Dienstag, 26. Januar 2010

Wie die politische Elite die Schweiz zugrunde richtet

Auszug aus der Albisgüetli-Rede 2010

Von alt Bundesrat Christoph Blocher

Wenn ich an der Jahreswende kurz die Augen schliesse und das Jahr 2009 Revue passieren lasse, sehe ich für die Schweizer Politik kein erfreuliches Bild. Für das In- und Ausland zeigte sich die politische Schweiz wahrlich nicht von der besten Seite. Was die politische Elite da dargeboten hat, ist mit dem Wort «Desaster» noch freundlich umschrieben.

Die Schweiz im Schaufenster

Es begann mit amerikanischen Amtshilfegesuchen betreffend UBS-Kunden, die des Steuerbetrugs verdächtigt wurden. Neun Monate lang blieben diese in Bern liegen. In dieser Zeit hätte der Bundesrat längst einen Gerichtsentscheid verlangen können, ob es sich bei diesen Dossiers wirklich um Steuerbetrug handle, ob eine Herausgabe der Akten also gerechtfertigt sei. Schliesslich drohte die US-Administration mit einem Ultimatum: Bis 18. Februar 2009, Mitternacht, müssten die Informationen vorliegen. Da bequemte sich der Bundesrat endlich zu einer Sitzung um 21 Uhr. Danach wurden die dreihundert Kundenakten völlig unrechtmässig an die USA ausgeliefert. Eine Woche später verhängte das Bundesverwaltungsgericht eine superprovisorische Verfügung und untersagte die Herausgabe der längst herausgegebenen Daten. Etwa so, als würde am 3. August angesichts brennender Wälder rückwirkend das Abfeuern der am 1. August längst verschossenen Raketen verboten.

Damit war klar: Für Treu und Glauben, für den Schutz der Privatsphäre und fürs Bankkundengeheimnis ist auf die Schweiz kein Verlass – ein Schlag gegen einen zentralen Wert der Schweiz: die Rechtssicherheit.

Hatte unser Finanzminister früher noch verkündet, das Ausland werde sich an unserem Bankgeheimnis die Zähne ausbeissen, hat sich der Bundesrat an einer einzigen Sitzung die Zähne selber gezogen. Ich höre in der Erinnerung unseren Finanzminister verkünden: «Das Bankgeheimnis ist nicht verhandelbar!» Tatsächlich war es nicht verhandelbar. Man hat schon gar nicht mehr verhandelt, sondern alles ohne jede Verhandlung preisgegeben.

Europäer ziehen nach

Selbstverständlich nutzten auch europäische Staaten sofort die Gunst dieser unglaublichen Schwäche: Um die von ihnen geplünderten eigenen Staatskassen wieder zu füllen, machten vor allem deutsche Politiker Druck. Herr Steinbrück sah seine schneidige Beamtentruppe als Kavallerie, welche die eingeschüchterten Schweizer als Indianer zu bekämpfen hatte. Herr Müntefering bedauerte, dass man in unser Land nicht wie ehedem militärisch einfallen könne.

Und was war die Reaktion unseres Bundespräsidenten? Er schaute beim Treffen treuherzig am mittlerweile längst abgewählten Peitschen-Steinbrück hoch und versicherte, er habe in ihm einen Freund gewonnen. Wer solche Leute als Freunde benennt, muss wirklich wenig echte Freunde haben!

Als Angestellte der OECD, bei welcher die Schweiz Gründungsmitglied ist, drohten, man würde die Schweiz auf irgend welche schwarzen oder grauen Listen setzen, knickte Bern augenblicklich ein, versprach ohne jede Gegenleistung 10 Milliarden Dollar zur Stärkung des Internationalen Währungsfonds und versprach, das Bankkundengeheimnis zu lockern.

Bei der umstrittenen Personenfreizügigkeits-Vorlage kamen einige Ständeräte auf die gloriose Idee, ein unappetitliches Päckli zu schnüren. Sie packten die Verlängerung mit den alten fünfzehn EU-Staaten und die Ausdehnung auf die beiden Oststaaten Rumänien und Bulgarien so zusammen, dass das Volk ja nicht anders abstimmen konnte, als Bundesbern wollte: Die Stimmbürger durften auf die zutiefst undemokratisch gestellte Doppelfrage nur eine einzige Antwort geben.

Mit krassen Unwahrheiten und krassen Fehlprognosen wurde die Vorlage durchgedrückt. Die Folgen – z.B. die hohe Arbeitslosigkeit – haben nicht lange auf sich warten lassen.

Peinlichkeiten

Es wird mir fast schwarz vor den Augen, wenn ich vor mir das Land Libyen und seinen Diktator Gaddafi im Zusammenhang mit der Geiselnahme zweier Schweizer durch Libyen sehe. Was vom Aussendepartement schon dilettantisch angegangen wurde, wurde vom Bundespräsidenten auf höchster Ebene noch dilettantischer fortgesetzt. Er unternahm einen unkoordinierten Ego-Trip in den Wüstenstaat, liess sich dort demütigen – und kehrte mit leeren Versprechungen und vollem Gepäck der Geiseln zurück. Nach seiner Begegnung mit dem libyschen Revolutionsführer Gaddafi im Uno-Glaspalast berichtete unser Bundespräsident freudig: «Zuletzt hat er meine Hand ergriffen und mir Datteln und Tee offeriert.»

