Regionalisierung als Mittel zur Sprengung der Nationalstaaten
von Pierre Hillard, Paris*
zf. Der nachfolgende Artikel zeigt, dass die EU unter dem Deckmantel von Schlagwörtern wie «föderale Strukturen» oder «mehr Macht für die Regionen» in Wirklichkeit zentralistische Machtkonzepte verfolgt. Nationale Unterschiede – auch im Bankensystem – sollen eingeebnet werden. Pierre Hillard ordnet die Angriffe auf die Schweiz dieser Politik Brüssels und Washingtons zu: Peer Steinbrücks Attacken dienen einem transatlantischen Machtkonzept, das Vielfalt zerstören und zentrale Kontrolle etablieren will.
Das Prinzip der Regionalisierung in Europa geht weit über eine simple Reorganisation des alten Kontinents hinaus. In Wirklichkeit geht es darum, den Regionen politische, wirtschaftliche und finanzielle Macht zu übergeben, damit sie direkt mit den Brüsseler Instanzen verhandeln können. Dieses Phänomen gründet auf dem Willen der deutschen Politik, der es gelungen ist, diese Massnahmen im Rahmen der europäischen Konstruktion einfliessen zu lassen. Wie Prof. Dr. Rudolf Hrbek, Professor für Politikwissenschaft, in der Zeitschrift Documents, Revue des questions allemandes (Dokumente, Zeitschrift der deutschen Fragen) schreibt: «Der Ausgangspunkt dieser neuen Serie von Initiativen war die Resolution der Konferenz der Ministerpräsidenten im Oktober 1987 in München, wo ein Europa mit föderalen Strukturen als Ziel festgelegt wurde. Zwei Jahre später gründeten die Ministerpräsidenten der Länder eine Arbeitsgruppe ihrer Staatskanzleien und bestellten bei ihr einen Bericht über die Stellung der Länder und Regionen im Hinblick auf die zukünftigen Entwicklungen in der Europäischen Union.» Alle diese Arbeiten sind durch die Regierung des Landes Niedersachsen 1996 vorangetrieben worden. Damals – regiert von Ministerpräsident Gerhard Schröder – war der sozialdemokratische Abgeordnete des Landes Niedersachsen, Peter Rabe, der Initiant für die Ausarbeitung der Empfehlung 34 (1997) des «Kongresses der lokalen und regionalen Behörden Europas» [CPLRE: Congrès des Pouvoirs locaux et régionaux d’Europe]. Dieses Dokument ermöglicht eine politische Neugestaltung Europas. Das Prinzip selbst ist einfach. Es geht darum, den Regionen ein Maximum an Macht zu gewähren, so dass diese – zum Nachteil der Nationalstaaten – mehr und mehr direkt mit der Europäischen Union verhandeln. Mit diesem Vorgehen wird die Zwischeninstanz, im vorliegenden Fall die nationalen Behörden, völlig umgangen. Dieses Vorgehen verfolgt das Ziel, die Nationalstaaten zugunsten eines Europas der Regionen aufzulösen, genauer gesagt, eines Europas der Euroregionen. So werden territoriale Einheiten gebildet, in denen sich mehrere Regionen aus verschiedenen Staaten zusammenschliessen. Beispiele dafür sind die Euroregion Elsass/Baden oder Pyrenäen/Mittelmeer. Diese Politik führt zur Auflösung der europäischen Nationalstaaten. Es versteht sich von selbst, dass Staaten wie die Schweiz, die noch nicht zur EU gehören, früher oder später in den Reigen eintreten müssen. Wie René Schwok, Inhaber des Lehrstuhles Jean Monnet im Europa-Institut der Universität Genf, berichtet, unterliegt die Schweiz bereits der Anziehung von Brüssel. Er unterstreicht mit Befriedigung, dass die Schweizer Gesetze bereits zu fast 50% den europäischen Direktiven angepasst wurden. Diese Entwicklung ist logisch. Wenn der Wille besteht, gemäss einem einheitlichen Modell einen vereinigten europäischen Block zu gründen, so erweist es sich tatsächlich als notwendig, alle Staaten in die gleiche Form zu pressen, und zwar in allen Bereichen. Die Attacken des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück gegen die Schweiz sind Teil dieses Willens, die Besonderheiten des Schweizer Bankensystems zu zerstören, um es besser in einem einheitlichen gesetzlichen Rahmen aufgehen zu lassen. Das vorgegebene Ziel, Krieg gegen die Steueroasen zu führen, ist nur der Deckmantel für den Versuch, ein Vorbild, das die Brüsseler Eurofanatiker nicht unter Kontrolle haben, abzuschiessen. Bei seinem Versuch, das helvetische Vorbild zu unterwerfen, vermeidet es Peer Steinbrück wohlweislich, das die meisten Steuerparadiese kontrollierende Mutterhaus, die City of London, anzutasten. Das ist doch erstaunlich! Diese Tatsache muss mit dem Willen in Verbindung gebracht werden, ganz Europa in einem riesigen euro-atlantischen Block zu vereinigen, der, theoretisch, im Jahr 2015 Form annehmen soll. Bei dieser immensen politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Umstrukturierung ist es notwendig, das Ganze zu vereinheitlichen. Vergessen wir nicht, dass wichtige Herausforderungen vor uns liegen: der Zusammenbruch des US-Dollars, der von der Bildung einer neuen Währung abgelöst werden soll, deren Name noch nicht offiziell bekanntgegeben wird (Amero oder nordamerikanischer Dollar). Die Bildung eines politischen, wirtschaftlichen und militärischen nordamerikanischen Blocks (North American Union), der die USA, Kanada und Mexiko im Rahmen der Partnerschaft für Sicherheit und Wohlstand [PSP: Partenariat pour la sécurité et la prospérité] vereinigt, soll theoretisch 2010 entstehen. Dieser Block, der sich mit der EU vereinigen soll, um 2015 eine «Atlantische Union» zu bilden – gemäss dem Begriff des Gründers von Paneuropa, Richard de Coudenhove-Kalergi –, muss unbedingt alle Nischen in den Steuer- und Bankensystemen unter Kontrolle haben. Dazu muss die Schweiz zum Verschwinden gebracht werden und sich in diesem neuen transatlantischen Gebilde auflösen, das zu einem vereinigten westlichen Block werden soll.
