Donnerstag, 4. Dezember 2008

Die Zerstörung der Schweiz

Bundesratswahl
In Bern tagen die Gross-Inquisitoren

Die neue Elite greift nicht Ueli Maurer an, den Bauernsohn aus dem Zürcher Oberland, sondern die Tradition der Konkordanz. Die Diktatoren bringen, Wahlakt um Wahlakt, das Schweizer System zum Einsturz.
Von Urs Paul Engeler

Ueli Maurer wird nicht Bundesrat. Wenn er sich treu bleibt. Im Bundeshaus ist das genau gleiche Spiel angelaufen wie vor einem Jahr. Endet es wieder mit dem erstrebten Resultat, wird entweder der Freiburger CVP-Ständerat Urs Schwaller oder, weniger wahrscheinlich, abermals ein SVP-Deserteur oder ein Grüner oder vielleicht sonst irgendjemand aus irgendeiner Partei, die es auch noch gibt, in die Landesregierung gewählt. Namen, Fähigkeiten und Leistungen spielen derzeit keine Rolle. Es kommt allein auf die passende Gesinnung an. Und den Takt geben die linken Ideologieprüfer vor, welche derzeit die Hälfte des Parlaments vor sich her peitschen.

Umfrage der Woche: Welches Regierungssystem braucht die Schweiz jetzt?

Die neue schweizerische Gesinnungspolizei nennt sich «Gruppe 13» und arbeitet, wie alle Mentalitätswächter, lieber im heimlichen Bereich. Über das Wochenende hat sie sich in einer konzertierten Aktion teilweise geoutet: SP-Nationalrat Andreas Gross informierte selektiv über sein Projekt, nicht nur Christoph Blocher oder Ueli Maurer, sondern generell jedem linientreuen SVP-Vertreter den Einzug in den Bundesrat zu verbauen. In der Sonntagszeitung schwang Roger de Weck, der schreibende Arm des Anti-SVP-Kampftrupps, die Buchstabenkeule gegen den früheren SVP-Präsidenten. Dass der Artikel mit sachlichen Fehlern gespickt ist (so hat Ueli Maurer Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf nie mit einem «Blinddarm» verglichen, wie de Weck schwadroniert), spielt keine Rolle; es kommt abermals allein auf die richtige Gesinnung an.
Die Bewegungen der klandestin operierenden Gruppe werden von drei Epizentren aus gesteuert. Das eine heisst «Club Helvétique» und ist ein Forum, worin grün-linke Politiker, Medienleute und viele Professoren sich gegenseitig bestätigen. Das andere heisst «Unser Recht» und ist ein Verein, worin grün-linke und bürgerliche Politiker, Juristen, Funktionäre und viele Professoren sich zur Abwehr der SVP und ihrer Politik eingefunden haben. Das dritte ist die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK), deren linkes Personal sich nun seit einem Jahr über die (inhaltlich fixierte) Konkordanz, Kollegialität, Verfassungsgerichtsbarkeit und den Vorrang des Völkerrechts auslässt und nun mehrheitlich die Wahl des früheren SVP-Präsidenten verhindern will.
«Wir wollen garantieren, dass die Abwahl Christoph Blochers kein singuläres Ereignis bleibt, sondern eine Trendwende einleitet und die politische Landschaft der Schweiz verändert», erklärt der SP-Nationalrat und Bieler Stadtpräsident Hans Stöckli, Mitglied der «Gruppe 13», der SPK und des «Club Helvétique». Die selbsternannte Zulassungsbehörde will «die Wiedereinstiegsbedingungen für die SVP» (Stöckli) in den Bundesrat definieren. Sollte das Parlament zum Schluss kommen, Maurer erfülle diese Vorgaben nicht und sei nicht wählbar, dann würde die arithmetische Konkordanz, die anteilsmässige Vertretung der grossen Parteien in der Regierung, «definitiv über den Haufen geworfen». Ob dies geschehen wird, lässt Stöckli offen. Die definitive Strategiesitzung der 13er fand nach Redaktionsschluss, am Mittwoch dieser Woche, statt. Nach der Konspiration werden die Fraktionen der FDP, CVP, SP und der Grünen instruiert.
