Interessenpolitik als Richtschnur unserer Aussenpolitik
Ausmarchung mit der EU
Von Christoph Mörgeli, Nationalrat, Uerikon ZH
Was bedeuten bilaterale Verhandlungen? Die EU interpretiert sie als Befehlsausgaberapport. Und die offizielle Schweiz versteht darunter eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Weder das Eine noch das Andere trifft zu. Es geht um eine Ausmarchung.
Es geht um "do ut des", um Geben und Nehmen zwischen zwei Verhandlungspartnern. Und es geht um die Vertretung der eigenen Interessen.
Eigentlich ist das klar und bedürfte keiner genaueren Erläuterung. Im Privatleben handelt jeder so: Wenn unsere weitgereisten und weitreisenden Bundesräte - ich denke etwa an Herrn Couchepin auf seiner kürzlichen Marokkoreise oder an Frau Calmy-Rey auf ihrer Afrika-Fahrt im letzten Sommer - sich auf einem Basar ein hübsches Souvenir erstehen wollen, gehen sie nicht auf die erste, dreiste Forderung des Basari ein; hartes, lautes, langes Feilschen ist selbstverständlich - zumindest dann, wenn sich der erworbene Gegenstand nicht auf die Spesenrechnung setzen lässt.
Aussenpolitik ist Interessenpolitik
In der Diplomatie ist das nicht anders. Aussenpolitik ist Interessenpolitik. Wer nicht seine eigenen Interessen vertritt, stellt sich automatisch in den Dienst fremder Interessen. Und das ist entweder Dummheit oder Verrat.
Das müssen wir uns vor Augen halten, wenn wir uns gegenüber der EU positionieren. Die Interessen unseres Landes sollen die Richtschnur schweizerischer Aussenpolitik sein. Auf eine eingängige Formel gebracht heisst das: Den Fortbestand unserer freiheitlichen, souveränen, direktdemokratischen und florierenden Schweiz sichern. Allein daran haben wir uns zu orientieren.
Betrachten wir das derzeitige Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU, ist seitens der EU eine klare und konsequente Interessenpolitik auszumachen, wenn auch kaschiert durch einen Schwall blumiger Worte. In der Schweiz dagegen sind die blumigen Worte offizielles Programm. Folglich schlittern Bundesrat, Classe politique und Diplomatie kopf- und konzeptlos einem Desaster entgegen. Die EU verlangt in drohendem Ton, gewisse Regelungen kantonaler Steuerregimes aufzuheben. Dabei versteigt sie sich zu einer absurden Neuinterpretation des Freihandelsvertrags aus dem Jahr 1972. Das ist juristischer Unfug, trotzdem - oder gerade deswegen - aber hoch gefährlich.
Brisante Steuerfragen
Stellen wir klar, was das bedeutet: Steuerfragen sind von besonderer Brisanz. Wenn es um Steuern geht, tritt der Staat dem Bürger mit hoheitlicher Gewalt gegenüber, greift auf dessen Privateigentum. Art und Intensität des Eingriffs sind deshalb ein Gradmesser für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und respektierter Privatautonomie. Die Steuerpflicht ist deshalb in der Schweiz mit dem Recht verknüpft, frei über die Steuerordnung zu befinden. Darin liegt ein wirtschaftliches Erfolgsrezept unseres Landes. Das sei auch gewissen Vertretern der Wirtschaft in Erinnerung gerufen, die für eine hochproblematische Ostzuwanderung unsere freiheitliche Ordnung zur Disposition stellen wollen.
Angriff auf unsere Souveränität
Wenn nun die EU mit der Forderung an uns herantritt, die Steuerregimes nach ihren Vorstellungen zu gestalten, ist das nicht nur ein Angriff auf unsere Standortattraktivität, sondern ein direkter Angriff auf demokratisch erlassene Gesetze, unsere freiheitliche Ordnung und unsere Eigenstaatlichkeit.
Aus heiterem Himmel kommen die Anmassungen der EU-Diplomaten freilich nicht. Vielmehr sind sie das Resultat einer mutlosen Haltung der Schweiz. Das innenpolitische Klima der Schweiz, durch Willenlosigkeit und Willfährigkeit geprägt, hat längst auf die aussenpolitische Interessenwahrung durchgeschlagen. Rot-Grün, Etikettenbürgerliche, linke Medien und linke Intellektuelle diffamieren, wer sich für unsere Schweiz einsetzt. Nachdem Christoph Blocher im Albisgüetli die aussenpolitische Lage erläutert und dafür plädiert hat, unser Interessen zu verteidigen, war man sich in der Regierungs-Allianz von Hans-Jürg Fehr über Christophe Darbellay bis zu den Bundesräten Merz und Couchepin in der Reaktion einig: Es sei ungehörig und pervers, für sich selbst zu schauen. Damit mache man die Steuerfrage verhandelbar - dabei ist jedermann klar, dass es bei der Garantie der Schweizer Steuerautonomie keineswegs um Verhandlungen, sondern um eine Erklärung der EU geht. Ich bin mir sicher: Spielten diese Politiker Schach, sie würden sich selbst schachmatt zu setzen - am liebsten noch vor der Partie.
