Das Selbstbestimmungsrecht der Völker hat naturrechtliche Wurzeln und ist sowohl im Völkergewohnheitsrecht als auch in den Regeln des positiven Völkerrechts anerkannt.
So gehört es nach Artikel 1 der Charta der Vereinten Nationen zu den Zielen der Vereinten Nationen, «freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Massnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen» (Art. 1, Ziff. 2) sowie «eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen» (Art. 1, Ziff. 3).
In Artikel 55 bestimmt die Charta der Vereinten Nationen, dass die Mitgliedsländer verpflichtet sind, ihre Beziehungen auf der «Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker» zu gestalten, damit zwischen den Nationen friedliche und freundschaftliche Beziehungen herrschen.
Zudem erkennen der Internationale Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte vom 19.12.1966 sowie der Internationale Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte vom 19.12.1966 das Selbstbestimmungsrecht für die Vertragsstaaten bindend an. In beiden Pakten heisst es gleichlautend in Artikel I:
«(1) Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.
(2) Alle Völker können für ihre eigenen Zwecke frei über ihre natürlichen Reichtümer und Mittel verfügen, unbeschadet aller Verpflichtungen, die aus der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf der Grundlage des gegenseitigen Wohles sowie aus dem Völkerrecht erwachsen. In keinem Fall darf ein Volk seiner eigenen Existenzmittel beraubt werden.
(3) Die Vertragsstaaten, einschliesslich der Staaten, die für die Verwaltung von Gebieten ohne Selbstregierung und von Treuhandgebieten verantwortlich sind, haben entsprechend der Charta der Vereinten Nationen die Verwirklichung des Rechts auf Selbstbestimmung zu fördern und dieses Recht zu achten.»
In dem General Comment aus der 21. Session des Menschenrechtsausschusses von 1984 wird noch einmal betont, dass diese Rechte der Völker entsprechende korrespondierende Pflichten aller Signatarstaaten der beiden Pakte begründen, zu deren Einhaltung sie auch auf Grund der Charta der Vereinten Nationen verpflichtet sind.
Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist Ius cogens im Sinne von Art. 53 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.5.1969. Es gehört somit zu den zwingenden Normen des allgemeinen Völkerrechts. Sollte somit der Schweizerische Bundesrat unter politisch-militärischem Druck äusserer Mächte einen Vertrag schliessen, der dem Selbstbestimmungsrecht des Schweizer Volkes widerspricht, so wäre dieser Vertrag – wie Dr. rer. publ. W. Wüthrich in Zeit-Fragen Nr. 16 vom 21.4.2009 festgehalten hat – nichtig. Dies deshalb, weil – wie vorstehend gezeigt wurde – das Selbstbestimmungsrecht der Völker eine Norm des allgemeinen Völkerrechts ist, die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt worden ist als eine Norm, von der nicht abgewichen werden darf und die nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden kann (vgl. Art. 53 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.5.1969).
Mit anderen Worten: Ohne eine klare Entscheidung des Souveräns – und das ist in der Schweiz nun einmal das Volk – kann das Bankgeheimnis nicht abgeschafft werden. Diese Rechtslage zu achten ist auch die Bundesrepublik Deutschland als Staat und sind auch die Regierungsmitglieder der Bundesrepublik als öffentlich Verantwortliche verpflichtet.
Dr. iur. Andreas Mylaeus,
Rechtsanwalt, München
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