Die Einladungen hat der Solothurner Stadtpräsident und FDP-Nationalrat Kurt Fluri, Blocher-Hasser und aktiv im Verein «Unser Recht», verschickt: «an 15 bis 20 Leute, der Club ist offen». Insbesondere bei Freisinnigen wachse das Interesse an der Anti-Maurer-Front. Die Namen der Erstverschwörer sind schon durchgesickert: Nationalratspräsidentin Chiara Simoneschi-Cortesi (CVP, TI) hat an einem Treffen teilgenommen und verzichtet nun, wie Ständeratspräsident Alain Berset (SP, FR), ihres Amtes wegen auf sichtbare Parteinahme. Gegen Maurer machten neben Fluri die FDP-Abgeordneten Dick Marty (TI), Christa Markwalder (BE) oder Christine Egerszegi (AG) mobil, ebenso die CVP-Leute Jacques Neirynck (VD) und Lucrezia Meier-Schatz (SG). Den Hauptharst stellt die SP mit Andreas Gross (ZH), Hans Stöckli (BE), Andy Tschümperlin (SZ), Roger Nordmann (VD) und Eric Nussbaumer (BL). Die Grünen sind mit Präsident Ueli Leuenberger (GE), Luc Recordon (VD) und Antonio Hodgers (GE) vertreten.
Die Kerngruppe alimentiert sich konzeptionell aus «Unser Recht» und «Club Helvétique» (CH), die zudem den nötigen medialen und politischen Sukkurs bieten. CH, ein «Denkverein mit vielen grauen Zellen», wurde 2005 als Reflex frustrierter Linker und Professoren auf die Wahl Blochers in den Bundesrat gegründet. Am Anfang standen Roger de Weck, zweifach gescheiterter Chefredaktor (Tages-Anzeiger und Die Zeit), Multifunktionssoziologe Kurt Imhof und Martin Heller, Verdampfer der Expo-02-Milliarde. Der Basler Europa-Professor Georg Kreis, alt Bundesrichter Giusep Nay, Staatsrechtler sonder Zahl, Sozialstaats-Lobbyisten und linksgrüne Politiker wie Armeeabschaffer und Schmid-Förderer Andreas Gross, Hans Stöckli, Cécile Bühlmann oder Hildegard Fässler komplettieren den dünkelhaften Club zur Kampfschar gegen Blocher und gegen alle SVP-Mitglieder, die sich nicht von ihm distanzieren.
In einem Akt einmaliger Arroganz schreibt der geschlossene CH-Zirkel sich selbst die «Aufklärung», die «Vernunft» im Lande, den «Fortschritt» und, ganz generell, höhere wie auch tiefere Einsichten zu. Er verachtet die Demokratie, die harte Konkurrenz ungebundener Meinungen, die er als populistische «Wettbewerbsdemokratie» verhöhnt, und er preist, wie auf www.clubhelvetique.ch nachzulesen ist, die «Konkordanzdemokratie», die überlegene Regierung Gleichgesinnter. Wenn die Auserwählten debattieren, dann mit Niveau, das heisst unter sich und nicht mit dem gemeinen Volk. So am 21. September in der Zürcher Paulus-Akademie, als zehn CH-Exponenten die Frage «Welche Regierung wollen wir?» drei Stunden lang (von 16 bis 19 Uhr, dann gab es noch einen Apéro) mit der identischen Botschaft beantworteten: eine ohne SVP.

