Montag, 28. März 2011

Krieg gegen Libyen

Obamas »Schweinebucht« in Libyen: Imperialistische Aggression verletzt UN-Charta

Webster G. Tarpley

Am 19. März starteten amerikanische und britische Marschflugkörper gemeinsam mit französischen und anderen NATO-Kampffliegern die Operation Odyssey Dawn oder Operation Ellamy, einen neoimperialistischen Luftangriff unter einem vorgetäuschten humanitären Vorwand, gegen den souveränen Staat Libyen. Und Samstagnacht Ortszeit feuerten amerikanische Marineeinheiten im Mittelmeer im Einklang mit der Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates 112 Marschflugkörper auf Ziele, die nach Behauptung des Pentagons zum libyschen Luftverteidigungssystem gehörten. Aber Mohammed al-Zawi, Generalsekretär des libyschen Parlaments, erklärte auf einer Pressekonferenz in Tripolis, dieser »barbarische Angriff« und diese »grausame Aggression« habe neben militärischen Zielen auch Wohnsiedlungen und Bürogebäude getroffen. In die Krankenhäuser von Tripolis und Misurata seien viele zivile Opfer eingeliefert worden. Zawi warf den ausländischen Mächten vor, eine Rebellenführung zu unterstützen, zu der auch bekannte terroristische Elemente gehörten. Die libysche Regierung wiederholte ihre Forderung an die UN, eine internationale Beobachtergruppe nach Libyen zu schicken, um über die Ereignisse dort objektiv zu berichten.

Man geht davon aus, dass die Angreifer weitere Marschflugkörper und Bomber einsetzen werden, um das libysche Luftverteidigungssystem zu zerschlagen, um dann im Anschluss die libyschen Bodentruppen zu dezimieren. Internationale Beobachter sind der Auffassung, die amerikanischen nachrichtendienstlichen Erkenntnisse über Libyen seien möglicherweise so unzureichend, dass viele Marschflugkörper deshalb tatsächlich nichtmilitärische Ziele getroffen haben könnten.

Libyen reagierte auf die Abstimmung im UN-Sicherheitsrat, indem es einen Waffenstillstand ausrief, was aber von Obama und Cameron beiseitegeschoben wurde. Ebenfalls am Samstag strahlten die Fernsehsender France 24 und Al-Dschasira aus Katar – internationale Propaganda-Sender, die die Angriffe aufbauschten –, hysterische Berichte aus, nach denen Einheiten Gaddafis angeblich die Rebellenhochburg Bengasi angriffen. Sie zeigten Bilder eines Kampfflugzeuges, das gerade abgeschossen wurde, und behaupteten, dies beweise, dass Gaddafi sich über die Forderung der UN hinwegsetze und seine Luftangriffe weiterführe. Später stellte sich heraus, dass das abgeschossene Kampfflugzeug zur Luftwaffe der Rebellen gehörte. Berichterstattungen wie diese lieferten die Rechtfertigung für weitere Bombenangriffe, die wenige Stunden später begannen. Parallelen zu der, wie sich später herausstellte, gefälschten Meldung, Saddams Truppen hätten in kuwaitischen Krankenhäusern Säuglinge in Brutkästen getötet, drängen sich auf. Gaddafi-Anhänger erklärten, die Kämpfe am Samstag seien durch Angriffe der Rebellen auf Regierungseinheiten ausgelöst worden, wobei die Rebellen hofften, damit Luftangriffe zu provozieren. Zudem hätten Anwohner gegen die Aufständischen zur Selbstverteidigung gegriffen.

Bei der Diskussion im Sicherheitsrat wies der indische Delegierte zurecht darauf hin, die Entscheidung, den Krieg zu beginnen, sei auf der Grundlage nicht bestätigter Informationen getroffen worden, da der Gesandte UN-Generalsekretär Ban-ki Moons dem Sicherheitsrat keinen Bericht erstattet hatte. Die Luftangriffe begannen kurz nach einem »Glitter«-Gipfeltreffen in Paris zur »Unterstützung des libyschen Volkes«, auf dem Sarkozy, Cameron, Hillary Clinton, Stephen Harper aus Kanada und andere imperialistische Politiker geprahlt und posiert hatten.

Eher symbolische Truppenkontingente aus Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jordanien und Saudi-Arabien sollten sich an den Angriffen beteiligen, aber waren nirgendwo zu sehen. Zudem rechnete man mit der finanziellen Unterstützung einiger arabischer Staaten. Die Kosten für die Aufrechterhaltung einer Flugverbotszone über Libyen für die Dauer eines Jahres belaufen sich Schätzungen zufolge auf mindestens 15 Milliarden Dollar – mehr als genug, um eiweißreiche Kost für bedürftige amerikanische Mütter und Kinder über einen Zeitraum von zwei Jahren zu finanzieren.

Von der Flugverbotszone zum Regimewechsel
Die Luftangriffe verfolgten angeblich das Ziel, eine Flugverbotszone zu errichten und die von der CIA unterstützten libyschen Rebelleneinheiten zu schützen. Diese Aufständischen setzen sich aus Kreisen der Moslembruderschaft, von der CIA unterwanderten Teilen der libyschen Regierung und der Armee (dazu gehören zwielichtige Persönlichkeiten wie der frühere Justizminister Mustafa Abdel-Jalil und der ehemalige Innenminister Fattah Younis) sowie Angehörigen des monarchistisch eingestellten Senussi-Stammes zusammen, die die Städte Bengasi und Tobruk besetzt haben. Aber zwei Ultimaten vom Freitag durch Präsident Obama und den britischen Ministerpräsidenten David Cameron sowie eine Rede Harpers machten eindeutig klar, dass das eigentliche Ziel die Vertreibung Oberst Muammar al-Gaddafis und ein Regimewechsel in der nordafrikanischen Erdölfördernation ist, deren nachgewiesene Reserven die größten des Kontinents bilden.

Ein militärischer Erfolg ist trotz der scheinbaren Überlegenheit der NATO ungewiss. Bisher wurden keine eindeutigen militärischen Ziele formuliert, und Unstimmigkeiten über das Ausmaß des Krieges sind sehr wahrscheinlich. Sollten sich Gaddafis Panzer- und Infanterieeinheiten in einen Häuserkampf mit den Rebellen in Städten wie Bengasi und Tobruk einlassen, wird es für die NATO schwierig sein, ihre Luftüberlegenheit auszuspielen, ohne dass es zu hohen Opfern unter der Zivilbevölkerung kommt.

Von Hoffnung und Veränderung zur Einschüchterungsstrategie
Das Vorgehen Obamas wird zwar oft mit dem Angriff Bushs und Cheneys 2003 auf den Irak verglichen, aber es drängen sich auch Parallelen zum sogenannten »Schweinebuchtfiasko« vom April 1961 auf. Damals wurde eine starke Kampfgruppe aus kubanischen Castro-Gegnern, die von der CIA ausgebildet und organisiert worden war, bei dem Versuch, Kuba zu übernehmen, militärisch geschlagen. Allen Dulles forderte daraufhin Präsident Kennedy zu Luftangriffen und einer Invasion mit Bodentruppen auf. Kennedy lehnte diese Forderung aber ab und entließ die CIA-Führung unter Dulles. Da die von der CIA gesteuerten Kräfte in Libyen zu scheitern drohten, ordnete Obama die Luftangriffe an und eröffnet damit die zweite Phase des derzeitigen US-Debakels.

In der von den Rebellen kontrollierten Region Kyrenaika agitiert schon seit Längerem die Moslembruderschaft mit amerikanischer Unterstützung von jenseits der ägyptischen Grenze gegen Gaddafi. Nach dem gescheiterten Anschlag gegen den libyschen Führer von 1995, über den der MI5-Aussteiger David Shayler berichtete und für den der MI6 100.000 Pfund an eine Al-Qaida-Untergruppe bezahlte, setzten sich islamistische Aufständische in Ostlibyen fest. Als Folge der Ereignisse in Tunesien und Ägypten wurde deutlich, dass die CIA mit der reaktionären und oligarchischen Moslembruderschaft, die in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts vom britischen Geheimdienst in Ägypten aufgebaut worden war, eine weltweite Allianz gegen existierende arabische Regierungen geschmiedet hatte. Die Gruppe Al Qaida des islamischen Maghreb (AQIM), ebenfalls eine CIA-Frontorganisation, verkündet auf ihrer Internetseite lauthals ihre volle Unterstützung für die Rebellen.

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy erkannte als Erster die Rebellen in Bengasi an und forderte bereits vor einer Woche, sekundiert durch den britischen Premierminister David Cameron, die Einrichtung einer Flugverbotszone sowie Luftangriffe. Noch etwa 18 Stunden vor der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat hoben führende amerikanische Politiker und Diplomaten wie Außenministerin Clinton und Verteidigungsminister Gates die Schwierigkeiten und Probleme einer Flugverbotszone hervor. Der französische Außenminister Juppé beklagte, für eine Flugverbotszone sei es bereits zu spät. Dann forderten auch die USA plötzlich eine Flugverbotszone sowie grünes Licht für Luftangriffe. Diplomatische Beobachter zeigten sich durch Obamas Kehrtwende beunruhigt. War er von Briten und Franzosen, der gleichen imperialistischen Koalition, die 1956 in Ägypten einmarschiert war, um den Suezkanal zu besetzen, unter Druck gesetzt worden? Aufgrund der Entscheidung Obamas befinden sich die USA nun nach Afghanistan, dem Irak und Pakistan mit einer vierten moslemischen Nation im Krieg. In Pakistan droht der brodelnde Konflikt im Zusammenhang mit dem Justizskandal um den »freien« CIA-Mitarbeiter Ray Davis, dem die Pakistaner vorwerfen, mit Terroristen zusammenzuarbeiten, in einen offenen Streit zu eskalieren.

Zur Überraschung vieler Analysten stimmte die Arabische Liga einstimmig der Errichtung einer Flugverbotszone über Libyen zu. Im Gegensatz dazu hat die Afrikanische Union eine ausländische Intervention mit aller Deutlichkeit zurückgewiesen. Westliche Diplomaten hatten die Position der Afrikanischen Union abschätzig kritisiert, was ihnen den Vorwurf des Rassismus eintrug. Dieser Eindruck wurde noch durch Berichte verschärft, nach denen die Aufständischen zahlreiche Schwarzafrikaner gelyncht hätten, weil es sich angeblich um von Gaddafi angeheuerte Söldner gehandelt habe.

Einmischung in die inneren Angelegenheiten Libyens verstößt gegen UN-Charta
Diplomatische Beobachter zeigten sich über die weitreichende Resolution, die vom Sicherheitsrat verabschiedet worden war und den Einsatz »aller erforderlichen Maßnahmen« gegen Libyen zulässt, schockiert. Die Charta der Vereinten Nationen beschränkt ein militärisches Eingreifen nach Art. 7 ausdrücklich auf eine Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit, die Libyen niemals dargestellt hat, schließt aber die Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Mitgliedsstaaten aus. Der Vorwand, der in diesem Fall vorgebracht wurde, betrifft den Schutz von Zivilisten, aber es ist offensichtlich, dass die Aufständischen eine eigenständige bewaffnete militärische Kraft darstellen. Da kein Staat als Aggressor gegen sich selbst auf seinem eigenen Territorium auftreten kann, stellt die Resolution des Sicherheitsrates eine flagrante Verletzung der UN-Charta dar. Russland, China, Brasilien, Deutschland und Indien enthielten sich der Stimme. Die Resolution schließt ein Waffenembargo gegen Libyen ein, gegen das die USA bereits verstoßen haben, als sie die Aufständischen über Ägypten mit Waffen versorgten.

