von Paul Craig Roberts
»Die Welt ist der amerikanischen Hegemonie müde und hat genug von der amerikanischen Arroganz. Amerikas Ruf ist ruiniert: das finanzielle Debakel, die endlose rote Tinte, Abu Ghraib, Guantánamo, Entführungen, Folter, auf Lug und Betrug, Mißachtung der Souveränität anderer Länder, auf Kriegsverbrechen, Mißachtung des Völkerrechts und der Genfer Konventionen gestützte rechtswidrige Kriege, die Abschaffung der rechtsstaatlichen Garantien und der Gewaltenteilung, ein Polizeistaat im Inland, ständige Einmischungen in die inneren Angelegenheiten anderer Länder, grenzenlose Heuchelei. Die Veränderung, die kommt, ist das Ende des amerikanischen Weltreichs. Dem Hegemon geht das Geld und der Einfluß aus. Obama als »Amerikas erster schwarzer Präsident« wird Hoffnungen wecken und es so ermöglichen, daß das Schauspiel ein wenig länger dauert. Aber das neue amerikanische Jahrhundert ist längst vorüber.« Wie es um den ›Schutz des Friedens‹ in Wirklichkeit bestellt ist, das zeigt insbesondere der von Roberts erwähnte neue Krieg in Pakistan. Das Land wird gegenwärtig von einer Fluchtwelle überrollt, die alle bisherigen Flüchtlingskrisen seiner 61jährigen Geschichte in den Schatten stellt; der humanitäre Notstand könnte sich zur grössten Flüchtlingskrise Pakistans seit 1947 ausweiten. Während Obama soeben in Kairo für mehr Verständnis und Respekt zwischen der muslimischen und der westlichen Welt geworben hat, werden, wie Rashid Zubair erklärt, die Spannungen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet von aussen angeheizt: ›Die US-Regierung will aus Pakistan einen gescheiterten Staat machen‹, schrieb er Ende Mai 3. Die jetzige Regierung [der Pakistan People‘s Party, PPP] habe alle Rekorde der Gehorsamkeit gegenüber den Amerikanern gebrochen und Flugzeuge und Panzer gegen ihre eigene Bevölkerung in Nordpakistan eingesetzt, was sich selbst Musharaf in seiner Amtszeit nicht getraut hatte. Die Duldung der Drohnenangriffe der Amerikaner, bei denen Hunderte von Pakistanern umkamen, gehe auf das Konto der PPP. Schon vor der Eskalation des Krieges im Mai waren durch pakistanische und amerikanische Angriffe etwa 12.000 Pakistaner umgekommen, alle aus der Zivilbevölkerung. Vermutlich hat keiner der in der Kairoer Universität Beifall spendenden Zuhörer Obamas daran gedacht, dass dieser in seiner ersten Woche als Präsident amerikanische Luftangriffe auf ein ländliches Gebiet mit zahlreichen Dörfern in Pakistan angeordnet hatte 4. Angeblich richteten sich die Angriffe gegen afghanische Taliban-Basen in dieser Grenzregion. »Illusionen«, schreibt daher auch Engdahl, »eine Präsidentschaft Obama könnte einen Wandel zu mehr Diplomatie und weniger Projektion militärischer Macht bedeuten, werden wohl schon bald schwinden. Seine Bereitschaft, ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen das zu tun, was die Drahtzieher hinter den Kulissen von ihm verlangen, hat Obama schon während der Wahlkampagne signalisiert, als er ankündigte, Robert Gates, einen Freund der Familie Bush, Protégé von Vater G.H.W. Bush und Verteidigungsminister unter George W. Bush, in diesem Amt zu belassen. […..] Auch hat Obama erklärt, er werde notfalls gegen Kämpfer im Grenzgebiet vorgehen, wenn dies der pakistanischen Regierung nicht gelänge.