Dienstag, 28. Dezember 2010

Die Irrtümer der EU-Beitritts-Befürworter

von dipl. Ing. ETH Max Salm

1. Mitspracherecht
Behauptung: Auf dem bilateralen Weg müsste die Schweiz als Nichtmitglied EU-Regelungen übernehmen, bei denen wir in der Entstehungsphase nicht mitreden könnten.
Diese Aussage mag zwar juristisch richtig sein, dem Sinne nach ist sie grundfalsch. Denn als EU-Nichtmitglied muss die Schweiz kein einziges EU-Recht übernehmen, das ihr nicht genehm ist. Unseren Unterhändlern und auch dem Schweizervolk im Falle einer Abstimmung steht es völlig frei, einem bilateralen Vertrag zuzustimmen oder ihn abzulehnen. Dieses Recht haben wir aber nicht mehr, wenn wir EU-Mitglied wären. Als EU-Mitglied haben wir nur theoretisch ein Mitspracherecht. Denn erstens hat die Schweiz nur eine von 27 Stimmen und zweitens werden die Entschlüsse nicht im EU-Parlament, sondern in der Kommission gefasst, wo der Schweizer Einfluss minimal ist. Die Schweiz hat als Nichtmitglied eindeutig eine stärkere Position.

2. EURO statt Franken
Behauptung: Mit dem EURO hätten wir nicht die Probleme mit dem hohen Frankenkurs.
Hier muss man fragen: Ist der hohe Frankenkurs wirklich ein Problem für die Schweiz? Da wir ja in unserem Lande überhaupt keine Rohstoffe haben und zudem etwa 40 Prozent unserer Nahrungsmittel importieren müssen, werden die Grundstoffe durch einen hohen Frankenkurs billiger. Das hilft unserer Exportindustrie. Zudem ist ein erheblicher Teil unserer Exporte für Nicht-EURO-Länder bestimmt, sodass sich nicht die ganze EURO-Kurs-Misere auf unsere Exporte auswirkt. Wie die Entwicklung der Wirtschaft seit der Krise 2009 und seit dem EURO-Kurszerfall zeigt, gelang es unserer Industrie rasch, neue Kunden ausserhalb der EU zu finden. Kurzfristig entstehen mit dem hohen Frankenkurs sehr wohl Probleme in der Exportindustrie, aber die innovativen Firmen konnten und können auch in Zukunft langfristig immer Lösungen finden.
Hinzu kommt, dass der EURO, und da sind sich alle Fachleute einig, eine Fehlkonstruktion ist. Es ist nicht möglich, ein Konglomerat von Staaten mit so unterschiedlichen Wirtschaften wie etwa Griechenland und Dänemark, oder Holland und Polen, mit einer gemeinsamen Währung zusammenzubinden. Mit eigenen Staatswährungen kann der Geldfluss zwischen den unterschiedlichsten Wirtschaftsstrukturen rasch und wirksam reguliert werden.

3. Aussenhandel
Behauptung: Die EU ist unser Haupthandelspartner, also müssen wir dabei sein.
Bis vor kurzem gingen tatsächlich fast 60 Prozent unserer Exporte in EU-Länder. Eine solche Einseitigkeit ist grundsätzlich schädlich, denn sie macht uns erpressbar. Bereits als Folge der letzten Krise von 2009 hat unsere Wirtschaft mit Erfolg neue Märkte gesucht und auch gefunden. Das ist die bessere Lösung als ein Beitritt.
Zudem, die Schweiz war seit ihrer Industrialisierung immer mit der ganzen Welt verbunden. Auch heute noch können unsere Behörden auf Betreiben der Exportwirtschaft mit allen Ländern der Welt über Handelsabkommen verhandeln. Als Mitglied der EU müssten wir uns auf die EU-Handelspartner beschränken. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass die EU nur wegen der Schweiz mit irgendeinem Land Handelsbeziehungen anknüpfen würde.