Die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice, Samantha Power vom Nationalen Sicherheitsrat und Außenministerin Hillary Clinton gehören zu den offiziellen US-Vertreterinnen, die sich für die Aggression einsetzen und erweisen sich damit als ebenso kriegslüstern wie die Neokonservativen aus der Denkschule von Rumsfeld und Wolfowitz.

Die libysche Luftwaffe verfügt über 13 Stützpunkte und etwa 374 einsatzfähige Kampfflugzeuge, von denen viele allerdings veraltet sind. Militärische Beobachter werden die Leistungsfähigkeit der Luftverteidigung Gaddafis, die im Wesentlichen auf älteren russischen Boden-Luft-Raketen beruht, verfolgen. Während eines Luftangriffs auf Tripolis im Jahre 1986, der darauf abzielte, Gaddafi zu töten, verloren die USA ein F-111-Kampfflugzeug aufgrund libyschen Abwehrfeuers. Der libysche Verteidigungsminister erklärte, Libyen werde auf die Angriffe mit Vergeltungsschlägen in Form von Angriffen auf den Luft- und Seeverkehr im Mittelmeerraum reagieren. 1986 feuerte Libyen zwei Scud-Raketen auf Stützpunkte der amerikanischen Küstenwache auf der italienischen Insel Lampedusa ab, die beide aber ihr Ziel verfehlten. Ob Gaddafi seine immensen Erdöleinnahmen dazu benutzte, sich mit leistungsfähigeren modernen Antischiffraketen russischer Entwicklung auszurüsten, ist eine andere Frage, die bald beantwortet werden wird. Ein weiteres Problem für die Angreifer stellte der besonders helle Vollmond am 19. März dar, der den Nachthimmel für einige Tage lang hell erleuchtete. Die beste Zeit für Luftangriffe ist nämlich Neumond.

Die gezielte Propagandakampagne im Verlauf der derzeitigen Aggression, die Obamas Rolle als Kriegstreiber vertuschen soll, lässt eine führende Rolle der rechtsgerichteten britischen und französischen Führung, Partner beim Angriff auf den Suezkanal 1956, geboten erscheinen. Obama hält sich bisher zurück und nahm auch weder an dem Gipfeltreffen in Paris teil, noch wandte er sich in einer Ansprache aus dem Oval Office an die amerikanische Bevölkerung, sondern ließ den Franzosen mit ihrem Angriff den Vortritt. Obama selbst hält sich zu einem Besuch in Brasilien auf. Diese Scharade soll die antiamerikanische Stimmung in der arabischen Welt besänftigen. Als Folge werden die [gemessen an den USA] minderwertigere anglo-französischen Ausrüstung und die unklaren Kommandostrukturen zu unwillkommenen Rückschlägen für die Aggressoren führen, vor allem weil Sarkozys napoleonische Verblendung ihn dazu brachte, sich in militärische Entscheidungen einzumischen.

Die von England eingesetzten Tornados vom Typ Panavia sind veraltet; sieben Maschinen dieses Typs (sechs britische, eine italienische) wurden bereits vor 20 Jahren von Saddam Hussein im Verlauf des ersten Golfkrieges abgeschossen. Beim Eurofighter Typhoon handelte sich zwar um hochmoderne Flugzeuge, die aber noch nie in einer realen Kampfsituation getestet wurden. Auf dem angeschlagenen französischen Flugzeugträger Charles de Gaulles sind Kampfflugzeuge vom Typ Dassault Raffale, die ebenfalls noch nicht in Kampfsituationen getestet wurden, sowie Jagdbomber vom Typ Super Ètendard stationiert, ein vor 30 Jahren entwickelter Flugzeugtyp, der vielfach von Unfällen heimgesucht wurde. Später sollen noch altehrwürdige Maschinen vom Typ Mirage F1 eingesetzt werden. Gegen diese Modelle könnte Gaddafi erfolgreich Gegenmaßnahmen einsetzen.

Die anglo-amerikanische Propaganda zeichnet ein Bild Gaddafis als das eines Kleptokraten. Tatsächlich gehört Libyen mit zu den am weitest entwickelten Schwellenländern. Das Land nimmt Platz 53 des UN-Indexes zur menschlichen Entwicklung (HDI) und damit die Spitzenposition in Afrika ein. Libyen rangiert vor Russland (65), der Ukraine (69), Brasilien (73), Venezuela (75) und Tunesien (81). Hinsichtlich der Inhaftierten-Rate (pro 100.000 Personen der Bevölkerung) liegt Libyen an 61. Stelle, hinter der Tschechischen Republik und weit hinter den USA, die den ersten Platz einnehmen. Die Lebenserwartung hat sich unter der Herrschaft Gaddafis um 20 Jahre erhöht. Gaddafi unterdrückt politische Widersacher und oppositionelle Kräfte, hat aber den Erdölreichtum des Landes besser verteilt, als die meisten anderen OPEC-Staaten.

Der Widerstand der amerikanischen Staatsbürokratie angesichts einer imperialen Überdehnung aufgrund von bereits drei militärischen Konflikten, in die das Land verwickelt ist, wurde möglicherweise durch probritische Netzwerke in der amerikanischen Regierung überwunden. In diesem Fall wäre das eine altbekannte Methode. 1990 behauptete Margaret Thatcher, sie habe George H. W. Bush erst das »Rückgrat stärken« müssen, damit er gegen Saddam Hussein in den Krieg zog, um Kuwait zurückzuerobern. Und 1999 übte Tony Blair massiven Druck für Luftangriffe auf Serbien und die anschließende Invasion mit Bodentruppen aus; wobei Clinton Letzteres klugerweise ablehnte. Im September 2001 war Blair in erheblichem Maße daran beteiligt, Bush junior davon zu überzeugen, die Anschläge vom 11. September als Vorwand für einen Angriff auf Afghanistan zu benutzen.

Das eigentliche Ziel dieses Angriffs besteht im Zusammenhang mit der CIA-»Frühjahrs«-Kampagne 2011 für Putsche, Palastrevolten, farbige Revolutionen und Volksaufstände darin, die Möglichkeiten der amerikanischen Klientelstaaten, alternative Bündnisse mit Russland, China, dem Iran und anderen Staaten einzugehen, zu unterbinden. Die Angriffe der CIA nehmen die Form eines Angriffs auf das Prinzip des Nationalstaates selbst an. 2008 wurde Serbien geteilt. In diesem Jahr wurde der Sudan in zwei Teile aufgespalten, und derzeit droht dem Jemen das gleiche Schicksal. Die Resolution des UN-Sicherheitsrats 1973 zu Libyen nennt ausdrücklich die Stadt Bengasi und gibt damit klar die Absicht zu erkennen, das Land entlang einer Ost-West-Spaltung aufzuteilen und zu balkanisieren. Anderen Ländern droht eine ähnliche Behandlung. Es ist an der Zeit, den destruktiven Kreislauf von farbigen Revolutionen zu durchbrechen, bevor eine dieser Entwicklungen, etwa in Weißrussland, wo innere Streitigkeiten schnell zu einer großangelegten Konfrontation zwischen Russland und der NATO eskalieren könnten, in einen offenen Bürgerkrieg mündet.

Mittwoch, 23. März 2011

Libyen - Ziel der militärischen Agenda der USA und der NATO

Libyen: Größter Militäreinsatz seit der Irak-Invasion – auf dem Weg in langwierige Kampfhandlungen

Prof. Michel Chossudovsky

Unverblümte Lügen der internationalen Medien: Bomben und Raketen werden als Instrumente des Friedens und der Demokratisierung gepriesen: Hier geht es nicht um ein Eingreifen aus humanitären Gründen. Der Krieg in Libyen eröffnet einen neuen Kriegsschauplatz. In der Großregion Naher und Mittlerer Osten sowie Zentralasien existieren drei unterschiedliche Kriegsschauplätze: Palästina, Afghanistan und der Irak. Vor unseren Augen entwickelt sich ein vierter Kriegsschauplatz der USA und der NATO in Nordafrika und erhöht das Risiko einer Eskalation. Diese vier Kriegsschauplätze sind funktionell miteinander verbunden; sie sind Teil einer integrierten militärischen Agenda der USA und der NATO.

Die Luftangriffe auf Libyen wurden schon seit Jahren von den Planungsstäben des Pentagon vorbereitet, wie der frühere NATO-Kommandeur General Wesley Clark bestätigte. Operation Odyssey Dawn wird als die »größte militärische Intervention des Westens in der arabischen Welt seit der Invasion des Irak vor genau acht Jahren« bezeichnet. (»Russia: Stop ›indiscriminate‹ bombing of Libya«, Taiwan News Online, 19. März 2011)

Dieser Krieg ist Teil des Kampfes um Erdöl. Libyen gehört zu den weltweit größten Erdöl-Volkswirtschaften mit einem geschätzten Anteil von 3,5 Prozent an den globalen Erdölreserven; damit sind seine Reserven zweimal so groß wie die der USA. [Hinter dem militärischen Eingreifen] steht das Ziel, sich unter dem Vorwand einer Einmischung aus humanitären Gründen die Kontrolle über die libyschen Erdöl-und Erdgasreserven anzueignen. Die geopolitischen und wirtschaftlichen Auswirkungen einer von den USA und der NATO angeführten militärischen, gegen Libyen gerichteten Intervention reichen weit.

Operation Odyssey Dawn ist Teil einer umfassenderen militärischen Agenda für den Nahen und Mittleren Osten sowie Zentralasien, die darauf abzielt, die Kontrolle und Besitzrechte von mehr als 60 Prozent der Weltreserven von Erdöl und Erdgas, einschließlich der Erdgas- und Erdölpipelines, an sich zu reißen.

Mit 46,5 Mrd. Barrel (1 Barrel = 158,99 Liter) an nachgewiesenen Reserven (zehnmal mehr als Ägypten) ist Libyen die größte afrikanische Erdölwirtschaft, gefolgt von Nigeria und Algerien (Oil and Gas Journal). Im Gegensatz dazu werden die nachgewiesenen amerikanischen Erdölreserven nach Angaben der Behörde für Energieinformation mit etwa 20,6 Mrd. Barrel beziffert (Stand Dezember 2008, U.S. Crude Oil, Natural Gas, and Natural Gas Liquids Reserves).

Größter Militäreinsatz seit der Invasion in den Irak
Ein Militäreinsatz dieser Größe und dieses Umfangs, an dem sich verschiedene NATO-Mitgliedsstaaten und andere Partnerländer aktiv beteiligen, kann niemals improvisiert sein. Operation Odyssey Dawn befand sich bereits vor Beginn der Proteste in Ägypten und Tunesien in einem fortgeschrittenen militärischen Planungsstadium. Die Weltöffentlichkeit sollte glauben gemacht werden, die Protestbewegung hätte spontan von Tunesien und Ägypten auf Libyen übergegriffen.

