Freitag, 28. März 2008

Der deutsche Stasisteuerstaat

Deutschlands enthemmte Steuerfahnder – und die Schweiz
Razzien statt Rechtsstaat
Von André F. Lichtschlag, Grevenbroich/Deutschland

«Warum habt ihr Schweine nichts dagegen unternommen?» – schrie der Achtundsechziger-Enkel mit gutem Gewissen seine Oma an, während seine für den Geheimdienst beamtete Schwester gerade die grösste Steuer-Razzia der Geschichte gegen die Reichen anführte.

Gerade noch forderte die nach vierzig Jahren erstmals in einem deutschen Landtag vertretene DKP (Deutsche Kommunistische Partei) die Wiedereinführung der Stasi, da landet diese auch schon ihren ersten Coup. Die Horch- und Greif-Behörde, die sich rechtsnachfolgeelegant Bundesnachrichtendienst (BND) nennt, zahlte fünf Millionen Euro Bestechungsgelder, um an Kundendaten einer Liechtensteiner Bank zu gelangen. Die solcherart ergaunerten Daten wurden – ganz Schild und Schwert der Partei und des Staates – den Finanzämtern übergeben, um jetzt «Steuerhinterziehung» als spannende «Soap Opera», präsentiert täglich mit der aktuellen Kamera der Tagesschau, «aufzudecken». Ein atemberaubender Politthriller, den man sich vor kurzem noch allenfalls in der Karibik oder in Putins Russland vorzustellen gewagt hätte. Auch dort werden Mitglieder der Machtelite hin und wieder fallengelassen und vorgeführt. Chodorkowski heisst nun Zumwinkel – ebenfalls milliardenschwer, ebenso viele Jahre lang einer, der von den korrupten Machtorganen, die sich bis weit hinein in seine mindestlohngeschützte Monopolpostbehörde erstreckten, reichlich gefüttert wurde.

Bauernopfer

Mitleid verdient ein solcher Obermafiosi allenfalls so viel wie der Kollege von Yukos-Oil im sibirischen Gefängnis. Beutegehälter wie die von Chodorkowski oder Zumwinkel sind in der Privatwirtschaft nicht vorstellbar. Sie sind eine Ausgeburt der mit dem Staat über Anteile und Privilegien eng verflochtenen Grossindustrie – hier wie andernorts im Energiesektor, im Verkehrs-, im Medizin-, im Medien- und im Postbereich. Kein echter Eigentümerunternehmer würde seinem Manager mehr Gehalt zahlen, als Zehntausenden anderer Mitarbeiter zusammen – bei einer Staats- und gewerkschaftsverflochtenen Aktiengesellschaft ist aber sozial vermeintlich gerecht nahezu alles möglich – inklusive Bundesverdienstkreuz am Bande für den Absahner.

Jetzt wurde der Bauer geopfert. «Seht her», ist die Botschaft, «was wir mit einem von uns machen. Was meint ihr, wie wir mit kleineren Steuersündern erst umgehen?» Die Machtelite hat ein Exempel statuiert. Deutsche Medien, hier selbst Teil des Systems, erkennen dies nur dann recht deutlich, wenn es hinter dem Ural vollzogen wird. Hierzulande spielt man mit, um Steuern bei Anne Will auf der Couch mit Krokodilstränen für etwas höchst Moralisches zu erklären.

Moral

Überhaupt: Moral? Zumwinkel war wie kaum ein anderer ein Nettostaatsprofiteur, der von den Transfers der Nettosteuerzahler aus dem schwindenden Mittelstand Deutschlands direkt und indirekt gefüttert wurde. Seine «Steuerhinterziehung» ist deshalb auch anders zu bewerten als eine «Steuerhinterziehung» seiner Opfer aus dem netto-steuerzahlenden Mittelstand. Streng moralisch und wirtschaftlich betrachtet sind und bleiben Steuern nämlich immer Diebstahl. Politik ist im Grunde ein Hehlergeschäft auf Kosten Dritter. Deshalb sind weniger Politik und weniger Steuern auch moralisch und wirtschaftlich betrachtet immer besser als mehr Diebstahl und mehr Hehlerei.

