungen stigmatisieren, brennen den Betroffenen das Kainsmal auf die Stirne.
Die geschilderten Verschmelzungswünsche, die Sehnsucht nach Liebe, schaffen eine existenzielle Bindung an und Abhängigkeit der Betroffenen von der Psychiatrie und den dort tätigen Menschen. Äußerst schwierig, sich diesem Sog zu entziehen.
Zu alldem kommt die mit der Traumatisierung verbundene gesteigerte Tendenz, Selbstmord zu begehen, hinzu, die wiederum von der entsprechenden Wirkung der Neuroleptika potenziert wird.
Nicht nur geht es Betroffenen, die Zwangmaßnahmen erlebten sehr schlecht, ihr Zustand kann zudem von den Psychiaterinnen mit Leichtigkeit als schwer "krank", "psychotisch" oder "schizophren" bezeichnet werden.
Genau die Symptome also, die die Psychiaterinnen zu behandeln vorgeben - Verwirrungen, Halluzinationen, die Neigung, Selbstmord zu begehen sowie die Hilflosigkeit der Betroffenen - können durch ihre Eingriffe potenziert, verfestigt, ja sogar neu erschaffen werden. Mit ihren Behandlungen rechtfertigen sie im Grunde ihre eigene Existenz.
Die Abspaltung des traumatischen Komplexes verhindert auf lange Zeit hinaus die bewusste Auseinandersetzung mit den Ereignissen, die in der Klinik stattgefunden haben, was den Betroffenen daran hindert, sein Leben wieder autonom organisieren und bewältigen zu können.
Wer je mit traumatisierten Menschen Kontakt hatte, weiß, wie wichtig es ist, ihnen sorgfältig, einfühlend und zurückhaltend zu begegnen. Schon nur den Ort der Traumatisierung wiederzusehen, bedeutet für sie oft eine riesengroße Belastung. Besonders schlimm für sie ist das Wiederleben des Traumas, die Retraumatisierung.
Genauso wie das Rehospitalisationsrisiko für zwangsuntergebrachte Betroffene besonders groß ist, ist auch die Wahrscheinlichkeit groß, dass Zwangsbehandlungen im Laufe früherer Hospitalisationen Zwangsbehandlungen während weiterer Unterbringungen nach sich ziehen. Erklärt wird dadurch, wieso sich der Zustand vieler Psychiatriepatientinnen im Laufe sich folgender Hospitalisationen fortwährend verschlechtert.
Zwangsmassnahmen sind also auch eine wesentliche Ursache der langfristigen Veränderungen, die von den Psychiaterinnen als Chronifizierung bezeichnet werden.

Traumatisierung - auch ein soziales, beziehungsweise politisches Geschehen (Brunner, 2004, 13)
Individuen sind traumatischen Ereignissen deshalb ausgesetzt, weil sie verwundbaren sozialen Gruppen angehören. Obwohl jedes Individuum traumatisiert werden kann, ist die tatsächliche gesellschaftliche Verteilung von Traumata politisch bedingt. Für Angehörige armer und benachteiligter sozialer Gruppen ist die Wahrscheinlichkeit, traumatisiert zu werden, erhöht.
Diejenigen, die sich nicht Gehör zu verschaffen verstehen, die sich nicht im Rampenlicht der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit befinden, bleiben für den Trauma-Diskurs unsichtbar. Dadurch, dass Traumatisierungen Individuen seelisch verletzten, schränken sie deren Autonomie und damit auch die Möglichkeiten ihres Handelns ein. Das Ausmass, in dem Angehörige einer sozialen Gruppe potentiell traumatischen Ereignissen ausgesetzt sind, wird somit Bestandteil der kollektiven und individuellen Identität und des Selbstverständnisses der Gruppe und ihrer Angehörigen (bei Frauen etwa dadurch, dass sie potenzielle Vergewaltigungsopfer sind).
Auch diejenigen, die nicht direkt von der Anwendung von Gewalt betroffen sind, können an deren Folgen schwer leiden. Ganz besonders gilt das für Psychiatriepatientinnen, die selber nicht Opfer einer Zwangsbehandlung wurden: Jede und jeder, die in einer psychiatrischen Klinik hospitalisiert sind, wissen von der Möglichkeit der Zwangsbehandlung. Entweder waren sie zugegen, haben zugeschaut oder das unangenehme Gelärme mitgekriegt - Zwangsbehandlungen sind immer ein lautes Geschehen, es wird geschrieen, geschlagen, Stühle fallen um usw.

