GPK-Intrigen
Vertuschen, verdrehen, ablenken
Von Urs Paul Engeler
Aus belanglosen privaten Notizen des Bankiers Oskar Holenweger wurde die grösste Intrige gegen einen amtierenden Bundesrat geschmiedet. Jetzt torpedieren die Drahtzieher aus der GPK die versprochene Aufarbeitung des Skandals. Sie hetzen den Opfern die Justiz auf den Hals.
Hugo Fasel, christlichgrünsozialer Nationalrat aus dem Kanton Freiburg, sprang am 12. Dezember 2007 aus seinem Sessel, als die Abwahl von Bundesrat Christoph Blocher (SVP) verkündet wurde. Er klatschte und lärmte. Blocher-Hasser Hugo Fasel ist derzeit auch Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) und hat sich am 24. Juni eben den Auftrag verschafft, in eigener Regie die versprochene «Nachfolgeuntersuchung zu den Holenweger-Dokumenten», also die kritische Aufarbeitung der Intrige gegen Blocher, durchzuführen. Politisch assistiert wird Fasel von Ständerat Claude Janiak (SP, BL), damals selbst einer der Ränkeschmiede in der zuständigen GPK-Subkommission. Organisatorisch betreut wird die Analyse in eigener Sache vom gleichen GPK-Sekretariat, das die Machenschaften zusammen mit der Verwaltung eingefädelt hatte. Die kleine parteiische Geheimdelegation GPDel verfolgt darum genau drei Ziele: vertuschen, verdrehen, ablenken.
Zu untersuchen gehabt hätte die GPK-Subkommission, die bis Ende 2007 unter dem Vorsitz von CVP-Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz arbeitete, eigentlich zwei klare Themen: den Einsatz des mehrfach verurteilten kolumbianischen Drogenhändlers «Ramos» als V-Mann (alias «Alex», «El Brujo» oder «Guerro Sandoval», unter welchem Namen er von den Bundesbehörden in die Schweiz geschleust wurde) sowie die Umstände des Rücktritts von Bundesanwalt Valentin Roschacher, der die verdeckte Operation «Ramos» initiiert und in der Schweiz auch begleitet hatte. Faktisch lautete die Devise aber bald: Demontage von Bundesrat Blocher.
In der Sache Ramos begnügte man sich mit einem liederlich abgefassten Gutachten der Bundesrichter Bernard Bertossa und Andreas J. Keller, das - naiv oder doch eher berechnend - die Operation «Ramos» als völlig korrekt einstuft. In der Zwischenzeit sind Fakten aufgetaucht, die den Bericht des Juristen-Duos als unvollständig, ja falsch entlarven. So wird die Behauptung der Gutachter, Ramos sei nicht als Doppelagent tätig gewesen, durch eine italienisch abgefasste vertrauliche Notiz der «Task- Force Guest», die Ramos betreute, widerlegt. Am 25. April 2003 zum Beispiel stellte sie Ramos alias «Guest» alias «G» zur Rede und rügte ihn, weil er der amerikanischen DEA (Drug Enforcement Administration) die Telefonnummern und Namen eines Schweizer Betreuers (VPF) verraten hatte: «Il fatto che G di propria iniziativa abbia dato il numero di telefono ed il nome di un VPF è stato un grave errore.» Es war entweder das Handy von Kurt Blöchlinger, Chef der Bundeskriminalpolizei (BKP), oder die Nummer eines der «Führungsoffiziere von VP 101»: Michael Jaus, René Karstens oder Manu Garcia. Mit der vertraulichen Notiz konfrontiert, erklärte Keller der Sonntagszeitung, die delikaten Dokumente eben «nur stichprobenweise» geprüft zu haben.
Im August 2004 wurde Ramos, der offensichtlich den Auftrag der US-Regierung hatte, die Schweizer Polizei und die Schweizer Bankenwelt auszuhorchen und seine Befunde der DEA zu melden, in seiner Wohnung mit drei US-Funktionären überrascht und später abgeschoben. Keiner der Beteiligten wurde verhört oder gar angezeigt. Die Sonntagszeitung machte diese Woche publik, dass gegen zwei Bundespolizisten (Markus G. und Daniel W.) ein Ermittlungsverfahren «wegen Verdachts auf Urkundenfälschung» eingeleitet wurde. Das Protokoll, das sie abgeändert haben sollen, hat ein geheimdienstlich organisiertes Treffen des damaligen Bundesanwalts Valentin Roschacher mit Ramos in einer Waldhütte zum Thema.