Der bewaffnete Aufstand in Ostlibyen wird direkt von ausländischen Mächten unterstützt. Die Rebellen in Bengasi hissten sofort die rot-schwarz-grüne Flagge mit dem Halbmond und dem Stern – die Flagge der Monarchie unter König Idris, die die Herrschaft der früheren Kolonialmächte symbolisiert (siehe auch: Manlio Dinucci, »Libya – When historical memory is erased«, Global Research, 28. Februar 2011).

Der Aufstand war also geplant und mit dem Zeitpunkt der militärischen Operation abgestimmt. Er war als Teil einer verdeckten Operation bereits Monate vor den Demonstrationen und Protesten sorgfältig vorbereitet worden. Amerikanische und britische Sondereinheiten befanden sich von Anfang an vor Ort, um der »Opposition beizustehen«. Wir haben es hier mit einem militärischen »Fahrplan« sorgfältig geplanter militärischer und nachrichtendienstlicher Aktionen zu tun.

Vereinte Nationen als Komplize
Die Luftangriffe haben bereits zu zahllosen zivilen Opfern geführt, die von den Medien entweder als »Kollateralschaden« bezeichnet oder den libyschen Streitkräften zugeschrieben werden. Es ist fast schon zynisch zu nennen, dass die Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates der NATO das Mandat erteilt, »Zivilisten zu schützen«.

Paragraf 4 »autorisiert die Mitgliedsstaaten, die den Generalsekretär verständigt haben, national oder über regionale Organisationen und Vereinbarungen sowie in Zusammenarbeit mit dem Generalsekretär zu handeln und alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, abweichend von Paragraf 9 der Resolution 1970 (2011), um Zivilisten und zivil bewohnte Gebiete in der Libysch-arabischen Dschamahirija, einschließlich der Stadt Bengasi, denen Angriffe drohen, zu schützen. Das schließt eine Besatzungstruppe in jeder Form und auf jedem Teil der Republik Libyen aus. Die Mitgliedsstaaten sind aufgefordert, den Generalsekretär umgehend über die von ihnen im Rahmen der Ermächtigung gemäß dieses Paragrafen ergriffenen Maßnahmen zu informieren, der daraufhin sofort den UN-Sicherheitsrat unterrichtet.« (»UN Security Council Resolution on Libya: No Fly Zone and Other Measures«, 18. März 2011)

Diese Resolution des UN-Sicherheitsrates gibt den Koalitionskräften unter Missachtung des Völkerrechts und unter Verletzung der UN-Charta praktisch grünes Licht, einen offenen Krieg gegen ein souveränes Land zu beginnen. Darüber hinaus dient sie vorherrschenden Finanzinteressen: Sie erlaubt nicht nur Luftangriffe auf einen souveränen Staat, sondern zugleich auch, [finanzielle und wirtschaftliche] Werte einzufrieren, was das libyschen Finanzsystem gefährdet.

Einfrieren wirtschaftlicher Werte
Paragraf 19 entscheidet, dass das Einfrieren von Werten, wie es die Paragrafen 17, 19, 20 und 21 der Resolution 1970 (2011) anordnen, auf alle Fonds und andere Finanzwerte sowie wirtschaftliche Ressourcen angewendet werden soll, die sich auf ihren Territorien befinden und von den libyschen Behörden besessen oder direkt oder indirekt kontrolliert werden, …

Nirgendwo in der Resolution des UN-Sicherheitsrats wird das Problem eines Regimewechsels angesprochen. Aber es besteht Einvernehmen darüber, dass die Oppositionskräfte einen Teil der Gelder, die gemäß Art. 19 der Resolution 1973 beschlagnahmt werden, erhalten sollen. Gespräche mit führenden Vertretern der Opposition zu diesem Punkt haben bereits stattgefunden. So etwas bezeichnet man eigentlich als Kooptation und Finanzbetrug:

Ziffer 20 bestätigt seine Entschlossenheit, dass Werte, die gemäß Paragraf 17 der Resolution 1970 eingefroren wurden, so schnell wie möglich zu einem späteren Zeitpunkt dem Volk der Libysch-arabischen Dschamahirija zur Verfügung gestellt und zu seinem Nutzen angewendet werden sollen.

Was die Durchsetzung des Waffenembargos nach Paragraf 13 der Resolution angeht, wollen sich die Koalitionskräfte ohne Ausnahme verpflichten, ein Waffenembargo gegen Libyen durchzusetzen. Mit ihren Waffenlieferungen an die aufständischen in Bengasi haben sie aber Paragraf 13 von Anfang an verletzt.

Ein langwieriger Militäreinsatz?
[Politische und moralische] Vorstellungen werden in ihr Gegenteil verkehrt. In einer verqueren Logik sollen Frieden, Sicherheit und der Schutz der libyschen Bevölkerung durch Raketenangriffe und Bombardierungen erreicht werden. Der Militäreinsatz zielt nicht darauf ab, Zivilisten zu schützen, sondern auf einen Regimewechsel und die Aufspaltung Libyens (wie im Falle Jugoslawiens) in verschiedene Länder. Washington dachte schon seit vielen Jahren über die Gründung eines unabhängigen Staates in den Erdölfördergebieten Ostlibyens nach.

Knapp eine Woche vor Beginn der Luftangriffe betonte der oberste Geheimdienstchef der USA, der Direktor Nationale Nachrichtendienste (DNI) James Clapper, vor dem Verteidigungsausschuss des amerikanischen Senats, Libyen verfüge über bedeutende Luft-Verteidigungskapazitäten und die Umsetzung einer Flugverbotszone könnte möglicherweise in einen langwierigen Militäreinsatz münden:

Die Politik Präsident Obamas »zielt darauf ab, Gaddafi aus dem Amt zu entfernen«, wiederholte der Nationale Sicherheitsberater. Aber Clappers Aussage machte deutlich, wie schwierig das sein könnte. Er erklärte vor dem Ausschuss, seiner Ansicht nach stelle sich Gaddafi auf eine lange Auseinandersetzung ein und habe keineswegs die Absicht, freiwillig zu gehen.

Später führte er einige Gründe an, warum Gaddafi seiner Ansicht nach die Oberhand gewinnen könnte. Das Regime verfüge über erheblichen militärischen Nachschub und könne auf die besten ausgebildeten Kräfte der Armee zählen. Dabei handele es sich unter anderen um »robust ausgerüstete« Einheiten wie die 32. Brigade, die von Gaddafi Sohn Khamis befehligt wird, und die 9. Brigade.

Ihr militärisches Gerät setzt sich zum großen Teil aus Luftabwehrkapazitäten russischer Herstellung, Geschützen, Panzern und anderen Fahrzeugen zusammen, »und sie scheinen genauer zu wissen, wie ihre Ausrüstung zu behandeln und zu reparieren ist«, fuhr Clapper fort.

Clepper bezweifelte Einschätzungen, nach denen eine Flugverbotszone rasch und einfach umgesetzt werden könnte, denn Gaddafi kommandiere die nach Ägypten zweitgrößten Luftverteidigungssysteme des Nahen Ostens. »Sie verfügen über erhebliche Mengen an russischer Ausrüstung, die auch von entsprechender Qualität ist. Ein Teil dieser Ausrüstung ist den Aufständischen in die Hände gefallen«, sagte er weiter.

Das libysche Regime verfügt darüber hinaus auch über 31 Boden-Luft-Raketenstellungen sowie einen Radarkmplex, »die die vorrangige Aufgabe haben, die (Mittelmeer-)Küste zu schützen. »In dieser Region leben zwischen 80 und 85 Prozent der Bevölkerung«, erläuterte Clapper. Gaddafis Einheiten besäßen auch »eine riesige Anzahl« von Panzerfäusten.

Armeegeneral Ronald Burgess, Leiter des Militärgeheimdienstes DIA, stimmte Clappers Einschätzung zu. Die Zeit spiele den Einheiten Gaddafis in die Hände, erklärte er, nachdem zuvor die Opposition die Initiative gehabt hätte. »Ob die Initiative im Lande jetzt völlig auf Gaddafis Seite gewechselt ist, ist meiner Meinung nach unklar«, sagte Burgess weiter. »Aber wir haben nun eine Art Gleichgewicht erreicht, … bei dem die Initiative möglicherweise beim Regime liegt.«

Wenige Stunden nach Clappers Stellungnahme legte Obamas Nationaler Sicherheitsberater Thomas Donilon eine deutlich abweichende Einschätzung vor, was auf Differenzen zwischen dem Weißen Haus und den amerikanischen Nachrichtendiensten hindeutet. Donilon erklärte, die Lageeinschätzung der Geheimdienstchefs sei »statisch« und »eindimensional«. Sie gehe von einem militärischen Kräftegleichgewicht aus und vernachlässige Gaddafis zunehmende Isolation und das Vorgehen der internationalen Gemeinschaft, die sich auf die Seite der Opposition stelle. (»White House, intel chief split on Libya assessment«, McClatchy, 11. März 2011)

Diese Stellungnahmen deuten darauf hin, dass sich Operation Odyssey Dawn zu einem langwierigen offenen Krieg entwickeln könnte, in dem die NATO und die USA erhebliche Verluste beklagen müssten.

Bereits seit Beginn der Luftangriffe melden libysche Quellen militärische Rückschläge für die NATO. Bisher unbestätigte libysche Berichte meldeten nur wenig Stunden nach Beginn der Luftangriffe den Abschuss dreier französischer Kampfflugzeuge (siehe dazu: Mahdi Darius Nazemroaya, »Breaking News: Libyan Hospitals Attacked. Libyan Source: Three French Jets Downed«, Global Research, 19. März 2011). Das staatliche libysche Fernsehen berichtete, ein französisches Kampfflugzeug sei in der Nähe von Tripolis abgeschossen worden. Die französische Armee dementierte diese Meldung:

»Wir weisen die Information zurück, dass ein französisches Kampfflugzeug in Libyen abgeschossen wurde. Alle Flugzeuge, die wir heute zu Einsätzen losgeschickt haben, sind in ihre Stützpunkte zurückgekehrt«, sagte der französische Armeesprecher Oberst Thierry Burkhard, der von der Tageszeitung Le Figaro zitiert wird.« (»Libya: A french fighter plane was shot down! The French Army denies this information«, in: xiannet.net, 20. März 2011)

Noch unbestätigte Berichte aus Libyen vom Sonntag melden den Abschuss zweier Kampfflugzeuge aus Katar. Andere libysche Berichte sprechen von insgesamt fünf abgeschossenen französischen Kampfflugzeugen; drei davon sollen in Tripolis, die beiden anderen bei einem Angriff auf Sirt (auch Surt oder Syrte) abgeschossen worden sein (siehe dazu: Mahdi Darius Nazemroaya, »Libyan Sources Report Italian POWs Captured. Additional Coalition Jets Downed«, Global Research, 20. März 2011).