4. Sicherheit
Behauptung: Die Schweiz ist zu klein, um erfolgreich für ihre Sicherheit zu sorgen.
Wir erhalten täglich per Medien den Beweis, dass kleine Völker mit ihren Milizen, mit minimaler Rüstung, die besten Profiarmeen der Welt schlagen können. Die Afghanen haben die mächtigste Armee der Welt (Sowjetunion) aus dem Lande geworfen und momentan sind die Taliban daran, das gleiche mit der modernsten Armee der Welt (Nato) zu tun.
Zudem ist auf ausländische Partner kein Verlass. Zwar haben 1939 England und Frankreich wegen den mit ihnen verbündeten Polen den Nazi den Krieg erklärt, aber die polnische Unabhängigkeit konnten sie nicht retten. Und bei den Friedensverhandlungen in Jalta haben die Alliierten Polen kampflos Stalin übergeben. Und noch heute, 65 Jahre nach dem Krieg, gehören grosse Teile von Polen noch immer zu Russland.
Sebrenica wurde von Uno-Truppen beschützt, aber diese konnten nicht verhindern, dass Tausende von unschuldigen Menschen ermordet wurden. Nur wer sich selber schützen kann, hat eine Chance zu überleben. Eine Milizarmee, deren Mitglieder im eigenen Land jeden Stein kennen, hat schlussendlich immer gewonnen. Und das ist auch heute nicht anders. Was wir also brauchen, ist eine Milizarmee, gerüstet für die Verteidigung unseres eigenen Landes, und nicht eine Armee, die auf der ganzen Welt im Verein mit anderen Armeen Krieg führen kann. Aber dazu braucht es den Willen und die Entschlossenheit aller. Leider zeigt eine Vielzahl unserer Eliten diese Entschlossenheit heute nicht mehr. Und genau da liegt das Problem.

5. Demokratie, Neutralität
Behauptung: Unsere Demokratie und die Neutralität kann trotz Beitritt weiter bestehen.
Es gibt in der EU-Gesetzgebung einige Freiräume, die die Mitgliedstaaten ausnützen können. Aber diese Freiräume werden täglich kleiner. Ein Referendums- oder ein Initiativrecht besteht in der EU nicht. Die EU-Kommission kann unsere Neutralität, wann immer sie will, ohne Rücksprache mit uns abschaffen. Dank der Neutralität konnte sich die Schweiz seit dem Wienerkongress aus allen Kriegen heraushalten und auf beiden Seiten eines Konfliktes humanitär wirken.

6. Grösse
Behauptung: Die Schweiz ist zu klein, um sich als selbständiger Staat zu behaupten.
Der Hang zur Grösse ist das Kennzeichen der modernen Manager. Aber fast alle haben mit ihrem Grössenwahn Schiffbruch erlitten.
Vor einigen Jahren sagte der Feldschlösschen-Chef, seine Firma sei zu klein, um zu bestehen. Er verkaufte die Brauerei an den grossen dänischen Konzern Carlsberg. Heute aber steckt Feldschlösschen in grossen Schwierigkeiten, derweil etwa 250 kleine und kleinste lokale Schweizer Brauereien florieren. Auch die Geschichte lehrt uns, dass Grösse nicht vor dem Untergang schützt. So ist das grosse osmanische Reich oder das römische Imperium, das sich von Afrika bis an die schottische Grenze erstreckte, schmählich untergegangen. Warum ist das so? Derart grosse Gebilde, und da gehört auch die heutige EU dazu, sind nur in der Form einer Diktatur zu regieren. Und in allen Diktaturen ist der oberste Chef so weit von der Wirklichkeit entfernt, dass er dauernd falsch entscheidet oder gar nicht merkt was in den unteren Rängen geschieht. Das jüngste Beispiel dafür lieferte die Weltkrise von 2009. Die kleine Schweiz hat diese Krise besser überstanden als alle grossen und mächtigen Staaten.
Ein kleines Gebilde ist überschaubar und kann viel rascher und zielgerichteter auf äussere Störungen reagieren als die grossen. Und das stimmt selbst dann, wenn unsere direkte Demokratie bisweilen die Politik wesentlich verlangsamt.

