Sonntag, 18. Mai 2008

Der Freihandelsvertrag mit der EU

«Grosspapa, was haben die Bauern gegen den Freihandel?»
Ein Gespräch mit Enkelin Nicole
von Dr. rer. publ. W. Wüthrich, Zürich

Nicole: Grosspapa, der Bauer auf dem Erlenhof denkt ans Aufhören. Der Freihandelsvertrag mit der EU bedrohe seine Existenz.

Grosspapa: Ja, Bundesrätin Leuthard vom Volkswirtschaftsdepartement hat vor kurzem angekündigt, dass sie mit der EU im Agrarbereich einen Freihandelsvertrag abschliessen wolle. Die Verhandlungen werden in Kürze beginnen.

Was ist daran so schlimm? Freihandel tönt doch gut. Jeder produziert das, was er am besten kann, und verkauft es dann an andere weiter. Diese machen es genauso, und alle profitieren. Was ist daran so falsch?

Falsch ist es nicht, aber es funktioniert nicht immer. Gerade unser Land hat viel Erfahrung mit dem Freihandel. Wir Schweizer waren Pioniere und sind heute quasi Experten, die etwas darüber erzählen können. Das will ich gerne tun: Ihr habt in der Geschichte die Alte Eidgenossenschaft durchgenommen. Unsere Vorfahren haben vor mehr als 700 Jahren einen genossenschaftlichen Bund geschlossen für ein Leben in Freiheit ohne Feudalherren. Sie haben die Adligen davongejagt und ihre Unabhängigkeit von fremden Mächten in vielen blutigen Schlachten erkämpft. Sie wurden dadurch in Europa zu einer bedeutenden und gefürchteten Militärmacht, die auch begonnen hatte, Gebiete zu erobern.
Im Jahr 1515 jedoch haben die Eidgenossen in der Schlacht bei Marignano in Italien gegen den französischen König Franz I. zum ersten Mal eine furchtbare Niederlage erlitten. Das war eine politische Weichenstellung. Zum Glück. Seit 1515 hat die Schweiz nach aussen nie mehr Krieg geführt, bis heute. Franz I. war allerdings sehr klug: Er hütete sich, die unterlegenen Eidgenossen im Friedensvertrag zu demütigen. Im Gegenteil: Er bot ihnen einen Freihandelsvertrag an. Es war eine Einladung, freundschaftlich mit Frankreich Handel zu betreiben. Die Landesgrenzen sollten kein Hindernis sein. Die damalige Schweiz nahm die Einladung an und hat seither über die Landesgrenze hinweg nur noch Handel und nie mehr Krieg geführt, bis heute. Der Freihandelsvertrag mit Frankreich beinhaltete allerdings auch, dass die Schweiz den französischen Königen Soldaten gegen Entgelt zur Verfügung stellte. Mit anderen Worten, man hat Söldner exportiert. Auch das gehörte damals zum Freihandel. Sogar der Papst hat sich damals eine Schweizergarde zugelegt. Sie leistet ihren Dienst noch heute.

Wie lange hat das funktioniert mit Frankreich?

Fast 300 Jahre. In dieser Zeit haben sich bereits in Ansätzen bedeutende Wirtschaftszweige, wie zum Beispiel die Uhrenindustrie, entwickelt, für die die Schweiz noch heute berühmt ist. Schon damals wurden Uhren exportiert.

Was geschah mit der Landwirtschaft?

Der Freihandelsvertrag mit Frankreich hat das Gesicht der Schweiz verändert. Nicht nur in den Städten, sondern auch in den ländlichen Regionen. Das landwirtschaftliche Erb­recht bestimmte an vielen Orten, dass der Hof ungeteilt an den ältesten oder den jüngsten Sohn übergeben werden ­musste. Seine Geschwister mussten sich eine andere Tätigkeit suchen. Aus dem Volk der Bauern und Hirten wurde so mehr und mehr ein Volk geschickter und initiativer Handwerker, Facharbeiter und Fabrikanten, Unternehmer eben, die Rohstoffe importierten und ­Handelswaren für den Export herstellten. Wenn du mit dem Velo durch die Schweiz fährst, kannst du an vielen Orten noch alte Fabrikgebäude aus jener Zeit antreffen. ­Bereits vor der Französischen Revolution war die Schweiz, ein Land ohne Zugang zum Meer und ohne Rohstoffe, das industrialisierteste Land auf dem europäischen Kontinent. So wirkt es heute komisch, wenn man die Bauern auffordert, sie sollten Unternehmer werden. Sie sind es schon seit Urzeiten.