Donnerstag, 17. März 2011

Die NWO und der Islam

Die «neue Weltordnung» – ein Angriff auf den Islam
Babylonische Konstruktion der Blockbildung: Sie ist wesentlich mehr als eine Ideologie – sie ist eine totalitäre Mystik

von Dr. Pierre Hillard, Historiker und Politikwissenschafter, Paris*

Die muslimische Welt, die Ende 2010 erbebte und seit 2011 brodelt, erfährt Umwälzungen, die die diplomatischen Kreise aller Kontinente überrascht haben. Massendemonstrationen erschüttern die aus dem Zweiten Weltkrieg oder der Entkolonialisierung ererbten politischen Strukturen. Auf dem Boden von allgemeiner Armut und Korruption fordern die sunnitischen und schiitischen Massen radikale Veränderungen. Demokratie, freie Wahlen, eine grössere Medienfreiheit und weitere Elemente, die dazu angetan sind, die Entfaltung des Menschen zu fördern, sollen künftig die politischen muslimischen Strukturen bestimmen. Diese Forderungen können den Regierungen und der öffentlichen Meinung in den europäischen und amerikanischen Ländern nur gefallen. Diese idyllische Vorstellung muss jedoch aus dem Blickwinkel der politischen Realität untersucht werden. Denn «die menschliche Komödie», die Honoré de Balzac in seinen Romanen vielschichtig beschreibt, hat uns gelehrt, dass die grossen Ereignisse immer die Frucht der Handlungen einer Elite sind. Die Massen sind immer als Instrument zugunsten einer wohldefinierten Politik benutzt worden. «Schüttelt das Volk, bevor ihr davon Gebrauch macht», beliebte der Diplomat Charles-Maurice de Talleyrand zu sagen, der sich in dieser Domäne sehr gut auskannte.

Vorbereitungen für die grundlegenden Strukturen der neuen Weltordnung
Um die Umwälzungen, die in den muslimischen Ländern im Gange sind, besser zu verstehen, müssen wir vom Allgemeinen zum Speziellen gehen. Die entscheidende Grundlage, die all diesen Ereignissen zugrunde liegt, ist die Entwicklung der neuen Weltordnung, die wesentlich mehr ist als nur eine Ideologie – sie ist eine «Mystik». Es geht darum, überall die Entstehung verschiedener Kontinentalblöcke (Europa, Afrika, Nord­amerika, Südamerika), die politisch vereint sind und von den gleichen Gesetzen bestimmt werden. Die Gesamtheit dieser Blocks soll die grundlegenden Strukturen einer Weltregierung bilden, die eine gleichförmige und nomadenhafte Menschheit vereint. Diese ­Politik nimmt schon Form an mit der Schaffung einer parlamentarischen Versammlung bei den Vereinten Nationen (United Nations Parliamentary Assembly UNPA) unter der Führung des Deutschen Andreas Bummel.
Eine Weltwährung soll das Ganze strukturieren. Der IWF hat dies bereits im April 2010 verkündet, als er sich für eine Weltwährung (den Bancor) ausgesprochen hat, herausgegeben von einer Welt-Zentralbank (vgl. Bericht IWF vom 13.4.2010: «Reserve accumulation und International Monetary Stability»). Das bedingt die Aufgabe des Dollars und eine komplette Reform des weltweiten Finanzsystems. Diese babylonische Konstruktion kann jedoch nur unter der Bedingung errichtet werden, dass die Denkweisen vereinheitlicht werden. Neben der Einheit des Denkens müssen die gemeinsamen psychologischen Reflexe, ein Konsumgeist und ein entfesselter Hedonismus in die tiefen Bereiche der menschlichen Seele eingraviert werden. Nun aber fügt sich der Islam in dieses System nicht ein. Dies wird verstärkt durch einen grundsätzlichen unterschiedlichen Wesenszug des Islam im Vergleich zur westlichen Welt. Die Länder, die der christlichen Kultur entstammen, machen eine klare Trennung zwischen dem Weltlichen und dem Religiösen. Der Islam hingegen kennt diese Unterscheidung nicht, da in ihm das Weltliche und das Religiöse eng verbunden sind. Der Islam ist gleichzeitig Glaube und Gesetz. Aus diesem Grund hat sich auf islamischem Boden auch nie eine Zivilgesellschaft herausgebildet. Diese auf Fakten beruhende Darstellung muss unbedingt berücksichtigt werden, da sie verständlich macht, dass die westlichen und islamischen Länder sich in zwei Parallelwelten befinden.
Nach dem Fall der Berliner Mauer haben die angelsächsischen Eliten den Rhythmus beschleunigt, indem sie in Kooperation mit Deutschland die Errichtung einer ihren Interessen unterworfenen Europäischen Union vorangetrieben haben. Diese Europäische Union soll theoretisch bis 2015 eine komplette transatlantische Partnerschaft mit der Neuen Welt bilden, die ihrerseits aufgerufen ist, sich im Rahmen einer Nordamerikanischen Union nach den Wünschen des Council on Foreign Relations zu vereinigen. Angesichts des Machtzuwachses der asiatischen, insbesondere der chinesischen Welt wollen sich London und Washington die vollständige Kontrolle des Erdöls der Länder des südlichen Mittelmeerraums und des Nahen Ostens sichern. Die mit eigennütziger angelsächsischer Unterstützung erreichte Unabhängigkeit des Süd-Sudan liegt in den reichen Öl-Reserven begründet, die fortan Peking entzogen sind. Diese Politik in Richtung Nord-Afrika und Naher Osten wurde seit 1995 durch die Europäische Union, die den «Barcelona-Prozess» lancierte, unterstützt. Das offizielle Ziel war:

1. Die Festlegung eines gemeinsamen Raumes für Frieden und Stabilität;
2. die Errichtung einer gemeinsamen Zone des Wohlstands mit einer stetigen Entwicklung einer Freihandelszone und
3. die Annäherung zwischen den Völkern.
Auf Grund wenig überzeugender Resultate beschleunigte die Europäische Kommission im Jahr 2003 durch die Schaffung der «Europäischen Nachbarschaftspolitik» (ENP) das Tempo. Diese besteht darin, den Ländern des Mittelmeerraums das euro-atlantische Modell aufzuzwingen, indem man ihnen eine ganze Reihe von Normen vorlegt, die zu übernehmen sind: z.B. Marktwirtschaft, Achtung der Menschenrechte oder Förderung des Rechtsstaats. Im Geiste der «Europäisten» sollen gemeinsame Normen alle Länder des nördlichen und südlichen Mittelmeerraums lenken. Eine vollständige Integration soll zu einer Vereinigung des «zivilisierten» Westens mit dem «komplizierten» Osten führen.
Was uns da vorgeschlagen wird, ist der Versuch einer Wiederherstellung des Römischen Imperiums, nun aber mit einer geographischen Ausstülpung in Richtung Nord­amerika. Was die Integration angeht, sind die Texte der ENP unmissverständlich: «Das Konzept, das in der europäischen Nachbarschaftspolitik verankert ist, ist das eines Kreises von Ländern, die die grundlegenden Werte und Ziele der EU teilen und die sich für eine immer enger werdende Beziehung einsetzen, die über die Kooperation hinausgeht, was ein bedeutendes wirtschaftliches und politisches Integrationsniveau impliziert.»
Auf Grund dieser Dynamik wurde im Jahr 2007 auf Anregung von Präsident Sarkozy die Schaffung einer Mittelmeerunion beschlossen. Das offizielle Ziel war die Verstärkung und Beschleunigung des Integrationsprozesses der nördlichen und südlichen Mittelmeer-Anrainerstaaten. Dieses Projekt wurde jedoch auf Druck von Bundeskanzlerin Merkel und unterstützt durch die Bertelsmann-Stiftung grundlegend überarbeitet. Auf Grund des wachsenden Gewichts von Deutschland in Zentral- und Ost-Europa haben die französischen Behörden versucht, dieser Tendenz entgegenzuwirken, indem sie ein weiteres «Mitteleuropa» im südlichen Mittelmeerraum unter ihrer alleinigen Führung schaffen wollten. Beim ersten Entwurf der Mittelmeer-Union sollten lediglich die Anrainerstaaten daran beteiligt werden. Da Berlin witterte, dass dort ein französischer Einflussbereich geschaffen werden könnte, der ihren Interessen zuwiderläuft, forderte und erreichte es, dass alle EU-Länder in die Mittelmeer-Union integriert wurden. Angela Merkel formulierte dies folgendermassen:

«Wenn wir jetzt aber zum Beispiel eine Mittelmeerunion aufbauen, an der nur die Mittelmeer-Anrainerstaaten teilnehmen, die sich aber zum Beispiel finanzieller Instrumente der Europäischen Union bedient, dann sage ich voraus, dass dann andere sagen werden: Dann müssen wir auch eine Osteuropa-Union, beispielsweise mit der Ukraine, ins Leben rufen. [...] Dann wird etwas passieren, was ich für sehr gefährlich halte. Dann könnte es nämlich sein, dass sich Deutschland mehr von der mittel- und osteuropäischen Seite und Frankreich mehr von der Mittelmeerseite tangiert fühlt. Das würde Spannungskräfte innerhalb Europas wachrufen, die ich nicht möchte. Deshalb muss klar sein: Die Mittelmeerverantwortlichkeit ist auch für einen Nordeuropäer vorhanden, genauso wie die Zukunft der Grenzen zu Russland und zur Ukraine auch Sache derer ist, die am Mittelmeer beheimatet sind. Wenn wir diese Kraft nicht mehr aufbringen, dann verfällt aus meiner Sicht die Europäische Union in ihrem Kernbereich.»

Präsident Sarkozy gab nach und erlaubte Deutschland, dem grössten europäischen Beitragszahler, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Aufrechterhaltung seines Einflusses in Ost-Europa unter Ausweitung und Verstärkung seiner Verbindungen zum südlichen Mittelmeerraum. Dieser deutsche Sieg, der von nun an «Barcelona-Prozess: Mittelmeer-Union» heisst, wurde zu einer schwerwiegenden Niederlage für die französische Diplomatie.