7. Die Schweiz als Sonderfall
Behauptung: Die Schweiz ist kein Sonderfall, sie muss sich öffnen und anpassen.
Welch unsinnige Aussage. Da sind einmal die politischen Eigenheiten:
a) Die Schweiz ist das einzige Land der Welt, das eine funktionierende direkte Demokratie, mit den Volksrechten der Initiative und des Referendums vorweisen kann. Darum ist die Schweiz das Land mit einem Minimum an Streiks und inneren Unruhen.
b) Ebenso einzigartig ist der föderalistische Aufbau des Staates. Dem zu verdanken ist das friedliche Zusammenleben von vier Kulturen und vier Sprachregionen. In allen anderen Ländern der Welt gibt es unüberwindliche Minderheitsprobleme.
c) Die eindeutige und klare Trennung der Gewalten, Legislative, Exekutive und richterliche Gewalt, gibt der Schweiz eine von aller Welt geschätzte Rechtssicherheit.
d) Nach der heute noch gültigen Bundesverfassung verpflichtet sich die Schweiz zur Neutralität und ist bereit, dieser Neutralität mit einer grossen Milizarmee, die stark im Volke verankert ist, Nachachtung zu verschaffen. Die Verfassung verlangt, dass jeder gesunde Bürger Wehrdienst leistet und jederzeit bereit sein muss, um zum Wehrdienst aufgeboten zu werden, d.h. jeder Mann hat seine Waffe bei sich zu Hause. Leider sind viele unserer Politiker daran, diese Verfassungsvorschriften auszuhöhlen. Daneben gibt es viele wirtschaftliche und geographische Eigenheiten, die klar machen, dass die Schweiz ein Sonderfall ist.
e) Gut ein Drittel des Landes ist Fels und Eis und weder zum Wohnen noch zur Landwirtschaft geeignet. Das muss man bei den Angaben über die Bevölkerungsdichte und bei der Preisgestaltung der Landwirtschaftsprodukte berücksichtigen.
f) Die Schweiz besitzt als einziges Land Europas überhaupt keine Erdschätze. Die Einwohner müssen allen Wohlstand mit eigener Arbeit verdienen.
g) Der Schweizer arbeitet, als Einziger in Europa, über vierzig Stunden pro Woche. Das ist einer der wichtigen Gründe für das höhere Lohnniveau und den Wohlstand in der Schweiz.
Der Wunsch nach Öffnung gegenüber dem Ausland rennt offene Türen ein. Seit der Industrialisierung der Schweiz werden internationale Handelsbeziehungen gepflegt und seit etwa 150 Jahren heissen unsere Hoteliers Gäste aus aller Welt willkommen.
Wann immer eine EU-Regel übernommen werden muss, rufen die EU-Turbos nach flankierenden Massnahmen. Wäre die Schweiz kein Sonderfall, wäre das nicht nötig.

8. Rosinenpickerei
Behauptung: Die Schweizer wollen immer eine Extrawurst.
Nationalrat Luzi Stamm sagt: «Ich bin der festen Überzeugung, dass wir nicht ‹Rosinen picken›, sondern dass wir stattdessen ständig ‹Kröten schlucken›. Bei den sieben Verträgen ‹Bilaterale l› ist nur das Dossier ‹technische Handelshemmnisse› und allenfalls ‹Submissionswesen› für die Schweiz positiv. Die anderen fünf Dossiers sind für uns negativ, inklusive ‹Personenfreizügigkeit›. Auch von den neun bilateralen Verträgen II sind die meisten Dossiers zu unserem Nachteil: Schengen, Zinsbesteuerungen bis hin zum lächerlichen Dossier ‹EU-Pensionierte›. Wenn man von «Leistungen» sprechen will, die wir für die EU bringen, fallen natürlich vor allem die Milliarden für die NEAT ins Gewicht, die wir selbstverständlich nicht für den Binnenverkehr bauen, sondern für den EU-Durchgangsverkehr.»
Die Schweiz kann wohl den besten Beitrag für ein Europa mit Zukunft leisten, wenn sie bleibt, was sie ist: Modell eines Kleinstaates, der die Kraft besitzt, verschiedene Kulturen und Sprachen in sich zu vereinen, dank der föderalistischen Grundstruktur und einer Demokratie, die auf wirklicher Mitbestimmung beruht. •

Quelle: Beilage zu mediawatch.ch (www.mediawatch.ch) , Nr. 175, vom Dezember 2010. Mediawatch.ch sind die Informationen der Schweizer Vereinigung «Medien-Panoptikum».

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