Montag, 21. Juli 2008

HarmoS - die Gleichschaltung der Volksschule

Ein Machtkampf ist entbrannt

HarmoS: Hinter diesem so seltsam geschriebenen Wort steht angeblich ein Bildungs-Projekt. Erfunden von der Erziehungsdirektoren-Konferenz (EDK). Ein Projekt zur schweizweiten Gleichschaltung der Volksschule. Kein einziges Kantonsparlament konnte dieses Projekt beraten. Es wurde den Kantonen fixfertig präsentiert. Sie konnten zur Vorlage der Erziehungsdirektoren-Konferenz nur gesamthaft Ja oder Nein sagen. Änderungen waren unmöglich.

Die EDK wird in keiner Verfassung erwähnt. Niemand hat ihr Kompetenzen eingeräumt. Sie führt sich auf als gesetzgebende Institution ganz von eigenen Gnaden. Sie masst sich gesetzgebende Kompetenz über alle Kantonsparlamente hinweg einfach an. Die Kantone, eigentlich zuständig für Volksschulpolitik, werden kurzerhand entmachtet.

Vier Pfeiler

HarmoS ruht auf vier Pfeilern: Es verlangt erstens die generelle Schulpflicht – nicht Kindergartenpflicht – für Vierjährige, mit Hochdeutschpflicht ab erstem Schultag. Es zementiert zweitens den sogenannt «integrativen Unterricht». Das heisst: Sonderklassen werden abgeschafft. Auch schwächer Begabte, die vom Normalunterricht überfordert sind, und Kinder mit ausgeprägten Verhaltensschwierigkeiten werden künftig also den Regelklassen zugeteilt. Dafür werden diese von einem Team aus Lehrern und Therapeuten, nicht mehr von einem Klassenlehrer unterrichtet. Nivellierung nach unten wird die Folge sein. Der dritte Pfeiler von HarmoS: Sämtliche Schulgemeinden der Schweiz müssen Tagesstrukturen für ganztägige Kinderbetreuung einrichten. Und vierter HarmoS-Pfeiler: Die Kantonsparlamente, die Stimmbürger (also auch die Eltern) werden von jeder Mitsprache zur weiteren Ausgestaltung der Volksschule ausgeschlossen.

Leere Behauptung

Die Erziehungsdirektoren mit ihrer (von keinem Parlament kontrollierten) heute vierzigköpfigen Verwaltung behaupten, mit HarmoS den sogenannten Bildungs-Rahmenartikel der Bundesverfassung umzusetzen, welchem der Schweizer Souverän 2006 zugestimmt hat. Nur: Von Schulpflicht für Vierjährige, von Hochdeutschpflicht für Vierjährige steht in diesem Bildungs-Rahmenartikel kein Wort. Ebensowenig von obligatorisch in allen Schulgemeinden anzubietenden Tagesstrukturen – ein neues Sozialwerk ohne Verfassungsgrundlage, dafür mit immensen Kostenfolgen. Und statt Entmachtung der Kantonsparlamente und der Stimmbürger fordert der Bildungs-Rahmenartikel in der Bundesverfassung sorgfältigste Berücksichtigung der Mitwirkungsrechte der Kantone mit ihren Stimmbürgern. Also das Gegenteil von dem, was die EDK-Verwaltung inszeniert.

Mehrere Referenden

In einer ganzen Anzahl Deutschweizer Kantone, in denen die Kantonsparlamente HarmoS durchgewinkt haben, regt sich jetzt Widerstand. Er geht vor allem von Müttern aus, die sich ihre Mitsprache zur Schulpflicht ihrer Kinder nicht nehmen lassen wollen. Appenzell Innerrhoden hat HarmoS an der Landsgemeinde durch ein einziges Votum einer betroffenen Mutter mit sechs Kindern verworfen. Die erste Referendums-Abstimmung findet im September im Kanton Luzern statt. Bereits wird mobilisiert. Freilich: Nirgends machen sich Politiker pro HarmoS stark. Nur die Beamten der Erziehungsdirektoren-Konferenz, allen voran deren Generalsekretär, führen – als von der EDK entlöhnte Funktionäre – das grosse Wort. Sie lassen sich vom Stimmbürger zahlen, um die Entmachtung der Stimmbürger zu erreichen. Nachdem das Volk die Initiative, welche Behördenpropaganda eindämmen wollte, nach begütigenden Zusicherungen, dass Missbräuche abgestellt worden seien, abgelehnt hat, operiert die EDK jetzt skrupelloser denn je mittels dem Steuerzahler belasteter einseitiger Propaganda. Die Verwaltung kämpft gegen die Stimmbürger. Ein Machtkampf ist im Gang.

Noch dreister operiert der Kanton Thurgau. Dieser verspricht Parteien, die HarmoS befürworten, Geld direkt aus der Staatskasse. Geld des Steuerzahlers. Mit dem Ziel, Steuerzahler und Stimmbürger zu entmachten. Völlig skrupellos.

Täuschungsmanöver

Niemand in der allmächtigen EDK-Verwaltung aber sagt dem Stimmbürger, was finanziell auf ihn zukommt. Nur zwei Kantone haben durchgerechnet, was die obligatorischen Tagesstrukturen kosten werden. Aargau rechnet mit Zusatzkosten von über hundert Millionen jährlich. Solothurn mit über vierzig Millionen jährlich. Rechnet man diese Zahlen hoch für die ganze Schweiz, dann liegt der Gesamtaufwand für Tagesstrukturen zugunsten von Erziehungsmüden bei wohl über zwei Milliarden Franken. Irgend so etwas wie eine Verfassungsgrundlage für diesen neuen, kostspieligen Sozialapparat gibt es nicht. Die EDK – Organ ohne Verfassungsgrundlage – will ihn hinter dem Rücken von Stimmbürgern schaffen – und dann einfach die Rechnung präsentieren. Die Wohlfahrtsstaats-Ideologen aus den städtisch geprägten Kantonen, die alle Macht im Staat den Funktionären zuschanzen wollen, haben sich durchgesetzt.

Überforderte Kinder

Im Kanton Luzern und im Kanton St. Gallen ist inzwischen klar geworden: Vierjährige sind dem Strassenverkehr nicht gewachsen. Schulpflicht für Vierjährige bedeutet demnach: Alle Gemeinden müssen einen Transportdienst für Schüler einrichten. Auch das kostet gesamthaft Aberdutzende von Millionen. Die EDK dekretiert etwas – der Bürger soll die Folgekosten zahlen – ohne Rechtsgrundlage.

Übrigens: Für Schüler, die für jeden Meter transportiert werden, sind schon bald staatliche «Bewegungsprogramme» nötig. Um der «Bewegungsarmut» entgegenzuwirken.

Das steht zwar nicht in HarmoS. Aber es ist Konsequenz aus HarmoS. Immer auf Kosten der Steuerzahler.

Funktionäre gegen Bürger

Ein Machtkampf tobt. Der EDK geht es – auch wenn sie das nicht offen sagt – nicht zuletzt um ein «EU-kompatibles» Volksschulwesen. Und um Zementierung des Achtundsechziger-Bildungswesens, von dem die Eltern längst genug haben – weil es mit seiner Leistungsfeindlichkeit den Zerfall des Bildungswesens eingeläutet und weit vorangetrieben hat. Weil solches vom Volk sicher nicht freiwillig unterstützt wird, will man das Volk unter allerlei Täuschungsversuchen von der Mitsprache zur Volksschule ausschliessen.

Darum geht es im Machtkampf zwischen Funktionären und Bürgern.

Ulrich Schlüer

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