Steuern werden von jeher mit Mafiamethoden und mit dem vorgehaltenen Gewehr erpresst. Wer nicht zahlt, landet im Gefängnis. Das wird in diesen Wochen besonders deutlich, gerade wenn die SPD «noch strengere Strafen» – Finger brechen? Genickschuss? – für jene fordert, die sich der in den letzten Jahrzehnten zunehmend massloser gewordenen schwarz-rot-goldenen Mafia verweigern.

Medien im Schützengraben

Wenn also ein Nettosteuerzahler erfolgreich sein Eigentum vor dem Zugriff der Staatskrake schützt, um sich von Zumwinkel und den anderen Politprofiteuren weniger ausrauben zu lassen, dann ist das nichts als sein gutes Recht und ökonomisch ohnehin von Vorteil, da er selbst verdiente Gelder bestmöglich investieren kann, statt sie der bürokratischen Krake zur Umverteilung an Tunichtgute zu überlassen. Anders der Fall von Zumwinkel: Wenn dieser zusätzlich zu den Abermillionen, die «regulär» auf sein Konto fliessen, noch «Steuern hinterzieht», dann vermindert er damit nicht den Diebstahl, sondern er vermehrt gar den Beuteanteil aus demselben. Es ist nun die Aufgabe der Massenmedien als Transmissionsriemen, genau diese simple Erkenntnis zu verschleiern, den Milliardendiebstahl am Mittelstand mithin nachdrücklich zu rechtfertigen und Entlastungsversuche streng zu verurteilen sowie brutalstmögliche Bestrafung einzufordern.

Die «Bild» steht ganz vorne im Schützengraben: «Steuer-Razzia bei den Gierigen: Keiner kriegt seine Bude so sauber, dass wir nichts finden». Lautet die Gefechtslagebeschreibung am «Tag Eins der grössten Steuer-Razzia aller Zeiten». Hurra, wir sind Steuerfahnder!

Das ganze Land schnüffelt mit

Ganz Deutschland schnüffelt mit – in den «Villen der Reichen». Im «Einsatz waren nach ‹Bild›-Informationen 37 Steuerfahnder, acht Staatsanwälte und mehr als dreihundert Polizisten! Sie durchsuchten bundesweit rund 25 Objekte. Akribisch bereiteten sie ihren Einsatz vor. Auch in der Hauptstadt haben die Steuerfahnder zugeschlagen. Bei zahlreichen Steuersündern sorgen die Razzien offenbar für Panik.»

Die Massenmedien geilen sich an der Panik der Opfer auf. Der Staat hat soeben alle rechtsstaatlichen Hüllen fallengelassen und agiert nun ganz offen mit Stasi- und Mafiamethoden. Geheimdienste kaufen gestohlene Daten, und die Finanzbehörden setzen diese gegen Bürger ein, die lediglich ihr Eigentum sichern wollen. Wie bei den Hauseinsätzen der Eingreiftrupps in den Dreissigerjahren befeuern sadistische journalistische Hetzer noch den Volkszorn gegen die Opfer und den Tatendrang einer ausser Rand und Band geratenen Staatsmacht.

Lasst uns Kapitalisten prügeln!

Wie schon bei der Hatz gegen Eva Herman sind es lediglich die Hobbyjournalisten im Internet sowie der Ekel der Auslandspresse über den neuen deutschen Steuertotalitarismus, die etwas Hoffnung machen in düsteren Tagen. Während live in der Tagesschau «gierige Reiche» wie Verbrecher ab- und vorgeführt werden, kommentiert etwa Michael Kastner auf Freiheitsfabrik.de den kriegerischen Kern treffend:

