Donnerstag, 2. April 2009

Die Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen in den USA

Der neue US-Haushalt: Kein Geld für das Volk, aber Billionen für die Banken und für den Krieg - Von Michel Chossudovsky, 28.03.2009 21:17

Die folgenden wesentlichen Passagen, die dem Artikel des Wirtschaftswissenschaftlers Michel Chossudovsky zur aktuellen Lage entnommen sind, tragen den Titel »America's Fiscal Collapse« und erschienen zuerst bei »Gobal Research«: Die verkündeten Prioritäten des Wirtschaftspaketes von Obama sind Gesundheit, Ausbildung, erneuerbare Energien, Investitionen in Infrastruktur und Verkehr. »Qualitätserziehung« steht an vorderster Stelle. Auf den ersten Blick sieht der Budgetvorschlag ganz nach einem expansionistischen Programm aus, ein bedarfsorientierter »Zweiter New Deal«, der darauf ausgerichtet ist, Arbeitsplätze zu schaffen, zerrüttete Sozialprogramme wiederaufzubauen und die Realwirtschaft wiederzubeleben. Um die angegebenen Ziele zu erreichen, bräuchte es für die Sozialprogramme wie für die Verwirklichung eines grossangelegten öffentlichen Investitionsprogramms eine signifikante Erhöhung der öffentlichen Ausgaben.

In der Zusammensetzung der letzterer wären ausserdem bedeutende Verschiebungen notwendig, darunter eine solche, die von der Kriegswirtschaft wegführt, was erforderte, Ausgaben im Militärbereich zugunsten ziviler Programme einzusetzen. In Wirklichkeit haben wir es jedoch mit der drastischsten Beschneidung der öffentlichen Ausgaben in der US- Geschichte zu tun, die zu einer sozialen Verwüstung und der potentiellen Verarmung von Millionen von Menschen führen wird. Das Versprechen Obamas dient im wesentlichen den Interessen der Wall Street, den Auftragnehmern der Verteidigung und den Ölkonglomeraten. Die «Rettungspakete» der Banken von Bush/Obama ihrerseits führen Amerika in eine schwindelerregende Schuldenkrise der öffentlichen Hand. Die ökonomischen und sozialen Verschiebungen werden unter Umständen verheerend sein.

Das Budget, das Obama dem Kongress am 26. 2. 09 vorlegte, sieht für das Haushaltsjahr 2010, das am 1. 10. 2009 beginnt, Ausgaben in Höhe von 3,94 Billionen $ [3.940 Milliarden] Dollar vor, eine Steigerung um 32 %. Die gesamten Staatseinkünfte für das Haushaltsjahr 2010 liegen nach vorläufigen Schätzungen des Budgetplanungsbüros in der Grössenordnung von 2,381 Billionen $ [2.381 Milliarden]. Gemäss der Rede des Präsidenten wird das zu erwartende Budgetdefizit in der Grössenordnung von 1,75 Billionen [1.750 Milliarden] liegen, das sind beinahe 12 % des Bruttoinlandsproduktes der USA. Die Rettungspakete für die Banken - sowohl die von Bush als auch die von Obama - sind Zuwendungen für die grossen Finanzinstitutionen. Sie stellen keine sichere Ausgabenspritze für die Realwirtschaft dar. Ganz im Gegenteil. Die Rettungspakete tragen dazu bei, die Restrukturierung des Bankensystems zu finanzieren, was zu einer massiven Konzentration von Reichtum und einer Zentralisierung der Bankenmacht führt. Dann werden die Finanzeliten diese grossen Mengen von flüssigen Mitteln zusammen mit den Hunderten von Milliarden, die sie durch Spekulationen erworben haben, dazu benutzen, Unternehmen der Realwirtschaft (Fluglinien, Automobilindustrie, Telekommunikation, Medien usw.) aufzukaufen. Im wesentlichen erfordert es ein mit massiven Kürzungen bei den Sozialprogrammen einhergehendes Budgetdefizit, um sowohl die Geldmittel für die Zuwendungen an die Banken zu beschaffen als auch die Verteidigungsausgaben und die Flut militärischer Ausgaben für den Krieg im mittleren Osten zu finanzieren.

Obamas Budget für 2010 sieht Verteidigungsausgaben in Höhe von 534 Mrd. $ vor, des weiteren eine Bewilligung von zusätzlich 130 Mrd. $ für die Kriege in Afghanistan und im Irak sowie 75,5 Mrd. $ unvorhergesehener Kriegskosten für den Rest des Haushaltsjahres 2009. Die Verteidigungsausgaben und die Kosten für den Krieg im Mittleren Osten liegen mit den verschiedenen Nachtragsbudgets (offiziell) bei ungefähr 739,5 Milliarden. Einige Schätzungen veranschlagen die gesamten Verteidigungs- und Militärausgaben auf über eine Billion $.