Trotz der Fülle von Ungereimtheiten, die auch auf erbitterte Grabenkämpfe innerhalb der Strafverfolgungsbehörden des Bundes schliessen lassen, weigern sich die Aufsichtsorgane GPK und GPDel systematisch, die Kette von Verfehlungen nochmals gründlich zu untersuchen. Sie mauern und vertuschen, auch im Eigeninteresse.
Denn dass gegen die damals bereits suspendierten Spezialpolizisten G. und W. ein Verfahren läuft, wusste die Spitze der GPK nämlich bereits seit dem 8. August 2007, ohne dass sie etwas unternommen hätte. Dieser 8. August ist denn auch das entscheidende Datum für die radikale Umpolung der Untersuchung: An diesem Vormittag wird der lästige Fall Ramos/Roschacher zum politisch verlockenden Fall Blocher gedreht. Im Sitzungszimmer 231 im Bundeshaus Ost treffen sich heimlich («confidentiel», wie die auf Französisch abgefasste Gesprächsnotiz festhält) drei hohe Vertreter der Bundesanwaltschaft (Michel-André Fels, interimistischer Leiter, Claude Nicati, stellvertretender Bundesanwalt, und Alberto Fabbri, Staatsanwalt des Bundes), zwei Mitglieder der GPK (FDP-Nationalrat Jean-Paul Glasson, GPK-Präsident, und Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz, Präsidentin der zuständigen Subkommission) sowie das Sekretariat der GPK (Chef Philippe Schwab und Irene Moser). Es handle sich um ein Projekt («démarche officielle») der Bundesanwaltschaft (BA), wird festgehalten, der neue Bundesanwalt Erwin Beyeler sei über das konspirative Treffen informiert.
Das Septett beschaut die Fotografien des Materials (Flip-Charts und ein sogenannter H-Plan), das die deutsche Polizei dem Bankier Oskar Holenweger im März 2007 abgenommen hat. Schon Untersuchungsrichter Ernst Roduner (SP), der mittlerweile im fünften Jahr erfolglos gegen Holenweger ermittelt, hätte das Material gerne der GPK zugetragen, doch der Präsident des Bundesstrafgerichts untersagte ihm diese Amtsgeheimnisverletzung. Also wählte Roduner den indirekten Weg, übergab die Papiere der Bundesanwaltschaft, und diese liefert sie illegal an die GPK.
Fels und Fabbri erläutern den Fund: «Diese Blätter stellen Zeichnungen dar, auf denen verschiedene Abkürzungen erscheinen wie CB (= Christoph Blocher?), VR (= Valentin Roschacher?), BKP etc. Auf einem der Dokumente erscheint ’Burg 4.6.’, was einem Treffen zwischen den Herren Blocher und Hochstrasser [Emanuel Hochstrasser, als Präsident der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts fachlicher Vorgesetzter des Bundesanwalts, die Red.] im Schloss von Herrn Blocher in Rhäzüns GR entsprechen könnte.»
Sprengsatz von der Bundesanwaltschaft
Nach der Diskussion um weitere Namen und Begriffe interpretieren die drei Vertreter der Bundesanwaltschaft den Wust: «Diese Dokumente [. . .] belegen, dass die Demission von Valentin Roschacher in einem sorgsam geplanten Kontext abgelaufen ist, in den eine ganze Serie von einflussreichen Akteuren einbezogen waren (Politiker, Journalisten, Industriekapitäne, ein Universitätsprofessor, ehemalige Chefs von Geheimdiensten etc.).» Glasson ist beeindruckt, Meier-Schatz überwältigt und zittrig. Sie sehen die einmalige Chance, mit dem Sprengsatz, den die Bundesanwaltschaft ihnen zugesteckt hat, nicht nur Bundesrat Christoph Blocher, sondern die gesamte SVP zu erledigen.
Sie kommen überein, die Holenweger-Papiere sofort parteipolitisch auszuschlachten, stellen fest, dass «aufgrund des politischen Kalenders (eidgenössische Wahlen, Bundesratswahlen) [. . .] der Spielraum der GPK eng» sei, und beschliessen darum eine perfide Doppelstrategie («opérer en deux temps»): Die gesamte GPK und die Öffentlichkeit sollen sukzessive über die «neuen Elemente» informiert werden; die eigentliche Untersuchung sollte jedoch erst nach den Bundesratswahlen starten. Gleichzeitig übergeben die Kontrolleure die Führung offiziell den Kontrollierten: «Der Entwurf des Communiqués wird vorgängig der BA zur Überprüfung zugestellt.» Somit ist die von Untersuchungsrichter Roduner, der Bundeskriminalpolizei, der BA und der GPK ausgeheckte Intrige beschlossene Sache.