Die geplante Vernichtung
Der 7. Februar 2004 kann als offizieller Startschuss für die staatliche und zivilisatorische Umstrukturierungspolitik in den muslimischen Ländern von Marokko bis Afghanistan bezeichnet werden. Anlässlich der 40. Münchner Sicherheitskonferenz unter der Ägide der Nato, präsentierte Joschka Fischer, damals Aussenminister von Bundeskanzler Schröder, ein wahrhaftes politisches Programm, das in Absprache mit den USA auf die muslimischen Länder anzuwenden sei. Als Berichterstatter über die Tätigkeiten der amerikanischen (namentlich Rand, Canergie Endowment, National Endowment for Democracy) oder deutschen Think tanks (namentlich Bertelsmann-Stiftung), erinnert Fischer an die Notwendigkeit der Schaffung einer gemeinsamen europäisch-amerikanischen Strategie:
1. Beginn eines gemeinsamen Mittelmeer-Prozesses zwischen Nato und Europäischer Union;
2. Lancierung einer «Erklärung für eine gemeinsame Zukunft» für alle Länder des Nahen und Mittleren Ostens. Neben der Auferlegung von Reformen in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Militär nach dem Vorbild der Nato, schlug der deutsche Aussenminister eine vollständige Neufassung der Rechtsordnung, des Bildungs- und Sozialbereichs, die Schaffung von NGOs, die Entwicklung von Zivilgesellschaften, die Förderung der Menschenrechte im allgemeinen und die Gleichstellung der Geschlechter im speziellen vor, und dies in der Gesamtheit der muslimischen Länder. All diese Massnahmen sollen nach den Worten von Aussenminister Fischer «die Integration ihrer Volkswirtschaften» fördern, alles basierend «auf der Überzeugung, dass die Modernisierung des erweiterten Nahen Ostens entscheidend sein wird für unsere gemeinsame ­Sicherheit im 21. Jahrhundert. Der Einbezug der Bevölkerungen des Nahen und Mittleren Ostens bei den ‹Errungenschaften› der Globalisierung hat daher für uns grösste Bedeutung.»
Diese revolutionären Massnahmen – die das Ziel verfolgen, die muslimische Welt in den euro-atlantischen und globalisierenden Grundsätzen einzubetten – wurden am 27. Februar 2004 durch die Unterzeichnung des «Deutsch-amerikanischen Bündnisses für das 21. Jahrhundert» durch Bundeskanzler Schröder und Präsident Bush in Washington bestätigt. Neben der Bestätigung der in München beschlossenen Massnahmen wird in diesem Abkommen folgendes festgehalten: «Wir müssen eine echte Partnerschaft aufbauen, die Europa und Amerika mit den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens verbindet, um mit den Staaten und Völkern dieser Region zusammenarbeiten zu können in einem Rahmen, der die Erfüllung bestimmter Ziele und ein friedliches Nebeneinanderleben ermöglicht [...].» Diese Aussagen passen sehr genau zu den Zielen der unter der Bush-Regierung lancierten Politik des «Grossen Mittleren Ostens», die im Jahre 2006 in der Zeitschrift Foreign Affairs in einem Artikel von Richard Haass, dem Präsidenten des Council on Foreign Relations, in «Neuer Mittlerer Osten» (New Middle East) umgetauft worden ist. Diese europäisch-amerikanische Zusammenarbeit ist um so bedeutungsvoller, als sie in den Arbeiten der Bertelsmann-Stiftung, die eine zweispurige Politik gegenüber Israel und der muslimischen Welt entwickelt hat, wieder aufgenommen worden ist.
In einem ersten Schritt handelt es sich darum, im Rahmen des «Deutsch-jüdischen Dialogs» Israel in die politische, wirtschaftliche und militärische euro-atlantische Konstruktion zu integrieren. Der jüdische Staat muss eine Säule des Judentums in Verbindung mit zwei anderen Säulen bilden: derjenigen des europäischen und derjenigen des amerikanischen Judentums.
In einem zweiten Schritt kann diese Politik nur dann umgesetzt werden, wenn es gelingt, die muslimische Welt an die beschriebene geopolitische Konstruktion anzubinden.
Das ist die wirkliche Bedeutung der «Kronberger Gespräche», die seit 1995 die Plattform bilden für Gespräche zwischen Euro-Amerikanern und muslimischen Eliten, um letztere zu bewegen, die euro-atlantischen politisch-philosophischen Grundsätze auf die internen Strukturen der nordafrikanischen und nahöstlichen Länder anzuwenden. Allerdings stossen diese Diskussionen wegen der Unzertrennbarkeit der weltlichen und religiösen Regeln im Islam auf grosse Schwierigkeiten. An diesem Punkt hat nun die amerikanische Regierung begonnen, offen Stellung zu nehmen.

Zweites Vatikanisches Konzil des Islam
Im Juni 2006 erschien in einem von Ralph Peters gezeichneten und in der amerikanischen Militärzeitung Armed Forces Journal (AFJ) veröffentlichten Artikel mit dem Titel «Blood Borders» eine Karte, die die Neuordnung des Nahen Ostens auf Grund ethnischer und religiöser Kriterien aufzeigt. Alle Länder dieser Region haben total veränderte Grenzen (siehe Illustration). Der Autor orientiert sich sehr stark an den Arbeiten des britischen Islam-Wissenschafters Bernard Lewis, der dem Obama-Berater Zbigniew Brzezinski nahesteht. Lewis ist der Schöpfer des Begriffs «Clash of Civilisations» («Kampf der Kulturen»), den Samuel Huntington mit Erfolg aufgriff. Für Bernard Lewis geht es darum, die islamische Welt zu «balkanisieren», um dann Mini-Ölstaaten zu gründen, die leichter zu kontrollieren sind. Ein entsprechendes Umstrukturierungsmodell wurde unter dem Namen «Crescent of crisis» («Krisenbogen») im Magazin Time im Januar 1979 vorgestellt. Diese komplette Umstrukturierung beruht auf dem Prinzip von «teile und herrsche».
Doch neben dem politisch-ökonomischen Bereich wird die muslimische Welt von den Globalisierungskräften auch in ihrem, in unseren materialistisch geprägten Ländern kaum bekannten, zentralsten Bereich angegriffen. Die neue Karte zeigt eine revolutionäre Umgestaltung, nämlich einen die Städte Mekka und Medina umfassenden «heiligen islamischen Staat» inmitten eines auseinandergerissenen Saudi-Arabiens, dessen Zerstörung fatale Auswirkungen auf die Weltwirtschaft (Versorgung mit Erdöl) und auf die Stabilität des Dollars haben könnte. Ralf Peters beschreibt diese grundlegenden Veränderungen folgendermassen:

«Die Hauptursache für die fehlenden Veränderungen in der muslimischen Welt liegt in der Behandlung von Mekka und Medina, die von der saudischen Familie als ihre Hochburg betrachtet werden. Die heiligen Stätten des Islam, die sich unter der Kontrolle der Staatspolizei eines der bigottesten und repressivsten Regimes der Welt befindet, haben es der saudischen Herrscherdynastie ermöglicht, ihren intoleranten und gleichzeitig disziplinierten wahhabitischen Glauben weit über ihre Grenzen hinaus zu verbreiten. [...] Stellen Sie sich vor, wieviel besser sich die muslimische Welt fühlen würde, wenn Mekka und Medina von einem wechselnden Repräsentativrat, der sich aus Vertretern der verschiedenen islamischen Schulen und Bewegungen der Welt zusammensetzte, in einem heiligen islamischen Staat – einer Art muslimischem Super-Vatikan – regiert würden, einem Staat, in dem die Zukunft des islamischen Glaubens diskutiert statt willkürlich festgelegt würde.»

Wenn man davon spricht, die muslimische Welt in die euro-atlantische Achse und die Grundsätze der neuen Weltordnung zu integrieren, so wäre dies nur mit einer radikalen Veränderung der religiösen Bezüge möglich, was automatisch auch massive Umwälzungen im politischen, wirtschaftlichen, sozialen und psychologischen Bereich nach sich ziehen würde. Die Globalisierungskräfte wollen diese Taufe erzwingen, um die Herausbildung eines Pantheismus zu ermöglichen. Die Schaffung eines «heiligen islamischen Staates» und eines «wechselnden Repräsentativrates», der in der Lage wäre, die Religion von innen heraus zu verändern, entspricht der Einrichtung eines zweiten Vatikanischen Konzils des Islam.
Zur Erinnerung: Da die Lehre der katholischen Kirche mit der Doktrin der Globalisierung unvereinbar war, wurde es nötig, eine umfassende Neubearbeitung («aggiornamento») durch das zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) in Angriff zu nehmen, um den Nachfolgern des heiligen Petrus zu ermöglichen, die katholische Lehre im Rahmen einer im Tempel der Vereinten Nationen gefeierten umgekehrten Agapè der Globalisierungsideologie unterzuordnen. Dies wurde von Johannes XXIII. eindeutig bestätigt, der in seiner Enzyklika «Pacem in Terris» von 1963 an die Notwendigkeit einer «supranationalen oder globalen Macht» erinnerte, die ohne Gewalt errichtet «die Schaffung einer juristisch-politischen Organisation der Weltgemeinschaft» erlaube.
Diese Aussage griff Papst Benedikt XVI. in seiner Weihnachtsbotschaft 2005 wieder auf, indem er die Menschheit ermutigte, sich am «Aufbau einer neuen Weltordnung» zu beteiligen. Dieser Papst bekräftigte sein Engagement in seiner Enzyklika «Veritas in caritate» im Jahr 2009, indem er zur Schaffung einer «weltpolitischen Behörde» in Verbindung mit der Uno aufrief. Es ist der gleiche Vorgang, der nun die islamischen Länder erwartet, wenn die Pläne zur vollständigen Umstrukturierung der geographischen Zone von Marokko bis Afghanistan umgesetzt werden. Diese Politik des «solve et coagula» (auflösen und neu formen) wird zwangsläufig zu Kämpfen zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen Muslimen und Christen und zu einer brutalen Auseinandersetzung mit dem Zionismus führen. Aus diesem in Fusion begriffenen Magma, aus diesem durch die Globalisierungskräfte verursachten Chaos soll in der Theorie ein «aufgeklärter Islam» hervorgehen, der dann in die Dogmen der Global Governance integriert werden kann. Die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Die Urheber dieses Dramas mit unabsehbaren Folgen (für Politik, Wirtschaft, Ressourcen und Menschenleben) folgen buchstäblich den berühmten Versen in Goethes Gedicht «Der Zauberlehrling», in dem dieser ausruft: «Die Geister, die ich rief, werd’ ich nun nicht los.»

Montag, 14. März 2011

Psychodrogen für Kinder

Die verdeckte Tyrannei: Bei Kindern werden aus Gewinnstreben Krankheiten diagnostiziert und dann medikamentös behandelt

Monica G. Young

Nicht alle fallen auf den gigantischen Schwindel herein: Weltweit wurden bei 20 Millionen Kindern und Jugendlichen psychische Störungen festgestellt, die angeblich die jahrelange oder sogar lebenslange Einnahme von Psychopharmaka notwendig machen. Aber einige Personen erheben jetzt ihre Stimme. Häufig sind Eltern, Kinder und Schulen Opfer einer der gewissenlosesten, aber eben gewinnbringenden und auf Falschinformationen beruhenden Kampagnen der modernen Gesellschaft.

Unruhige Kinder oder Kinder, die sich leichter ablenken lassen oder gelangweilt sind, die zu viel reden (oder zu wenig), die sich nicht an Regeln halten, die nicht so gehorsam sind, wie es einige Erwachsene gerne wollen, oder Kinder, die unter Stimmungsschwankungen leiden – ihnen allen könnte es passieren, dass bei ihnen Erkrankungen wie eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), eine Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigen Verhalten (ODD), eine Bipolare affektive Störung, eine Selbstunsicher-vermeidende Persönlichkeitsstörung oder eine andere Erkrankung festgestellt werden. Mit anderen Worten werden heute Verhaltensweisen, die bisher als normales Verhalten von Kindern und Heranwachsenden galten, als psychische Störung eingestuft.

Am häufigsten wird ADHS bei Kindern »festgestellt«, allein in den USA sind es mehr als fünf Millionen Kinder, die davon »betroffen« sind. Statistische Untersuchungen in den USA und anderen Ländern zeigen, dass ADHS eher bei Jungen als bei Mädchen diagnostiziert und dann entsprechend medikamentös behandelt wird.