· Brunner, José, 2004: Politik der Traumatisierung. Zur Geschichte des verletzbaren Individuums. In: WestEnd Heft 1, Frankfurt am Main, S. 7-24

· Bruns, Georg, 1993: Ordnungsmacht Psychiatrie? Opladen, 1993

· Bruns, Georg, 1997: Die psychiatrische Zwangseinweisung. In: Michael Eink (Hg.): Gewalttätige Psychiatrie. Bonn.

· Dressing, Harald/ Salize, Hans Joachim, 2004: Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung psychisch Kranker. Bonn

· Ehlert, Martin/Lorke, Beate, 1988: "Zur Psychodynamik der traumatischen Reaktion". Psyche, 42, S.502-532.

· Finzen, Asmus/ Haug, Hans-Joachim/ Beck, Adrienne/ Lüthi, Daniela, 1993: Hilfe wider Willen, Bonn

· Heusser, Regula, 2005: Aggression und Zwang in der Psychiatrie. Neue Zürcher Zeitung, 01.02., S. 15

· Mitscherlich, Alexander/ Mitscherlich, Margarete, 1977: Die Unfähigkeit zu trauern. München, Zürich

· Müller, Peter, 2004: Psychiatrie: Zwangseinweisungen nehmen zu. In: Deutsches Ärzteblatt 101, (15.10.2004), S. A-2794

· Rufer, Marc, 2001: Psychopharmaka - fragwürdige Mittel zur Behandlung von fiktiven Störungen. In: Wollschläger, Martin (Hg.): Sozialpsychiatrie, Entwicklungen, Kontroversen, Perspektiven. Tübingen. S. 225-268

· Rufer, Marc, 2004: Ordnungsmacht Psychiatrie. In: Widerspruch Heft 46, Zürich, S. 109-124.