Von dieser Strategie wussten die gewöhnlichen Mitglieder der Subkommission noch nichts, als ihnen am 14. August 2007 Fels und Fabbri die angeblich brisanten neuen Dokumente per Powerpoint präsentierten. Die Aktennotiz über die Absprachen vom 8. August fehlt denn auch im offiziellen Protokoll. Die Vertreter der BA wiederholten ihre dramatische Verschwörungstheorie, die jedoch, sobald sie später den Realitäten ausgesetzt wurde, bekanntlich rasch zu Staub zerfiel und als haltloses Hirngespinst für viel Gelächter sorgte. Die beiden eingeweihten Parlamentarier, Lucrezia Meier-Schatz und Jean-Paul Glasson, stützten die haltlosen Anschuldigungen der BA mit Verve.
Von dieser entscheidenden Sitzung wurde in der Zwischenzeit allerdings ein verändertes, auch neu nummeriertes Protokoll angefertigt, harmlos deklariert als «Protokollauszug». Darin fehlen grosse Teile der Verhandlungen und Dutzende von Seiten. Insbesondere Hinweise auf das Geheimtreffen vom 8. August und die kompromittierenden Voten von Meier-Schatz («Diese Planungscharts tragen mehrere Handschriften», «von grösster Bedeutung sind jedoch die Kürzel ’CB’ und ’VR’», «die neuen Elemente von solcher Tragweite [machen] eine weitere Untersuchung unumgänglich») und Glasson («ce scénario qui semble être un complot») wurden sorgfältig aus den Akten entfernt.
Die Dokumente für die «Nachfolgeuntersuchung» werden also bereits breitflächig frisiert, geschönt, verfälscht. Wer die Anweisung zu dieser Klitterung der Geschichte gegeben hat, ist unklar. Dass insbesondere der Wortführerin heute jede Silbe peinlich ist, die sie in dieser Affäre geäussert hat, ist verständlich. Tatsächlich haben die Abgesandten der BA, wie sich nach einer wissenschaftlichen Untersuchung der privaten Holenweger-Papiere herausstellte, die Kommission mit offensichtlichen Unwahrheiten versorgt. Der damalige Präsident der GPK, FDP-Nationalrat Glasson, war derart wütend, von den Beamten hinters Licht geführt worden zu sein, dass er am 28. November 2007 den Antrag stellte, seine Kommission müsse nun auch die Rolle der BA untersuchen. Dem Begehren wurde nicht stattgegeben.
Im Gegenteil, die schmutzige Geschichte wurde planmässig wieder zugunsten der Übeltäter gedreht. Indem die Bundesanwaltschaft die Holenweger-Akten aus dem laufenden gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren einseitig publik machte, hat sie objektiv das Untersuchungsgeheimnis verletzt. Dies hat das Bundesstrafgericht am 18. Dezember 2007 plausibel genug hergeleitet und festgehalten. Ein Privatmann reichte in dieser Sache eine Strafanzeige ein, damit dieser höchstrichterliche Befund nicht toter Buchstabe bleibe, sondern abgeklärt und geahndet werde. Ein klarer Fall, dachten damals Laien und Juristen, die sich von diesem Strafverfahren etwas Einblick in die trübe Kabale erhofften.
Ganz im Sinne der auftraggebenden GPK
Als die junge Berner Untersuchungsrichterin Sara Schödler, welche die Anzeige zu bearbeiten gehabt hätte, am 18. Juni plötzlich verlautbarte, es liege gar keine Amtsgeheimnisverletzung vor, und das Verfahren kommentarlos einstellte, staunten alle, die nicht hinter die Kulissen blickten. Unterdessen hatte nämlich der vielseitig einsetzbare St. Galler Kantonsgerichtspräsident Niklaus Oberholzer (SP) - ganz im Sinne der auftraggebenden GPK und auch der BA - diskret und rasch ein Gegengutachten angefertigt, am 5. Juni abgeliefert und den vom Bundesgericht kritisierten Aktentransfer wieder gerechtfertigt. Was die GPK bewog, dem obersten Strafgericht in Bellinzona die Leviten zu lesen: Es habe «in unzulässiger und schwerwiegender Weise in die Informationsrechte der GPK eingegriffen». Nach dieser Kehrtwende gilt von Oberholzers Gnaden eine «neue Rechtsauffassung». Sämtliche Akten aus irgendwelchen Strafverfahren können (auch gegen den Willen der Parteien) öffentlich gemacht werden, wenn die GPK es will - unabhängig davon, wie massiv Persönlichkeitsrechte verletzt werden.