Zerstörung Schweizer Stärken

Das Modell für die neue CH-Schweiz ist das Gespräch unter gelehrten Konformen. Dabei verbauen der blinde Hass und der alleinige Besitz der vermeintlichen politischen Wahrheit den Blick auf gröbere Widersprüche der Art, dass eine Einheitsregierung mit linker Dominanz die SVP erst recht in die Opposition treibt und die verhasste «Wettbewerbsdemokratie» noch akzentuiert. Der logische zweite Schritt müsste dann die Forderung nach dem Verbot einer Partei sein, die sich frei bis ketzerisch zu äussern wagt. Die CH-Elite arbeitet mit Perfidie daran, die Stärken der Schweiz, die freie Rede, die autonome Entscheidung, die Selbstbestimmung zu zerstören. Inquisitorisch, mithin ohne Belege, werden Bürger, welche die Rechte des Individuums und des Volks gegen die Staatsgewalt verteidigen, als Verräter an der Verfassung gebrandmarkt. Es gelte, diktiert der feinfühlige Roger de Weck dem Parlament, alle Hardliner auszugrenzen und von öffentlichen Ämtern fernzuhalten.

Der politische CH-Horizont besteht aus dem Völkerrecht, das allen demokratischen Entscheiden vorgeht, einer Verfassungsgerichtsbarkeit, die alle Initiativen, die mit internationalem Recht kollidieren, vorsorglich verbietet, dem raschen Anschluss an Europa, der Verabsolutierung der Judikative, die unangenehme Urnenentscheide kippt, dem Ausschluss des politischen Gegners von den Entscheidungsprozessen und dem tiefen Misstrauen gegenüber dem Volk (Pöbelherrschaft). Das Ziel ist, kurz gefasst, die Herrschaft der Weisen, die weder an Volksentscheide noch an Ergebnisse der Wahlen gebunden sind.
Dieses Ziel verfolgt auch der Verein «Unser Recht» (www.unser-recht.ch), eine feine Gilde, die mit dem «Club Helvétique» personell und ideell eng verflochten ist. Gegründet wurde die Gruppe eine Woche vor der Abwahl von Bundesrat Blocher, um die Diskussion über das Verhältnis zwischen dem Völkerrecht und der direkten Demokratie, die Blocher lanciert hatte, im Sinne des übergeordneten Internationalen apodiktisch zu beenden. Der imperative Name «Unser Recht» ist darum als Gegenbegriff zu «Eure Demokratie» zu verstehen. Die Fäden ziehen Zürcher Freisinnige um Regierungsrätin Ursula Gut, die Ueli Maurer schon im Ständeratswahlkampf in den Rücken gefallen ist. Die Argumente zur Relativierung der demokratischen Rechte liefern eifrige Staatsrechtler, weitere Professoren sowie der omnipräsente Giusep Nay.
Die politische Umsetzung in Bern und anderswo besorgen Parlamentarier der SP, CVP, FDP und Grünen. Als Mitglieder firmieren etwa die SP-Leute Andreas Gross, Ständeratspräsident Alain Berset, Urs Hofmann (AG) und Claude Janiak (BL), die Freisinnigen Kurt Fluri (Sekretär der ominösen «Gruppe 13»), Christa Markwalder (BE), Helen Leumann (LU), Johann Schneider-Ammann (BE) oder Dick Marty (TI). Bereits als Maurer-Nichtwählerin geoutet hat sich die Zürcher CVP-Nationalrätin Barbara Schmid-Federer. Die Grünen vertreten der Berner Deputierte Alec von Graffenried und der Aargauer Geri Müller.
«Unser Recht» hat mit grossem Einsatz die Einbürgerungsinitiative der SVP und die Initiative des Rechtsfreisinns, «Verbandsbeschwerderecht: Schluss mit der Verhinderungspolitik», bekämpft. Was allerdings zu ersten Absetzbewegungen führt. Der Zuger FDP-Ständerat Rolf Schweiger kündigt nach den jüngsten Interventionen gegen das FDP-Anliegen seinen Abschied aus dem Verein an. Sein Ratskollege This Jenny (SVP, GL) hat sein Austrittsschreiben an «diesen Club der Elitären und Rechtsverdreher» schon abgeschickt: «Für diese Kreise ist es doch ein Greuel, ein Super-GAU, ja nachgerade unvorstellbar, dass ein Mensch ohne Hochschulabschluss in den Bundesrat einziehen könnte!»
Nun greift die unheimliche Lobby-Gruppe für den Richterstaat und das Primat des internationalen Rechts in den Bundesratswahlkampf ein. Damit ist die Ausgangslage für den 10. Dezember klar: Ueli Maurer wird in der Vereinigten Bundesversammlung auf die genau gleich formierte und starke Gegnerschaft stossen wie vor Jahresfrist Christoph Blocher. Gnade vor Strafe wollen einige Scharfrichter der Mitteparteien nur walten lassen, wenn Maurer öffentlich abschwört, wenn er sich unter das Joch des bedingungslosen Ja zu den «Wiedereinstiegsbedingungen» der von Andreas Gross geführten 13er-Auslese zwingen lässt.
Wenn er sich beugt und so seine Wähler und die Partei verrät. Letztlich ersetzt die blasierte Intelligenzija das Zensus-Wahlrecht aus den Urzeiten der Demokratie heimlich durch eine Art Gesinnungs-Wahlrecht: Durften früher nur Gutbetuchte an die Urne marschieren und öffentliche Ämter bekleiden, so sollen nach dem Diktat von «Club Helvétique» und «Unser Recht» in der Schweiz künftig nur noch die Stimmen der Leute mit der rechten, also linken Denkart zählen. Wer eine SVP-Liste einlegt, bemüht sich vergeblich. Echte SVP-Politiker dürfen kein Regierungsamt übernehmen; SVP-Initiativen müssen vom Bundesgericht oder von einer «präventiven Verfassungskontrolle» vorsorglich annulliert werden. Als der Luzerner Josef Zemp 1891 in den Bundesrat gewählt wurde, um die oppositionellen katholisch-konservativen Innerschweizer mit dem neuen Bundesstaat zu versöhnen und die politische Blockade der Schweiz zu überwinden, verlangte das Parlament auch nicht zuerst den Konfessionswechsel des Kandidaten und die Verleugnung des Papstes in Rom. Es galt die pragmatische Konkordanz, der Einbezug aller relevanten Kräfte in die Landesregierung, wie sie auch praktiziert wurde, als später die BGB und die Sozialdemokraten eingebunden wurden, um die Einheit und die Verteidigung des Landes zu wahren. Die Konkordanz wurde nie als inhaltliche Einheit oder gar Gleichschaltung verstanden.
Wird Ueli Maurer nicht in den Bundesrat gewählt, bricht die Bundesversammlung mit dem System Schweiz, das seit 117 Jahren funktioniert. Mit der Abwahl von Christoph Blocher wurde die SVP gewissermassen probehalber in die Opposition geschickt. Wird auch ihr zweiter Anwärter zurückgewiesen, dann zementiert das Parlament diesen Zustand.
Das Land kann auch so funktionieren, auch wenn die wirtschaftlichen Zeiten für politische Experimente nicht allzu günstig sind. Wichtig aber, dass der Bürger weiss, welche Gruppe mit welchen Wurzeln und Motiven die Macht übernommen hat in Bern.

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