* Pierre Hillard, Professor für internationale Beziehungen an der Ecole supérieure du Commerce extérieur (ESCE), Autor von «La Fondation Bertelsmann et la gouvernance mondiale» [«Die Bertelsmann-Stiftung und die Weltregierung»], Paris 2009, EAN13: 9782755403350.
Donnerstag, 28. Mai 2009
Die Auflösung der Schweiz
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
1 Kommentar:
Eine ganz hervorragende Idee ist dies: eine Intensivierung der Zusammenarbeit auf regionaler Ebene, mehr Föderalismus, weniger Zentralismus. Selbstverständlich wird es lediglich weniger Zentralismus aus Bern geben, dafür umso mehr aus Brüssel.
Natürlich ist auch dieser Vorschlag nichts weniger, als eine Falle, wie denn fast alles, das heutzutage den politischen Gefilden entspringt nur als Trick, als Täuschung oder als Betrug bezeichnet werden kann.
"Wie können wir das dümmliche Wahlvieh am Nasenring zur Schlachtbank ziehen" - dies scheint das Summum Bonum der gegenwärtigen Machtelite zu sein.
Man kennt es ja bereits als die bewährte Strategie gegen die Gewerkschaften: "Warum mit den Gewerkschaften verhandeln, wir verhandeln doch viel lieber mit den Betriebsräten, das ist viel flexibler - vor allem, weil man die so schön zurechtbiegen kann." Teile und herrsche, heisst es.
Es geht also in erster Linie darum, die helvetische Front auf ökonomischer Ebene gewissermassen zu entkernen. Das föderalistische Modell unseres Landes soll durch dieses Trojanische Pferd zerschlagen werden.
Aber wieso denn auch nicht? - gehen wir doch auf diesen Vorschlag ein, gehen wir doch offenen Herzens zu auf unsere armen badischen und elsässischen Nachbarn. Von Brüssel geknechtet, bevormundet und gedemütigt, jeder lokalen Souveränität beraubt - bedauernswerte Geschöpfe sind es, die unser aufrichtiges Mitgefühl verdient haben. Reichen wir ihnen also die Hand, richten wir sie also wieder auf, die Elenden.
Wie die Armen gemeinsam mit uns freien Baslern jedoch eine autonome und souveräne Regio etablieren wollen, muss wohl ein Rätsel bleiben, da ihnen doch fast alles von ihren Parteizentralen in Berlin, Paris oder Brüssel befohlen wird.
"Spielt doch mal ein bisschen regionale Souveränität, das haben die Schweizer doch so gern", hat man den Armen aus der Zentrale befohlen. "Macht doch mal auf lustig, damit die Schweizer denken, es gehe euch gut." Fast könnte man sich in die UdSSR zurückversetzt fühlen - "Chrustschow hat es befohlen, also seid fröhlich auch wenn euch zum Heulen zumute ist." Gab es im sowjetischen Politbüro nicht auch diese Kommissare?
Ob die dummen Schweizer die Kröte wohl schlucken werden? Gehen wir doch auf den Vorschlag ein, fordern wir doch die sogenannte Souveränität unserer Nachbarn heraus, und machen wir mit ihnen ein Bündnis, ein Bündnis, das natürlich keineswegs EU-Konform sein darf, ein Bündnis, das tatsächliche regionale Souveränität fordert, tatsächliche Autonomie, sowohl von Brüssel, als auch von Bern.
Was für ein Hochgenuss wird es für uns sein, unsere nun wohl etwas blassen Nachbarn in einen köstlichen double-bind hineinmanövriert zu haben. Und was für ein Genuss ihnen dabei zuzuschauen, wie sie versuchen sich aus der Bredouille wieder herauszuwinden, wie sie versuchen werden autonom aufzutreten und gleichzeitig eifrig mit ihren Polit-Kommissaren in Brüssel telefonieren werden, um Befehle auszuführen, wie bedeutungslose kleine Knechte, bar jeder Ehre, bar jeder Selbstachtung, bar jeder Souveränität.
Manchmal sollten auch wir etwas Spass haben - das ist gut für die Seele. Und so ist die EU doch noch für etwas gut gewesen.
Kommentar veröffentlichen