In einem vor Kurzem erschienenen Artikel mit der Überschrift »Eine Beruhigungs-Nation: Was passiert, wenn man Jungen nicht mehr erlaubt, ungestüm sein« heißt es, fünfmal mehr australische Jungen als Mädchen werden mit Ritalin behandelt. Die Autorin fragt: »Besteht die Gefahr, dass wir die Kindheit eines Jungen an sich als Störung einstufen?« Sie verweist auf das Beispiel eines zehnjährigen, sehr begabten und sportlichen Jungen, der auf einem beengten Schulhof in eine Rangelei verwickelt wurde. Niemand wurde ernsthaft verletzt und es entstand auch keinerlei Sachschaden. Aber der Junge musste sich umgehend einer psychiatrischen Behandlung unterziehen.

Für afro-amerikanische Jungen und Jugendliche kann die Lage noch schlimmer aussehen. Der Psychologe Umar R. Abdullah-Johnson, der sich für das Recht auf Bildung für schwarzen Jungen einsetzt, hat viele Schulen im ganzen Land aufgesucht. In einem kürzlich veröffentlichten Artikel mit der Überschrift »Psycho-Sklaverei« schreibt er: »Wir haben es hier mit einem Zerrbild epischen Ausmaßes zu tun: Schwarze Jungen werden in Rekordzahlen zu Psychiatern geschickt, damit sie dort bewusstseinsverändernde Medikamente verordnet bekommen, die viele Nebenwirkungen aufweisen.« In vielen Klassen, berichtet er weiter, wird der Hälfte der schwarzen Schüler Medikamente verschrieben. Bei einigen Kindern wird die Untersuchung, die Diagnose und die Verschreibung der Medikamente in weniger als fünf Minuten abgewickelt.

Abdullah-Johnson hebt die Scheinheiligkeit einer Gesellschaft hervor, die einerseits den »Drogen den Krieg« erklärt, sich andererseits aber eifrig bemüht, eine ganze Generation schwarzer Jungen mit Substanzen vollzustopfen, deren Einnahme später oft zum Konsum illegaler Drogen führt. »Sie behaupten, kein Kind solle zurückgelassen werden«, schreibt er, »geben sich aber damit zufrieden, unsere Jungs [gefährlichen] Nebenwirkungen dieser Medikamenten auszusetzen, die noch Jahre nach ihrem Schulabschluss anhalten, wenn diese Jungen überhaupt einen Schulabschluss schaffen.«

Dieses System zwingt unsere Jugend zur starren Anpassung an einen psychiatrisch definierten »Normalzustand«. Kindern wird der Eindruck vermittelt, ohne Medikamente seien sie den schulischen Anforderungen oder dem Leben nicht gewachsen.

Werfen wir doch einmal einen Blick in die Geschichte:

Thomas Edison, einer der erfolgreichsten und produktivsten Erfinder, musste in jungen Jahren die Schule verlassen, weil sich sein Lehrer durch seine ständigen Fragen und seinen beweglichen Verstand genervt fühlte. Wo stünden wir heute, wenn Edisons schöpferischer Geist durch verschreibungspflichtige Medikamente betäubt worden wäre?

Albert Einstein, der Begründer der modernen Physik, war ein stilles Kind, das kaum Kontakt zu Gleichaltrigen suchte. Er verweigerte sich den traditionellen Lernmethoden und galt als alberner Tagträumer. Stellen Sie sich einmal vor, er wäre durch Medikamente »angepasst« worden.

Der große Staatsmann und Redner Winston Churchill besaß als Jugendlicher ein unabhängiges und rebellisches Wesen, was ihm oft Ärger einbrachte. Nach heutigen psychiatrischen Standards wäre bei ihm mit Sicherheit »eine Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigen Verhalten (ODD)« festgestellt worden.

Frederick Douglass, einer der herausragendsten Köpfe der Bewegung gegen Sklaverei (und ein Blutsverwandter des oben erwähnten Umar R. Abdullah-Johnson) wehrte sich seit seiner Kindheit gegen die Regeln, denen Schwarze unterworfen waren. Diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Die massive Propaganda, mit der die Gültigkeit dieser Störungen und die Wirksamkeit der entsprechenden Medikamente unterfüttert wird, hat gigantische Ausmaße angenommen. Aber ein 731 Seiten umfassender Bericht des »Projektes zur Überprüfung der Wirksamkeit von Medikamenten« der Universität des US-Bundesstaates Oregon aus dem Jahr 2005, in dem 2.287 verschiedene Untersuchungen aus der ganzen Welt unter die Lupe genommen wurden, fand nur unzureichende Beweise dafür, dass Medikamente, mit denen ADHS behandelt wurde, auf lange Sicht unbedenklich sind oder die schulischen Leistungen verbessern helfen.

Für die Diagnosen werden keine medizinischen Untersuchungen angestellt. Aber den meisten Jugendlichen, bei denen einige dieser Störungen diagnostiziert wurden, werden hochgiftige Medikamente verabreicht, die nachweislich zu Schlafstörungen, Kleinwuchs, Halluzinationen, innerer Unruhe, Herzanfällen, Psychosen, Gewaltausbrüchen und sogar Selbstmord sowie plötzlichem Tod führen.

Der renommierte Psychiater Dr. Peter Breggin, der sich seit Langem für ein grundsätzliches Umdenken der Psychiatrie einsetzt, erklärte in der Huffington Post: »Die psychiatrische Diagnose und die massenweise medikamentöse Behandlung unserer Kinder bilden eine spezifische Form des Kindesmissbrauchs in unserer Gesellschaft … Alle psychoaktiven Substanzen von Alkohol und Marihuana bis hin zu Psychopharmaka verringern und beeinträchtigen die Funktion des Gehirns und des Geistes, keine einzige verbessert sie.« Selbst bei Säuglingen und Kleinkindern werden bereits psychische Störungen festgestellt und entsprechend mit Medikamenten behandelt.

Viele Kliniker befürchten, die Verschreibung von Stimulantien bei Kindern könnte ein Suchtverhalten ausbilden und sie später leichter an illegale Stimulantien wie Kokain und Metamphetamin heranführen. Eine vor Kurzem veröffentlichte Studie der Universität von Kalifornien bestätigt diese Befürchtungen. Es wurden 27 Langzeituntersuchungen analysiert, die die Entwicklung von 4.100 Kindern, bei denen ADHS festgestellt worden war, und von 6.800 Kindern ohne ADHS bis zur Pubertät und dem jungen Erwachsenenalter verfolgten. Bei ADHS-Kindern lag die Wahrscheinlichkeit, ernsthafte Drogenprobleme zu entwickeln, um das Dreifache höher als bei den anderen Kindern. (Einem Bericht der Verbraucherschutzorganisation Consumer Report zufolge werden 84 Prozent der Kinder mit einer ADHS-Diagnose medikamentös behandelt.)

Wenn diese Medikamente so gefährlich sind, warum wollen die Pharmakonzerne sie so massiv für Kinder vermarkten?

»Kinder gelten als willfährige Patienten, und das macht sie zu einem begehrten Markt für Medikamente«, erklärt der frühere Pharmareferent Gwen Olson, Verfasser des Buches Bekenntnisse eines Lobbyisten für verschreibungspflichtige Medikamente. »Die Kinder werden vom Schulpersonal gedrängt, ihre Medikamente zu nehmen, und sie werden von ihren Eltern und von ihren Ärzten dazu gedrängt, ihre Medikamente zu nehmen. Kinder werden daher als ideale Patienten angesehen, denn man kann damit rechnen, dass sie fügsam ihre Medikamente auch über einen langen Zeitraum nehmen. Anders gesagt: Sie werden ihr Leben lang Patienten und damit Pharmakunden bleiben.«

ADHS, ODD, Bipolare affektive und andere Störungen wurden von Ausschüssen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung (APA) erfunden und erlangten durch Veröffentlichung im Diagnostischen und Statistischen Handbuch (DSM) offizielle Geltung. Eine Untersuchung der Universität von Massachusetts und der Tufts-Universität aus dem Jahr 2006 ergab allerdings, dass die Mehrheit der Ausschussmitglieder finanzielle Verbindungen zu Pharmakonzernen unterhielten.

Die Psychopharmaka-Hersteller räumen selbst ein, dass ihre Produkte eigentlich nichts zur Heilung beitragen, sondern nur die Symptome lindern oder erträglich machen.

Der stellvertretende Chef des Pharmariesen Bristol-Myers Squibb gab vor Kurzem bekannt, die amerikanische Behörde für Arzneimittelzulassung (FDA) habe einer Ausweitung des Einsatz ihres Kassenschlagers gegen bipolare Störungen zugestimmt. »Da eine Bipolare affektive Störung als lebenslange und immer wiederkehrende Erkrankung gilt, ermöglicht diese erweiterte Zulassung den Ärzten, Abilify zusätzlich zu Lithium oder Valproat im Rahmen einer langfristigen Behandlung zu verschreiben, um die Symptome einer Bipolaren affektiven Störung vom Typ I lindern zu helfen.« Eigentlich sagt er an die Adresse der Erkrankten damit: »Sie werden Ihr Leben lang von unseren Medikamenten abhängig sein.«

Der Markt für die medikamentöse Behandlung von Kindern ist extrem gewinnträchtig und umfasst mehrere Milliarden Dollar pro Jahr.

Aber hier geht es auch um eine Form unterdrückender, sozialer Kontrolle. Wenn man willkürlich abweichendes Verhalten als »seelische Störung« brandmarkt, die medikamentös behandelt werden muss, konditioniert man die kommende Generation zu willfährigen Robotern, die wissen, dass man vom Status quo nicht abweichen darf.

Wir sollten die Warnung Thomas Jeffersons besser beherzigen: »Jede Gewaltherrschaft, die ihre Stellung festigen will, braucht Menschen guten Gewissens, die schweigen.«

Donnerstag, 10. März 2011

Der IWF - eine Monsterorganisation

«IWF ist eine Monsterorganisation geworden»

Stellungnahmen zum IWF-Kredit nach der Abstimmung im Nationalrat

thk. Am 1. März hat der Nationalrat als Zweitrat der Erhöhung des Kredits an den IWF zugestimmt. Trotz grosser Bedenken verschiedener Kreise ist die Mehrheit des Parlaments dem Antrag des Bundesrats gefolgt. Während die SVP geschlossen der Verschleuderung dieses riesigen Milliardenbetrags eine Absage erteilt hat und die Grünen sich vor allem enthielten, stimmten die übrigen Bundesratsparteien der Vorlage mehrheitlich zu, mit einigen erwähnenswerten Ausnahmen. Bei den Grünen waren dies Geri Müller und Daniel Vischer und bei der CVP Jakob Büchler, Ruedi Lustenberger, Arthur Loepfe und Pius Segmüller. Dass der Antrag der SVP, das Geschäft dem Referendum zu unterstellen, abgelehnt wurde, wird beim wahren Souverän, dem Schweizer Volk, noch zu reden geben.

Herr Nationalrat Lustenberger, warum haben Sie den IWF-Kredit abgelehnt?
Aus grundsätzlichen Überlegungen. Zudem hatte ich nichts übrig für das Taktieren der SP.

