Agenten des Bösen
Verschwörungstheorien von Luther bis heute
Autoren: Wolfgang Wippermann
Verlag: Bebra
Kritiker: Hagen Hoffmann
Brauchen wir eine neue Aufklärung? Wenn man die um sich greifende Begeisterung für Verschwörungstheorien - insbesondere nach dem 11. September - beachtet, muss man wohl oder übel zu diesem Schluss kommen. Weltweit nimmt der Hang der Menschen zu, hinter Problemen und Krisen der Welt das Werk globaler Verschwörer zu sehen. Hierzulande werden krude Bücher eines Gerhard Wisnewski, Andreas von Bülow oder “Jan van Helsing“ gelesen und rezipiert; in der islamischen Welt druckt man die hundertfach als Fälschung entlarvten “Protokolle der Weisen von Zion“ nach und nimmt sie für bare Münze; andernorts konstruiert man Verschwörungen von Kommunisten, Kapitalisten, Freimaurern und globalen Terrornetzwerken. Das dabei vermittelte Weltbild ist zumeist platt wie Papier, und über Gegenbeweise und komplexere Zusammenhänge geht man großzügig hinweg, um die jeweilige Verschwörungsideologie nicht zu gefährden.
Wolfgang Wippermann, Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität von Berlin, schlägt in seinem Buch “Die Agenten des Bösen“ einen weiten Bogen, in dem er die gängigsten Verschwörungstheorien “von Luther bis heute“, also vom Beginn der Neuzeit bis zur Gegenwart vorstellt. Denn immer wieder, zu jeder Zeit und an verschiedenen Orten, fühlten sich Menschen von Verschwörungen bedroht. Ob Hexen oder Freimaurer, Sozialisten oder Islamisten, amerikanische Bankiers oder die allgegenwärtigen Illuminaten - die “Agenten des Bösen“ witterte man überall und versuchte mit allerlei Propaganda, Verfälschungen und Lügen diese Gruppen zu diffamieren, zu bekämpfen und mitunter auszurotten. Dass die meisten Verschwörungen eine antisemitische Note haben, indem man mal Kommunisten, mal Kapitalisten, mal Teufelsanbeter und mal aufklärerische Freimauer mit den Juden gleichsetzte, führt Wippermann dabei auf Martin Luther zurück, der erstmals den folgenschweren Denkschritt vom religiösen Antijudaismus zum exterminatorisch-rassistischen Antisemitismus machte und durch seine einflußreichen Schriften salonfähig machte. Wippermann weist auch nach, dass Luther mit dem dualistischen Bild eines “Gegengotts“, dem Satan als Fürst des absolut Bösen, argumentierte - und dass die Angst vor dem Teufel letztlich allen Verschwörungstheorien zugrunde liegt; sei es bei der Kommunistenhatz während der McCarthy-Ära, bei den esoterisch-versponnenen Welterklärungen eines Jan Udo Holey (alias Jan van Helsing) und Jo Konrad oder bei den abstrusen Räuberpistolen über den Kartoffelkäfer, die in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg umher gingen und den angeblichen Abwurf von Parasiten durch amerikanische Flugzeuge konstruierten.
Ist damit die Verschwörungstheorie als Welterklärungsversuch gar eine Folge des Monotheismus, dem die scharfe Trennung in einen “guten“ Gott und einen “bösen“ Widersacher und Verführer, den Teufel, innewohnt? Die Antwort auf diese interessante Frage bleibt Wippermann dem Leser schuldig. Zwar werden die wichtigsten Verschwörungsideologien als das entlarvt, was sie sind: hanebüchene Lügenmärchen, die letztlich dazu dienen, Ressentiments zu pflegen und alles Übel der Welt auf Minderheiten zu projizieren. Doch gerade die späteren Kapitel bleiben arg an der Oberfläche, was sicher auch der knappen Seitenzahl geschuldet ist. So werden die Verflechtungen der esoterischen Szene mit dem Rechtsextremismus in Kapitel zwölf nur im Ansatz genannt und bleiben unklar, und in Kapitel dreizehn argumentiert Wippermann gar etwas hilflos, wenn er versucht, die Schnittmengen von Satanismus und Gothic-Kultur aufzuzeigen. Die an sich interessanten Fragen, die hier aufgeworfen werden, beantwortet Wippermann zu kurz und vereinfacht stark. Damit begeht er denselben Fehler vieler Verschwörungsideologen: Halbwissen trübt den kritischen Blick und versperrt die Sicht auf das Wesentliche.
Abgesehen von diesen letzten Kapiteln ist Wippermanns Buch eine gelungene und wichtige Darstellung der bis heute gepflegten Verschwörungstheorien, die klar Stellung gegen Verschwörungsfanatiker bezieht. Als Einstieg in die Thematik ist es unbedingt zu empfehlen, auch dank Wippermanns unverquasten Stils. Ein bisschen mehr Substanz hätte man sich allerdings hier und da gewünscht, und wer tiefer in die Materie eintauchen will, muss wohl oder übel auf eigene Faust weiterrecherchieren. Die “Agenten des Bösen“ hüten ihre Geheimnisse eben gut.
Dienstag, 12. Februar 2008
Wolfgang Wipperman - ein Agent des Bösen?
Labels:
Desinformation,
Manipulation,
Verschwörung,
Wippermann
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