Freitag, 21. August 2009

Die Totalisierung der Basler Zeitung

"Die Schlinge für Freie Journalisten wird immer enger"

Von Peter Knechtli

Aufregung unter den Freien Mitarbeitenden der "Basler Zeitung": Die Redaktion verlangt von ihnen die integrale Abtretung der Nutzungsrechte und kürzt gleichzeitig weiter an den Honoraren. Die Berufsverbände sprechen von einer "dramatischen Lage".
Wenn Freie Journalisten oder Fotografen einen Bericht oder ein Bild an eine Redaktion verkaufen, treten sie nach langjähriger Branchenüblichkeit nur das Rechte für die Erstnutzung an die Zeitung ab. Inhaber der Verwertungsrechte bleibt weiterhin der Urheber des Berichts oder des Bildes: Er darf über die weitere Verwendung und Nutzung seiner Werke unernehmerisch frei entscheiden. Mit diesem Status wird es jetzt vorbei sein, wenn der Plan der "Basler Zeitung" Tatsache wird. Die Freien BaZ-Mitarbeiter sehen sich seit wenigen Tagen mit einem von Chefredaktor Matthias Geering und der Personalchefin Claudia Wahlen unterschriebenen Brief konfrontiert, der OnlineReports vorliegt und der die Adressaten in Schrecken versetzte. Die Zeitung, so wurde im Schreiben verkündet, habe die Nutzungs- und Urheberrechte "neu geregelt" – ohne dies mit den Adressaten auszuhandeln. Kern der "Neuregelung": Die Freien Berufsjournalisten sollen sämtliche Verwertungsrechte an die BaZ abtreten.

"Basler Zeitung" sucht die "Anbieterposition"
In seiner Begründung schreibt Geering, künftig seien Kooperationen mit andern Zeitungstiteln "unumgänglich", um die Zukunft der BaZ "als abonnierte regionale Komplettzeitung auch unter anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Bedigungen sichern zu können". Voraussetzung dafür sei "eine Regelung der Nutzungs- und Urheberrechte". Dabei sei es "wichtig, möglichst oft in der Anbieterposition zu sein". Geering weiter: "Damit wir unsere Inhalte anderen Medienunternehmen anbieten können, brauchen wir die entsprechenden Nutzungsrechte. Wenn wir diese nicht haben, so bleibt uns nur die Abnehmerrolle mit allen Konsequenzen für alle Mitarbeiter." Die "Anpassung" der Nutzungs- und Urheberrechte an die "neuen Umstände" bedeuten für die Freien Mitarbeitenden einen fundamentalen Einschnitt in ihre ohne schon kaum mehr vorhandene unternehmerische Freiheit: Ihnen unterbreitete der BaZ-Chef eine Vereinbarung, in der sie "sämtliche Nutzungsrechte inklusive Vergütungsansprüchen an Werken" der "Basler Zeitung Medien" als Arbeitgeberin übertragen. Das heisst: Die BaZ kann unter diesen Bedingungen Texte, Fotos, Ton- und Filmbeiträge ganz nach Belieben gruppenintern weitervermarkten, sie aber insbesondere auch in Systeme zum Text- und Bildaustausch mit andern Zeitungen einspeisen.

Austausch ist bereits Realität
Dieser Austausch ist keine Fiktion mehr, sondern bereits Realität: Die "Basler Zeitung" ging eine überraschende Kooperation mit der "Mittelland-Zeitung" aus dem Badener Verlagshaus "AZ Medien" ein. Danach stellte die BaZ der in Baden erscheinenden Zeitung ihre Texte aus dem Kulturteil, die Auto-Seite und die Texte des Berliner Korrespondenten zur Verfügung. Im Gegenzug kann die BaZ Inland-Artikel der "Mittelland-Zeitung" übernehmen können. Ein solcher Austausch ist auf Dauer nur möglich, wenn die BaZ – aber auch die "Mittelland-Zeitung" – als Auftraggeberin über die nötigen umfassenden Verwertungs-Rechte verfügt. Ob die Freien Journalisten und Fotografen die Vereinbarung zur Abtretung der Rechte scharenweise unterschreiben, ist aber noch nicht sicher. Eine Unterschrift über die Nutzungs-Abtretung würde bedeuten, dass "man den Beruf des Journalisten schon bald auf die Liste der ausgestorbenen Berufsgattungen setzen" könne, beklagt sich einer.