Was war die Taktik der SP?
Sie hat ihr Ja zum IWF-Kredit gekoppelt an eine Erhöhung der Entwicklungshilfe. Das ist politisch zwar legitim; trotzdem hat das Manöver bei mir den Eindruck einer Erpressung hinterlassen. Solche Aktionen beeindrucken mich nicht, ich bin auf diesen Kuhhandel nicht eingestiegen.

Und was sind Ihre grundsätzlichen Vorbehalte zum IWF-Kredit?
Gegenüber dem IWF bin ich sehr kritisch. Das ist eine Monsterorganisation geworden, die wahrscheinlich die Kontrolle über das, was sie tut und was sie selbst zu beurteilen hat, nicht mehr ganz im Griff hat. Ich traue der ganzen Organisation nicht mehr.

Warum?
Die ganze Finanzwelt oder besser die Finanzsysteme auf dieser Welt, und dazu gehören auch die Nationalbanken, sind nicht mehr überschaubar. Die Staatshaushalte weisen zum Teil riesige Defizite von mehreren Billionen Franken auf. Das Ganze hat eine Grösse und ein Ausmass angenommen, das nicht mehr kontrollierbar ist.
Wenn die Schweiz in dieses Räderwerk und in diese Entwicklung allzu fest involviert wird, ist das Risiko, dass wir irgendwann Milliardenverluste einfahren, so gross geworden, dass ich nicht mehr bereit bin, mit meiner Stimme das Risiko mitzutragen. Dazu kommt noch, dass bekanntlich zwei Drittel der Goldreserven der Nationalbank den Kantonen gehören. Aber die werden nicht einmal gefragt. Das Parlament entscheidet über die Köpfe der Kantone hinweg. Gegenüber dem Schweizer Volk konnte ich das nicht mehr verantworten, und deshalb habe ich nein gestimmt.

* * *
Herr Nationalrat Müller, warum haben Sie nein gestimmt?
Der IWF ist ein Instrument zur Rettung von Währungsinstabilitäten, hat sich jetzt aber offenbar zu einem Schuldentilger gewandelt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass man mit der Hilfe Schwierigkeiten hatte, vor allem weil man in die Infrastruktur der Länder eingriff. Später hatte man Mühe, den Staat wieder aufzubauen, weil man die wichtigsten Leute in der Verwaltung entlassen hatte.
Man hat Länder mit finanziellen Schwierigkeiten ganz bewusst von aussen attackiert, hat sie damit ausgeplündert, ihnen einen Kredit gewährt, den sie nachher gross­artig an ihre Bank zurückgezahlt haben und somit wieder pleite gewesen sind. Es ist ein völlig falscher Mechanismus.
Es hat mittlerweile Reformen gegeben, die aber auch noch nicht abgesichert sind. Und ich sage mir, bevor wir solch einen hohen Kredit sprechen, muss man erstmal verstehen, was in den einzelnen Ländern los ist. Ehrlich gesagt, Irland hat sich verspekuliert mit der Steuerbefreiung vieler Firmen. Griechenland hat Jahrzehnte keine Steuern eingefordert, hat aber riesige Waffenkäufe vorgehabt, die es nicht finanzieren konnte usw., usw.
In Spanien gibt es ein Immobiliendesaster, das schon vor drei, vier Jahren absehbar gewesen ist. Das Regime der EU mit den Konvergenzkriterien etc. hat nicht funktioniert, obwohl es seit zwei, drei Jahren Kritik dazu gibt. Aber man hat es nicht korrigiert. Niemand wollte es korrigieren.

* * *
Herr Nationalrat Büchler, warum haben Sie nein gestimmt?
Wenn man weiss, wie geizig das Parlament sich verhält, wenn es um die Armee geht, habe ich Mühe damit. Unsere Armee ist hat Nachholbedarf. Ein Grund dafür ist, dass das Parlament dem Militär immer mehr Mittel entzieht. 3,87 Milliarden in den letzten 12 Jahren und hier gibt man es einfach so locker aus. Natürlich ist die Zusammenarbeit mit dem Ausland wichtig, die ist auch mir wichtig. Aber einfach einen Betrag mir nichts dir nichts ausgeben, damit habe ich schon sehr Mühe. Warum ist man so geizig, wenn es um unser eigenes Land geht, um unsere eigene Sicherheit, das fällt mir schon schwer, das zu verstehen. Mein Nein war bewusst. Nicht weil ich nicht gewusst hätte, was stimmen.
Wir sind ohne Absicherung dort hineingelaufen, und wenn das schiefgeht, dann ist das unheimlich viel Geld. Natürlich sagt man jetzt, das sind Mittel von der Nationalbank, aber das ist Volksvermögen. Hier ist man also sehr grosszügig. Das kann ich nicht mittragen. Ich kann nicht ja stimmen, wenn ich innerlich ein Nein habe. Damit habe ich nicht das gemacht, was die Mehrheit der Partei sagt, ausser der KMU-Club. Wir stimmen nicht immer gegen die Fraktion, aber diesmal ging es nicht anders. Ohne Gegenwert das zu tun ist eine Katastrophe. Und wenn es in Europa noch mehr scheitert und es noch mehr Überschuldungen bei den EU-Staaten gibt, wird das Geld verpuffen, und wir können diesem dann hinterherschauen.

Mittwoch, 9. März 2011

Islamisierung Deutschlands

Verfassungswidrigkeit islamischer Religionsausübung in Deutschland

Karl Albrecht Schachtschneider

Muslime dürfen in Deutschland Moscheen und Minarette bauen, sogar den Muezzin zum Gebet rufen lassen und vieles mehr. All das verherrlicht die Herrschaft Allahs, nicht nur die jenseitige, sondern auch die diesseitige; denn der Islam ist nicht nur Glaube, sondern für den Gläubigen auch Recht. Das höchste Gesetz ist die in dem Koran und der koranischen Tradition gründende Scharia, die, von Allah für die ganze Menschheit herabgesandt, von Muslimen nicht mißachtet werden darf. Jede Politik muß mit diesem Gesetz Gottes übereinstimmen. Darüber wachen alle Muslime, jeder einzeln und alle zusammen, die Umma, vor allem die theologischen Rechtsgelehrten. Das islamische Gemeinwesen ist ein Gottesstaat. Moscheen, Minarette und Muezzin aber auch die Kleidung vieler Musliminnen rufen nach der Islamisierung der Lebensverhältnisse, sind darum bemüht, Deutschland als ein Haus des Vertrages in ein Haus des Islam umzuwandeln.

Diese Islamisierung wird wegen einer Religionsfreiheit nicht nur von Bund und Ländern hingenommen, sondern von weiten Teilen der Gesellschaft, vor allem von Kirchen, Medien und Parteien, eifrig gefördert; denn Deutschland will als Hort der Menschenrechte der Welt ein Vorbild sein. Eine derart weitgehende Religionsfreiheit gibt es aber weder als Menschenrecht noch als Grundrecht. Das Grundgesetz kennt kein Grundrecht der Religionsfreiheit, sondern in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG drei allgemeine Religionsgrundrechte, die Freiheit des Glaubens, die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses und die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung. Diese Grundrechte faßt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung zu dem Grundrecht der Religionsfreiheit zusammen. Es hat sich damit einen eigenen Grundrechtstext gegeben, freilich verfassungswidrig. Das Gericht stellt diesem Grundrecht, das es als vorbehaltlos ansieht, lediglich andere verfassungsrangige Prinzipien oder Grundrechte Dritter entgegen, mit denen ein schonender Ausgleich gesucht wird. Damit hat diese Religionsfreiheit höchsten Verfassungsrang. Materiell soll das Grundrecht das Recht schützen, zu leben und zu handeln, wie die Religion es gebietet. Dadurch wandelt das Gericht die Grundrechte, welche die religiöse Welt schützen, in ein Grundrecht der politischen Welt. Die vermeintliche Religionsfreiheit wird zur stärksten politischen Bastion des Islam.

Das Gegenteil dieser Praxis und Lehre ist die Rechtslage. Die Religionsgrundrechte geben keine politischen Rechte. Sie schützen die Zweite Welt vor der Ersten Welt, schützen das religiöse Leben im Staat. Aber Religionen dürfen auf das politische Leben keinen Einfluß gewinnen. Mehr als ihre Duldung, die Toleranz des Staates und der Bürger, können sie nicht beanspruchen. Nicht nur der Staat hat den Religionen gegenüber Neutralität zu wahren, sondern auch die Gläubigen dem Staat gegenüber. Die Bürger müssen in der Republik bürgerlich sein und die Republik darf das Religiöse nicht in die Politik eindringen lassen. Welche der vielen Religionen, die unterschiedliche Lebensordnungen predigen, sollte für die Politik verbindlich sein? Die religionsrechtliche Gleichbehandlungspflicht läßt nur eine prinzipiell laizistische Republik zu. Keine religiöse oder weltanschauliche Minderheit muß sich von einer religiösen Mehrheit beherrschen lassen. Die beiden Welten, die des Jenseits und die des Diesseits, die Gottes und die des Kaisers, heute der Republik, sind im freiheitlichen Gemeinwesen unabhängig voneinander. Das gebietet die Säkularität der aufklärerischen Republik und ist das Grundgesetz des Religionspluralismus. Die Säkularität ist in der Republik, deren Politik die Bürger bestimmen, notwendig die innere Trennung des Religiösen vom Politischen. Die Säkularität gehört zur politischen Sittlichkeit der Bürger. Eine Religion, welche der Politik die Maximen vorgibt, ist somit nicht republikfähig. Nur äußerlich und innerlich säkularisierten Religionen gibt das Grundgesetz Ausübungsschutz. Das Christentum ist säkularisiert, seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil auch der Katholizismus.