Dass die Asylpolitik 2009 aus dem Ruder lief, zeigen die weit über hundert Millionen Nachtragskredite und die auf Rekordhöhe gestiegenen Asylgesuche.

Dafür spielt man in den USA Liebkind und verspricht die Aufnahme von islamistischen Guantánamo-Häftlingen. Obwohl seit den neusten Terroranschlägen bekannt ist, wie gefährlich diese sind und wie hoch die Rückfallquote ist.

Um nicht die Probleme im Inland lösen zu müssen – zum Beispiel im Flugverkehr oder bei Strategiefragen der Post –, reist der Verkehrs- und Energieminister mit dem Sonderzug nach Kopenhagen an die Klimakonferenz. Der so verursachte CO2-Ausstoss betrug zwar ein Mehrfaches, als die Benutzung eines Reisecars bewirkt hätte. Weil die Rückreise ebenfalls per Bahn dann aber als zu mühsam befunden wurde, reiste der Energieminister mit dem Flugzeug zurück – nicht mit dem Linienflugzeug, vielmehr mit dem eigens aus Bern herbeizitierten Bundesrats-Jet. Der erneute CO2-Ausstoss lässt grüssen! Dass an dieser Konferenz ausser Geschwätz nichts herauskam, war ja zum Vornherein zu erwarten.

Blamagen

Das Jahr 2009 war ein eigenartiges Jahr. Wer hätte gedacht, dass sich eine sich selbst für die Elite haltende Classe politique in derart penetranter Art und Weise vor dem ganzen Land und den übrigen Staaten blamieren könnte!

Der Bundesrat mit seiner Verwaltung, seinen Beratern, viele Professoren, der Club Helvétique und all die anderen dünkelhaften Gutmenschen haben sich entlarvt und offen gezeigt, wie sie die Werte unseres einzigartigen Landes schwächen, niederreissen und zugrunde richten wollen. Man reibt sich die Augen und fragt sich: Warum wollen diese so genannten Eliten die Schweiz kaputt machen?

Es geht um den EU-Beitritt

Schnell wird klar: Wer die Schweiz in der EU haben will, muss zuerst die Schweiz kaputt machen. Vor allem die direkte Demokratie und die staatliche Souveränität mit ihren Instrumenten wie der dauernd bewaffneten Neutralität sollen abgeschafft werden.

Der frühere FDP-Präsident Franz Steinegger wurde 1998 von einer Zeitung gefragt: «Sie bleiben bei der Salamitaktik: Rädchen um Rädchen, Schritt für Schritt in die EU?» Seine Antwort lautete: «Ganz klar. Sie können dem Salamitaktik sagen, das ist jedenfalls die einzig erfolgversprechende Politik.»

Wenn es zu schnell geht, vergeht den Bürgern der Appetit auf die EU. Darum ist es besser, wenn man das EU-Menu der Bevölkerung häppchen- und scheibchenweise verfüttert wie einem Kleinkind. Wird das Kind – also der Schweizer Bürger – störrisch, kann man ihm Angst machen, man beginnt ihm zu drohen, es einzuschüchtern, weich zu klopfen. Also malt man den Teufel an die Wand.

Der Teufel an der Wand hat viele Formen. Versagt die Regierung, dann sagt man, die Schweiz sei «international zu wenig vernetzt». Oder: Die Schweiz sei eine Insel, isoliert und abgeschottet – wobei verschwiegen wird, dass innert weniger Jahre viele hunderttausend Menschen aus dem hoch gelobten EU-Raum in unser angeblich isoliertes, abgeschottetes Land geströmt sind.

Eigenartig, dass sie alle dieses – ach so isolierte – Land finden! Sogar sehr viele Menschen aus dem fernen Afrika finden die Schweiz! Warum kommen so viele Menschen und finden diese einsame Insel? Alle die Erwerbstätigen, viele Wohlhabende, die sich hier niederlassen möchten, weil sie hoffen, dass ihnen vom Staat nicht das Ersparte geraubt wird? All diese Flüchtlinge, die an Leib und Leben verfolgt sind und hier aufgenommen werden? All die Asylanten, Scheinasylanten und die vielen Kriminellen, die hoffen, hier Gnade zu finden. Es scheint, dass diese isolierte, abgeschottete Schweiz eine Insel der Glückseligkeit darstellt.

Direkte Einmischung

Doch weil die inländischen Weichklopfer offenbar noch nicht ausreichende «Leistung» vollbringen, eilt ihnen der EU-Botschafter Michael Reiterer zu Hilfe. Der Österreicher sagt seinem Gastland Schweiz, wo's lang geht. Offenbar ist er nicht nur Botschafter, sondern neu auch Auftraggeber unserer Landesregierung. Er diktiert via Zeitungsinterview, was der Bundesrat in der Schweiz beschliessen müsse.