Spannend, wie ging es weiter?

Auch im 19. Jahrhundert waren die schweizerischen Unternehmer Pioniere des Freihandels. Ein französischer Professor schrieb damals, dass kein Land der Erde im Verhältnis zu seiner Grösse so ausgedehnte Handelsbeziehungen unterhalten hat wie die Schweiz. Die Glarner zum Beispiel verkauften ihre Textilien bis nach Afrika und China. Heute ist es umgekehrt: Wir tragen Kleider, die aus China kommen. Auch für landwirtschaftliche Produkte gab es damals keinerlei Grenzschutz, bis etwas Einschneidendes passierte: 1881 wurde der Gotthardtunnel eröffnet und grosse Mengen billigen russischen und amerikanischen Getreides gelangten über den Mittelmeerhafen Genua in die Schweiz. Viele Getreidebauern konnten nicht mehr kostendeckend produzieren und stellten auf Milch- und Fleischproduktion um. Das ging sehr schnell. Die Schweiz wurde «grün», das heisst viel Ackerland wurde zu Wiesen umfunktioniert. Damit wurde die Schweiz in der Nahrungsmittelversorgung abhängig vom Ausland. Das wirkte sich vor allem im Ersten Weltkrieg und in den Jahren danach sehr negativ aus, weil die Importe keineswegs immer gesichert waren. In diesen Jahren begann sich die Bevölkerung in der Schweiz Gedanken zu machen über Fragen wie «Was für eine Landwirtschaft wollen wir?», Wie stark wollen wir in der Nahrungsmittelversorgung vom Ausland abhängig sein?, «Wie können wir unsere Bauern stützen und auch schützen?» Diese Fragen sind der Ursprung der Landwirtschaftspolitik, wie wir sie auch heute noch kennen. Im Zweiten Weltkrieg hat sich diese Politik als sehr segensreich erwiesen, ohne die Bauern und vor allem auch ohne die Landwirtschaftspolitik hätten unsere Gross- und Urgrosseltern gehungert. Wenn du möchtest, werde ich dir gerne einmal mehr erzählen.

Gerne. Das habe ich nicht gewusst.

Du siehst, Nicole, der Freihandel hat zweifellos seine Vorteile. Die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz ist dafür Beweis. Der Freihandel ist aber kein Naturgesetz, dem man zwangsläufig nachleben muss oder dem man gar ausgeliefert ist, wie dem Wetter zum Beispiel. Wir können uns überlegen, was für eine Landwirtschaft wir wollen, wie sehr wir in der Nahrungsmittelversorgung vom Ausland abhängig sein wollen und wie wir das alles am besten regeln wollen. Das ist geschehen schon vor 100 Jahren, das geschieht heute und das wird auch in Zukunft geschehen. Der Staat hat die Aufgabe, die Bauern zu unterstützen, zu schützen und für die Lebensmittelversorgung zu sorgen, so wie wir es wollen. Auch als Konsumenten können wir einiges tun, um die Bauern zu unterstützen.

Wieso kommt man heute auf die Idee, im Bereich der Landwirtschaft Freihandel zu betreiben, obwohl sich so etwas gar nicht bewährt hat?