Geering: "Freie sind immer noch frei"
Die Abtretung der Verwertungsrechte zahlt sich für die Freien Mitarbeiten nicht in barer Münze aus – im Gegenteil: Nachdem die BaZ schon generell die Freien-Honorare gekürzt hatte, fällt jetzt auch noch die Pauschale von fünf Prozent für Beiträge weg, die neben der Printausgabe auch im Internet publiziert werden. Da Zusatzhonorar wird nur noch gewährt, wenn der Beitrag tatsächlich auch online publiziert wird. Dies wird indes immer weniger der Fall sein, weil die BaZ "nur noch äusserst selektiv" Texte der Printausgabe ins Internet stellt, wie es im Brief an die Freien weiter heisst. BaZ-Chefredaktor Matthias Geering sieht die Nutzungs-Kontroverse gar nicht dramatisch. Zwar räumt er ein, dass Freie Journalisten durch den möglichen Textaustausch mit der Aargauer Zeitung einen potenziellen Abnehmer-Titel verlieren. Doch macht er geltend, dass die Freien Mitarbeiter mit ihren Texten, Bildern oder Filmen "auch in Zukunft immer noch machen können, was sie wollen". Geering erhob den Nutzungsanspruch nach eigenem Bekunden nur aus einem Grund: "Ich will nicht wegen jeden zehn Zeilen fragen müssen, ob wir den Text weiter verkaufen dürfen."

Ausnahme Ausland-Korrespondenten
Nach Meinung des BaZ-Chefredaktors betrifft die geplante Regelung "nur einen Bruchteil" der Freien Medienschaffenden ("von 1'000 keine 40"), weil "die grosse Masse nur für eine Zeitung arbeitet". Eine Ausnahme bildeten die Auslandkorrespondenten, bei denen die Mehrfachverwertung ihrer Texte existenzieller Teil ihres Geschäftsmodells seien. Geering: "Mit ihnen wird man reden müssen."Laut dem BaZ-Chef sind derzeit keine Kooperationen mit weiteren Titeln in der Pipeline. Allerdings sei mit der Badener Medienhaus vereinbart worden, dass Texte aus der BaZ "in der ganzen 'Mittelland-Zeitung' erscheinen". Das heisst: Die BaZ-Texte werden auch in der "Basellandschaftlichen Zeitung" zu finden sein. Auf die Frage nach den bisherigen Reaktionen der Freien Journalisten konnte Geering noch keine klare Antwort geben: "Die haben den Brief erst vor wenigen Tagen erhalten.

"Berufsverbände: "Bedrohliche Entwicklung"
Schon mehrfach Reaktionen empörter Mitglieder erhalten haben die Journalistenverbände "Impressum" und "Comedia". Der Juristin Beatrice Gurzeler, Rechtsberaterin bei "Impressum", ist die Stimmungslage zweifelsfrei anzuhören. "Verheerend" sei die Entwicklung, die die "Basler Zeitung" mit ihrem freischaffenden Personal vorantreibe, und die schon andere Verlage angeschoben hätten. "Höchst problematisch" seien drei Verschlechterungen:
  • Die "Basler Zeitung" fordere zusätzliche Rechte ein, ohne sie durch angemessene Zusatzhonorare abzugelten.
  • Die Abschaffung der bisher bezahlten Multimedia-Pauschale von mickrigen fünf Prozent, obschon die Zeitung gleichzeitig neue Rechte einfordere.
  • Bisher konnten Freie Medienschaffende Rahmenverträge durch vorrangige Einzelvereinbarungen umgehen.
Neu bedürfen abweichende Vereinbarungen der schriftlichen Form und damit der Unterschrift der "Basler Zeitung", was sie erschwert.Empfehlung, nicht zu unterschreiben. Die von der BaZ vorgelegte Regelung, so Gurzeler weiter, liege "noch hinter den Empfehlungen" des Verbandes der Zeitungsverleger ("Verband Schweizer Presse", VSP) zurück. "Wir sind sehr empört und um unseren Berufsstand besorgt", sagte die Rechtskonsulentin gegenüber OnlineReports. Die Freien Medienschaffenden seien wegen der allgemein tiefen Honorare "eben gerade darauf angewiesen, dass sie ihre Arbeiten mehrfach verwerten können". Dies sei angesichts der Zeitungskonzentration und des gleichzeitig zunehmenden Trends zum Inhalts-Austausch immer weniger möglich. "Die Verleger wollen von den Freien gleich viele Rechte wie von den Festangestellten, aber sie wollen sie nicht anstellen", kommentiert Beatrice Gurzeler das Verleger-Motiv. "Diese Entwicklung bedroht unsere Mitglieder. Die Schlinge für die Freie Journalisten wird immer enger." Laut "Comedia"-Juristin Stephanie Vonarburg haben sich "viele freischaffende Mitglieder" gemeldet: "Wir haben ihnen empfohlen, die neue Regelung vorerst nicht zu unterschreiben." Störend sei, dass die "Basler Zeitung" von den Freien Medienschaffenden "eine umfassende Abtretung der Nutzungsrechte an ihren Beiträgen verlangt, und dies zum Nulltarif". Störend ist zudem, dass die BaZ "die einschneidenen Veränderungen quasi en passant den Freien abtrotzen will": Die schriftliche Vertragsänderung komme bloss "auf einem Personalblatt daher". Es geht aber nicht an, "solch einschneidende Veränderungen mit anderen, unverfänglichen Punkten zu kombinieren". Diese Woche noch wollen sich die beiden Berufsverbände absprechen und gemeinsam über das weitere Vorgehen beraten. Die Verbände wollen jetzt mit den Betroffenen zusammen bei der BaZ vorstellig werden.

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