Mit unserem kampflosen Nachgeben jedoch wecken wir nur immer neue Begehrlichkeiten. Wenn wir die Schwächespirale durchbrechen wollen, müssen wir den Forderungen der EU mit Entschiedenheit und Entschlossenheit entgegentreten.
Ausgangslage nutzen!
Nehmen wir eine Auslegeordnung vor, stellen wir fest, dass sich die Schweiz insgesamt in einer guten Position befindet. Folgende Dossiers werden verhandelt:
* Erweiterung der Personenfreizügigkeit für Rumänien und Bulgarien. Die Schweiz wird davon nicht profitieren. Welche Spezialisten und Fachleute bieten diese Länder, die wir in der Schweiz sonst nicht rekrutieren könnten? Weshalb sollte es nicht ausreichen, Rumänen und Bulgaren selektiv durch Erteilung von Bewilligungen zum Schweizer Arbeitsmarkt zuzulassen? Weshalb muss die Schweiz allen Bürgern dieser Länder unbeschränkt Zugang zu ihrem Arbeitsmarkt gewähren? Und weshalb sollten die Auswirkungen der Zuwanderung rumänischer Roma in der Schweiz anders ausfallen als in Italien?
* Kohäsionszahlungen an ebendiese Länder. Welchen Nutzen soll die Schweiz daraus ziehen, drei- oder vierhundert Millionen Franken in den Balkan zu transferieren?
Mit der Drohung, die EU werde beim Nichteinbezug von Rumänien und Bulgarien in die Personenfreizügigkeit sämtliche bilateralen Verträge platzen lassen, wird fast ausschliesslich in der Schweiz hantiert. Sie soll die Bürgerinnen und Bürger einschüchtern und lässt unerwähnt, wie sehr die EU von den bisher abgeschlossenen Verträgen profitiert. Als Beispiel sei an das Landverkehrsabkommen erinnert, welches insbesondere für Italien, Deutschland und Österreich von grosser Bedeutung ist.
Umgekehrt sind diese Verhandlungspunkte für die EU wichtig. Ähnlich verhält es sich mit weiteren, immer wieder genannten Bereichen, wie etwa Agrarfreihandel, öffentliche Gesundheit, Satelliten-Navigationssystem Galileo oder Abschluss eines Rahmenabkommens. Allesamt sind sie ebenso Anliegen der EU. Mit Ausnahme vielleicht des Letzteren, das auch von Diplomatenkreisen im EDA als Vehikel zu ihrer Machterweiterung freudig begrüsst wird.
Preis für Bittsteller
Dieser Ausgangslage entsprechend müssen wir uns aufstellen:
* Dort, wo die EU als Bittsteller anklopft, müssen wir den Preis nennen. Das bedeutet: Erstens verlangen wir für das Personenfreizügigkeitsabkommen mit Rumänien und Bulgarien eine verlängerte Kontingentsfrist von zusätzlich fünf Jahren, also insgesamt zwölf Jahre Kontingentierung. Zweitens ist mit Rumänien und Bulgarien eine effiziente Rückübernahmeregelung für kriminelle oder illegal anwesende Staatsbürger zu vereinbaren, welche die Kosten der Rückführung den Heimatstaaten der Betroffenen auferlegt. Die Zustände in Italien zeigen, dass dies eine dringende Notwendigkeit ist. Drittens ist eine weitere Einschränkung unseres Arbeitsmarktes durch so genannte flankierende Massnahmen nicht hinnehmbar, dienen sie doch nur der Stärkung von Gewerkschaftsfunktionären und schaden der Wirtschaft. Viertens stellen wir eine grundsätzliche Vorbedingung. Keine Verhandlungen über die Personenfreizügigkeit mit Rumänien und Bulgarien ohne schriftliche Erklärung, dass Brüssel unsere Souveränität - inklusive Steuersouveränität - respektiert und nicht weiter attackiert.
* Da den EDA-Diplomaten und der Mitte-Links-Koalition im Bundesrat nicht zu trauen ist, muss der Schutz unserer Souveränität vollumfänglich dem Volk übertragen werden. Und dies ist nur durch ein Staatsvertragsreferendum gewährleistet. Die Volksrechte sind durch eine entsprechende Verfassungsänderung zu stärken.
Nur so können wir erreichen, dass die Schweiz ihre eigenen Interessen vertritt und nicht jene der EU - Das ist die Classe politique dem Volk schuldig!
Christoph Mörgeli
Samstag, 23. Februar 2008
Die Schweiz und die EU
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