Ein von Obama angekündigtes Rettungspaket für die Banken in der Grössenordnung von 750 Mrd. $, kommt zu den 700 Mrd. $ Sanierungsgeld, die bereits von der abtretenden Bush-Administration unter dem Rettungs- und Stabilisierungsfonds (Troubled Assets Relief Programm TARP) gesprochen wurden, hinzu. Die Summe beider Programme beläuft sich auf atemberaubende 1,45 Billionen $ [oder 1,450 Milliarden], die durch das Finanzministerium finanziert werden müssen. Wohlgemerkt: Die aktuelle Menge an flüssiger finanzieller Hilfe für die Banken ist bedeutend grösser als 1,45 Billionen [1.450 Milliarden]. Die Nettozinsen für die ausstehenden Staatsschulden werden vom Budgetplanungsbüro für 2010 auf 164 Milliarden US-Dollar geschätzt. […]

Das Haushaltsdefizit
Diese 3 Ausgabenkategorien - Verteidigung, die Rettungspakete für die Banken und die Zinsen für die öffentlichen Schulden - würden praktisch die gesamten Einnahmen des US-Bundeshaushalts für 2010 in Höhe von 2.381 Milliarden US-Dollar verschlingen. Eine weitere Vergleichsgrundlage bieten alle Einnahmen, die für 2010 aus der auf Bundesebene erhobenen Einkommenssteuer in Höhe von 1.061 Mrd. $ zu erwarten sind. Das Geld also, das alle Haushalte Amerikas jährlich als Bundessteuern zahlen, würde nicht ausreichen, um die Überweisungen an die Banken zu finanzieren, die sich offiziell auf 1,45 Billionen [1.450 Milliarden] belaufen. Diese Zahl beinhaltet, wie bereits angeführt, die im Haushaltsjahr 2009 im Rahmen des TARP-Programms genehmigten 700 Mrd. $, plus die jetzt von der Obama-Regierung vorgeschlagenen 750 Milliarden. TARP ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Eine ganze Palette von Zuweisungen für Sanierungen zusätzlich zu den 700 Milliarden wurde von Obama bereits beschlossen, noch bevor er das Präsidentenamt übernahm. Im November wurde das Bankenrettungsprogramm der Bundesregierung auf gigantische 8.500 Mrd. $ veranschlagt, eine Summe, die im Vergleich über 60 % der gesamten Staatsschulden der USA entspricht, die im Jahr 2007 auf 14.000 Milliarden US-Dollar geschätzt wurden.

Unterdessen sind im Budget-Voranschlag Obamas 634 Mrd. $ für einen Reservefond zur Finanzierung des allgemeinen Gesundheitswesens vorgesehen. Auf den ersten Blick scheint das eine grosse Summe zu sein. Doch ist sie für einen 10jährigen Ausgabezeitraum vorgesehen; mit anderen Worten: es handelt sich um eine bescheidene jährliche Zusage von 63,4 Milliarden. Die öffentlichen Ausgaben werden drastisch gekürzt werden, um das in die Höhe schnellende Haushaltsdefizit einzugrenzen. Gesundheits- und Bildungsprogramme werden nicht nur stark unterfinanziert bleiben, sondern weiter gekürzt, umgemodelt und privatisiert werden. Das voraussichtliche Resultat wird die komplette Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen und ein Ausverkauf der staatlichen Vermögenswerte, inklusive der öffentlichen Infrastruktur, der städtischen Dienste, Autobahnen, Nationalparks und so weiter sein. Der Finanzkollaps mündet in eine Privatisierung des Staates. Die Finanzkrise wird noch durch die Schrumpfung der Steuereinnahmen, die aus dem Rückgang der Realwirtschaft resultiert, verschärft. Arbeitslose und bankrotte Firmen zahlen keine Steuern. Eins kommt zum anderen. Die Lösung der Finanzkrise wird zum Ausgangspunkt des weiteren Zusammenbruchs.

Die Frage ist nun, ob das Finanzministerium in der Lage ist, das wachsende Budgetdefizit, offiziell mit 1,75 Billionen [1.750 Milliarden] US-Dollar angegeben, durch die Ausgabe von US-Schatzwechseln und Staatsanleihen zu finanzieren. Das grösste Budgetdefizit der US-Geschichte geht gleichzeitig mit den niedrigsten Zinsraten in einher: Mit dem von der Federal Reserve vorgegebenen Leitzinssatz von nahezu null Prozent befindet sich der Markt für US-Dollar-Staatsanleihen in einer Zwangsjacke. Wer also möchte noch in US-Staatsanleihen investieren und wie hoch ist die Nachfrage an Staatsanleihen mit einer extrem geringen Verzinsung überhaupt? Der Markt für in US-Dollar notierte Schuldtitel ist nahe am Stillstand. Das bedeutet, dass das Finanzamt nicht mehr in der Lage ist, das Mammut-Budgetdefizit durch öffentliche Neuverschuldung zu finanzieren, wodurch die gesamte Budgetierung in eine Zwickmühle gerät. Die Mainstream-Medien suggerieren, die Banken würden aus dem TARP-Programm heraus verstaatlicht. Tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall: Der Staat wird von den Banken übernommen, der Staat wird privatisiert. Das Etablieren eines weltweiten unipolaren Finanzsystems ist Teil eines grösseren Projekts der Wall Street-Finanzeliten auf dem Weg zur Konturierung einer Weltregierung.

