Donnerstag, 15. April 2010

Integration in Basel-Stadt

«Niedriger als ein Tier»

Ein Imam hetzt in Basel gegen Ungläubige. Die Stadt und ihre Integrationschefin reagieren höchst seltsam.

Von Daniel Glaus

Basler Innenstadt, 4. Dezember 2009, «Schweigemarsch» nach der Annahme des Minarettverbots: Karin Bauer, Journalistin des Schweizer Fernsehens (SF), befragt muslimische Demonstrantinnen zu Kopftuch und Integration. Ein älterer Migrant erklärt, weshalb seine Frau nach vierzig Jahren in der Schweiz kaum Deutsch spricht. Plötzlich drängt sich Lilo Roost Vischer zwischen das Paar und vor die Kamera: «Was filmen Sie? Entschuldigung! Ich bin von der Integration Basel, ich frage offiziell, ich frage als Begleiterin: Für was machen Sie einen Sprachtest?» Die Stimme der Ethnologin und Religionswissenschaftlerin droht zu überschlagen. Roost Vischer schwankt zwischen süffisantem Lächeln und aggressivem Blick. Sie drängt die SF-Reporterin ab, diese sagt, das sei Zensur. Was Roost Vischer einfällt, ist wirr: «Ja, das ist . . . Ja hören Sie, das ist Tabu-Brüchlein Numero eins.» Schnitt.

Karin Bauers Dokumentar-Film «Hinter dem Schleier» entlarvte weit mehr als das Verhalten der Lilo Roost Vischer: Islamische Hassprediger gibt es – ausgerechnet in Basel. Und das Vorgehen der Integrationsfrau ist symptomatisch dafür, wie eine Maschinerie aus Behörden, Politik und Medien offensichtliche Probleme unter den Teppich kehren will.

Bauers Film belegt die Predigt des Imams Ridha Ammari aus Tunesien in der Basler Arrahma-Moschee: «Ohne die Botschaft Mohammeds [. . .] ist die ganze Menschheit auf dem Irrweg. Sie ist niedriger als ein Tier. Ja doch, meine Glaubensbrüder, niedriger als ein Tier. Weil: Ein Tier anerkennt Allah und dient ihm.» Auch in einer Genfer und einer Bieler Moschee stiess Bauer auf extremistische Predigten. Doch nur in Basel waren die Reaktionen derart absurd.

Georg Kreis, Präsident der Eidgenössischen Antirassismuskommission, liess dem lokalen Newsportal Onlinereports.ch ausrichten, er wolle sich «in diesem Fall an der von Fernsehen und SVP betriebenen Medienaufmerksamkeit nicht beteiligen». Tags darauf konnte er der Aufmerksamkeit nicht widerstehen und dozierte, «dass ‹Andersgläubige› oder der ‹Mensch› keine rechtliche Schutzkategorie» sei. Das SF habe nur «die anstössigen Passagen herausgepickt». Die Muslime stünden «einmal mehr» unter «Generalverdacht».

Die Basler Zeitung titelte: «Die ‹Hasspredigt› zerfällt». Im Interview durfte Imam Ammari, als «R. A.» verschleiert, sagen, wie traurig er sei und dass er «Toleranz, Integration und ein friedliches Leben» predige. Das SF habe unsauber recherchiert, implizierte die Baz. «DOK»-Chef Christoph Müller sagte: «Die Aussage des Imams ist beweisbar und verlässlich.» Bauer konnte das der Weltwoche belegen.

Die meisten Basler waren beruhigt, als Regierungspräsident Guy Morin (Grüne) den Imam der Arrahma-Moschee empfing und ihn an «seine Vorbildfunktion erinnerte». Die Abschrift der Predigt enthalte diskriminierende Äusserungen, sagt Morin der Weltwoche. Die Stadt müsse den «interreligiösen Dialog verstärken», um solchen Predigten vorzubeugen. Und Basel werde eine Selbstkontrolle in den Moscheen verlangen. Aber auch in anderen fundamentalistischen Gemeinschaften werde so gepredigt, relativierte Morin.

Auf Druck der SVP und der Liberalen musste sich Morin gestern im Grossen Rat äussern. Zur Rolle von Roost Vischer sagt Morin, ihr Vorgehen sei «ungeschickt» gewesen. Aber sie habe Konfrontationen verhindern wollen – was nicht unbedingt von der Friedfertigkeit aller Basler Muslime zeugt.

Erschienen in der Weltwoche Ausgabe 15/10

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