Das VBS, Handlanger der USA in der Terrorismusbekämpfung
von Prof. Dr. Albert Stahel, Institut für Strategische Studien, Wädenswil
Das US-Aussenministerium (Department of State) publiziert jedes Jahr einen Bericht über den Terrorismus und seine Bekämpfung aus der Sicht der USA. So wird in diesen Berichten der internationale Terrorismus definiert, terrorismusfördernde Staaten angeprangert und die aktiven Staaten in der Terrorismusbekämpfung gelobt. Im folgenden sollen einzelne Abschnitte aus dem Bericht von 2006, dem Country Reports on Terrorism 2006,1 vorgestellt werden.
Der internationale Terrorismus aus der Sicht der USA
Obwohl die verschiedenen terroristischen Organisationen, die international wirken, eigentlich im Zentrum des Interesses der USA sein sollten, werden diese erst am Ende des Berichtes behandelt. Dabei wird zwischen zwei Kategorien unterschieden: den ernstzunehmenden und den weniger wichtigen Organisationen. Das Interesse des Office of the Coordinator for Counterterrorism des US-Aussenministeriums ist auf die erste und weniger auf die zweite Kategorie gerichtet. Andere U.S. Government counterterrorism authorities haben sich mit der zweiten Kategorie auseinanderzusetzen. Auf den ersten Blick erscheint diese Unterscheidung merkwürdig. Erst eine eingehende Analyse der beiden Kategorien weist auf die Gründe für diese Unterscheidung hin:
– zur ersten Kategorie gehören Organisationen wie die Abu Nidal Organization, Abu Sayyaf Group, Al-Aksa Martyrs Brigade, Ansar al-Sunna, Al-Kaida, Al-Kaida im Irak;
– der zweiten Kategorie werden unter anderem zugewiesen Al-Badhr Mujahedin, Il-Ittihad al-Islami, Communist Party of India (Maoist), Irish Republican Army (IRA).
Für jeden Fachmann ist offensichtlich, dass die Organisationen der zweiten Kategorie genau gleich brutal und tödlich agieren wie jene der ersten Kategorie. Ein Beispiel hierfür ist ja die IRA. Erst die Beschreibung der einzelnen Gruppen lässt den Grund für diese Unterscheidung erkennen. In der Vergangenheit haben die Organisationen der ersten Kategorie Anschläge auf US-Bürger oder/und auf US-Einrichtungen verübt. Viele dieser Anschläge führten auch zur Tötung von US-Bürgerinnen und -Bürgern. Anschläge dieser Art haben die Autoren des Berichtes offenbar den Organisationen der zweiten Kategorie nicht nachweisen können. Dies bedeutet, dass das Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Kategorien in den Zielen der Anschläge zu suchen ist. Jene terroristischen Organisationen, die US-BürgerInnen töten, werden als international und wichtig deklariert, jene, die dies nicht tun, werden als international klassifiziert und sind für die Terrorismusbekämpfung der USA deshalb weniger relevant, auch wenn deren Anschläge sehr letal sind.
Die Rückzugsgebiete des internationalen Terrorismus
Ein weiteres Kapitel des Berichtes ist den Rückzugsgebieten des Terrorismus, die als Safe Havens bezeichnet werden, gewidmet. Die Auflistung dieser Safe Havens ist sehr aufschlussreich, lassen sie doch die Bedeutung und die Gefahr, die vom internationalen Terrorismus ausgeht, aus der Sicht der USA einschätzen. Die Einteilung erfolgt entsprechend den Kontinententen:
– Afrika: Somalia; Trans-Sahara (Algerien, Mali, Mauretanien),
– Ostasien und Pazifik: Sulu-Inseln, der Südteil der Philippinen, Indonesien,
– Naher Osten: der Irak, Libanon,
– Südwestasien: die Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan, Pakistan, Afghanistan,
– Westliche Hemisphäre: das Grenzgebiet von Kolumbien, Grenzgebiet von Argentinien, Brasilien, Paraguay.