Montag, 26. November 2007

Das Geheimnis der psychosozialen Kontrolle

Wer die Macht hat, setzt durch, was als Wahrheit zu gelten hat. Wer die Macht hat, Banknoten zu drucken, hat auch die Macht über die Politiker. Die Politiker und ihre gekauften "Experten" oder "Sachverständigen" zerstören bewusst aber subtil den Begriff Wahrheit. Es gäbe keine Wahrheit, nur verschiedene Wahrnehmungen, lautet die Definition der Psychologen. Damit wird jedem Individuum erlaubt, die Unwahrheit zu sagen. Wer die Unwahrheit verbreitet, aber die Wahrheit genau kennt, ist ein Lügner. Leider wird die Lüge in unseren Gesetzen nicht als Straftat geahndet. Dadurch wird es möglich, mit konstruierten Vorwürfen jemanden derart mit Schuld zu beladen, dass die Zielperson total handlungsunfähig wird. Besonders beliebt ist der Vorwurf der sog. Selbst- und Fremdgefährdung. Mit diesem Vorwurf kann man jede unliebsame Person mittels Zwangspsychiatrie in einer Anstalt entsorgen, oder sie präventiv in Polizeigewahrsam nehmen. Wer sich dagegen wehrt, darf gesetzlich mit Psychopharmaka vollgepumpt werden. Es empfielt sich, auf keinen Fall auszurasten, sondern immer die Ruhe zu bewahren. Wer seine Emotionen nicht im Griff hat, oder etwas Bedrohliches äussert, hat in diesem System bereits verloren. Die Möglichkeiten des Staates, seine Bürger zu provozieren, sind zahlreich. Es kann durchaus passieren, dass Sie bei sich zu Hause von einer Sondereinheit abgeholt werden, mit Gewalt überwältigt werden, ihre Hände mit Handschellen hinter den Rücken gefesselt werden und Ihnen in Ihrer Wehrlosigkeit noch eine Augenbinde angelegt wird, damit Sie vollends den Überblick verlieren. Auch in dieser Situation sollte man die Ruhe bewahren, denn alles was Sie tun oder äussern, kann gegen Sie verwendet werden. Wenn sie dann in einer Isolationszelle des Untersuchungsgefängnisses aushalten müssen, ohne zu wissen, was Ihnen vorgeworfen wird, spüren Sie eine Wut in sich, die Sie noch nie gespürt haben. Wenn sie sich aber bewusst sind, dass man Sie ohne Grund nur 48 Stunden festhalten kann, haben Sie schon gewonnen. In einer psychiatrischen Klinik kann man Sie gesetzlich bis auf weiteres einsperren. Wenn sie keine Einsicht in Ihre "psychische Krankheit" haben, darf man Ihnen gegen Ihren Willen Medikamente spritzen. Wenn Sie sich nicht krank spritzen lassen wollen, sollten Sie äusserste "Kooperationsbereitschaft" zeigen. Wenn Sie das Gefühl haben, der Staat missbrauche sein Gewaltmonopol, ist diese Wahrnehmung zwar objektiv richtig, Sie sollten aber wissen, dass der Staat das nicht so sieht. Die Staatsanwaltschaft wird nur gegen Sie und nicht für Sie ermitteln. Besonders dann nicht, wenn Sie durch die Behörden in diese missliche Lage gebracht worden sind. Die Staatsanwaltschaft ist schliesslich Anwalt des Staates. Auch die Richter werden vom Staat bezahlt. Ihre Urteile müssen so vollstreckt werden, das es dem sog. "Zeitgeist" entspricht. In unserer Zeit ist der Zeitgeist nicht christlich. Die zehn göttlichen Gebote werden mit Füssen getreten. Was zählt, ist die neue Weltordnung. Wenn Sie sich nicht in die neue Weltordnung integrieren wollen, kann Sie der Staat so lange mobben und zwangsbehandeln, bis Sie mit einer "paranoiden Schizophrenie"
als psychisch schwer kranker Mensch bis ans Lebensende gifige Medikamente zu sich nehmen müssen. Sagen Sie nicht, was Sie denken. Sie könnten sonst als Sexist, Rassist oder als Antisemit denunziert und verurteilt werden. Wählen Sie die Partei, die von den Massenmedien am meisten angegriffen wird. Orientieren Sie sich nicht an der offiziellen Wahrheit, sondern bilden Sie sich Ihre eigene Meinung anhand des noch nicht vollständig zensurierten Internets. Dabei sollten Sie sich aber bewusst sein, dass die meisten Internetseiten nicht Information, sondern Desinformation verbreiten. Auch Wikipedia, die "freie" Enzyklopädie, ist nur so frei, wie man daran glaubt. Auch dort nützt die "Information" vor allem den Mächtigen. Glauben Sie nur das, was sie selber erlebt haben. Hinter jeder offiziellen "Wahrheit" gibt es eine inoffizielle Wahrheit. Die Demokratie wird von den Mächtigen subtil in eine Diktatur verwandelt. Das passiert mittels Suggestion, Manipulation, Gesetzesänderungen und Bundesgerichtsurteilen. Wenn Sie die direkte Demokratie behalten wollen, sollten Sie bei Gesetzesänderungen vor allem "NEIN" stimmen. Nur die dümmsten Kälber suchen sich ihre Metzger selber aus.

Sonntag, 25. November 2007

Die Zehn Gebote - Der Schlüssel zum Frieden!

Die Zehn Gebote oder der Dekalog gelten als die Grundlage der christlichen Ethik. Man findet sie im Alten Testament an zwei Stellen in den Bücher Mose. Ursprünglich war der Dekalog an das aus der Sklaverei befreite Volk Israel gerichtet. Er lieferte Grundlagen zur Sicherung der neuen Gemeinschaft. Die Gebote sind keine Rechtssprüche mit Strafmaßvorgaben.
Rechte: Cranach-Stiftung Wittenberg

Gebote, Forderungen und auch Verbote finden sich an vielen Stellen des Alten Testaments. Am bekanntesten ist wahrscheinlich der "Dekalog", (hebräisch: asäret ha-dibrót= zehn Worte oder gr.: he dekálogos nomothesia = aus zehn Worten bestehende Gesetz), der zweimal in den Bücher Mose auftaucht (2. Mose 20 auch "Exodus" und 5. Mose 5., auch "Deuteronomium"). Jeder Hauptsatz des Dekalogs beginnt mit einen zunächst eher abschreckendem "Du sollst nicht ...". Doch dieser Eindruck wird relativiert, sieht man sich den Kontext von Entstehung und Überlieferung genauer an.

