Bringt Schengen wirklich mehr Sicherheit?
von Dr. iur. Thomas Hug, Basel
Die allgegenwärtige Propaganda für einen Beitritt zum Schengener Abkommen operiert vor allem mit dem Argument, dass Schengen der Schweiz mehr Sicherheit bringen würde. Dass dies indessen so nicht zutrifft, geht aus der Zielsetzung des Abkommens hervor und lässt sich vor allem auch statistisch belegen.
Das Schengener Abkommen wurde seinerzeit nicht darum abgeschlossen, um den beteiligten Staaten mehr Sicherheit zu bringen. Es ging vielmehr allein darum, im Schengen-Raum die Grenzen zu öffnen. Weil aber erkannt wurde, dass die Abschaffung der Grenzkontrollen zwangsläufig zu Sicherheitsdefiziten führt, mussten die Schengen-Staaten ersatzweise flankierende Massnahmen treffen, um den Sicherheitsverlust zumindest teilweise wieder zu kompensieren.
Als grösster Vorteil eines Beitritts zu Schengen wird heute der Anschluss an das Schengener Informationssystem (SIS) genannt. Ein Blick über die Grenzen stellt diese Hoffnung aber ernsthaft in Frage. Dem Schengener Erfahrungsbericht des deutschen Bundesministeriums des Innern für das Jahr 2003 (der Bericht für das Jahr 2004 erscheint erst im September) ist zu entnehmen, dass in Deutschland in einem Jahr gerade 156 Festnahmen auf Grund von SIS-Ausschreibungen erfolgt sind. Da in Deutschland pro Jahr rund 210000 Festnahmen erfolgen, bedeutet dies, dass damit weniger als 1 Promille aller Festnahmen auf Grund von SIS erfolgt sind! An einer Informationsveranstaltung des Verbandes der Schweizerischen Polizeibeamten zu Schengen hat der norwegische Polizeichef kürzlich die Aussage gemacht, dass in Norwegen in einem Jahr zehn Festnahmen aufgrund von SIS erfolgt seien. Diese Zahlenbeispiele sprechen für sich und zeigen die quantitative Bedeutungslosigkeit von SIS für die Fahndungserfolge und damit die Sicherheit der angeschlossenen Staaten.
Bei einem Vergleich der Bevölkerungszahlen und der Polizeidichte von Deutschland mit der Schweiz und einer Umrechnung der deutschen, auf Grund von SIS erfolgten Festnahmen auf die Schweiz könnte in unserem Land gerade einmal mit jährlich 11 bis 14 Festnahmen von im SIS ausgeschriebenen Personen gerechnet werden. Diesen marginalen Erfolgsaussichten steht der durch Schengen vorgeschriebene Verzicht auf Personenkontrollen an der Grenze gegenüber. Im Jahr 2004 hat das Grenzwachkorps an Grenzübergängen aber 35294 Personen festgenommen und der Polizei übergeben; 88735 Personen wurden an den Grenzübergängen zurückgewiesen, weil die Einreisevoraussetzungen nicht erfüllt waren (Statistik Eidgenössische Zollverwaltung, EZV 2004).
Auf diese Kontrollen und die damit verbundenen Erfolgszahlen von Festnahmen und Zurückweisungen müsste aber bei einem Beitritt zu Schengen zwangsläufig verzichtet werden. Unzutreffend ist dabei die gelegentlich gehörte Bedeutung, dass ja im Rahmen der auch in Zukunft stattfindenden fiskalischen Zollkontrollen auch weiterhin Personenkontrollen vorgenommen werden könnten. Dies würde der expliziten Zielsetzung von Schengen widersprechen und seitens der übrigen Schengenstaaten nicht akzeptiert. Die genannten Zahlen beweisen deutlich, dass Schengen nicht mehr, sondern erheblich weniger Sicherheit bringen würde! Keine Hilfe bietet in diesem Zusammenhang auch das Argument, dass der Wegfall der Personenkontrollen an der Grenze durch Ersatzmassnahmen wie insbesondere Schleierfahndung im Hinterland wettgemacht werden könnte. Wer soll solche Kontrollen im Hinterland des schweizerischen Grenzraums durchführen? Etwa das Grenzwachkorps, das mit seinen heute schon knappen Personalbeständen nach einer Annahme von Schengen weiterhin die fiskalische Zollkontrolle an den Grenzübergängen sicherstellen müsste? Oder etwa gar die Polizeikorps der Grenzkantone, die sich zu Recht über chronischen Unterbestand beklagen und schon heute nach eigenen Angaben nicht einmal mehr in der Lage sind, ihre angestammten Aufgaben vollumfänglich zu erfüllen?
Als weiteres Pro-Argument nennen die Befürworter von Schengen die angeblichen Vorteile der Übereinkunft von Dublin zur Senkung von Asylbewerberzahlen. Auch hier zeigt ein Blick in die Statistik unseres Nachbarlandes Deutschland aber Erstaunliches. Dort sind in den Jahren 2001 bis 2004 insgesamt 327777 Asylgesuche gestellt worden. Im gleichen Zeitraum konnte Deutschland auf Grund des Übereinkommens von Dublin 7929 Asylbewerber an andere Staaten, wo diese bereits früher einen Asylantrag gestellt hatten, abschieben. Ebenfalls im gleichen Zeitraum musste Deutschland aber selbst aus anderen Staaten auf Grund des Dubliner Übereinkommens 11554 Asylbewerber, die zuerst in Deutschland einen Antrag gestellt hatten, übernehmen. Im Resultat hat «Dublin» Deutschland im Zeitraum von 2001 bis 2004 damit unter dem Strich eine Zunahme um 3635 Asylbewerber beschert, nicht aber eine Abnahme, wie uns dies die Schengen/Dublin-Befürworter glauben machen wollen (Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg, für die Jahre 2001-2004).
Auch der Verwaltungsaufwand hat in Deutschland durch «Dublin» erheblich zugenommen. Im Jahr 2004 beispielsweise waren 32 Vollzeitbeamte ausschliesslich damit beschäftigt, Rücknahmeanträge im Rahmen von Dublin zu bearbeiten. Die deutschen Zahlen und Erfahrungen dürften im Falle einer Einführung von «Dublin» auf die Schweiz anteilmässig in etwa übertragbar sein. Die Behauptung der Befürworter, dass mit «Dublin» Asylbewerberzahlen gesenkt und damit Millionen gespart werden könnten, ist damit nicht haltbar. Im Gegenteil wären allenfalls sogar noch mehr Asylbewerber, sicher aber ein wesentlich erhöhter Verwaltungsaufwand und damit höhere Kosten zu erwarten.
Die dargelegten Fakten beweisen, dass Schengen der Schweiz nicht mehr, sondern weniger Sicherheit bringen würde.
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