« Die Presse ihrerseits dürfte im Zusammenhang mit Obamas Rede ebenfalls keinen Gedanken an die Lage in Pakistan verschwendet haben, heisst es doch in der FTD, der Financial Times Deutschland: »Obama umarmt Muslime« 5, als ob die Pakistaner keine Muslime seien. Gleichzeitig liest man dort, dass der US-Präsident den ›kalten Krieg‹ gegen die islamischen Länder für beendet erklärt habe. Auch das gilt ganz offensichtlich nicht für Pakistan. Wie also kommt dieselbe Zeitung dazu, uns auch noch einen Titel folgender Art zu präsentieren: ›Obamas Verneigung vor dem Islam‹? Trotz des derzeitigen Elends in Pakistan durften die Anwesenden auch noch Worte des Korans aus dem Mund des US-Präsidenten vernehmen, Worte, die dazu auffordern, sich der Existenz Gottes bewusst zu sein und stets die Wahrheit zu sagen. Wie verhält es sich nun mit letzterer, nimmt man folgende Aussage Obamas unter die Lupe: »Amerika befindet sich nicht im Krieg gegen den Islam und wird dies auch niemals sein« 6. In welcher Art von Krieg, glaubt Obama, befindet sich die USA gegenwärtig in Pakistan? Als was betrachtet er den Überfall und die Besatzung Afghanistans? Wer wollte in Aussagen dieser Art nicht ein Übermass an Verdummung erkennen? Und wie steht es eigentlich mit Halbwahrheiten? Wie Obama darlegte, spricht er dem Iran das Recht auf die friedliche Nutzung der Atomenergie zu, solange sich dieser an den Atomwaffensperrvertrag halte, den das Land bekanntlich unterzeichnet hat. Ausgeklammert resp. unerwähnt bleibt, dass sich sowohl Pakistan als auch Indien, beides Atommächte, weigern, diesen zu unterschreiben. Es sei auch nochmals erwähnt, dass Hillary Clinton, die sich ebenfalls unter den Zuhörern der Kairoer Rede befand, als seinerzeitige demokratische Präsidentschaftsbewerberin den Iran vor einem atomaren Angriff auf Israel gewarnt hatte. In diesem Fall, sagte sie, könnten die Vereinigten Staaten den Iran auslöschen 7. Die US-Aussenministerin hatte Anfang April auch für die Ausweitung des Afghanistan-Krieges geworben und Russland das Recht abgesprochen, Einflusssphären über seine Aussengrenzen hinaus zu beanspruchen. Das sind immerhin schwerwiegende Aussagen, die offenbar allzu schnell vergessen werden, wurde Clinton doch im EU-Parlament in Strassburg Anfang März wie ein Popstar empfangen. »In Europa herrscht großer Enthusiasmus, Ihnen und Ihrem Präsidenten wird ein großer Vertrauensvorschuß entgegen gebracht«, sagte damals EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering, obwohl sich die Entwicklung in Pakistan für jeden, der sich mit der Lage des Landes eingehender befasste, bereits abzuzeichnen begann. Angesichts eines derartigen Sachverhalts sollte es nicht überraschen, dass in der EU derzeit keine tiefergehende Motivation herrscht, Mitglieder dieses Parlaments zu wählen. Anlässlich des soeben erfolgten Treffens zwischen Merkel und Obama las man, dass beide gelobten, ihre Anstrengungen zu verdoppeln, um einen Frieden im Mittleren Osten zu erzielen. Über Pakistan fiel offenbar kein Wort. Insofern sei hier abschliessend Ajatollah Ali Khamenei, Irans geistliches Oberhaupt, zitiert: Im Vorfeld der Rede des US-Präsidenten erklärte er: »Die Nationen in diesem Teil der Welt ..... hassen die USA zutiefst; auch wenn sie süsse und schöne Reden vor den muslimischen Ländern halten, ändert dies nichts.« Auf Worte müssten auch Taten folgen, forderte er und bezeichnete Israel bei dieser Gelegenheit als ›Krebsgeschwür im Herzen‹ der muslimischen Welt.
Paul Craig Roberts war unter Präsident Ronald Reagan stellvertretender Finanzminister; er ist Wirtschaftswissenschafter, Redakteur und Kolumnist für renommierte Magazine wie Wall Street Journal und National Review; daneben Autor zahlreicher Bücher, zuletzt «The Tyranny of Good Intentions: How Prosecutors and Bureaucrats Are Trampling the Constitution in the Name of Justice» (2000). Er publiziert regelmässig auf den Webseiten www.antiwar.com und www.counterpunch.org
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