Teil dieses Kapitels ist auch die Beschreibung der Strategie und Taktik, die die USA für die Eliminierung dieser Safe Havens einsetzen. Dazu gehören sowohl wirtschaftliche Hilfe als auch die Förderung des Erziehungswesens in diesen Gebieten.
Staaten, die den Terrorismus fördern
Dieses Kapitel, obwohl sehr wichtig, da es über die Hintermänner Aufschluss geben sollte, ist sehr knapp gehalten. Diese Staaten, die teilweise über Massenvernichtungswaffen verfügen sollen, unterstützen die Terroristen mit Waffen und Geld. Zu diesen Staaten gehören laut der USA: Kuba, Iran, Nordkorea, der Sudan, Syrien.
Interessanterweise decken diese fünf Staaten auch wichtige Zentren der amerikanischen Geopolitik ab. Kuba liegt inmitten der geostrategischen Drehscheibe Karibik, Iran und Syrien gefährden offenbar die Interessen der USA im erdölreichen Gebiet des Persischen Golfs, Nordkorea ist offenbar eine Bedrohung für Südkorea und Japan, die wichtige Alliierte und Technologielieferanten der USA sind, und der Sudan liefert dem grossen Konkurrenten der USA, der Volksrepublik China, Erdöl. Offenbar sind die geopolitischen Interessen und die Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus für die Führung der USA deckungsgleich.
Die Strategie der USA bei der Terrorismusbekämpfung
Interessanterweise beinhaltet der Bericht nur wenige Informationen über die militärische Terrorismusbekämpfung der USA im Irak und in Afghanistan, die auch die rücksichtslose Bombardierung von Dörfern aus grosser Höhe beinhaltet. Dagegen wird im Bericht sehr ausführlich die bereits erwähnte Wirtschaftshilfe an terrorismusgefährdete Staaten beschrieben. Ein weiteres Mittel ist der Einsatz amerikanischer Medien in der islamischen Welt. Herz und Seele der Muslime sollen für die amerikanische Sache gewonnen werden. Deshalb sind bestehende aber auch neue Anstalten mit der Aufgabe von Sendungen beauftragt worden. Middle East Broadcasting Network und Radio Free Europe/Radio Liberty haben die Muslime in Iran, im Irak, in Afghanistan, Pakistan, Zentralasien, im gesamten Kaukasus und sogar in Europa zu bearbeiten.
Seit dem 14. Februar 2004 gibt es auch eine besondere Fernsehanstalt für den arabischen Raum, die Alhurra Television. Die Fernsehsendungen dieser Anstalt decken den gesamten arabischen Raum, inklusive Ägypten, ab. Mit Schwergewicht ist Alhurra auf die Beeinflussung der irakischen Bevölkerung gerichtet. Gefördert wird Aluhurra insbesondere durch das Weisse Haus, den Kongress, das Aussenministerium und das Pentagon.
Zur Zeit des kalten Krieges wurde die psychologische Kriegführung der UdSSR in Europa immer wieder angeprangert. Offenbar wird die psychologische Kriegführung der USA als gut beurteilt, wird sie doch in den westlichen Medien nicht angeprangert. Unbeachtet bleibt auch, dass die psychologische Kriegführung zweischneidig ist, dass die Opfer sehr schnell die Manipulation erkennen und sich ihre Wut erst recht gegen die Hintermänner der psychologischen Kriegführung wendet.