Faktisch hat die GPK mit Hilfe Oberholzers die Verteidigung der in Bedrängnis geratenen Bundesanwaltschaft argumentativ alimentiert und über die Expertenhonorare sogar finanziert. Die zeitliche Abfolge lässt den eindeutigen Indizienschluss zu, dass Untersuchungsrichterin Schödler, die jede Auskunft verweigert, die Anklage gegen die BA aufgrund des Persilscheins aus St. Gallen hat fallen lassen. Derart eng ketten parlamentarische Aufseher, Verwaltung und Richter sich aneinander, um die wahre Darstellung der Ereignisse zu verhindern.
So schützt die GPK mittlerweile auch sämtliche heimlichen Datentransfers zwischen der Verwaltung und den parlamentarischen Aufsehern. Es kann im Detail belegt werden, wie Irene Moser, Sekretärin der Subkommission der GPK, einen verdeckten Mailverkehr (via «blind copies», Feld «Bcc») mit Michel-André Fels, dem interimistischen Leiter der BA, unterhalten hat. Was Moser, Federführerin der untersuchenden Behörde, wusste, wusste auch Fels, Chef der untersuchten Behörde, und umgekehrt. Juristin Moser, privat EDU-Politikerin in Münsingen, war eine der treibenden Kräfte, welche die GPK-Analyse der Strafverfolgungsbehörden zu einer Anklage gegen Blocher umzugestalten wussten. Als der «Bcc»-Verkehr Mitte September erstmals aufflog, wurde Moser kurzzeitig aus dem Verkehr gezogen und in die Ferien geschickt. Ihre oberste Chefin, Mariangela Wallimann-Bornatico, verbot reflexartig den Medienleuten, den Namen der fehlbaren Dame überhaupt zu nennen. «Untersucht» wurde dieser kleine Skandal im ganzen Skandal nur intern und ganz rudimentär und vor allem ohne jede Information über die Resultate. Und heute wirbelt und wirkt Intrigantin Moser wieder als Sekretärin der gleichen Subkommission in gleicher Sache.
Dazu passt der Seitenwechsel von Beatrice Meli Andres, bis zum letzten Herbst als beflissene Chefin der Stabsstelle «Inspektorat und besondere Aufgaben» im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) tätig und somit über alle departementsinternen Aktivitäten im Zusammenhang mit der GPK-Untersuchung (sowie bei der Vernichtung der Tinner-Atom-Akten) bestens im Bild. Im November 2007 veränderte die Juristin sich Richtung GPK, stieg zwei Monate später bereits zur Chefin des gesamten Sekretariats der GPK sowie der GPDel auf und führt jetzt an verantwortlicher Stelle die Nachfolgeuntersuchung, die sich mit den Fehlern der Bundesanwaltschaft und der GPK selbst zu befassen hätte.
Wie Meli ihre Aufgabe begreift, hat sie bereits zu Protokoll gegeben. Sie versorgt Interessierte mit Informationen, welche gegen die alte Führungsriege des EJPD verwendet werden können. Als Erstes hat sie den SVP-Präsidenten und Nationalrat Toni Brunner (SG), vormals Mitglied der GPK-Subkommission, der Justiz ans Messer geliefert. Die Überläuferin sagte aus, dass Brunner den GPK-Bericht zwei Tage vor dessen Publikation ins Departement getragen habe, was objektiv einer Verletzung des Amtsgeheimnisses gleichkommt. So kommt die Rache wesentlich rascher voran als die Nachfolgeuntersuchung: Die Rechtskommission des Nationalrats beantragte umgehend, die Immunität Brunners sei aufzuheben, damit er abgeurteilt werden könne.
Gerechtigkeitsfanatiker und den Betroffenen mag es stören, dass von all den Ungesetzlichkeiten, wiederholten Amtsgeheimnisverletzungen und unsauberen amtlichen Manövern im Verlaufe der Untersuchung allein der Gang des Toni Brunner ins Bundeshaus West ein strafwürdiger Akt gewesen sein soll. Politisch gesehen, ist das Verfahren gegen Brunner, so es beide Räte ermöglichen werden, jedoch ein Segen, wohl die letzte Chance, ein wenig Transparenz in eines der trübsten Kapitel der neueren Schweizer Geschichte zu bringen. Der Prozess gegen den Toggenburger, angedacht als Ablenkungsmanöver, könnte die heilvolle Wirkung eines mittleren politischen Erdbebens entfalten und die Mauer des Schweigens zum Einsturz bringen.
Es sei denn, die Justiz biete dazu wie in Kleists «Zerbrochenem Krug» einen Dorfrichter Adam auf, der die Verhandlung konsequent aus der Täteroptik führt.
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