Dienstag, 16. Februar 2010

Wenn der Staat kriminell wird

Legal – illegal – egal?

Michael Grandt

Aus Steuergier kauft die Bundesregierung Hehlerware, bricht den Rechtsstaat, mischt sich in die Strafprozessordnung eines anderen Landes ein und wundert sich dann auch noch über entsprechende Reaktionen.

Die Bundesregierung hat beschlossen, von einem Dieb in der Schweiz Bankdaten deutscher Steuerhinterzieher für 2,5 Millionen Euro zu »kaufen«. Niemand spricht von Erpressung, doch der Hehler will die Ware nur gegen Cash hergeben. Was also ist es anderes? Die Bundesregierung lässt sich nicht einmal von Terroristen erpressen, wenn es jedoch um angeblich hinterzogene Steuern geht, ist man nur all zu gern bereit, sich dieser Erpressung zu beugen.

Recht ist, was dem Staate nützt
Damit erhebt sich die Bundesregierung gegen jegliche rechtsstaatliche Überzeugungen und macht Geschäfte mit einem Verbrecher. Aber natürlich ist das keine Hehlerei, denn Daten wären keine »Sache«, argumentieren die eifrigen Befürworter des Kaufs. Mit solchen halbseidenen juristischen Winkelzügen will man diesen letztlich »schönreden« und legalisieren.

In den Augen vieler Verfassungsrechtler begeht die Bundesregierung aber eine Straftat und hebelt den Rechtsstaat zu ihren Gunsten aus. Das hatten wir schon einmal in Weimar. Doch nicht nur im Inland sorgt die Entscheidung für Aufregung, auch in der Schweiz. Denn Datenklau ist in unserem Nachbarland eine Straftat und wird geahndet. Deutschland mischt sich durch den Ankauf illegaler Daten nicht nur in die Strafprozessordnung eines anderen Staates ein, sie unterstützt die kriminelle Handlung auch noch und belohnt den Täter.

Das ist unseren Schweizer Freunden in der Tat nur schwer zu vermitteln und zurecht weist die Weltwoche daraufhin, dass Angela Merkel das Recht bricht: »Recht ist, was dem Staate nützt (…) Der Kanzlerin sei durchaus klar gewesen, dass der Kauf der Daten widerrechtlich sei, aber (…) angesichts der ›aktuellen politischen Gemengelage‹ habe sie entschieden, dass in diesem Fall die ›reine juristische Lehre‹ nicht angewendet werden könne. Das heißt zu Deutsch: Politische Stimmungslagen, der Druck der Straße diktieren in Deutschland, ob der Rechtsstaat eingehalten wird.«

Der Staat als Räuberbande
Wenn es um das Eintreiben und Erheben von Steuern geht, kennt unser »Rechtsstaat« also keine Grenzen und scheut auch nicht davor, mit Verbrechern zusammenzuarbeiten und sie sogar noch zu belohnen.

Augustinus, der Kirchenvater schrieb: »Fehlt die Gerechtigkeit, was anderes sind dann Regierungen als große Räuberbanden?« So ähnlich sieht das auch der frühere Verfassungsrichter Winfried Hassemer im Spiegel, denn mit dem Ankauf der Daten begebe sich der Staat »auf dieselbe Ebene wie der Straftäter«. Der Staat sorgt also dafür, dass Hehlerei und Denunziantentum hoffähig werden. Wo aber ist die Grenze?

Steuern über alles?
Die Linken propagieren einen machtvollen, starken Staat, der als Träger und Garant des Gemeinwohls fungieren soll. Die »Versorgungsmasse« soll von einer bestimmten Klientel ernährt werden, die von einem steuerbewehrten Staat zur Kasse gebeten werden. Dieser starke obrigkeitsstaatliche und sozialfürsorgliche Drang ist nicht neu und entspricht der Haltung der reformpreußischen Gesinnung des späten 18. Jahrhunderts.

Steuern – ja. Aber mit Maß und Ziel. Der Gedanke, dass das Erheben und das Eintreiben von Steuern eigentlich eine Anmaßung des Staates ist, scheint uns völlig fremd geworden zu sein. Oft genug war sie Raub und Enteignung. Doch wir brauchen ein gutes Stück Staatsskepsis, um dem Steuerabsolutismus in Zeiten überbordender Verschuldungen zu entgegnen und das Steuerwesen zurückzudrängen. Passen Steuerstaat und Zivilgesellschaft wirklich gut zusammen? Nur der Umverteilungs- und Planungsstaat kann keine Gerechtigkeit und sozialen Ausgleich gewähren, denn Kapitalflucht ist eine praktische Kritik am Staat.

Wenn Menschen Vertrauen in die Politik haben und den Eindruck gewinnen, die Volksvertreter würden richtig mit den Steuergeldern umgehen, dann zahlen sie auch gerne Steuern. Doch wir haben ein System, in dem sogar Steuern auf Steuern erhoben werden, siehe Erbschaftssteuer oder Mineralölsteuer. Deshalb ist für manche Kapitalflucht schlichtweg nur Notwehr.

Sogar Politiker selbst scheinen das so zu verstehen, denn manch einer ist schon wegen Steuerhinterziehung angeklagt worden. Wie viele »schwarze Kassen« gab und gibt es bei den Parteien denn überhaupt noch?

Die Diskussion scheint heuchlerisch: Diejenigen, die sich aufregen, sollten Folgendes bedenken und sich vielleicht an die eigene Nase fassen: 15 Prozent der Arbeitsleistung ist Schwarzarbeit; bei den meisten Steuererklärungen wird geschummelt; es gibt allenthalben Sozialbetrug; ganz zu schweigen von Haushaltsleistungen, die man ohne Rechnungen bar auf die Hand bezahlt; und die Schwarzfahrer werden ja auch nicht weniger.

Wehe also dem, der den ersten Stein wirft.

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