Zur Zählung
Bei der Zählung der Gebote gibt es im Judentum und in den christlichen Kirchen unterschiedliche Traditionen. Die hier wiedergegebene Kurz-Fassung folgt der lutherischen und römisch-katholischen, die nahe an der jüdischen Tradition dran ist. Eine andere als die hier wiedergegebene Zählung ergibt sich dort, wo das Bilderverbot - "Du sollst dir kein Bildnis machen" - gesondert als zweites Gebot geführt wird.

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die ersten drei Gebote das Verhältnis zu Gott klären, während die letzten sieben das Verhältnis zu den Mitmenschen und damit auch unsere soziale Verantwortung ansprechen. Die Zehn Gebote sind keine religiöse Zwangsbestimmung, vielmehr erinnern sie den Menschen an seine soziale Verantwortlichkeiten und bestätigen ihn als freiheitliches Wesen.

Ausschnitt aus der Zehn-Gebote-Tafel von Lucas Cranach d. Ä. (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg); Rechte: Cranach-Stiftung Wittenberg
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Ausschnitt aus der Zehn-Gebote-Tafel von Lucas Cranach d. Ä. (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg)
1. ...Du sollt keine anderen Götter haben neben mir
Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

In der hebräischen Bibel stand ursprünglich "Ich bin Jahwe, dein Gott." Im Unterschied stellte Gott sich mit Namen vor, übersetzt lautet der Satz dann: "Ich bin, der ich bin" oder "Ich werde sein, der ich sein werde" und zugleich "Ich bin bei Euch".

Der Zusatz "Ich bin Jahwe, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland aus der Knechtschaft geführt habe" erinnert an die Befreiung der Juden aus Ägypten. Insofern wird mit dem ersten Gebot auch an einen befreienden und nicht einen "kommandierende" Gott angeknüpft. Thematisiert wird damit alles, was den Menschen in selbstverschuldete oder aufgezwungene Abhängigkeit hineinführt.

Das 2. Gebot. Ausschnitt aus der Zehn-Gebote-Tafel von Lucas Cranach d. Ä.. (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg); Rechte: Cranach-Stiftung Wittenberg
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Das 2. Gebot. Ausschnitt aus der Zehn-Gebote-Tafel von Lucas Cranach d. Ä.. (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg)
2. Du sollst den Namen des Herrn ... nicht missbrauchen
Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.

Auch hier steht im Urtext wieder der Eigenname Jahwe und nicht "der Herr", doch statt des Eigennamens, den die Juden gar nicht mehr aussprachen, wurde nur "der Herr" gesagt. Das Gebot warnt davor, Gott dienstbar oder nutzbar für trügerische oder egoistische Zwecke zu machen. Zum Tun im "Namen Gottes" zählen der Meineid, der Fluch, die falsche Prophetie, oder Zauberei. Einzig wird hier sogar eine Strafe angedroht. So wird bis heute die Religion, oder der Name Gottes als Aufhänger für Kriege oder Attentate benutzt.

Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg); Rechte: Cranach-Stiftung Wittenberg
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Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg)
3. Du sollst den Feiertag heiligen
Luther übersetzte hier den "Sabbattag" ("schabbat" = aufhören, ruhen) mit "Feiertag" und löst das Gebot aus seinem historischen Kontext.
Ursprünglich erinnert es an die Sklavenzeit des Volkes Israel in Ägypten. Es spricht sowohl die Beziehung zu Gott, als auch die Beziehung zu den Mitmenschen an. Einerseits soll an die Ehre Gottes gedacht werden, andererseits aber auch sollen die Menschen selber sich schonen. Dabei sollen Knecht, Magd, selbst das Vieh geschont werden und nicht arbeiten. Allerdings wird die Frau nicht extra erwähnt.

Zum 4. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg); Rechte: Cranach-Stiftung Wittenberg
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Zum 4. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg)
4. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren
Das Gebot ist nicht an Kinder gerichtet, sondern an die erwachsenen Söhne, die zur Versorgung der Eltern verpflichtet waren, wenn sie alt wurden. Der Verlust der Leistungskraft sollte nicht mit dem Verlust der Freiheit einhergehen. Das Gesetz schließt auch ein, den Eltern ein würdiges Begräbnis zu geben. Es ist das einzige Gebot im Dekalog, das eine Verheißung in sich trägt "auf, dass Du lange lebst in dem Lande das Jahwe dem Volk Israel geben wird." Heute, in unserer Gesellschaft kann der "Generationenvertrag" parallel dazu gesehen werden.

