Donnerstag, 2. April 2009

Wie der Staat die Blogger kriminalisiert

Das Landgericht Karlsruhe erklärte in einem Urteil die kürzlich erfolgte Hausdurchsuchung gegen einen Blogger, der mittelbar auf Wikileaks verlinkte, für rechtmäßig.

Ein Blogger, der anonym bleiben will, hatte auf das Blog "Schutzalter" verlinkt, das wiederum auf Wikileaks verlinkte. Bei Wikileaks ist unter anderem die dänische Sperrliste mit angeblich kinderpornographischen (nach Aussagen von Kritikern nur zum Teil kinderpornographischen) Websites verlinkt. Durch diese Kette von Verweisen wurde der Blogger Ziel einer Hausdurchsuchung und eines Ermittlungsverfahrens (gulli:news berichtete). Mit Hilfe der Anwaltskanzlei Atlas ging der betroffene Blogger juristisch gegen die Hausdurchsuchung vor (gulli:news berichtete) - um dabei am 26. März am Landgericht Karlsruhe zu scheitern.

Das Vorgehen gegen besagten Blogger hatte für viel Wirbel gesorgt, sahen doch auch Rechtsexperten darin die Gefahr, dass bald das Setzen von Links zu einer sehr gefährlichen Sache werden könnte - in einem vernetzten Medium wie dem Internet ist es mitunter schwer abzusehen, welche Seiten genau untereinander verlinken und wie eine begonnen Kette von Links womöglich weitergeht. So könnte man schon unbeabsichtigt zum Ziel von Strafverfolgung werden. Zudem sahen gerade Blogger, Netzaktivisten und Journalisten auch die Informations- und Pressefreiheit durch ein derartiges Vorgehen gefährdet, insbesondere, da auch Wikileaks selbst zunehmend im Fokus steht und kürzlich der Inhaber der entsprechenden de-Domain ebenfalls Ziel einer Hausdurchsuchung und eines Ermittlungsverfahrens wurde (gulli:news berichtete).

Diesen Bedenken schlossen sich die Karlsruher Richter offenbar nicht an. Statt dessen wurde die Beschwerde zurückgewiesen und die durchgeführte Hausdurchsuchung für rechtmäßig erklärt. Die Beschwerde sei "unbegründet", heißt es im entsprechenden Gerichtsbeschluss. Interessant ist das Detail, dass in der Begründung dafür, dass ein hinreichender Tatverdacht bestanden habe, die Begriffe "Cache" (in diesem Fall der Cache des Webbrowsers) und "Arbeitsspeicher" gleichgesetzt werden, indem es heißt, ein Tatverdacht sei bereits "mit dem automatischen Download in den Arbeitsspeicher, dem so genannten Cache, gegeben". Wie technisch versierte Internetnutzer wissen, ist das keineswegs das selbe - der Browser-Cache dient lediglich dazu, einmal besuchte Websites, mitunter auch damit verlinkte Inhalte, auf der Festplatte zu speichern, um das Laden der Websites zu beschleunigen. Im Arbeitsspeicher dagegen werden gerade aktive Programme und geöffnete Dateien abgelegt. Der Arbeitsspeicher wird beim Herunterfahren des Rechners gelöscht, für den Browser-Cache gilt dies nicht (es sei denn man benutzt entsprechende Software). Angesichts eines so deutlichen Falls von mangelndem technischen Sachverstand dürften viele Internetnutzer Zweifel verspüren, für wie sachkundig man das in Karlsruhe getroffene Urteil halten kann, spielen doch technische Inhalte in diesem Fall eine zentrale Rolle.

Nach Ansicht der Richter jedenfalls ist eindeutig eine Strafbarkeit gegeben, Link-Kette hin oder her. So heißt es, aufgrund der vernetzten Struktur des Internets sei "jeder einzelne Link [...] kausal für die Verbreitung krimineller Inhalte, auch wenn diese erst über eine Kette von Links anderer Anbieter erreichbar sind". Zudem habe der Beschuldigte noch sogenannte Sprungmarken gesetzt und damit direkt den Weg zu den fraglichen Inhalten gewiesen.

Der Betroffene und auch sein Rechtsbeistand Thomas Stadler sind mit dem Urteil unzufrieden und wollen sich noch keineswegs geschlagen geben. Stadler sieht die Begründung des Gerichts im Widerspruch zum sonst vor Gericht üblichen Begriff von Kausalität: "Wenn eine Kausalkette, die über mehrere Links hinweg reicht, strafrechtlich zurechenbar sein soll, dann hätten sich in dem konkreten Fall vermutlich tausende oder zehntausende Blogger strafbar gemacht." Damit äußert Stadler Bedenken, die auch im Internet schon häufig zu lesen waren.

Nun planen Stadler und sein Mandant, eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil einzulegen. Damit könnte auch für zahlreiche andere Internetnutzer Rechtssicherheit geschaffen werden. Zudem wurde Strafanzeige wegen Rechtsbeugung gegen die für das Urteil verantwortlichen Juristen erstattet. (Annika Kremer)

1 Kommentar:

abraxas23 hat gesagt…

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