«Neueste Meldungen von den Frontabschnitten Frankfurt, München und Hamburg. Hier schlägt ein vollkommen tollwütiger Staat zu. Ein Staat, den nichts so high macht, wie die Kohle seiner Bürger. Und wehe, er kann die Dosis nicht regelmässig erhöhen, dann wird mit allen Mitteln, die den Verfolgungsbehörden zur Verfügung stehen, gnadenlos verfolgt, geplündert und durchsucht Auch das ‹Handelsblatt› berichtet, nicht ohne einen gewissen schadenfreudigen Unterton: Unter möglichen Betroffenen der bisher umfangreichsten Steuerfahndung in der Geschichte der Bundesrepublik macht sich offenbar Panik breit. Die Presse geilt sich auf wie wohl seinerzeit die Zuschauer im Circus Maximus, wenn die Löwen in die Arena gelassen wurden. Mit Recht hat das alles nichts zu tun. Das ganze Land scheint sich in einer Art von kollektivem Testosteronrausch zu befinden. Jetzt müssen endlich mal die Kapitalisten so geprügelt werden, dass ihnen Hören und Sehen vergeht. Deutschland hat den Krieg für sich entdeckt. Den Krieg gegen die Reichen. Kein Verbrechen ist in Deutschland so schlimm wie Reichtum. Wir wissen ja: Im Krieg kann es keine Gnade geben.»

Und während das deutsche Wochenmagazin «Stern» titelt: «Elite ohne Moral: Wie die Reichen unsere Gesellschaft untergraben», hält das Schweizer Wochenmagazin «Weltwoche» dieser Pressehetze den Spiegel auf seiner Titelseite vor: «Dschihad gegen die Reichen: Deutschland erklärt guten Steuerzahlern den Krieg».

Schauprozesse

Der Chefredakteur der «Weltwoche», Roger Köppel, kommentiert:

«Im Rückblick mutet die Amtszeit von Ex-Kanzler Schröder (SPD) als goldenes Reformzeitalter an. Der Sozialdemokrat ist von seinen bürgerlichen Nachfolgern längst links überholt worden. Da der Staat weder sparen noch schrumpfen will, müssen die Bürger immer rabiater ausgepresst werden. Der Schauprozess gegen Postchef Zumwinkel geriet zum Sinnbild einer wirtschaftsfeindlichen Stimmung, der sich niemand mehr entgegenzustellen wagt. Die Berliner Regierung belohnt den Rechtsbruch eines Bankangestellten, der Kundendaten geraubt hat. Sie schafft über die Landesgrenzen hinaus Anreize für Denunzianten und Verräter. Als Chomeinis Islamisten vor Jahren eine Belohnung aussetzten für die Ermordung des Schriftstellers Salman Rushdie, wurde dies international als barbarischer Akt gewertet. Die Fatwa der deutschen Steuerfahndung gegen Unternehmer und Angestellte, die sich einem fundamentalistischen Fiskalsystem entziehen wollen, löst Zustimmung der EU aus. Selbst Datenschützer schweigen. Die Reichen haben in Deutschland keine Lobby.»

Internationaler Feldzug

Doch längst, so Köppel, haben wir es mit einem internationalen Feldzug zu tun:

«Bereits drohen Politiker, alle Steueroasen trockenzulegen. Die Schweiz wird sich warm anziehen müssen. Der neue deutsche Imperialismus geht von enthemmten Steuerfahndern aus.»

Natürlich gilt der deutsche Stasisteuereinsatz auch dem Ausland. Das «Steuerschlupfloch» Liechtenstein wird nun weitgehend abgedichtet werden. Die Mauer um Kapital und Menschen in Deutschland wird weiter geschlossen.

Die Besten gehen…

Chefredakteur Wolfram Weimer schreibt in seinem «Cicero»:

«Alle vier Minuten verlässt ein Deutscher sein Land. An jedem Tag verliert Deutschland ein ganzes Dorf, womit die Zahl der Auswanderer Dimensionen erreicht wie seit hundertzwanzig Jahren nicht mehr. Es sind die Besten und Jüngsten, die genug haben und gehen. Im Gegensatz zu den Auswanderungswellen des neunzehnten Jahrhunderts verlassen nicht etwa Analphabeten, Bauern und verzweifelte Arbeiter das Land. Wir erleben keine Elendsflucht, sondern einen Exodus des gebildeten Mittelstands. Das Durchschnittsalter unserer Auswanderer beträgt 32 Jahre, es sind junge Ärzte und Ingenieure, Wissenschaftler und Facharbeiter, Handwerker, Techniker und ehrgeizige Dienstleister. Nach Angaben der OECD verliert derzeit kein anderer Staat so viele Akademiker.»