Diese rechtliche Argumentation ist unausweichlich. Die Freiheit des Glaubens und die des Bekenntnisses sind nach Art. 4 Abs. 1 GG »unverletzlich«, also überhaupt nicht einschränkbar. Das hat Rückwirkungen auf die Materie dieser Grundrechte. Sowohl der Glaube als auch das Bekenntnis sind Vorstellungen und Einstellungen des Menschen, die ihm niemand streitig machen kann. Es ist menschheitswidrig, den Menschen einen Glauben oder ein Bekenntnis vorzuschreiben. Bekenntnis ist aber nicht das verbale und tätige Bekennen des Glaubens, sondern das Credo, das Glaubensbekenntnis. Die Gewissensfreiheit, wie die Freiheit des Bekenntnisses seit dem Augsburger Religionsfrieden bis zur Weimarer Reichsverfassung genannt wurde, charakterisiert geradezu die europäische Kultur. Der Staat darf den Untertanen nicht das Bekenntnis vorschreiben. »Cuius regio eius religio« von 1555, ein großer Schritt zum Religionspluralismus, gilt nicht mehr, sondern mit dem großen Friedrich: Jeder nach seiner Facon. Die Bekenntnisfreiheit ist vielleicht das wichtigste Menschenrecht, aber es gibt keinerlei politische Rechte. Ein religiöses Handlungsrecht im privaten und öffentlichen Bereich räumt Art. 4 Abs. 2 GG ein, die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung. Dieses Grundrecht, das Kultus, Diakonie oder Caritas, Religionsunterricht und anderes schützt, steht ausweislich Art. 136 Abs. 1 WRV, der durch Art. 140 GG in das Grundgesetz inkorporiert ist, unter dem Vorrang »der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten«, also der Gesetze. Dieser Vorrang ist für den republikanischen Religionspluralismus zwingend. Das Bundesverfassungsgericht hat ihn im Gegensatz zum Bundesverwaltungsgericht beiseite geschoben und schon damit sein Unverständnis für die Grundlagen einer Republik gezeigt. Der Vorrang des Bürgerlichen und Staatlichen ist kein das Grundrecht der ungestörten Religionsausübung beschränkender Gesetzesvorbehalt oder Verfassungsvorbehalt, sondern Materie dieses Grundrechts. Er begrenzt das durch Art. 4 Abs. 2 GG gewährleistete Recht zur Religionsausübung. Dieses ist kein Recht, Bürger oder Staat mit religiösen Maximen einzuschränken, kein Recht zur Politik. Das Grundrecht der Religionsausübung schützt die jenseitige Zweite Welt, in der Gottes Wort verbindlich ist, vor dem Staat und vor Dritten, aber nur insoweit, als die Gläubigen die republikanische Neutralität wahren und die Erste Welt der Politik nicht nach ihrem Glauben gestalten wollen. Nur im Rahmen der Gesetze des Staates darf der Gläubige religiös handeln und die allgemeine Gesetzgebungshoheit des Staates wird durch die Religionsgrundrechte nicht beschränkt. Freilich darf der Staat nicht in die Zweite Welt des Religiösen hineinregieren. Nur die Zwei-Welten-Lehre wird in der Republik dem religiösen Leben gerecht. Dennoch ist der Staat wegen des Wertgehalts der Religionsgrundrechte gehalten, die religiöse Entfaltung schützend und fördernd zu ermöglichen. Man spricht von der Religionsfreundlichkeit des Staates. Das Religiöse ist aber privat und nicht staatlich. Privatheit und Öffentlichkeit sind kein Widerspruch. Wer somit eine Politik durchsetzen will, kann sich nicht auf die Religionsgrundrechte berufen. Die Menschenrechte ergeben keine andere Rechtslage.

Dasselbe Ergebnis ergibt sich aus dem Freiheitsprinzip des Grundgesetzes. Freiheit ist nicht etwa das klägliche Abwehrrecht des Untertanen gegen die Obrigkeit, in bestimmten Bereichen nicht bevormundet zu werden. Sie ist vielmehr das Recht, unter eigenen Gesetzen zu leben, die Autonomie des Willens, die politische Freiheit. Art. 2 Abs. 1 GG definiert die Freiheit ganz im Sinne des Weltrechtsprinzips des Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte als jedermanns »Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, sofern er nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz verstößt«. Das Sittengesetz, der kategorische Imperativ, ist der Schlüsselbegriff des Grundgesetzes. Politische Freiheit eignet jedem Bürger. Sie ist allgemein. Wenn jeder unter dem Gesetz leben will, das er selbst gibt, müssen alle Bürger zu einem übereinstimmenden Gesetz finden; denn Gesetze gelten allgemein. Das verlangt allgemeine Sittlichkeit, d. h. das Rechtsprinzip zur Maxime des Handelns, zumal bei der Gesetzgebung, zu machen. Ein solches Bemühen ist moralisch. Die Verwirklichung dieser Sittlichkeit organisiert die Republik unmittelbar oder mittelbar demokratisch. Was Gesetz werden soll, bedarf der Erkenntnis des Richtigen für das gute Leben aller auf der Grundlage der Wahrheit. Nicht die Herrschaft der Mehrheit ist demokratisch, sondern diese Erkenntnis des gemeinen Wohls, die so organisiert sein muß, daß das Volk bestmöglich in den Erkenntnisprozeß eingebunden ist, eine Aufgabe der Medien, die insofern weitgehend versagen. Dem Parteienstaat gelingt die Rechtserkenntnis zunehmend weniger. Aber das ändert die Verfassungslage nicht. Gebote oder Verbote von Religionen, die unterschiedliche Lebensordnungen mit höchster, nämlich göttlicher, Verbindlichkeit verbinden, sind wegen des Religionspluralismus als Maximen der Politik ungeeignet. Sie können schon deswegen nicht zum Konsens führen, weil sie aus einer Schrift abgeleitet werden, die nicht für alle Bürger heilig ist. Sie sind nicht offen für die Verwirklichung der formalen Freiheit. Der Bürger, der durch die politische Freiheit definiert ist, muß sich somit verallgemeinern, d.h. er muss als Vernunftwesen zu handeln versuchen. Wer seine Interessen und sei es seine Religion durchzusetzen versucht, ist kein republikanischer Bürger, sondern versucht, sich das Gemeinwesen dienlich zu machen. Das ist die Handlungsweise vieler, wenn nicht der meisten Menschen, ändert aber nichts an der Rechtslage. Ein Volk lässt angesichts der dualistischen Natur der Menschen nur die Annäherung an die gebotene Sittlichkeit erwarten. Empirie ersetzt aber nicht Recht. Ein Bürger drängt anderen Menschen nicht seine Vorstellungen von Gott, vom ewigen Leben und von der Unsterblichkeit der Seele, seine Religion also, auf, schon gar nicht durch ein für alle verbindliches Gesetz. Der Glauben hat nicht die weltliche Wahrheit zum Gegenstand und vermag darum zum richtigen Gesetz für die Welt nichts beizutragen.

Ein weiteres Argument, das schwerlich widerlegt werden kann, ist die Verpflichtung des Staates und damit jedes Bürgers auf die freiheitliche demokratische Grundordnung, die »verfassungsmäßige Ordnung« des Grundgesetzes. Diese begrenzt auf Grund vieler Bestimmungen, etwa Art. 2 Abs. 1 GG, der die allgemeine Freiheit schützt, und Art. 9 Abs. 2 GG, die konstitutionellen Vereinsverbote, das politische Handeln, besonders klar durch das Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 GG. Danach »haben alle Deutschen gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung (d.i. die freiheitliche demokratische Grundordnung) zu beseitigen, das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist«. Es wäre widersprüchlich, wenn ein Grundrecht ein Handeln schützt, gegen das alle anderen Bürger Widerstand zu üben ein Grundrecht haben. Wie immer man den Begriff des gegen die Ordnung des fundamentalen Art. 20 GG gerichteten Unternehmens einengt, es gibt keinen Grundrechtsschutz für eine solche Politik. Das Bemühen, den Islam in der Welt durchzusetzen, ist ein solches Unternehmen. Dieser Dschihad gehört zu den Pflichten jedes Muslims. Er erfüllt sie auch durch die Errichtung heiliger Stätten des Islam, ja durch jedes Gebet, das die Herrschaft Allahs erbittet, solange der Islam nicht nachhaltig säkularisiert ist. Alle politischen Grundrechte sind durch die freiheitliche demokratische Grundordnung begrenzt. Deswegen können sie nach Art. 18 GG verwirkt werden, wenn sie zum Kampf gegen diese Ordnung mißbraucht werden. Die Grundrechte des Art. 4 GG können nicht verwirkt werden. Sie geben deshalb nicht etwa einer religiös begründeten Politik besonders starken Grundrechtsschutz, wie es das Bundesverfassungsgericht in einem argumentativen Fehlschluß ausgesprochen hat, sondern überhaupt keinen Grundrechtsschutz für politisches Handeln. Religiosität rechtfertigt keine Politik in der Ersten Welt des Staates. Den Grundrechtschutz der Freiheit des Glaubens, des Bekenntnisses und der (schmalen) Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung, etwa den Kirchgang, zu verwirken, wäre nicht zu rechtfertigen, weil das Leben in der Zweiten Welt des Religiösen die Ordnung des Staates nicht gefährden kann, wenn es im Rahmen der Grenzen der Religionsgrundrechte bleibt.

Der Islam ist mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar. Er verlangt nach dem Gottesstaat. Jede Herrschaft von Menschen über Menschen ist durch Allah befohlen. Demokratie, Gewaltenteilung, Opposition sind dem Islam wesensfremd. Die Menschenrechte stehen in der islamischen Gemeinschaft unter dem Vorbehalt der Scharia. Der Koran und die koranische Tradition und damit auch die Scharia mit den Hudud-Strafen (Steinigen, Köpfen, Amputieren, Auspeitschen) sind das höchste Gesetz. Der Islam akzeptiert, abgesehen vom Übertritt zum Islam, die Religionsfreiheit nicht. Apostasie wird schwer, auch mit dem Tode, bestraft. Freiheit besteht im koranischen Leben. Männer und Frauen haben nicht die gleichen Rechte usw.

Es gibt viele Muslime, die nicht islamisch leben, aber Muslime bleiben wollen und sich die Säkularisation ihrer Religion wünschen. Aber sie werden sich nicht durchsetzen. Über die Einheit von Religion und Politik wacht die Umma, die Gemeinschaft aller Muslime. Oft werden Säkularisationsbestrebungen als Apostasie verfolgt. Der Schutz aus Art. 4 Abs. 2 GG, die Gewährleistung der ungestörten Religionsausübung, setzt die nachhaltige Säkularisation voraus. Die Unterscheidung von Islam und Islamismus, der mit Gewalt den Islam durchzusetzen versucht, hilft nicht, weil der Islam in seinem Kern politisch und unvereinbar mit der grundgesetzlichen Verfassung in ihrem Kern ist. Dialogische Beschwichtigungen gehen an der Verfassungsrechtslage vorbei.

Viele Staaten, in denen vornehmlich Muslime leben, sind nicht völlig islamisiert, etwa die Türkei nicht, in deren Verfassung der Laizismus festgeschrieben ist. Es gibt viele Einflüsse des Westens auf diese Staaten, die aber seit etwa einem halben Jahrhundert mehr und mehr zurückgedrängt werden. Allein durch ihre demographische Entwicklung haben die muslimischen Völker an Macht gewonnen und sind nicht mehr bereit, sich vom Westen bevormunden zu lassen, zu Recht. So sehr die Menschenrechte universal sind, so wenig ist es gerechtfertigt, anderen Völkern diese zu oktroyieren. Humanitäre Intervention ist, außer auf Beschluß der Vereinten Nationen, um Völkermord zu unterbinden, völkerrechtswidrig. Aber die Europäer haben das Recht und die Pflicht, ihre Verfassungen und damit ihre Kultur zu verteidigen und dürfen nicht auf Grund einer irregeleiteten Dogmatik der Religionsfreiheit ihre aufklärerischen und im übrigen im Christentum verankerten Lebensprinzipien, die in revolutionären Kämpfen in Jahrhunderten durchgesetzt wurden, gefährden. Wer die islamische Scharia in Deutschland einführen will, unternimmt es, die grundgesetzliche Ordnung zu beseitigen. Widerstand gegen Verfassungsfeinde ist sittliche Pflicht jedes Bürgers.

Ich habe die skizzierte Dogmatik in der kürzlich im Verlag Duncker& Humblot, Berlin, erschienenen Schrift: Grenzen der Religionsfreiheit am Beispiel des Islam, näher dargelegt.


Berlin, 11. Februar 2011

K.A. Schachtschneider