Nach seinen pflichtwidrigen Altjahr-Interviews hätte ich erwartet, dass der Bundesrat diesen ständigen Einmischer in das Departement für auswärtige Angelegenheiten zitiert. Doch nichts dergleichen ist geschehen. Dabei hätte man dem Herrn aus Österreich, der als Botschafter im Auftrag der EU in der Schweiz weilt, doch darlegen können, dass die Eidgenossen weder 1291 beim Bundesbrief, noch 1315 bei Morgarten, noch 1386 bei Sempach, noch 1499 beim Schwabenkrieg auf die Österreicher hören wollten. Und man hätte ihm sagen können, dass die Eidgenossen auch heute, 2010, nicht gewillt sind, auf seine «wertvollen» Ratschläge zu hören.

Undemokraten

In ebenso peinlicher Weise haben sich die Undemokraten nach der Minaretts-Initiative entblösst. Die üblichen antidemokratischen Politiker, Professoren, Journalisten und Kulturschaffenden beschimpften den Souverän wegen seines angeblich "falschen" Entscheids und rieten unverzüglich zur Missachtung des Abstimmungsresultats. Schnell riefen sie nach fremdem Recht und fremden Richtern, um den Volksentscheid auszuhebeln.

In Zukunft wollen sie solche Initiativen verbieten, ganz einfach, weil das Volk etwas anderes bestimmt, als sie selbst wollen. Ihr Ziel ist es, den Stimmbürgern den Mund zu verbinden, oder – wenn das nichts nützt – die fremden Richter des sogenannten Menschenrechts-Gerichtshofes zu bemühen, auf dass diese dem Schweizer Volk beibringen, dass in der Schweiz Minarette willkommen sein müssen.

Nach der Volksabstimmung vom 29. November unternahmen Bundesräte Wallfahrten ins Ausland, um sich zu rechtfertigen und zu betonen, wie sie selbst eine andere Meinung als 58 Prozent der Schweizer gehabt hätten. Worauf ihnen die fremden Staatsleute prompt auf die Schulter klopften. Unsere Landesväter und Landesmütter genossen es, in Tuchfühlung mit ausländischen Regierungen zu stehen und sich für das eigene Volk, das sie vertreten sollten, zu entschuldigen.

So sprach Bundesrätin Calmy-Rey gegenüber einer deutschen Zeitung zur Minarett-Abstimmung: «Die Initiative wurde von einer politischen Partei instrumentalisiert, welche in der Regierungsverantwortung steht. Dies ist inakzeptabel.»

Zweierlei zeigt sich in dieser Aussage: Frau Calmy-Rey hat offensichtlich eine überaus geringe Meinung vom Volk, wenn sie behauptet, dieses lasse sich so leicht instrumentalisieren. Doch wir können Frau Bundesrätin beruhigen. Unsere Bürger sind nicht so dumm, wie die Bundesrätin glaubt. Und wenn unsere Aussenministerin es sogar unhaltbar findet, wenn eine Partei, die in der Abstimmung immerhin 58 Prozent der Stimmbürger vertritt, in der Regierung sitzt, dann sagt dies viel aus über ihr Demokratieverständnis.

Die Antwort

Gegen solchen das Volk verachtenden Dünkel der Regierenden gibt es nur eine wirkungsvolle Antwort: Die Volkswahl des Bundesrates! Ich möchte mal sehen, welche Vertreter unserer Landesregierung ihre Wähler noch als "Otto Normalverbraucher" bezeichnen oder sich nach Abstimmungen für den Souverän entschuldigen würden, wenn sie sich später wieder der Volkswahl zu stellen hätten.

Selbstverständlich dürfen Bundesräte unzufrieden sein über die Resultate der direkten Demokratie. Doch die Entscheide des Souveräns gelten. Selbstverständlich gibt es auch für Bundesräte ein Widerstandsrecht, wenn sie einen Volksentscheid unter keinen Umständen mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Doch wer dieses Widerstandsrecht anruft, hat die Konsequenzen zu tragen. Nur so zeugt dieser Widerstand von Ernsthaftigkeit. Ist man dazu nicht bereit, ist es einem auch nicht ernst. Solche Konsequenzen heissen zum Beispiel für die Bundesräte, die mit solchen Volksentscheiden nicht leben können, dass sie unverzüglich zurückzutreten hätten – und zwar unter Verzicht auf jede Pension.

Es geht nicht an, den Bürgerwillen zu missachten und gleichzeitig alle Privilegien und Annehmlichkeiten des Amtes zu geniessen – schon gar nicht jene, für welche die Steuerzahler aufkommen! Dass die Bundesräte solche Konsequenzen aber nicht tragen, zeigt, dass es ihnen gar nicht ernst ist.

Christoph Blocher

Ganze Rede: www.blocher.ch

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