Diese Frage hängt zusammen mit internationalen Abkommen und mit Politikern, die bei diesen Abkommen mitgewirkt haben. Es fallen mir in diesem Zusammenhang die Namen von zwei Politikern ein. Es sind die Bundesräte Hans Schaffner (FDP) und Josef Deiss (CVP).
Hans Schaffner war einer der Väter des Wirtschaftswunders in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Er war zuständig für den Freihandel. Man würde ihn heute als «Mister Freihandel» bezeichnen. Er war massgeb­lich beteiligt an der Gründung der Freihandelszone EFTA und an der Vorbereitung des grossen Freihandelsvertrages mit der EG von 1971, der noch heute von grosser Bedeutung ist. Schaffner hat die Verhandlungen geführt, die 1966 zum Beitritt der Schweiz zum GATT geführt haben. Diese multinationale Organisation hatte sich das Ziel gesetzt, weltweit Handelshemmnisse und Zölle schrittweise abzubauen. Hans Schaffner führte alle diese Verhandlungen so, dass sie der Landwirtschaft nicht schadeten und der Schweiz die Möglichkeit liessen, eine eigene Landwirtschaftspolitik zu betreiben. «Nicht ohne die Bauern», war seine Devise. Er hat seine Verhandlungspartner überzeugt und seine Ziele sowohl bei der EFTA, dem GATT als auch bei der Europäischen Gemeinschaft erreicht. Erstaunlich war sein Erfolg beim GATT: Es gelang Schaffner, einen Vorbehalt zugunsten der Bauern durchzusetzen. Der Schweiz hat diese Politik nicht geschadet, im Gegenteil. Sie hat vor allem das Gefühl gestärkt, dass wir zusammen gehören und alle mit den Bauern im gleichen Boot sitzen.

Haben wir heute keine Politiker mehr wie Hans Schaffner, die sich für unsere Landwirtschaft und für unsere Landesversorgung einsetzen?

Seit 1995 haben wir die WTO. Sie will praktisch alle Handelshindernisse und Zölle abschaffen, und sie will neu auch landwirtschaftliche Produkte in den Freihandel einbeziehen. Damit dreht sie das Rad der Zeit wieder zurück.

Warum hat man das gemacht?

Die Landwirtschaft hat sich verändert. An manchen Orten der Welt finden wir fast keine Bauernhöfe mehr. Es wird industriell produziert und gehandelt, wie das eine Fabrik macht. Es ist zu einem Geschäft geworden. Die landwirtschaftlichen Produkte werden an den Börsen gehandelt. Es wird damit spekuliert wie mit Wertpapieren und Geld.

Was bedeutet das für die Schweiz?

Die Einstellung zur Landwirtschaft hat sich verändert. Der bedeutendste Wirtschaftsverband der Schweiz, die économiesuisse zum Beispiel, vertritt heute den Standpunkt, die Interessen der Landwirtschaft sollen bei der WTO nur noch soweit verteidigt werden, als dabei die Anliegen der übrigen Wirtschaft nicht tangiert werden.

Was heisst das? Schaden die Bauern der Wirtschaft?

économiesuisse denkt so: Falls wir unsere Grenzen für landwirtschaftliche Produkte, zum Beispiel für Gemüse oder Getreide, ganz öffnen, so kann im Gegenzug unsere Exportwirtschaft ihre Produkte auf ausländischen Märkten noch besser verkaufen, oder die UBS kann zum Beispiel in Peking noch leichter eine neue Filiale eröffnen.

Komisch ? was haben unsere Bauern mit einer Filiale der UBS in Peking zu tun? Das kann man doch gar nicht miteinander vergleichen. Man darf nicht Äpfel und Birnen zusammenzählen, sagt unser Lehrer immer. Und die UBS soll zuerst einmal ihr eigenes Haus in Ordnung bringen, bevor sie neue Filialen eröffnet. Was würde Hans Schaffner dazu sagen?