Die guten Staaten
Als Antipode zu jenen 5 Staaten, die den Terrorismus fördern, gehören alle jene Staaten, die die USA bei ihrer Terrorismusbekämpfung unterstützen. Im Prinzip ist dies die gesamte Welt. Die besonders guten Staaten sind aber jene Staaten, die alles tun und alle Konventionen und Gesetze unterzeichnet und ratifiziert haben, die den USA in ihrem Kampf helfen. Auch hier erfolgt die Auflistung dieser Staaten nach Kontinenten. Ein Blick auf die besonders guten Staaten ist sehr aufschlussreich:
– Afrika: Liberia mit Präsident Ellen Johnson Sirleaf,
– Ostasien und Pazifik: Australien mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten John Howard,
– Europa: die türkische Republik mit dem neu gewählten Präsidenten Abdullah Gul (früher Aussenminister),
– Naher Osten und Nordafrika: Saudi-Arabien mit Prinz Saud Al-Faisal (als Aussenminister),
– Süd- und Zentralasien: Afghanistan mit dem Präsidenten Hamid Karzai,
– Westliche Hemisphäre: Kanada mit dem Ministerpräsidenten Stephen Harper.
Diese Auflistung ist eigentlich selbsterklärend. Es handelt sich bei den besonders guten Staaten um alle jene Vasallen, die pflichtgetreu alles tun, um dem Willen der USA zu genügen. Dass es sich bei einzelnen dieser Staaten um üble Diktaturen handelt, die wie Saudi-Arabien notorisch Menschenrechtsverletzungen begehen, spielt in der Terrorismusbekämpfung offenbar keine Rolle.
Das VBS im Schlepptau der Terrorismusbekämpfung
Welche Rolle nimmt nun die Schweiz in der Terrorismusbekämpfung der USA ein? Unser Land gehört zu den aktiven Staaten, haben wir doch beinahe alle internationalen Protokolle und Konventionen über die Terrorismusbekämpfung unterzeichnet, wie aus einer Tabelle im Bericht ersichtlich ist.2 Dazu ist zu bemerken, dass dies auch andere Staaten getan haben. Aufschlussreich ist aber der Abschnitt des Berichtes über «Switzerland». In diesem Abschnitt wird sehr ausführlich beschrieben, was die Schweiz in Zusammenarbeit mit den USA alles tut, um den amerikanischen Forderungen bei der Terrorismusbekämpfung zu genügen. Interessant ist der folgende Absatz: «In September (2006), Switzerland and the United States co-sponsored the successful ‹Black Ice› bioterrorism coordination exercise in Montreux, hosting senior officials from numerous multilateral organizations. The Swiss also sponsored several conferences on civil infrastructure protection and terrorism finance under the auspices of Nato’s Partnership for Peace.»
Mit diesem Absatz wird nicht nur die Zusammenarbeit des VBS mit den USA angesprochen, sondern auch auf den Modus der Finanzierung der Übung in Montreux hingewiesen. Diese Übung wurde offenbar durch die USA und die Schweiz gemeinsam finanziert. Ein merkwürdiges Verhalten für einen neutralen Staat. Offenbar legt das VBS keinen besonderen Wert auf die Aufrechterhaltung der Neutralität. Aber auch die Zusammenarbeit mit der Nato in der Terrorismusbekämpfung ist aussenpolitisch als fragwürdig zu bezeichnen. Die Unterzeichnung des Abkommens der Partnership for Peace war für eine solche Ausweitung der Zusammenarbeit nicht gedacht.
Diese Art der Zusammenarbeit entspricht weitgehend dem bereits eingeschlagen Weg der neuen Armeereform 08/11, die zur Bildung einer Hilfspolizei im Dienste der Terrorismusbekämpfung der USA führen wird. Wahrlich, das VBS ist ein treuer Diener und Handlanger der USA in der Verfolgung derer Ziele. Dass aber die Terrorismusbekämpfung nur ein Deckmantel für die amerikanische Geopolitik ist, wird offenbar unbewusst oder bewusst übersehen. •
Quelle: Institut für Strategische Studien, Wädenswil. www.strategische-studien.com
1 Country Reports on Terrorism 2006, Office of the Coordinator for Counterterrorism, U.S. Department of State, 2006.
2 Country Reports on Terrorism 2006, International Conventions and Protocols in Terrorism.
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