Zum 5. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg); Rechte: Cranach-Stiftung Wittenberg
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Zum 5. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg)
5. Du sollst nicht töten.
Hier steht das Gebot für die Tötung eines Mitmenschen durch den Einzelnen. Das hebräische "rasach" (= töten) meinte ursprünglich nur ungesetzliches, willkürliches Töten. Das Gebot schloss also das Töten im Krieg oder die durch die Gemeinschaft angeordnete Tötung, wie die Todesstrafe, aus. Später erweiterte sich die Bedeutung auf alles, was sich gegen menschliches Leben richtet. Dazu gehört aktuell auch die Diskussion um das vorgeburtliche Leben bzw. und den Umgang in der Forschung mit Embryonen.

Zum 6. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg); Rechte: MDR.DE
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Zum 6. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg)
6. Du sollst nicht ehebrechen.
Mit dem Gesetz sollte vor allem verhindert werden, dass ein Mann eine fremde Ehe brach, vor allem die Ehe des Nachbarn sollte geschützt werden. Gesichert wurde so die Rechtmäßigkeit der Nachkommenschaft und damit die Altersversorgung. Das Gesetz diente dem Schutz des Hausfriedens und des Gemeinschaftslebens. Es ging nicht so sehr um ein sexuelles Verbot. Die Leibfeindlichkeit für die die christliche Kirche oftmals steht, ist hier nicht enthalten.

Zum 7. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg); Rechte: Cranach-Stiftung Wittenberg
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Zum 7. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg)
7. Du sollst nicht stehlen
Besitz war die materielle und auch die rechtliche Grundlage für die Freiheit. Wer seinen Besitz verlor, musste in die Sklaverei. Es ging auch darum, dass die göttliche Zuteilung des Besitzes nicht von anderen angetastet werden durfte. Und dass jeder in Freiheit leben können sollte.

Aktuell lässt sich das Gebot auf die Diskussion um das Solidarprinzip in der Gesellschaft beziehen, oder parallel, zwischen den Nationen in der globalisiserten Welt. Das Solidarprinzip einer Gesellschaft oder der Nationen untereinander ist ein Mittel, um soziale oder globale Gerechtigkeit herzustellen und soziale oder globale Ungleichheiten abzufedern.

Zum 8. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg); Rechte: Cranach-Stiftung Wittenberg
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Zum 8. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg)
8. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden ...
Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.

Ursprünglich bezog sich dieses Gebot auf die Aussage vor Gericht, er betraf also die Rechtssprechung. Der Zeuge musste die Wahrheit sagen, damit kein Falscher zu Schaden kam, sprich sein Leben, sein Besitz oder seinen guten Ruf verlor. Doch das Gebot kann aktuell sowohl auf die Rechtsprechung, als auch auf das alltägliche Leben bezogen werden, in dem die Rede über den Freund, Kollegen, Nachbarn, Verwandten diesen nicht beschädigen, verraten oder verleumdet soll. Das im Arbeitsleben stattfindende "mobben" steht für einen solchen Vorgang der Rufschädigung im Arbeitsleben.

Zum 9. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg); Rechte: Cranach-Stiftung Wittenberg
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Zum 9. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg)
9. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus.
Das neunte und das zehnte Gebot sind Verbote gegen das unmäßige Begehren, sog. "Begehrensverbote".
Hier ist vor allem gemeint, dass man sich keiner hinterhältigen Machenschaften bedienen soll, um an den Besitz eines anderen zu kommen. Mitgemeint ist damit aber auch die planvolle Zerstörung einer sozialen Gemeinschaft, für die das Haus steht.

Zum 10. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg); Rechte: Cranach-Stiftung Wittenberg
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Zum 10. Gebot. Lucas Cranach d. Ä., Die Zehn Gebote, 1516, Ausschnitt (Bild: Cranach-Stiftung Wittenberg)
10. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, ...
Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, Knecht, Magd, Vieh noch alles, was dein Nächster hat.

Im zweiten Buch Mose wird die Frau unter den Gütern aufgeführt, die zum Haus des Mannes gehören, gemeint ist die gesamte Hausgemeinschaft. Im fünften Buch Mose ist das "Verlangen nach der Frau des Nächsten" noch ein eigenständiges Gesetz. Eine Rolle spielt evtl. der Bezug zur Schöpfungsgeschichte (Genesis 1,27) in der Gott Mann und Frau aus dem göttlichem Odem schuf. Das letzte Gesetz ist wieder ein "Begehrensverbot".