Du hast recht. Wirklich komisch, dass unsere Politiker auf Kosten der Bauern globale Grossunternehmen unterstützen sollen, die bereits einen guten Zugang zu den Märkten haben und jedes Jahr viele Milliarden verdienen. Seit 2001 werden in der WTO Gespräche geführt in der sogenannten Doha-Runde. Man will auch im Bereich der Landwirtschaft ein grosses Freihandelsabkommen abschliessen, praktisch für die ganze Welt. Das Abkommen soll dann auch für unsere Exportwirtschaft Vorteile bringen. Die Gespräche sind bis heute jedoch erfolglos verlaufen. Die im Dezember 2007 geplante Ministerkonferenz wurde abgesagt.

Warum?

Das Konzept funktioniert nicht. Die Gründe sind einfach: Jedes Land hat eine eigene Landwirtschaft und seine eigene Landwirtschaftspolitik, die so unterschiedlich und verschiedenartig ist wie die Länder selber. Die Landwirtschaft ist nicht vergleichbar, und man kann sie auch nicht aufrechnen mit irgend etwas anderem. Gleichschaltung macht hier überhaupt keinen Sinn. Das hat man beim GATT gewusst und deshalb die landwirtschaftlichen Produkte als «sensible Güter» bezeichnet und sie nicht zusammen mit Industriegütern und Dienstleistungen in den Freihandel einbezogen. Bundesrat Hans Schaffner hat mitgeholfen, dass sich diese Auffassung beim GATT allmählich durchgesetzt hat. Dieser Fortschritt ist leider heute wieder verlorengegangen. Vielleicht auch deshalb, weil wir heute keinen Hans Schaffner mehr im Bundesrat haben.

Du hast vorhin Bundesrat Josef Deiss erwähnt. Was für eine Rolle hat er gespielt?

Bundesrat Deiss hat für die Schweiz die Verhandlungen in der Doha-Runde geführt bis zu seinem Rückritt im Jahr 2006. Er hat das neue Konzept der WTO unterstützt, das die Landwirtschaft in den Freihandel einbezieht. Er stellte sich damit in Gegensatz zu Bundesrat Hans Schaffner, der dies im GATT konsequent bekämpft hatte. Die Landwirtschaft müsse umgebaut werden, sagte Josef Deiss den Schweizer Bauern. Sie müssten sich auf offene Grenzen einstellen. Er wurde nicht müde, den bevorstehenden Erfolg der Doha-Runde über Jahre hinweg immer wieder anzukündigen. Das Abkommen werde in Kürze unterschrieben, sagte er am Fernsehen immer wieder.

Was ist dann passiert?

Unter diesem Druck wurde die Landwirtschaft in der Schweiz viele Jahre lang umgebaut. Wer nicht in die neue Politik hineinpasste, gab auf. Etwa ein Drittel der Bauern hat bisher aufgegeben. Der Selbstversorgungsgrad ist auf unter 55 Prozent gesunken. Er ist damit etwa gleich hoch wie vor dem Ersten Weltkrieg. Der Verhandlungsführer der Schweiz bei der WTO, Botschafter Luzius Wasescha, hat einmal deutlich gesagt, wohin die Reise gehen könnte: die Zahl der Bauern könnte von heute 60 000 auf 25 000 absinken. Vor 15 Jahren waren es noch 100 000.
Heute stellt sich die Frage, ob unser Bundesrat sich von einem Phantom leiten lässt. Bauen wir unsere Landwirtschaft um, wegen eines Freihandelsabkommens, das es so gar nicht gibt und das es sehr wahrscheinlich gar nie geben wird? Werden unsere Kinder uns das einmal verzeihen?

Ist ein Phantom so etwas wie Nessie in Schottland?

