Kosovo: Weiterhin Marionette der USA
Slowenische Zeitung stellt Protokoll eines Gesprächs zwischen EU- und US-Diplomaten ins Netz
me. Am 16. Februar gab die österreichische Tageszeitung «Standard» eine unglaubliche Enthüllung wieder: Der slowenischen Tageszeitung «Delo» sei ein neunseitiges Protokoll von Gesprächen zwischen dem politischen Direktor des slowakischen Aussenministeriums, Mitja Drobnic, mit dem Stellvertretenden US-Aussenminister Daniel Fried und seiner Stellvertreterin Rosemary DiCarlo zugespielt worden. Die Zeitung stellte das erschütternde Dokument am 28. Januar ins Netz. Das Gespräch hat Mitte Dezember 2007 stattgefunden. Es wird klar, dass in der Kosovo-Frage Slowenien, das den EU-Ratsvorsitz führt (und damit die Richtung in der EU vorzeichnet), von Washington quasi direkt geführt wird. Das Unabhängigkeitsprozedere und die Hintergrundintrigen wurden so vorbesprochen wie jetzt realisiert.
Man muss die Artikel über die geplante Auflösung der Souveränität der europäischen Staaten und den Übergang zu einer neuen feudalistischen Gesellschaft durch den Vertrag von Lissabon (statt der «EU-Verfassung») dazudenken (vgl. Zeit-Fragen Nr. 9 vom 25. Februar); ebenso die Sequenz aus dem jüngsten Interview im Spiegel mit Henry A. Kissinger, der diesen Souveränitätsabbau bestätigt. Das Fazit wird lauten: Die Bürger Europas werden von einer Kollaborationselite regiert, welche den Anweisungen Washingtons folgt.
Im untenstehenden Kasten stehen Auszüge aus dem neunseitigen Protokoll. •
Unabhängigkeitserklärung soll an einem Sonntag erfolgen
«Die koordinierte Unabhängigkeitserklärung (CDI, Coordinated Declaration of Independence) darf nicht an die Wahlen in Serbien geknüpft werden. Nach Ansicht von DiCarlo wäre es sinnvoll, wenn die Sitzung des kosovarischen Parlaments, an dem die Unabhängigkeitserklärung angenommen wird, an einem Sonntag stattfindet, weil Russland dann keine Zeit für die Einberufung des Uno-Sicherheitsrates hätte. Inzwischen käme es dann schon zu den ersten Anerkennungen.
Nach Ansicht von Fried ist nicht für die Anerkennung durch alle EU-Mitgliedstaaten zu sorgen, wichtig ist die Entscheidung über die EU-Mission und die Eröffnung eines EU-Büros in Kosovo (ICO, International Civilian Office), wobei wir uns nicht um die kritischen Positionen Russlands und Serbiens kümmern sollten.»
15 von 27 EU-Staaten sind genug
«Er ermunterte Slowenien, in dieser Phase als erster Kosovo anzuerkennen. Nach Einschätzung der USA werden zu Beginn sechs EU-Staaten Kosovo nicht anerkennen, doch wenn es zumindest 15 von 27 anerkennen werden, wird das schon reichen. Die slowenische EU-Ratspräsidentschaft wird damit eine Schlüsselbedeutung haben.»
«Die USA vermeiden einstweilen Aussagen zur Unabhängigkeit Kosovos, sie werden aber, wenn es zur Verkündung der Unabhängigkeit kommt, Kosovo unter den ersten anerkennen. Die USA bemühen sich, dass Kosovo in den ersten Tagen so viele Staaten ausserhalb der EU anerkennen wie möglich. Die USA betreiben starkes Lobbying bei Japan, der Türkei und den arabischen Staaten, die ihre Bereitschaft erklärt haben, Kosovo ohne Verzögerung anzuerkennen. Frieds Stellvertreter erläuterte, dass die Türkei hinsichtlich der Definition des Kosovo-Status vermutlich kooperativ sein wird (islamische Verbindung, Frage der Türkischen Republik Nordzypern).»
Uno soll Truppenentsendung nicht behindern
«Fried sagte hinsichtlich der Unterstützung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für die Entsendung der EU-Mission nach Kosovo, dass Generalsekretär Ban Ki-moon unter Druck Russlands stehe und damit in einer schweren Situation sei. Die USA hätten aber die Zusicherung, dass der Generalsekretär die Entsendung nicht behindern werde. […] Die USA werden dem Generalsekretär bei seinen Problemen mit Russland helfen, Slowenien muss aber innerhalb der EU eine ehebaldige Entsendung der Mission erreichen.»
«DiCarlo: Es gilt die Überzeugung, dass Ban [die EU, Anm.] schwerlich zur Übernahme der Mission aufrufen kann, bevor es zur Unabhängigkeitserklärung (DI, Declaration of Independence) kommt. […] Nach der Unabhängigkeitserklärung muss es sofort zur Anerkennung kommen, weil der Generalsekretär nur dann feststellen kann, dass sich die Situation an Ort und Stelle verändert hat, und er die EU aufrufen kann, die (Kosovo-)Mission zu übernehmen. […] Ban müsste (dann) nur betonen, ‹facts on the ground have changed› und die EU einladen, ihre Mission zu entsenden. Ban braucht dafür keine Entscheidung des Uno-Sicherheitsrates.»
Brammertz soll nach Serbien reisen
«Drobnic erläuterte, dass Belgien und die Niederlande auf der konsequenten Beachtung der ICTY-Bedingung [volle Zusammenarbeit Serbiens mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal, Anm.] für die Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (mit Serbien) beharren. […] DiCarlo, (stellvertretender US-Sicherheitsberater Bertram) Braun: Es wäre sehr gut, wenn Serbien das Abkommen noch vor der Unabhängigkeitserklärung Kosovos unterzeichnen würde, weil es danach so aussehen würde, als wäre dies eine Belohnung [offenbar Entschädigung, Anm.] der EU für den Verlust Kosovos, was die Serben nicht gut aufnehmen würden.
Die USA werden mit den Niederlanden sprechen […]. Sie helfen der Region mehr durch die Zulassung Serbiens als durch das Beharren auf der konsequenten Beachtung der Kooperation mit dem Uno-Tribunal. Vielleicht würde es helfen, wenn der neue Chefankläger (Serge) Brammertz sofort nach Jahreswechsel Serbien besucht und etwas positivere Noten verteilen würde als im Vorjahr (seine Vorgängerin) Carla del Ponte.
Quelle: Standard, Wien, 16.2.2008
Faksimile des slowenischen Protokolls:
delo.si/index.php
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