Anmerkung politonline d.a. Nicht nur die Grössenordnung der Zahlen, die der in Ottawa lehrende Chossudovsky anführt, sondern auch der Fakt, dass ein Betrug dieser Art an der eigenen Bevölkerung im Kongress über die Bühne gehen kann, übersteigt mein Fassungsvermögen. Was die Interessen der Wall Street, den Auftragnehmern des Verteidigungssektors und der Ölkonglomerate betrifft, so deckt sich Chossudovskys Aussage mit der von Gore Vidal, die die Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlichte: »Schliesslich hat die USA in Wirklichkeit ein Einparteiensystem mit zwei rechten Flügeln, Republikanern und Demokraten. Beide werden von den grossen Unternehmen finanziert, wobei die Republikaner die Kriegsinteressen etwas stärker vertreten dürften als die Demokraten. Ein kalifornischer Senator vertritt im allgemeinen Aerospace, den Krieg, Marschflugkörper und Atomwaffen. Die amerikanische Bevölkerung will keine Kriege. Die Führung der Vereinigten Staaten, die Eigentümer dieses Landes, müssen jedoch Kriege führen, sonst bekommen sie nicht das nötige Geld für das Pentagon, Summen, die dann an Boeing und Lockheed weitergereicht werden. Es ist also sehr wichtig, dass wir Feinde haben. Deshalb erschaffen wir uns immer wieder neue. Seit einem halben Jahrhundert sind wir rund um den Globus im Einsatz, ohne dass unsere Verfassung dies legitimieren würde.« Gerade von letzterem Fakt können wir insgesamt uneingeschränkt Zeugnis ablegen. Wie Vidal weiter ausführt, »regiert in der USA das Faustrecht. Die Junta, die in der USA an der Macht ist, die Gas- und Öljunta, hat kein Interesse am Volk.« Eine Erklärung dafür, dass die Bevölkerung der USA keinen Aufstand probt, könnte an folgendem, von Gore Vidal ebenfalls dargelegten Umstand liegen: »Die USA hat kein öffentliches Bildungssystem; mehr als die Hälfte der Viertelmilliarde US-Bürger sind Analphabeten und der Durchschnittsamerikaner hat fast überhaupt keine Bildung.« Daraus ergibt sich mehr oder weniger zwangsweise die Folgerung, dass eine lediglich gering gebildete Mittelschicht der regierenden Elite Raum dazu lässt, jede Art von Manipulation in Gang zu bringen. Letztere Schicht beschreibt die website ›Der Spatz im Gebälk‹ wie folgt: In Amerika herrscht eine Elite, welche die Spitzen der in der Federal Reserve Bank zusammengefassten Privatbanken und ihrer Rohstoff- und Rüstungskonzerne umfasst. Diese konkurrieren zwar untereinander, haben aber über ihre alleinige Befähigung zur Kreditgeldschöpfung die Aussen- und Innenpolitik der Vereinigten Staaten und ihrer Satrapen fest im Griff. Parteien und Kandidaten sind Werbeträger für sie beim Volk, das weiterhin an die Demokratie glauben soll 2. Auch Carroll Quigly macht in seinem Buch ›Tragedy and Hope‹ * deutlich, dass es keinen Unterschied in der Politik der beiden US-Parteien gibt. Sie gehören der gleichen Oberschicht an.

Ob Weltwährung oder Weltregierung, die dazu in Gang gesetzten globalen Massnahmen sind längst offengelegt und beschrieben. Woher also rührt die Blindheit der Parlamentarier, resp. ihre Unfähigkeit, diesen Strategien entgegenzutreten? Sollte jemand tatsächlich noch Zweifel an den unsere Souveränität und Freiheit aushebelnden Zielen haben, der lese bitte »Wer macht die US-Außenpolitik? Politische Eliten und der Council on Foreign Relations - eine Verschwörungstheorie?« http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=810


http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2009/nr12-vom-2332009/der-neue-us-haushalt-kein-geld-fuer-das-volk-aber-billionen-fuer-die-banken-und-fuer-den-krieg/
Quelle: Zeit-Fragen Nr. 12 vom 23. 3. 2009; Übersetzung durch Zeit-Fragen
Originalartikel: »America’s fiscal collapse« by Michel Chossudovsky March 2, 2009 http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=12517 resp. http://www.globalresearch.ca/
1 Gore Vidal, Amerika braucht Feinde; FAZ vom 18. 10. 02
2 http://spatzseite.de/ 27. 7. 08
* Siehe http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=246
Carroll Quigley - Tragedy and Hope, New York 1966 und
http://www.politonline.ch/index.cfm?content=news&newsid=765
Katastrophe und Hoffnung, die deutsche Ausgabe von Tragedy and Hope

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