Ja, genau das ist es. Nur ist Nessie etwas Lustiges und schadet niemandem. Im Gegenteil, es nützt dem Tourismus. Das WTO-Abkommen, das angeblich bevorsteht und niemals kommt, ist etwas Trauriges und schadet unsern Bauern und unserm Land.
In einem zweiten Punkt unterscheidet sich Josef Deiss von Hans Schaffner. Ungefähr zur gleichen Zeit, als die WTO gegründet wurde, hat sich unsere Regierung das strategische Ziel gesetzt, die Schweiz in die EU zu führen. Bundesrat Deiss war davon überzeugt und hat diese Politik vorangetrieben. Für Hans Schaffner war das nicht in Frage gekommen. Für ihn waren Selbstbestimmung und Eigenständigkeit wichtig. Ganz anders dagegen Josef Deiss: noch in seiner Abschiedsrede betonte er, der Beitritt zur EU sei unausweichlich. Ihm war klar, dass dieses Ziel nicht zu erreichen war, ohne die Schweizer Landwirtschaft mit derjenigen der EU gleichzuschalten. Er lancierte kurz vor seinem Rücktritt die Idee, einen Freihandelsvertrag mit der EU abzuschliessen.
Hans Schaffner dagegen hatte ein Gespür, wo Freihandel am Platz ist und wo nicht. Er war in meinen Augen der bessere «Freihändler».

Wie ist es heute?

Die Nachfolgerin von Josef Deiss, Bundesrätin Doris Leuthard, führt dessen Politik weiter. Auch sie sagt heute, ein WTO-Abkommen stehe bevor. Sie will in der Doha-Runde auf einen Abschluss drängen und die Importzölle für Landwirtschaftsprodukte um bis zu 70 Prozent senken. Die Bauern müssten sich auf offene Grenzen einstellen, sagt auch sie. Auch sie sieht im Freihandel mit der EU ungeahnte Vorteile.

Ja, Doris Leuthard sagt, die Schweiz sei eine Hochpreisinsel, und wir müssten für Nahrungsmittel viel zu viel bezahlen.

Das ist so nicht richtig. Die Schweiz ist nicht nur eine «Hochpreisinsel», sondern auch eine «Hochlohninsel». Im Verhältnis zum Einkommen bezahlen wir für Nahrungsmittel weniger als die Bevölkerung in der EU. Medien putschen die Preisunterschiede auf, so dass die Konsumenten meinen, ihnen gehe es schlecht.

Medien behaupten auch, Freihandel weltweit mit landwirtschaftlichen Produkten sei modern und zukunftsgerichtet.

Wahrscheinlich weil viele Journalisten in die EU wollen. In Wirklichkeit ist diese Politik veraltet, weil sie sich als untauglich erwiesen hat. Beobachter der EU und der WTO, die hier nicht so fixiert sind wie Deiss und Leuthard, sagen dies schon längst. Ein Beispiel: In den letzten Wochen ist der Weltmarktpreis für Reis explodiert, weil dieses Grundnahrungsmittel immer knapper wird. Überhaupt werden Nahrungsmittel knapper. Die Vorräte sind so gering wie seit Jahren nicht mehr. Das hat verschiedene Gründe, die wir ein andermal besprechen werden. In verschiedenen Ländern sind bereits Hungerrevolten ausgebrochen. In Japan ist es anders. ­Politiker dort haben ihre Reisbauern geschützt und unterstützt. Diese erhalten einen festen Preis, mit dem sie leben können und in der Lage sind, das Land zu versorgen. Bei uns war das auch einmal so. Heute ist der Selbstversorgungsgrad massiv gesunken. Wir beziehen fast die Hälfte der Nahrungsmittel aus dem Ausland.

Warum sind denn die landwirtschaftlichen Produkte im Ausland billiger?

Das Regelwerk der WTO und der EU haben die industrielle Landwirtschaft sehr gefördert. Es werden zum Beispiel hunderttausend Tiere in einer Fabrik gemästet. Sie können sich kaum bewegen und werden geschlachtet, ohne dass sie jemals Tageslicht gesehen haben. Oder in Südspanien werden ganze Landstriche für das Gemüse mit Plastikplanen umhüllt und zugedeckt. Bootsflüchtlinge aus Afrika arbeiten hier für 5 Euro am Tag und ohne Sozialversicherungen. Das mit viel Chemie produzierte Gemüse landet dann in den Regalen von Migros und Coop. Da können unsere Gemüsebauern im Thurgau oder im Berner Seeland nicht mithalten, die unsere Löhne bezahlen und strenge Vorschriften einhalten müssen. Wenn der Freihandelsvertrag mit der EU kommt und der Import von Gemüse nicht mehr beschränkt ist, werden die Gemüsefelder bei uns wohl zu Golfplätzen umfunktioniert, oder es werden auf ihnen riesige Fabriken gebaut, wie dies in Galmiz fast geschehen ist. Das kann nicht sein.