Inzwischen, so Weimer,

«gibt es kaum eine Familie mehr, die nicht betroffen ist, kaum ein Fernsehabend mehr ohne Serien wie ,Umzug in ein neues Leben' (Kabel 1), ‹Good-bye Deutschland› (Vox), ‹Die Auswanderer› (Pro7) und ‹Deutschland ade› (RTL). Während unser Sozialstaat Hunderttausende Unqualifizierter aus den Randzonen Europas anzieht, fühlen sich die jungen Vertreter des Leistungsmittelstands hierzulande immer fremder. Der Handwerksmeister, der in Australien nicht vom Bürokratenstaat bedrängt wird, der Arzt, der in Norwegen nicht zum Medizinbeamten degradiert wird, der Wissenschaftler, der in den USA bessere Forschungsbedingungen hat, die Hotelfachfrau, die in der Schweiz das Doppelte verdient und dabei auch noch weniger Steuern zahlt, der Bauingenieur, der in China sein Können vergoldet bekommt – die Motive wechseln. Aber eines eint sie alle: Anderswo geht es ihnen besser als daheim.»



Sozialismus macht arm!

Sozialismus macht arm. Und jetzt wird die Zeche gezahlt. In den Worten Weimers:

«Das ist für die Deutschen, die sich jahrzehntelang als die Wirtschaftswunder-Klassenbesten gefühlt haben, eine schockierende Erfahrung. Auf einmal arbeiten sie als Gastarbeiter in fremden Ländern, und wenn die Wirtschaftselite der Welt sich in Davos trifft, dann sind die Hotelkellner die Deutschen. Die Überlegenheitsgewissheit, die jeden Urlaub im Süden zu einem Selbstbestätigungs-Event gemacht hat, ist verschwunden. Wenn die Autobahnen in Andalusien inzwischen besser sind als im Ruhrgebiet, unsere Schulen neben denen in Skandinavien wie Baracken aussehen, wenn ein deutscher Krankenhausarzt nur noch so viel verdient wie ein Pförtner in Dubai, wenn eine Facharbeiterfamilie so hohe Steuern und Sozialabgaben zahlt, dass ihnen weniger übrig bleibt als einem Koch in Zürich, dann gehen sie eben.»

Krieg gegen die eigenen Bürger

Nachdem der deutsche Stasisteuerstaat nun sogar mit nach eigenen Massstäben eigentlich strafbaren Handlungen in die Taschen seiner Opfer greift, wird sich die Massenflucht der mittelständischen Nettosteuerzahler aus Deutschland noch einmal verstärken. Der Krieg gegen die eigenen Bürger eskaliert. Mit zu den ersten Gefallenen in Kriegen gehören die Wahrheit und die Meinungsfreiheit. Wenn Liechtenstein vor den deutschen Finanzbehörden kapituliert hat und ein paar Wohlhabende in Ketten gelegt dem johlenden TV-Zuschauer vorgeführt werden, um öffentlich abzuschwören und Reue zu geloben, dann wird die nächste Schlacht im Internet geführt. Hinter den nun bereits nahkampferprobten Frontschweinen aus den Geheimdiensten und Finanzbehörden werden dann die Zensurbehörden in Stellung gebracht. Gegen wen? Nein, nicht gegen das Volk. Gegen die «neuen Asozialen», wie der SPD-Generalsekretär die brutalstmöglich zu strafenden Volksschädlinge heute nennt. Und gegen die immerwährend lauernde «braune Gefahr» natürlich.

André F. Lichtschlag

André F. Lichtschlag

ist Herausgeber und Chefredaktor des in Grevenbroich/Deutschland zehnmal jährlich erscheinenden Magazins «eigentümlich frei», in dessen März-Ausgabe der hier nachgedruckte Kommentar erschienen ist. Die «Schweizerzeit» bedankt sich herzlich für das ihr eingeräumte Abdrucksrecht.

Wer freiheitliche Überzeugungen, vorgetragen in geschliffen-ungeschminkter Sprache, schätzt, dem sei «eigentümlich frei» wärmstens empfohlen.

Adresse: «eigentümlich frei», Lichtschlag-Medien, Malvenweg 24, DE-41516 Grevenbroich

Tel: 0049 2182 570 4500, Fax: 0049 2182 570 4041

E-Mail: lichtschlag@ef-magazin.de

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