Das ist schlimm.

Die industrielle Landwirtschaft kann wohl billiger produzieren, aber die Schäden, die im Bereich der Gesundheit, der Ressourcen, der Natur und auch für das Leben in ländlichen Regionen entstehen, sind immens. Gleichzeitig wird mit Nahrungsmitteln spekuliert. Hedge-Fonds wetten auf steigende Preise. Sie kaufen sogar Farmen nicht um damit zu arbeiten, sondern um sie in Kürze teurer weiterzuverkaufen. Andere Spekulanten lassen sich vom Börsenfieber anstecken und treiben damit die Preise weiter hoch. Aktien der Agro-Multis werden zu Höchstkursen gehandelt usw. So darf es nicht weitergehen. Auch die Schnapsidee, aus Nahrungsmitteln Benzin herzustellen, gehört in dieses Kapitel. Darüber werden wir ein anderes Mal reden.

Was können wir tun?

Der Landwirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland, Horst Seehofer, hat die Situation in diesen Tagen auf den Punkt gebracht: Eine Renaissance der bäuerlichen Landwirtschaft stehe an, verkündete er am Fernsehen. Diese sei um so dringender, weil die Nahrungsmittel immer knapper werden und es gefährlich werden kann, hierbei vom Ausland abhängig zu sein.

Was sagt unsere Bundesrätin Leuthard dazu?

Sie führt die Politik von Josef Deiss mit WTO, EU, Freihandel und Umbau der Landwirtschaft unbeirrt weiter. Man hat den Eindruck, dass sie sich noch weniger für die Bauern engagiert als Josef Deiss. Zu diesem Schluss kommt auch der Präsident des ­Bauernverbandes. Deiss habe sich bei den Verhandlungen mehr eingesetzt, meinte er in diesen Tagen.

Dann ist Doris Leuthard auf dem Holzweg. Wenn unsere Regierung die Zeichen der Zeit nicht sehen will, müssen wir etwas tun. ­Packen wir es an!

1 Kommentar:

Joe hat gesagt…

Liebe Bauern,

hört endlich auf zu Jammern! Wieviele Arbeiter habe in den letzten Jahren ihren Job verloren, wegen Umstrukturierung. Keiner dieser Angestellten hatte aber die gelegenheit Gemüse und Früchte selber anzupflantzen. Keiner dieser Arbeiter konnte Hüner und Schweine züchten, damit sie was zum Essen hatten.

Es ist mittlerweile allgemein bekannt, dass die Schweizer Bauern ihr Haupteinkommen meist nicht aus dem Verkauf ihrer Produkte auf dem freien Markt erhalten, sondern durch die Subventionen des Staates. Kaum ein anderer Wirtschaftszweig kann auch nur davon träumen, für seine Waren, unabhängig von der Nachfrage, einen fixen Abnahmepreis vom Staat garantiert zu bekommen. Nebst diesem Eingriff in die «Marktwirtschaft», die erschreckend der kommunistischen Zentralwirtschaft der ehemaligen Ostblockländer gleicht, bekommen die Schweizer Bauern noch Direktzahlungen in über 30 verschiedenen Variationen!
77 Prozent der Einnahmen der Landwirtschaft sind auf direkte und indirekte Subventionen sowie auf zahllose Interventionen des Staates zurückzuführen. Dies kostet den Staat über 7 Milliarden Franken jedes Jahr. [2]

Mittlerweile unterhält der Bund bereits eine rund 3500 Personen starke Agrarbürokratie. Trotzdem gelang es den «Landwirtschaftsvertretern» (was sie wirklich vertreten lässt sich leicht erraten ...) immer wieder, noch mehr Geld vom Bund zu erhalten.